Politikdesinteresse durch Intransparenz der Politik?

Ich höre häufig, dass eine Absenkung des Wahlalters auf Land, Bund oder der EU nicht gut sei, weil die jungen Menschen an Politik desinteressiert seien.

Ich sehe aber irgendwie das Problem an etwas anderem: Die Politik in Deutschland und der EU hat zu wenig Transparenz hinsichtlich ihrer Arbeit (effektives Lobbyregister gibt es so nicht richtig, Auflistung aller(!) Nebeneinkünfte von Politiker*innen nicht vorhanden).

Hinsichtlich Transparenz macht Bundesminister für Klimaschutz und Wirtschaft, Dr. Robert Habeck in seiner Kommunikation im Vergleich zu Bundeskanzler Olaf Scholz eine Sache aus meiner Sicht um Längen besser: Der erklärt leicht verständlich und transparent, warum, wieso, weshalb nun politische Entscheidungen getroffen werden bzw. wurden (Lieferung schwerer Waffen hat er sich erklärt, Warum er in Katar war etc.).

Wie seht ihr das?

  1. Sollte oder MUSS die Politik transparenter werden und wenn ja wie? Sollte es eine koordinierte Aktion der Zivilbevölkerung geben, im Rahmen dessen Sie mit ihrem MdB in Kontakt treten?

  2. Wie sollte Politik Schüler:innen in der Schule näher gebracht werden?

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Ich glaube, das Wort „Transparenz“ trifft es nicht. Robert Habeck kommt m.E. in seiner Kommunikation so gut an, weil er deutlich macht, dass die getroffene Entscheidung nicht etwa „supi“ ist, sondern das Ergebnis einer schweren Abwägung und natürlich auch Nachteile hat. Und dass die Entscheidung daher schwer fällt (Beispiele: LNG, Kohlekraftwerke, …).

Ich nehme an, viele Menschen geht es wie mir. Ich habe habe es seit Jahren einfach satt, dass fast alle Politiker immer so tun, als wäre die getroffene politische Entscheidung „ne ganz tolle Sache“ ohne jede Nachteile. Ist sie fast nie. Sondern man muss die Nachteile zähneknirschend hinnehmen. Dann muss man sie auch klar kommunizieren!

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Früher (im letzten Jahrtausend) gab es noch richtige Bundestagsdebatten (gerade über große Themen wie die Rentenreform) die die unterschiedlichen und oft widersprüchlichen Meinungen offen gezeigt haben.
In meiner Wahrnehmung ist die Politik mittlerweile „alternativlos“ und wird über den Fraktionszwang sehr eindimensional geführt. Da bleibt das Gefühl dass viel in den Hinterzimmern geklüngelt wird mit dem man „das dumme Volk“ nicht belasten will.

Ich fand Habecks Statement in dem er seine Entscheidungsfindung in der Energiepolitik versucht zu erklären erfrischend ehrlich.
Wenn wir mehr solcher Politiker hätten wäre Politik wieder lebendiger.

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Die gibt es heute auch noch, gerade zu den Waffernlieferungen oder z.B. zur Impfpflicht. Nur: Es schaut sich offenbar kaum noch einer an. In heute und Tagesschau werden 1-3 Snippets gezeigt, die in meinen Augen kaum ein repräsentativer Ausschnitt darstellen.

Ja, kannte man so von Bundesregierungsmitgliedern der bisherigen 16 Jahre wenig(er), wenn überhaupt - leider.

Ja, ich glaube das auch. Mehr Politiker*innen mit Habecks Kommunikationsart und dann haben mehr besonders junge Menschen auch wieder mehr Politikinteresse .

Ja, die Informationen über den Bundestag beschränken sich in den meisten Medien auf irgendwelche Eklats.
Im Gegensatz zu früher gibt es aber z.B. die „Bundespressekonferenz“ wo sich Politiker erklären könnten. Diese Möglichkeit der Kommunikation wird aber in meiner Wahrnehmung nicht wirklich genutzt,
Andererseits prasselt eine Flut von Informationen auf mich ein dass es mir oft schwerfällt das wichtige vom unwichtigen zu trennen.

Die Webseite des Deutschen Bundestages stellt mittlerweile eine beachtliche Informationsbasis über den Alltag im Parlament und in den Ausschüssen bereit. Das Parlamentsfernsehen überträgt Bundestagsdebatten und zahlreiche Ausschusssitzungen; in der Mediathek finden sich z.B. Wortprotokolle, Anträge, Anfragen, wissenschaftliche Gutachten zu allen Themen der Parlamentsarbeit.

Hinsichtlich der Informationsbasis generell sind die Ausarbeitungen des wissenschaftl. Dienstes des DBT sehr empfehlenswert. :slight_smile:

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Das ist ein wenig das klassische Problem der immer komplexer werdenden Gesellschaft.
Früher gab es noch Universalgelehrte - heute weiß selbst eine Koryphäe auf ihrem Forschungsgebiet oft nicht mal, was in verwandten Forschungsgebieten gerade Sachstand ist.

Früher wollten Politiker Experten für alles sein und bei allen Diskussionen mitmischen - heute realisieren sie, dass 24 Stunden am Tag zu wenig sind, um bei allen Themen in ihrer vollen Komplexität mitreden zu können.

Deswegen gibt es nicht nur in der Forschung und der allgemeinen Arbeitswelt, sondern auch in der Politik mehr und mehr Arbeitsteilung. Im Bundestag eben über die Ausschüsse. Die Gesundheitsexperten (oder die, die sich dafür halten) sitzen dann halt im entsprechenden Ausschuss und diskutieren das Thema in einer sinnvollen Tiefe, während der Rest der Parlamentarier aus Mangel eigener Detailkompetenz kaum eine andere Wahl hat, als das Resultat dieser Ausschüsse zu übernehmen.

Die wichtige Realisation dabei ist, dass die wirklich wichtige politische Arbeit und Entscheidungsfindung in eben diesen Ausschüssen passiert. Hier müsste wesentlich mehr Transparenz rein, was die Arbeitsweise und Entscheidungsfindung betrifft. Bei den Bundestagsdebatten ist die Entscheidung eh schon gefallen und es geht nur noch darum, möglichst polemisch die eigene Position darzustellen und alle anderen anzugreifen. Eine konstruktive Bundestagsdebatte habe ich jedenfalls noch nicht gesehen, und ich habe einige Debatten gesehen…

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Es gibt zwei Zitate aus einer Portraitierung Robert Habecks von Markus Feldenkirchen und hier fallen zwei Aussagen von Habeck, wo ich sagen muss, dass ich es bemerkenswert finde, weil er zeigen möchte, dass Politik auch wirklich nicht nur Korruption und so ist:

„Sie werden in den nächsten Monaten erleben, dass erstens dauernd darüber gesprochen wird, keine Ahnung, wer sieht wie aus, wer hat was gemacht, wer kommt woher und so weiter und dann wird gesagt „Und das ist Politik!“, das ist nicht Politik, das ist nur Beiwerk“ (Timestamp: 28:07 - 28:26)

Man braucht sich nur Olaf Scholz’ Antworten auf Fragen der Abgeordneten in der neuen aktuellen Stunde anhören.
Jede Frage davon ewig lang - jede Aussage von Bundeskanzler leer und nichtssagend (von Antwort traue ich noch gar nicht zu schreiben).

So macht es ja schon keinen Spaß für einen Interessierten. Wie soll man dann begeistern?

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Das ist ales nur begrenzt hilfreich:

  • Politische Arbeit bildet sich je nach Partei auch stark in den Sozialen Medien ab. Es gibt MDBs (viele in der AFD) die nur auf Facebook posten.
  • Positionen werden auf Webseiten dargelegt,. es gibt ein paar Hundert MDB - Wie soll ich da ein Bild zu z.B. 219a kurz vor der Abstimmung bekommen.
  • Die Menge an Daten macht eine gezielte Recherche unmöglich
  • Obwohl technisch möglich, wird sehr wenig tagging, Taxonimierung und andere gezielte Kategorisierung der Daten vorgenommen. Mit ‚Entity Recognition‘ könnte man z.B. einfach feststellen, welcher Politiker was zu welchem Thema gesagt hat.
  • Die API des Bundestags bildet nicht 100% der Daten und der politischen Arbeit ab
  • Die Situation um die kleinen Anfragen ist so wirr, dass selbst die ‚Bürger IT Projekte‘ um das Thema aufgegeben haben.

Meine Bewertung:

Die Deutsche Politik bemüht sich seit Jahrzehnten nicht ‚maschinenlesbar‘ zu sein und das sehr erfolgreich. Obwohl es möglich wäre, werden Projekte immer wieder verschoben und Teilplattformen einfach ‚relauncht‘ und Bürger IT Projekte, die darauf aufsetzen so in ihrer Arbeit behindert. Woher ich das weiss: Ich habe von 2014 bis heute das Thema mit einem Projekt (Erfassung aller politischen Aktivitäten - BT, Websites, Twitter, Facebook) begleitet, es aber aufgrund von fehlendem Funding und den o.g. Problemen eingestellt.
Es gibt in Deutschland auch keine journalistischen Medien die einen solchen offenen Datensatz haben wollten, denn die ‚Recherche‘ die auf einem Informationsvorsprung vor der Konkurrenz basiert, würde so aufgegeben werden. Da lässt. man lieber einen Haufen Hiwis sich durch die Bundestagswebsite Klicken.
Die Situation bei den Gesetzgebungen ist ja auch verwirrt: Hier hat der Staat die Rechte einfach verkauft und Sites wie https://offenegesetze.de/ müssen mindestens Grauzonen ausnutzen.

Aber all das (Meinungsäusserung, Dokumentation im Bundestag, Gesetze und Rechtsprechung vor Gericht) bildet im Endeffekt den politischen Prozess ab. Das nicht offen und für jeden Bürger auf einer Seite zur verfügung zu stellen macht Politik und ihre Folgen intransparent. Leider profitieren die großen Medien, Politiker und ihre Mitarbeiter stark von der Situation, so das sich hier nichts ändern wird. (z.B. Ändert Trixi ja gerne ihre facebook Posts)

Es fehlt hier einfach eine harte Gesetzgebung, die zur Archivierung und Zugänglichmachung aller Daten zwingt und Standards für die Kommunikation von Informationen setzt die für Äusserungen von MDBs und der Organe der Bundesregierung gelten. Gerne bei Unterlassung strafbewehrt!

Die aktuelle Informationslage macht es für Scholz möglich solche Nichtantworten zu geben. Zu viel ist einfach unter Informationsbergen begraben und könnte per IFG Anfrage ‚befreit‘ werden. Ich stimme dir. zu: Die Art der Kommunikation ist extrem frustrierend.

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