Philipp Amthor und Augustus Intelligence Inc

Ulf hatte seine juristische Auslegung der Frage zur Bestechlichkeit u.a. davon abhängig gemacht, ob die ihm als Direktor überlassenen Optionen „valutieren“ würden, also werthaltig seien. Seine Darstellung zum Wert einer Option über deren Handelbarkeit gilt natürlich nur für ein bösennotiertes Unternehmen, dessen Optionen ebenso börslich gehandelt werden können. Beides liegt bei Augustus Intelligence Inc nicht vor, d.h. der Wert dieser überlassenen Optionen wäre aktuell überhaupt nicht feststellbar und oft schließen vertragliche Vereinbarungen eine Veräußerung bzw. Verpfändung solcher Optionen aus, d.h. momentan haben diese Optionen noch keinen Wert und es ist kontingent, ob sie jemals einen Wert besitzen werden.

Ihr habt Eure persönlichen Meinungen zu diesem Fall ja sehr deutlich gemacht, aber gerade unter Beleuchtung aus juristischer Perspektive hätte ich mir gewünscht, dass ihr zunächst einmal die Fakten neutral präsentiert und bspw. eben auch feststellt, dass Philipp Amthor diese potentiellen zukünftigen Nebeneinkünfte (über die Optionen) hätte gar nicht angeben können, da der entsprechende Bundestagsprozess solche Optionen momentan gar nicht berücksichtigt. Aus diesem Fall sollte zumindest das aber als Lesson Learned vom Bundestag mitgenommen und auch Optionen aufgenommen werden.

Politiker sind auch Menschen, die Fehler machen und Philipp Amthor hat diesen umgehend eingeräumt, den Direktoren-Posten beendet und die Optionen zurückgegeben. Ob man aus einem einmal begangenen Fehler gleich ableiten muss, dass nun der Betreffende gleich zum Vorrteier in Sachen Lobby-Control werden muss, ist m.E. zumindest fragwürdig. Hier wird von einer höheren Moral argumentiert, deren Einführung für diese Frage m.E. nicht unbedingt sinnvoll ist.

Ich finde es spielt überhaupt keine Rolle, ob die Optionen werthaltig sind. Selbst wenn sie wertlos sind, kann Sinn davon ja nur darin bestehen, den Abgeordneten ans Unternehmen zu binden.

Bestechlichkeit ist nicht irgendein „Fehler“, für den man sich entschuldigen kann und dann ist alles gut. Solche Abgeordneten, Lobbyismus gegen Bezahlung machen gehören sofort aus der Politik entfernt.

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Naja, ob es sich juristisch um Bestechlichkeit gehandelt hat, wird ja gerade noch geklärt und davor gilt in unserer Gesellschaft die Unschuldsvermutung auch für Politiker.

Die moralische Unterscheidung von gut/böse ist nicht immer sinnvoll, denn wozu gibt es dann ein Rechtssystem, was eben nach prozessualen Regeln Recht oder Unrecht spricht. Es wäre eine Katastrophe, wenn alle unsere gesellschaftlichen Konflikte nur aus moralischen Erwägungen entschieden würden.

Das Rechtssystem gibt es, um über Strafen für kriminelle Aktivitäten zu befinden, nicht um über die Eignung einer Person als Vertreter des Volkes (das ist, was Politiker sind) zu urteilen. In einem freiheitlichen Rechtsstaat haben die rechtlichen Normen weit mehr straffrei zu erlauben, als die meisten Menschen moralisch für gutes Verhalten erachten - denn Moral ist ein äußerst flexibles Ding, wird sehr unterschiedlich bewertet und mutiert schnell zu einem Unterdrückungsinstrument, wenn Moral 1:1 in Strafrecht umgesetzt wird (siehe z.B. die arabischen Staaten).

Allerdings sollte dieses durch das Strafrecht definierte unterste akzeptable Niveau, das wir Menschen zugestehen, bevor wir mit Staatsgewalt ihre Freiheiten einschränken, nicht unser erstrebenswertes Ideal für das Verhalten unserer Volksvertreter darstellen. Nichts anderes fordert aber, wer von „Unschuldsvermutung für Politiker“ spricht - eine Gleichschaltung von moralischen Maßstäben und strafrechtlichen Maßstäben, die entweder stattfinden kann, indem man das Strafrecht an die moralischen Maßstäbe anpasst oder eben die Erwartungen an Politiker so niedrig hängt, dass diese sich gerade noch nicht strafbar machen.

Ich finde, das ist ein Irrweg. Genau wie ich von einem Klempner, den ich engagiere, ein Mindestmaß an Freundlichkeit erwarte und nicht nur, dass dieser mich nicht direkt mit der Rohrzange erschlägt, erwarte ich von einem Politiker, den ich als Bürger qua Wahl „engagiere“ und über Steuern bezahle, dass dieser ein wenig höheren Ansprüchen genügt als sich gerade so noch nicht strafbar zu machen.

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Mich stört ja mehr, wer da alles mitmacht bei Augustus Intelligence. Karl-Theodor zu Guttenberg, August Hanning und Hans-Georg Maaßen, der sich auf Twitter zuletzt nicht gerade als Fan unserer Demokratie geoutet hat. Auf LinkedIn findet man hingegen nur einen einzigen Angestellten. Merkwürdig für ein Unternehmen, das sich Büroräume im One World Trade Center leisten kann. Angeblich ist das Unternehmen auch im Bereich der Gesichtserkennung via KI aktiv.

Warum Gesichtserkennung via KI problematisch sein kann, hat John Oliver letztens ganz gut erklärt.

Wenn die Rechten in Zukunft linke Gegendemonstranten nur filmen müssen, um sensible Informationen über sie zu erhalten, dann wäre das überhaupt nicht gut.

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Das politische Subsystem hat in der modernen funktional ausdifferenzierten Gesellschaft keine Sonderstellung und insofern würde ich auch keine besonders hohen moralischen Anforderungen an Berufspolitiker stellen. Eine gewisse Rückkopplung über Wertorientierung und Moral gibt es allerdings schon heute über das Mediensystem, dass getrieben von der eigenen Aufmerksamkeitsökonomie eben so ein Thema personalisiert und dramatisiert und damit eben auch potentielle Wähler beeinflusst. Das kann man schon daran erkennen, dass Philipp Amthor auch auf den CDU-Landesvorsitz verzichten musste.

Zur Frage der Moral vielleicht für den einen oder anderen eine sinnvolle Anregung: Niklas Luhmann hatte sich ja auch viel mit der Frage der Moral gefasst und ob die Einführung von moralischen Überlegungen in einen Konflikt nicht eher zur Eskalation und eben nicht zur Lösung führen würde. In seinem Interview zur Ökologiedebatte schlug er in dem Segment ab Minute 4:18 bis 11:15 aus diesem Grunde vor, dass die Ethik als philosophische Schule des methodisches Nachdenken über Moral die Frage untersuchen solle, wann das Einführen von Moral hilfreich sei und wann eben nicht. Insbesondere vor dem Hintergrund unserer modernen Risikoprobleme stellt er diese Frage an die Ethik.

Für mich ist nicht käuflich zu sein auch keine besonders hohe Moralvorstellung.

Im Gegenteil, Politiker, die für Geld lobbyieren sind knapp über der Strafbarkeit und für Mandate und Ämter definitiv ungeeignet.

Ja, es sollte einen justizförmigen Prozess für die Amtsenthebung aufgrund solche Vorwürfe geben, aber das ist eben kein Strafrecht, weil es nicht darum geht jemanden einzusperren, sondern bloß darum, ihn als Volksvertreter des Amtes zu entheben. Demzufolge müsste es da auch keine Unschuldsvermutung geben, ein Gericht müsste lediglich zur Auffassung gelangen, dass die Käuflichkeit des Politikers wahrscheinlicher ist als das Gegenteil.

Der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der ja von Amts wegen genau diesen Prozess um die Feststellung eines nichttolerablen Fehlverhaltens vorantreiben muss, hat übrigens gerade in einem Interview gesagt, dass Philipp Amthor kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist und er auch die Optionen neben seinem Direktoren-Posten gemäß den geltenden Verordnungen angegeben hatte. Es hat auch etwas mit Respekt vor unseren demokratischen Institutionen zu tun, wenn diese obige Entscheidung eben nicht von Dir oder mir, sondern von der zuständigen Institution getroffen wird.

Wenn diese Affäre etwas Positives haben sollte, dann hoffentlich, dass mit diesem Rückenwind jetzt noch in dieser Legislaturperiode ein Lobbyregister kommt und dass Philipp Amthor diesbzgl. seine Lektion gelernt hat. Es wäre wirklich schade, wenn so ein junges politisches Talent wie er, seinen Beruf wegen dieser Affäre mit etwas G’schäckle frühzeitig beenden müsste.

Nichts anderes habe ich doch auch gesagt. Ich stellte jetzt erst mal an den Politiker überhaupt keine höheren moralischen Anforderungen als an den Klempner (oder den Friseur, oder den KFZ-Meister, oder an jeden anderen „funktional ausdifferenzierten“ Dienstleister, den ich (mit-)finanziere und (mit-)auswähle). Ich erdreistete mich lediglich, überhaupt mal welche zu stellen, die über das grundlegende „sich nicht strafbar machen“ hinausgehen. Und dazu stehe ich weiterhin.

Vergleichbar wäre etwa, dass ich vom KFZ-Meister auch erwarte, dass er mich nicht übers Ohr haut und versucht, mich mit unnötigen Arbeiten abzuzocken. Oder mir die Bremsbacken von Firma soundso aufschwatzt, obwohl die schlechter und teurer wie andere sind, nur weil er private Kickback-Zahlungen dieses Herstellers bekommt. Erfahre ich, dass er das doch tut, war ich bei dem halt zum letzten Mal und ich suche mir einen neuen Schrauber. Nun ziehe bitte selbst die Parallele zum Beruf des Politikers…

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Natürlich, das ist ja auch Dein gutes Recht. Aber Deine Meinung zu diesen höheren Anforderungen ist eben gesamtgesellschaftlich nur insofern relevant, dass Du Deine eigenen nächsten Wahlentscheidungen genau davon abhängig machen kannst, aber eben auch nur Deine. Politische Diskussionen bestehen ja oft aus solchen Meinungskämpfen und aus denen halte ich mich mittlerweile so gut es geht raus, denn sie sind eben nicht sonderlich relevant. Viel mehr interessiert mich, warum die Gesellschaft so funktioniert, wie wir es eben beobachten können und eben nicht so sehr, dass sie so funktioniert, wie ausgerechnet ich mir das vormativ vorstellen würde.

Der Prozess taugt gar nichts, wenn ein käuflicher Politiker über den anderen entscheidet. Einzelfallentscheidungen sind zudem bei Gerichten besser aufgehoben als im Parlament.

Wenn das Gesetz so ist, dass ein Abgeordneter solche Geschenke annehmen kann und Abgeordneter bleiben kann, dann ist es falsch und muss geändert werden.

Das hängt davon ab, welche Konsequenz mit der Entscheidung verbunden ist. Die Institutionen sind dafür zuständig, Entscheidungen mit Wirkung für alle zu treffen. Die Bürger sind dafür zuständig, mit der Wahlentscheidung dafür zu sorgen, dass sich was ändert und alle Menschen sind dafür zuständig politisch Druck zu machen.

Das sehe ich anders: Jeder Politiker, der sich einmal hat kaufen lassen sollte für längere Zeit aus der Politik entfernt werden.

Richtig, die Politik trifft kollektiv bindende Entscheidungen und kann diese über den Staat etc. auch durchsetzen. Aber Bürger sind keinesfalls dafür zuständig, dass sich etwas ändert - wie kommst Du denn darauf? Ich verstehe schon, dass Du Dich genau in diesem Sinne politisch engagierst, aber viele Bürger sind mit dem Status Quo auch einigermaßen zufrieden und würden ihre Wahlentscheidung dann eben im demokratischen Wettstreit Regierung/Opositon auch dementsprechend fällen.

Ich dachte Willensbildung vom Volk hin zu den Staatsorganen sei auch in Deutschland ein Begriff (vgl. BVerfGE 44, 125 <140>).

Aber klar hab ich da als Schweizer nochmal eine andere Sicht drauf: Wenn mir etwas nicht passt ist es meine staatsbürgerliche Pflicht, die direktdemokratischen Mittel, insbesondere die Volksinitiative, zu nutzen.

Sehr schöne sprachliche Analyse von Lorenz Meyer auf Twitter:

(Keine Ahnung, weshalb der Link so komisch aussieht, aber ist ein Link.)

Ich wollte lediglich darauf hinaus, dass politische Willensbildung nicht mit „das sich etwas ändert“ gleichzusetzen ist. Ansonsten gibt es natürlich Unterschiede zur politischen Kultur der Schweiz, aber das ist für das Thema Philipp Amthor nicht relevant.

Richtig, in der Schweiz ist es noch schlimmer mit käuflichem Lobbyismus durch Parlamentarier, weil die nur Teilzeit fürs Parlament arbeiten.

Das hat er aber erst getan, als er quasi „erwischt“ wurde. Anders wäre meine Einschätzung, wenn er direkt nach seiner Einlassung mit dieser Firma und deren „Angeboten“ einen Rückzieher gemacht hätte.
Das ist wie wenn man in die Kasse greift und dann, wenn man erwischt wird, das Geld zurück legt und sagt: „Sorry, mein Fehler“.

Da es hier - und auch in der Lage selber - anscheinend Missverständnisse zum Thema Optionsbewertung gibt, kläre ich gerne auf:

Erstens, anders als in der Lage behauptet, haben Optionen haben auch dann einen positiven Wert, wenn der Ausübungspreis oberhalb des gegenwärtigen Preis des Basiswerts liegt. Das liegt daran, dass die Möglichkeit besteht, dass der Preis des Basiswerts innerhalb der Optionslaufzeit über den Ausübungspreis steigt (dieser Zusammenhang ist auch als „Zeitwert“ der Option bekannt), ähnlich wie etwa eine Brandschutzversicherung auch dann einen Wert hat, wenn das Haus noch nicht abgebrannt ist (aber eben die Möglichkeit besteht, dass das bis zum Ende der Vertragslaufzeit noch passiert).

Zweitens, anders als in dem Öffnungskommentar dieses Threads behauptet, gilt dieser Zusammenhang auch dann, wenn der Basiswert, in diesem Fall die Aktien des Unternehmen Ausgust Intelligence, nicht börslich gehandelt werden oder an eine Person gebunden sind. Nur weil der Wert der Optionen nicht direkt feststellbar ist, folgt daraus natürlich nicht, dass diese wertlos sind. In der Tat ist es im Silicon Valley übliche Praxis die ersten Mitarbeiter eines Startups mit Aktienoptionen zu bezahlen, auch wenn diese noch lange nicht an der Börse gehandelt werden. Die Mitarbeiter wissen um den Wert der Optionen und nehmen daher auch die niedrigeren Fix-Gehälter in den Startups in Kauf.

Dementsprechend hat Herr Amthor ab dem Überschreiben der Optionen bereits einen ökonomischen Vorteil erlangt (es ist allerdings denkbar, dass das aus (steuer-)rechtlicher Sicht anders bewertet wird).

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Das ist prinzipiell korrekt und ich hatte das nur der Einfachheit halber verkürzt dargestellt. Da Wolfgang Schäuble allerdings gestern bestätigt hat, dass Philipp Amthor auch die Optionen korrekt angegeben hatte, spielt die Bewertungsfrage nur noch eine untergeordnete Rolle für diesen aktuellen Fall.

Die Bewertung von börsengehandelte Optionen findet über den Handel statt, d.h. der Market Maker stellt Bid- und Ask-Kurse für jede handelbare Option und durch den Handel selbst wird der Wert als Preis festgestellt. Diese Bid-/Ask-Kurse definieren Market Maker allerdings nicht nach Gutdünken, sondern nach Optionsbewertungsmodellen, wie bspw. dem Black-Schooles-Modell. Wichtig ist nun an dieser Stelle, dass für die Berechnung einer Option auch der aktuelle Aktienkurs und dessen Volatilität in die Berechnung eingeht. Während man nun argumentieren könnte, dass der Unternehmenswert auch über ein aufwendiges und kostenintensives Gutachten eines Wirtschaftsprüfers ermittelt werden könnte, funktioniert das für die Volatilität keinesfalls.

Entschuldigung, aber ich glaube nicht, dass es sich um eine rechtstechnische oder finanztechnische Frage handelt.
P. Amthor hatte ahnen sollen, dass er als MdB keine Optionen oder Direktorposten von einer privaten Firma annehmen darf. Er hat es aber gemacht. Jetzt wurde er erwischt und gibt einen Fehler zu. Und dafür sollten wir jetzt ihm Anerkennung schenken und lass ihn weiter machen? Wenn er zurückträtet vielleicht. Der Fehler hatte er bewusst gemacht, er sollte auch entsprechenden Konsquenzen tragen und nicht einfach „sorry“ sagen und seine politische Karriere weiter führen.