"Profitorientierung" Deutsche Wohnen / Lage 200

Zum Themenbereich Mietendeckel in Berlin spricht Ulf von den verschiedenen Vermietern.

Einige private Vermieter werden als fair hervorgehoben andere, spezifisch die Deutsche Wohnen, haben sich laut Ulf dem „maximalen Profit“ verschrieben (oder eine ähnliche Formulierung, Wortlaut nicht mehr im Kopf)

Diese Perspektive finde ich aus zwei Gründen problematisch:

1) Es ist die Aufgabe von Unternehmen, insb. börsennotierte Aktiengesellschaften, Profite zu erwirtschaften und das ist gut

Mein Problem mit der Formulierung ist, dass es so wirkt als würde ein Unternehmen aus eigenem Antrieb und latent dunklen Motiven Profit suchen und dabei eben Mieter ausnehmen.

Das ist nicht so. Wie in einer anderen Folge der Lage bereits von Philipp erläutert - haben die Organe einer AG insb. börsennotiert - die Aufgabe Profite für Ihre Gesellschafter zu erarbeiten. Das führt auf der einen Seite dazu, dass Preise steigen, auf der anderen Seite gibt es einen permanenten Druck Kosten bzw. Steigerung von Effizienz um also aus weniger Ressourcen mehr zu machen.

Die Profite fließen an die Gesellschafter/Aktionäre und das ist potenziell jeder Mensch oder jede Organisation. Zum Beispiel auch solche Anleger die heute direkt oder zum Beispiel über einen Dax ETF sparen, um in 20 Jahren eine Rente zu haben.

Die Profitorientierung von Unternehmen ist gut
Die Orientierung von Unternehmen an Profit ist gut und richtig - denn sie führt zu einer Gewaltenteilung die wichtig und sinnvoll ist.

Ebenso wie ein Richter / die Judikative nicht die Aufgabe hat Policy Entscheidungen zu treffen, hat ein Unternehmen nicht die Aufgabe zu Entscheiden, welche Höhe von Mieten oder anderen Preisen angemessen ist - der Maßstab für den Richter ist das Gesetz, für Unternehmen der Profit. Die Gesellschafter entscheiden darüber was mit dem Profit passiert und messen Unternehmen generell daran wie profitabel sie sind (und sich natürlich an Gesetze halten).

Wenn ein Unternehmen, wie die Deutsche Wohnen, spontan entscheiden würden „faire“ Mieten zu verlangen und dafür geringere Profite in Kauf zu nehmen, wäre das äquivalent dazu das ein Richter entscheiden würde bestimmte Gesetzte zu ignorieren, weil diese nicht fair sind.

Beides wäre nicht die Aufgabe der Organe:

  • Richter haben den Auftrag Gesetzte, die von der Legislative geschaffen werden auszulegen.

  • Unternehmen haben den Auftragt durch das Erhöhen von Preisen und Senken von Kosten den Profit für die Gesellschafter zu erwirtschaften.

Genauso wie keine gute Idee ist die Aufgabe von Judikative und Legislative zu vermischen. ist es keine gute Idee von Unternehmen sowohl Profit (für u.a. Rentenkassen) zu verlangen als auch moralische/Policy Entscheidungen auf Unternehmen abzuwälzen.

Wo liege ich falsch? Was habe ich nicht richtig verstanden oder Kausalitäten falsch erfasst?

Ich glaube wir diskutieren hier auf verschiedenen Ebenen. Ich habe der Deutschen Wohnen nicht in einem moralischen Sinne vorgeworfen, dass sie maximalen Profit erwirtschaften will, ich habe das einfach nur festgestellt.

Die frühere Erläuterung, dass Unternehmen nun einmal dazu angehalten sind, Profit zu erwirtschaften, stammte übrigens ebenfalls von mir -
der Punkt kam sogar schon öfters.

1 „Gefällt mir“

Abgesehen davon: ist das „ignorieren von Gesetzten, weil sie nicht fair sind“ nicht genau Teil richterlicher Tätigkeit? Dafür gibt es doch solche Instrumente wie „Treu und Glauben“, richterliche Rechtsfortbildung und Normenkontrollklagen. Weil wir eben, wie an anderer Stelle in der Folge ausgeführt, in einer gewichteten Rechtsordnung leben, in der positives Recht nicht zwingend das letzte Wort hat und „unfaire“ Gesetze und privatrechtliche Vereinbarungen auch widerrechtlich sein können, wenn sie dem Wortlaut des Gesetzes genügen. Es gilt die Unantastbarkeit der Menschenwürde, es gilt der Gleichstellungsgrundsatz, und es gilt eben auch „Eigentum verpflichtet“. All dies gilt vor Profitmaximierung.

  • Entschuldige mich für den Fehler der Assoziation bzgl. der Anhaltung von Unternehmen zum Profit.

  • War dann genau das Missverständnis, dass die Profiterwirtschaftung nicht moralisch gemeint war :slight_smile:

kein Problem! Mir war es nur wichtig, das klarzustellen. Denn ich finde es auch problematisch, wenn man Menschen, die in Unternehmen Verantwortung tragen, abverlangt, sich besonders „nett“ zu verhalten: Wenn das nämlich Geld kostet und sich nicht irgendwie positiv auf den Unternehmensertrag auswirkt, dann ist man schnell im Bereich der Untreue oder jedenfalls in einem Bereich, wo zB auf einer Hauptversammlung sehr kritische Fragen gestellt werden.

Daher spielen wir in der Lage bei „ethischen“ Fragen den Ball immer an den Gesetzgeber: Er muss klare Regeln aufstellen, die Verantwortliche in Firmen dann zB über Compliance-Anforderungen in ihrem Unternehmen umsetzen können.

Liegen wir damit grob auf einer Linie?

Die Mietdebatte ist grundsätzlich ein extrem interessantes Gebiet in diesen Jahren.
Um etwas beizutragen möchte ich folgendes mit in den Diskussionstopf werfen:

Zwei Beispiele hierzu, die sich grotesk gegenteilig anhören:

  1. Ich wohne in einer Genossenschaftsneubauwohnung (2,5 Jahre alt) und zahle 12,70 Euro Kaltmiete pro QM. Und zwar in Karlsruhe. Diese Genossenschaft hat es nicht geschafft günstiger zu bauen und verlangt zumindest ein kleines Bisschen weniger als der freie Markt. Aber bin ich der einzige, der es bedenktlich findet, wenn schon eine Genossenschaft es nicht günstiger schafft ?

  2. Meine Partnerin hat ein Grundstück geerbt. Dieses kleine Grundstück wurde vom Acker zum Bauland. Nach monatelangen Kalkulationen und Gesprächen mit Fertighausanbietern hat sie sich entschlossen NICHT zu bauen. Wieso? → Es ist wahrscheinlich keine Kaltmiete (erwartbar dort ca. 9 - 9,50 Euro) zu bekommen welche eine Investition rentabel machen würde. Der Ort liegt ca 20KM außerhalb der Großstadt. Die Baukosten sind einfach zu hoch bei der zu erwartenden Miete. Es müssten schon mindstens 10 Euro Kaltmiete sein. Und selbst dann wäre es gerade so rentabel.

Wir haben es also mit 2 Phänomänen zu tun.

  1. Extreme Baukosten / Auflagen, sowie eine Nachfragesituation bzgl. Material und Handwerker, welche das Bauen sehr teuer machen (Beispiel: Ein Keller ist unglaublich teuer geworden aufgrund des Baubooms. Abtransport des Aushubs etc…, dazu diverse neuere Bauauflagen, welche richtig Geld kosten)

  2. In Ballungsräumen bzw. wirtschaftlich starken Regionen, künstlich Hohe Mieten aufgrund des nicht ausreichenden Neubaus der letzten Jahre, des Zuzugs durch neue Arbeitnehmer…auf der einen Seite. Und zweitens des Trends durch Renovierung und Aufwertung der Immobilien den besten Hebel für Wert und Mietsteigerungen zu realisieren. Politisch gewollt und gefördert durch gute Abschreibungs und Umlagemöglichkeiten. In Kombination ergibt dies eine relativ toxische Mischung für den Normalbürger bzw. den Mietpreis.


Über Dinge wie das mutwillige Verramschen von öffentlichem Wohnungsbesitz (wie in Dresden) brauchen wir gar nicht erst sprechen. Das sind extreme Auswüchse einer inkompetenten / lobbyorientierten Politik. Sowas kann man auch anders lösen.

Das Problem der hohen Bau und Grundstückskosten ist meiner Meinung nach aber das Hauptproblem.

Wir haben uns bewusst dazu entschieden zur Miete zu wohnen, da selbst bei diesen Preisen, die Mieten weniger stark stiegen als die Baukosten bzw. die Kosten eines Eigenheims über die Lebensdauer…

1 „Gefällt mir“

Jap, damit liegen wir ziemlich genau auf einer Linie! Der Punkt bzgl. der Untreue ist ein weiteres Argument, hatte ich gar nicht auf dem Schirm.

Ich möchte ein weiteres Beispiel aus dem Münchner Speckgürtel einbringen.

Wir werden in ~1,5 Jahren in eine Genossenschaftswohnung einziehen. Die Wohnbaugenossenschaft wurde vor gut 5 Jahren gegründet und baut derzeit ihr erstes Objekt mit 30 Wohneinheiten auf 4 Stockwerken. Aufgrund der räumliche Knappheit benötigen wir eine Tiefgarage und einen Aufzug für Barrierefreiheit. Durch den Anschluss an die Fernwärme gibt es in den Wohnungen Fußbodenheizungen. Die Wohnungen werden ansonsten zeitgemäß aber nicht unbedingt luxuriös ausgestattet (z.B. müssen Küchen von den Mietern gekauft werden).

Trotz einiger Kostenoptimierungen in der Bauweise und den verwendeten Materialien wird unsere Kaltmiete bei 14-15€/qm liegen. Das ist für die Gegend nicht wahnsinnig viel, aber trotzdem im Vergleich etwas erschreckend, dass es eben wirklich nicht günstiger geht.

Da du die Austattung ansprichst. Wir haben auch keine besondere Ausstattung bei den 12,70 Euro Kaltmiete. Keine Fussbodenheizung. Kein besonderer Boden (mittelgutes Vinyl).
Viele Baumängel wie schiefe und knarzige Böden, Wasserschäden durch schlecht verbaute Abwassenleitungen etc… !

Ein Highlight sind die Zwangslüftungsanlagen wegen der guten Dämmung. Ja richtig. Ist Vorschrift,
weil das Gebäude zu gut gedämmt ist. Damit es nicht schimmelt…Duch die Kanalschächte der Lüftung ist es in der Küche nicht möglich Oberschränke aufzuhängen… super oder ? :slight_smile:
Die Lüftungsanlage zieht natürlich konstant 30 Watt… 24h am Tag… Suppa. Sie kühlt auch nicht.
Man hört sie auch konstant. Noch ein plus… Im Sommer stirbt man vor Hitze… Denn alles ist auf Energiesparen im Winter ausgelegt. Sommer Egal… Klimaanlage wäre bei Eigentum die Konsequenz ! Die würde von Mai bis September laufen… Ich frage mich, ob das alles so sinnvoll ist…

Küche natürlich auch selbst gekauft (was ich gut finde, denn die Standardküchen sind meistens nichts für Leute die gern kochen…wäre für mich also ein Anti Kriterium). Aber auch mit Fernwärme…
Letztere macht es auch nicht grad günstiger :slight_smile: Das ist ja was ich meine…
Die Vorschriften machen es unnmöglich günstig UND modern bzw. umweltfreundlich zu bauen.

Und diesem Fakt wird in den medialen Diskussionen nicht ausreichend Rechnung getragen.
Man kann eben nicht alles haben. Alles hat Konsequenzen. Auch wenn gerne so getan wird als
wäre es nicht so.

Ich würde noch einen Schritt weiter gehen. Die Bodenpreise und ihre Verteilung in der Bevölkerung sind das Hauptproblem und machen ca. 84% des Hauspreisanstiegs in 14 Industrienationen seit dem 2. Weltkrieg aus. Siehe LdN 200 Wohnungspolitik vom Boden her betrachtet für mehr :wink:

Langfristig evtl. ja. In unserer derzeitigen Situation → Jain.
bzw lass es mich anders sagen. Das eine ist langfristig normal.
Deswegen ist der Bodenpreis auf lange Sicht auch der wichtige Faktor.

ABER

Das andere (jetzt wichtige) sind die Ergebnisse der Zins/Geldpolitik und der politischen Entscheidungen der letzten 20 Jahre (Auflagen, Verordnungen), wellche das Bauen brutal
teuer machen.

Ich habe in einem anderen Thread von einem konkreten Bauprojekt meiner Freundin berichtet.
Geerbtes Grundstück wurde Bauland. Das einzige was das Bauland richtig teuer machte /
macht sind die brutal hohen Erschließungskosten (ca 40k Euro). Das darf man nicht vergessen.

Allein der Bau des Fertighauses muss bereits so knapp kalkuliert werden, dass er sich mit der zu erwartenden Miete in dem Ort (Süddeutschland) kaum rechnet. Daher hat sich meine Freundin gegen einen Bau entschieden und lässt das Grundstück erstmal liegen… Vielleicht wird das Bauen mal billiger wenn der Boom vorbei ist… Zur Zeit werden Mondpreise für viele Leistungen verlangt.