Hallo Lageforum,
ich habe noch eine Ergänzung zur Bundespressekonferenz und den ethischen Erwägungen, die die Vorsitzende des Ethikrats Prof. Buyx zu Privilegien für Geimpfte angestellt hat.
Sie nennt in der BPK zwei Argumente gegen solche Privilegien:
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Fehlende Kenntnisse zu steriler Immunität (können Geimpfte das Virus trotz der Impfung übertragen?)
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Die ethische Erwägung, die Philip dargestellt hat: Die Gemeinschaft lässt mit guten Gründen besimmten Risikogruppen den Impfvortritt. Dann wäre es aber ungerecht, wenn diese Gruppen auch noch zusätzliche Privilegien erhielten.
In der Stellungnahme Immunitätsbescheinigungen in der Covid-19-Pandemie aus September hat sich der Ethikrat etwas anders positioniert. (Damals ging es vor allem um Immunität und Nichtifektiosität aufgrund durchstandener Infektion)
Es wird in der Bundespressekonferenz nicht ganz klar, inwieweit Frau Prof. Buyx mit der Ablehnung eines Impfausweises eine offizielle Position des Ethikrates wiedergibt und inwiefern sie nur für sich als Expertin spricht.
In der Stellungnahme aus September war der Ethikrat in zwei gleich große Lager geteilt und hat keinen Kompromiss erarbeitet:
„Während Position A Maßnahmen empfiehlt, die im Zusammenhang mit Immunitätsbescheinigungen nach erfolgter Genesung sinnvoll erscheinen können, hält Position B die Einführung einer Immunitätsbescheinigung in Zukunft auch dann für nicht verantwortbar,
wenn eine Immunität und Nichtinfektiosität der Betroffenen
zuverlässig nachweisbar wäre.“
Der Ethikrat hat also im September einen Immunitätsausweis (an den uU bestimmte Privilegien geknüpft sind) nur abgelehnt, soweit und solange nicht klar ist, wann und inwieweit die Menschen immun und nichtinfektiös sind.
Inwieweit der Impfstoff die Nichtinfektiosität gewährleistet, ist meines Wissens noch immer unklar. Aber: was, wenn? Für diesen Fall weiß ich nicht sicher, ob Frau Prof. Buyx mit der Ablehung die Position des Ethikrates wiedergegeben hat, die dann von der im September abweichen würde. Es gäbe ja auch einen Unterschied zu der Fragestellung im September: damals ging es um die durchstandene Erkrankung (die nicht verteilt wird) heute geht es um die Impfung (die verteilt wird).
Drei Aspekte, die ich persönlich ansprechen möchte:
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Für Nichtgeimpfte bliebe alles wie es ist. Die Nichtgeimpften werden also nicht schlechtergestellt als aktuell. Es ist mE verfehlt, die Privilegienverteilung als eine Verteilgungsfrage im klassischen Sinn zu behandeln. (Wer bekommt wie viel einer knappen Ressource?)
Das setzt nämlich voraus, dass man die Ressource prinzipiell an alle verteilen könnte und nur wegen ihrer Knappheit eine Entscheidung treffen muss. So ist es hier gerade nicht. Denn es ist von vornherein (auf Grundlage der hier nicht zur Debatte stehenden sinnvollen Coronaregeln) ausgeschlossen, dass die Nichtsterilimmunedie entsprechenden Privilegien erhalten. Das Privileg des einen ist also gerade nicht der zwangsläufige Nachteil des anderen: der andere hätte das Privileg nämlich sowieso nicht erhalten.
B kann also nicht deshalb nicht ins Kino gehen, weil der geimpfte A das darf und alle Plätze wegnimmt. B könnte wegen der Pandemie ohnehin nicht ins Kino.
Ich persönlich (als ein voraussichtlicher Dauer-B (jung, gesund)) kann nicht nachvollziehen, wieso ich A den Kinobesuch nicht gönnen sollte. Ich habe da das ungute Gefühl, dass die gegenteiligen Positionen dem Neid die Weihe der Moralität verleihen. Ich habe schlicht kein Interesse daran, dass A auch zuhause sitzt. Im Gegenteil: -
An eine Immunitäts- oder Impfbescheinigung könnten auch Pflichten geknüpft werden, zB besonders Risikoreiche Tätigkeiten auszuüben. (Das wird auch so von „Position A“ im Ethikrat vertreten.) Das käme allen zugute.
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Wenn manche Menschen das öffentliche Leben nach und nach langsam wieder ankurbeln können, hat das auch Vorteile für alle. Niemand kann später in ein Kino gehen, das über die Pandemie seine Pforten schließen musste.
Das ist nicht abschließend. Es bleiben viele viele moralische und rechtliche Argumente auf beiden Seiten (zB Verhältnismäßigkeit, Gleichheit oder das damals in der Lage genannte Argument, dass die Immunitätsausweise für manche die Normbefolgungsbereitschaft der breiten Masse verringern könnten.)
LG