Pleite eines Apothekenrechenzentrums - Was bedeutet das?

Hallo,
Seit einigen Wochen befindet sich das Apothekenrechenzentrum AvP im Insolvenzverfahren. Das ist für die Kunden, ca. 3000 von 19000 Apotheken in Deutschland, ein großes Problem.

Apotheken sind gesetzlich verpflichtet, über ein solches Rechenzentrum Rezepte mit den GKVen abzurechnen. Es wäre sonst auch wirklich kompliziert, wenn 19000 Apotheken mit 100 verschiedenen Krankenkassen abrechnen, insofern ist es so sicher sinnvoll.

Ein Rechenzentrum erhält von der Apotheke einen Abschlag von 0,1 -0,2% auf den abgerechneten Umsatz als Vergütung. Das AVP hat einen Monatlichen Umsatz von ca. 350 Mio. € abgerechnet, also durchschnittlich über 100000€ pro Apotheke.

Durch mangelnde Regulierung und fehlende staatliche Aufsicht sind diese Gelder, die ein Rechenzentrum eigentlich nur „treuhänderisch“ erhält und dann weiterreicht, in diesem Fall nicht von der Insolvenzmasse ausgenommen.

Für die betroffenen Apotheken ist das eine absolute Katastrophe. Eine Apotheke erzielt im besten Fall ein Jahresergebnis von 5-6% des Jahresumsatzes, tendenziell eher weniger. Wenn nun also die Einnahmen eines Monats erstmal nicht ausgezahlt werden, fällt der Gewinn über das Jahr aus.
Anders, als in vielen anderen Branchen ist eine Apotheke aber immer eine von einem Kaufmann (Apotheker) mit voller Haftung und auf eigenes Risiko und Rechnung geführtes Unternehmen. Die betroffenen Apotheker arbeiten also das Jahr 2020, in dem sicher überdurchschnittliches geleistet wurde, umsonst. In nahezu allen Fällen führt dies zu kurzfristigen Liquitätsengpässen.

Ob und wieviel am Ende ausgezahlt wird, ist fraglich und wird sicher erst in einigen Jahren feststehen.

Die Politik schaut zu, bietet KFW-Kredite an. Als nicht betroffener Apotheker stellt sich mir die Frage, was ein Politiker sagen würde, wenn jemand seine Diäten für ein Jahr veruntreut und dann der Steuerzahler sagt: „ja, schön, dass du immer für uns da bist. Ich würde dir einen Kredit anbieten, um den Ausfall deines Jahreslohns zu überbrücken.“

Auch wenn es nach außen vielleicht anders wirkt, aber auch Apotheken leiden teilweise massiv unter Corona. Menschen gehen weniger zum Arzt und bekommen deshalb (eigentlich notwendige) Medikamente nicht verordnet. Menschen werden (klar, zum Glück) weniger krank an den üblichen Erkrankungen. Und Menschen gehen generell weniger Einkaufen, also auch Randsortiment leidet. Und zu guter letzt bestellen die Menschen auch Arzneimittel immer mehr im Internet.

Das soll jetzt kein „Jammer-Vorschlag“ eines Apothekers werden. Aber wir haben in den letzten zehn Jahren von über 22000 Apotheken auf 19000 reduziert. Corona und die AVP-Pleite werden diesen Trend kurzfristig verschärfen und das werden die Menschen, vor allem suburbanen Gebieten, dann auch spüren.

Das dieses „Apothekensterben“ leise verläuft, liegt auch daran, dass Apotheken ganz ganz selten Insolvent gehen. Apotheker*innen haften mit ihrem Privatvermögen. Insofern führt man die Geschäfte geregelt zu Ende, kümmert sich um nachfolge-Anstellungen für die Angestellten und schließt dann in Abstimmung mit Kammer und Aufsicht mit Ankündigung irgendwann den Laden.

Zu guter Letzt noch etwas zur Vergütungssituation eines selbstständigen Apothekers:
Es bleiben vor Steuern, persönlicher Versicherung und Altersvorsorge im Schnitt 130k-140k am Jahresende über, häufig deutlich weniger.
Das ist natürlich nicht wenig, aber bedenkt man volle persönliche Haftung, in der Regel 50+ Wochenstunden plus Notdienste und Investionsbedarf von ein paar hundert Tausend€ Für den Kauf, und natürlich das Studium mit 4 Jahren plus 1 Jahr praktische Ausbildung, ist das durchaus ein Betrag, der gerechtfertigt ist.
Ein Akademiker mit vergleichbaren Arbeitsbedingungen OHNE persönliche Haftung und Risiken würde in „der Industrie“ nicht deutlich weniger verdienen.

Stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

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