Präventives Einsperren von IAA Kritikern

Hi,

in München findet zur Zeit die IAA Mobility statt. Eine Messe die sich hauptsächlich um das Automobil dreht. Auch wenn die Messe immer wieder betont, dass es auch um neue Mobilitätsformen gehen soll, dominiert dort das Auto. Da das Auto von vielen nicht mehr als Zeitgemäß angesehen wird gibt es Kritik an der IAA. Für die Tage und das kommende Wochenende sind viele Proteste geplant.

Am Dienstag haben einige Aktivisten Schilder an den nach München führenden Autobahnen besetzt. IAA-Proteste: Kritik an Autobahn-Aktionen | BR24

Die Aktivisten wurden festgenommen und nun aufgrund des neuen Polizeiaufgabengesetz in Bayern für die Dauer der Messe eingesperrt. https://www.br.de/nachrichten/bayern/iaa-proteste-brueckenkletterer-bleiben-bis-sonntag-in-gewahrsam,SiPh50x

Dabei stellt sich mir die Frage ob damit genau die kritischen Teile des neuen PAG sichtbar werden. Politische Aktivisten können ohne großes Aufhebens für unbestimmte Zeit aus der Öffentlichkeit entfernt werden.

Sicherlich, die Aktion mehrere Autobahnen zu blockieren ist fragwürdig und genau dieser Sachverhalt wird auch noch juristisch aufgearbeitet werden.
Doch dann wird zusätzlich geschlossen: „wenn sie es einmal tun, könnten sie es einfach wieder tun“. Dass genügt anscheinend um Menschen für mehrere Tage einzusperren. Das wirkt auf mich ein wenig beliebig.

Ist der Freiheitsentzug das Mittel der Wahl? Gibt es keine geringeren Mittel (Gefährderansprache)?

Sehe ich das einfach nur zu besorgt oder wird hier überreagiert?

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Ich habe auch so das Gefühl dass da Law&Order zum Schutz der hoch heiligen Automobilbranche betrieben wird, denn bei rechten Demos und Querdenker Demos scheint ein solches Vorgehen ja nicht nötig zu sein.

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Was genau ist denn das „Fragwürdige“ an den Blockaden? Nach meinem Wissen gibt es versammlungsrechtlich keine Unterschiede zwischen Autobahnen und anderen Straßen.
Eine mehrwöchige Inhaftierung ohne richterliche Kontrolle ist in vielen Bundesländern (leider) auch legal, aber aus meiner Sicht aus rechtsstaatlicher Perspektive sehr viel problematischer, gerade weil ihre Umsetzung vollkommen der Willkür der Polizeibehörden unterliegt. Und selbst wenn polizeiliches Handeln - wie im Fall Hambacher Forst - nach Jahren von Gerichten als rechtswidrig eingestuft wird, hat man davon im Nachhinein herzlich wenig. Wer im Knast sitzt, kann wesentliche Grundrechte nicht ausüben.
Meiner Meinung nach ist das ein glasklarer Fall der Kriminalisierung von friedlichem Protest.

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Was mich da auch noch interessieren würde…
Werden solche Freiheitsentzüge eigentlich rückwirkend aufgearbeitet? Und ergeben sich Konsequenzen für die Verantwortlichen? Werden die z.B. dann degradiert?
Wem dem nicht so ist hat das immer was von Willkür.

Ich habe kurz überlegt, ob die nach Bayern sind, weil die eine „effektivere“ Polizei als die in Hessen haben? Schöner Ansatz für Verschwörungstheoretiker…

Ich verstehe Ihre grundsätzliche Sorge, aber für mich ist das in diesem Fall einfach Pragmatismus. Wer aufgrund seiner Abneigung ggü einer Messe sich und andere in Gefahr bringt (und nichts anderes ist das rumturnen an Autobahninfrastruktur), der ist zumindest mal für die Dauer der Messe eine Gefahrenquelle für die Öffentlichkeit. Das ist ja auch nichts was man „mal eben so“ macht.

Fragwürdig finde ich es, da ich mir nicht sicher bin ob die Aktion der Sache dienlich ist.
Viele Autofahrer sind im Stau gestanden und sehen jetzt die Aktivisten als das Problem an. Viele andere Autofahrer kennen das unangenehme Gefühl eines Stau und sind ebenfalls entrüstet.
Wenn ich die Kommentare in anderen Foren überfliege sehe ich viel Hass weil sich die Aktivisten in den Verkehrsfluss eingemischt haben.
Was ich nicht sehe ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Verkehrskonzepten, die wir haben.
Die Aktion regt nicht zum Nachdenken an. Es gibt keine Möglichkeit für Austausch. Die Autofahrer fühlen sich drangsaliert, und das ist das Gefühl, das bleibt.

Meine Sorge ist, dass sich dadurch nur die Fronten verhärten und wir in der Sache nicht vorankommen.

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Sie haben recht, das Mittel erfüllt den Zweck, die Personen können die gleiche Aktion nicht mehr während der IAA durchführen.

Meine Frage ist aber eine andere. Ist dieses Mittel das Gebotene? Ginge es nicht ein paar Nummern kleiner?

Die Kritik am neuen PAG war, das es zur Repression politisch missliebiger Personen eingesetzt werden könnte. Der Einsatz hier scheint dies zu bestätigen.

Im Frühjahr gab es Querdenker–Demos, dabei würde in München unter Missachtung der Abstandsregeln auf dem Marienplatz wortwörtlich Polonaise getanzt. Dabei habe ich keinen besonderen Einsatz der Polizei erlebt.
Jetzt werden die Aktivisten sofort für mehrere Tage inhaftiert.
Ich finde da ist qualitativ ein Unterschied.

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Finde aber auch es gibt einen Unterschied zwischen dem überschreiten der Coronaregeln auf einer angemeldeten (?) Demo und dem rumhampeln auf Autobahnschildern und Brücken. Also wie gesagt, für meinen Geschmack ist das schon verhältnismäßig. Verstehe aber auch wenn das einem zu weit geht, ich denke das ist ein ziemlicher Grenzfall.

Wenn es sich um Versammlungen nach Versammlungsrecht handelt, ist es Aufgabe der Polizei, diese zu schützen und dafür zu sorgen, dass die sich Versammelnden nicht gefährdet werden. Ich finde es fatal, die Polizei nach Gutdünken darüber entscheiden zu lassen, wann sie Proteste als „Gefährdung“ einstuft und das zum Anlass nimmt um Protestierende nach Belieben wegzusperren.

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Es ist ja der Sinn von solchen Protesten, dass sie stören. Das ist dasselbe wie mit Streiks. Natürlich mag es im Einzelfall ärgerlich sein, wegen so etwas im Stau zu stehen, aber da würde ich dann halt das Versammlungs- oder Streikrecht höher bewerten als das Recht auf ungestörtes Reisen.
Es ist für mich auch nicht nachvollziehbar, warum eine Aktion, über die in den Medien extrem breit berichtet wurde, weniger zum Nachdenken anregen soll, als ein stiller Protest irgendwo in einer Fußgängerzone, von dem vermutlich niemals jemand etwas erfahren hätte. Es geht ja bei solchen Aktionen vor allem um die mediale Aufmerksamkeit, nicht um die vergleichsweise wenigen Menschen, die live vor Ort sind oder im Stau stehen.

Es werden nicht nur Aktivisten inhaftiert, die Polizeipräsenz auf der IAA ist insgesamt extrem verstörend. Die Angst vor linkem Aktivismus ist jederzeit absolut spürbar und teilweise kommt es mit vor, als wären mehr Einsatzkräfte als Besucher auf der Messe.

Kleine Anekdote vom Pressetag am letzten Montag: Es kamen nachmittags zehn (mit Gewehren bewaffnete!) Polizist:innen in unsere Büros auf der Messe München gestürmt, weil sie vom Hof aus gesehen hatten, dass die Tür zu unserer Dachterrasse offen stand. Es könnte darüber ja ein Fallschirmspringer in das Gebäude eindringen… Meine Kollegin hat vor Schreck fast einen Herzinfarkt bekommen. Anscheinend hat die Polizei einen Generalschlüssel erhalten, denn unser Gebäudeteil kann ohne Schlüssel eigentlich nicht betreten werden.

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Bayern war schon immer berüchtigt für seine sehr gewaltbereite und oft unverhältnismäßige Polizei was sich an deinem Beispiel zeigt.

Deine Anekdote gibt wider, was ich bezüglich der Polizei befürchte. Die Aktivität gegenüber Linksaktivismus ist größer als die Aktivität gegenüber Rechtsaktivismus. Beide Extreme sind für sich problematisch. Ein deratig starkes eingreifen hat aber bei Querdenker- / Rechtendemos gefehlt und es wurde nicht mit der gleichen Effizienz vorgegangen. Die Polizei hat hier wiedereinmal bewiesen, dass sie effizient vorgehen kann und Demonstrationen unterdrücken kann. Eine Querdenkerdemo nicht ebenso zu unterdrücken, ist somit eine Entscheidung und nicht auf Unfähigkeit zurückzuführen.
Querdenke Meinungen müssen „ausgehalten“ werden in unserer Gesellschaft, aber eine stark linke Position wohl nicht.
Nicht alle Aktionen von den IAA Aktivisten sind begrüßenswert, aber deren Meinung derartig stark und aggressiv von der Polizei zu unterdrücken ist mehr als fragwürdig. Man kann auch diskutieren, ob die Proteste so deutlich ausgefallen sind, gerade weil diese Stimmen derartig unterdrückt worden sind.

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Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist in der Tat eine wichtige.

So sehr ich die Proteste gegen die IAA inhaltlich unterstütze, so sehr lehne ich das Abseilen von Autobahnbrücken oder Rumturnen an Schildern ab. Schließlich kam es erst letztes Jahr zu einem Todesfall deswegen - und das ist einfach zu viel Risiko für den Protest.

Fakt ist halt, dass Autobahnen extrem gefährlich sind. Die Aufmerksamkeit der Autofahrer muss dem Verkehr gelten - jegliche spektakuläre Aktionen an Autobahnbrücken oder -Schildern, welche die Aufmerksamkeit der Fahrer vom Verkehr ablenken, schaffen ein erhebliches Unfallrisiko mit potentieller Todesfolge. Und das überschreitet die Grenze dessen, was ich als Protest für sinnvoll halte.

Diese Aktionen zu unterbinden ist daher durchaus geboten. Die Frage ist halt nur: Muss die längerfristige Festnahme sein oder gäbe es mildere Mittel? Eine Gefährderansprache, wie von miles angesprochen, ist vermutlich kein geeignetes milderes Mittel, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese wirklich einen Erfolg hat. Wer solche Aktionen macht, tut dies aus Überzeugung - ein „Du Du Du, mach das nicht, sonst gibt’s Ärger!“ wird da vermutlich eher als Aufforderung verstanden. (wenn ich an den Studierendenprotest 2009 zurückdenke, wo wir auch Gefährderansprachen erhalten haben, als wir das Audimax besetzt haben, hatten diese Ansprachen jedenfalls definitiv eher eine bestätigende Wirkung auf die meisten Beteiligten…).

Ein Platzverweis oder Aufenthaltsverbot ist auch schwierig und vor allem unnötig, weil der Aufenthalt auf Autobahnschildern generell nicht erlaubt ist, daher ein allgemeines Betretungsverbot gilt.

Bleibt die Frage, welche Mittel die Polizei hat, um eine Wiederholung zu unterbinden… mir fallen da leider keine ein.

Ich bin auch sehr skeptisch, was das bayrische PAG betrifft, moralisch finde ich die mehrtägige Haft auch sehr problematisch, aber juristisch schätze ich durchaus, dass die Maßnahme als Verhältnismäßig angesehen werden könnte. Letztlich kommt es darauf an, ob die Polizei die behauptete Wiederholungsgefahr hinreichend glaubhaft machen kann - und das kommt natürlich auf den Einzelfall an. Immerhin prüfen Gerichte, ob dieser zeitlich begrenzte Freiheitsentzug zulässig ist - es liegt daher zumindest in jedem Fall ein Kontrolle der Polizei durch die Gerichte vor.

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Was genau ist denn an den Anti-IAA-Protesten, die Du ja offensichtlich einem „Extrem“ zuordnest, „für sich problematisch“? Ich finde eher diese Gleichsetzung von Links und Rechts á la Hufeisentheorie problematisch.

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Ok. Schade, dass du nur das aus meinem Beitrag mitnimmst. Das war eine Verkürzung und braucht nun doch wieder mehr Worte. Natürlich sind die nicht gleichzusetzen! Die ganzen Probleme, die Rechte mit sich bringen sind gravierend und auch meiner Meinung nach auf einem anderen Gefährdungslevel als Linksaktivismus. Aber genau so sind: „beide Extreme für sich problematisch“.

Die Abseilaktionen der IAA Aktivisten auf befahrenen Autobahnen sind aber gefährlich und die Aktivitäten der Polizei gegen eben diese Gefährder ist verständlich und aus meiner Sicht gerechtfertigt und verhältnismäßig.

Die Einschränken der Aktivisten auf der Theresienwiese waren meiner Meinung nach übertrieben. Ja, nur ein Teil der Demonstrationen war genehmigt und hat dann aus polizeilicher Sicht deren Einsatz gerechtfertigt, aber ich würde hier eher da ansetzen wollen, dass diese Demonstrationen von Anfang an hätten erlaubt werden müssen. Bei diesen Demonstrationen ging keine Gefahr für irgendwen aus, hätte man sie erlaubt und nur verhältnismäßig begleitet.

Bitte hier auch den Themenkomplex der gezielten Attacken auf Journalisten mit der von der bayerischen Polizei gewählten Bezeichnung #Fotowichser.

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Und Konsequenzen wieder mal keine nehme ich an, weil Seehofer der Polizei insgesamt sowieso Absolution erteilt. Ich finde es teilweise wirklich erschüttert, wie viel straffreie Willkür durch unsere Polizei passiert. Und selbst wenn es nur 10% sind, so ruinieren Sie doch das Ansehen und die Autorität aller Polizisten. Aber warum auch Studien dazu machen, man könnte ja merken dass unser Innenminister rechtsradikale Kräfte in Sicherheitsapparaten schützt.

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