Ich bin Studentin im Vorklinischen Semster an einer Uni in Sachsen und weiß im Moment nicht wohin mit meinem Unverständnis und meiner Verzweiflung.
Mein Semester gestaltet sich bis jetzt so, dass Vorlesungen, Seminare und teilweise Praktika online durchgeführt werden. Jedoch finden und fanden immer wieder Veranstaltung, als Pflicht, in Präsenz statt. Wie zum Beispiel: Mikroskopieren im Saal zusammen mit 100 anderen Studierenden. Dabei ist zu erwähnen, dass die Dozentin einen Vortrag hält und wir dann selbstständig online (!) Mikroskopieren, weil wir die Mikroskope aus hygienischen Gründen nicht benutzen dürfen. Desweiteren finden Praktika statt, die meiner Meinung nach genauso lehrreich als online/virtuelles Praktikum wären. Zum Beispiel das Praktikum EKG, hier sollten wir gegenseitig EKG schreiben und diese dann zu Hause auswerten. Hier kam es zu engen Kontakt zwischen uns Studierenden. Ein Risiko, das absolut überflüssig ist. Ich muss diese Veranstaltungen jedoch besuchen, sonst erhalte ich keine Zulassung zur Prüfung und damit nicht zum Physikum und mein Studium verlängert sich mal schnell um ein Jahr.
Ich habe mich selbstverständlich auch schon bei der Uni über diese sinnlosen Präsenzpflichten beschwert. Da erhält man Antworten wie zB. auch die Studierenden der SRH in Heidelberg „Die Hygieneregeln werden nach besten Gewissen ausgeführt und das Infektionsrisiko so, auf ein Minimum reduziert“. Keine Einsicht, keine Alternativen für Studierenden die sich diesem Infektionsgeschehen nicht aussetzen wollen.
Ein weiterer Punkt, der mich so unglaublich traurig macht ist die Tatsache, dass gerade im Medizinstudium viele ehemalige KrankenpflegerInnen sind, die gerade jetzt in den Krankenhäusern gebraucht werden. Auch ich bin examinierte Krankenschwester, arbeite nebenbei ein Wochenende im Monat auf einer ITS und würde gerne mehr helfen. In Sachsen haben insgesamt, bis jetzt, 4 Krankenhäuser uns MedizinstudentInnen in Dresden gebeten, zur Unterstützung ins Krankenhaus zu kommen. „Es wird dringend Unterstützung der Pflege benötigt.“
Ich kann meine KollegInnen auf Station nicht mehr unterstützen, sonst schaffe ich mein Semester nicht.
Warum stellt die Uni, gerade die medizinische Fakultät, ihre Studierende nicht frei, damit sie in den Krankenhäusern aushelfen können? Warum hat man die Woche vor Weihnachten nicht schon die Präsensveranstaltungen abgesagt (ja, diese Woche werden noch „wichtige“ Biochemie Praktika durchgeführt, die auf nachfrage auch auf keinen Fall verschoben werden können, sonst komme es zu einer Überbelastung der Studierenden am Ende des Semesters).
Außerdem zur „Schutzwoche“ nach Silvester:
Auszug aus einer Email der Rektorin der TU Dresden: „Darüber hinaus ist aufgrund des nicht auszuschließenden erhöhten Infektionsrisikos durch die Neujahrsfeierlichkeiten für die Zeit vom 4.1. bis zum 8.1.2021 eine Schutzwoche vorgesehen. In diesem Zeitraum gilt mobiles Arbeiten, es sei denn, notwendige betriebliche Tätigkeiten erfordern Präsenz (zu den Ausnahmeregelungen gilt Rundschreibn D3/1/2020).“
Dank den Verhandlungen meiner Fakultät mit dem Rektorat der TU, werde ich in der Woche nach Neujahr (ab dem 4.1.) zwei Praktika und eine Prüfung in Präsens schreiben müssen. Natürlich ist es ein großer Aufwand Stundenpläne umzuschreiben. Aber was ist dieser Aufwand gegen die Anzahl der Infektionen die man verhindern kann wenn man das Semester nach den „Winterferien“ weiter nach hinten verschiebt?
Da ich bei mir in der Uni gegen Wände laufe und mich diese Situationen sehr belastet, schreibe ich hier. Wie läuft es an anderen Fakultäten, Unis? Vielleicht können aber auch DozentInnen von der anderen Seite berichten, warum es so gehandhabt wird.
Warum steht die Lehre an deutschen Universitäten über der Ernsthaftigkeit der Corona-Pandemie und setzen damit nicht nur Menschen einer Infektionsgefahr aus, sondern verhindern auch, dass medizinisches Personal nicht in den Krankenhäusern helfen kann. Wir leben gerade in einer Ausnahmesituation, diese Tatsache ich aber leider noch nicht bei jedem angekommen.