Tatsächlich eine gute Frage.
Grundsätzlich ist der Sinn hinter Fallpauschalen ja, dass die Fallpauschalen die durchschnittlichen Behandlungskosten abdecken - im Einzelfall kann die Behandlung daher natürlich wesentlich teurer ausfallen, aber auch wesentlich günstiger. Mittels Eingruppierungen aller Diagnosen in Fallgruppen (die im Fallpauschalenkatalog bundeseinheitlich geregelt sind) und einem Modifikator je nach Bundesland (den die Länder mit den GKVs/PKVs aushandeln) wird die Fallpauschale für den konkreten Fall ermittelt. Einige tatsächliche Faktoren, die sich auf die kosten auswirken können (z.B. andere Diagnosen, Krankenhaustage, Alter, Geschlecht) werden auch berücksichtigt, aber halt auch nur mit Pauschalzuschlägen.
Die Logik dahinter ist natürlich, dass die Krankenhäuser jedem Fall so effizient wie möglich behandeln. Denn wenn der Durchschnitt der Behandlungskosten des Krankenhauses unter dem Durchschnitt der Fallpauschalen liegt (und wir davon ausgehen, dass die Fallpauschalen in etwa die realen Kosten abdecken) erzeugt das Krankenhaus Gewinne, sonst Verluste.
Da es immer eine Schwankung um die Durchschnittswerte geben wird, müssen die Fallpauschalen aber etwas über den tatsächlich anfallenden Kosten angesetzt werden, weil andernfalls automatisch 50% der Krankenhäuser Verluste machen würden - das soll ja nicht das Ziel sein. Daher dürften die Fallpauschalen eher im Bereich von 110-120% der realen Kosten liegen, daher: Eine gewisse negative Abweichung von den Fallkostenpauschalen führt noch nicht zum Verlust, eine große Abweichung hingegen schon.
Das Problem ist nun natürlich, dass die Motivationssetzung an die Krankenhäuser, möglichst effektiv zu arbeiten, schnell dazu führen kann, dass an der falschen Stelle gespart wird. Daher: Wo früher, weil man es abrechnen konnte, vielleicht nach einer Operation nochmal ein Laborwert bestimmt oder der Patient einen Tag länger zur Beobachtung im Krankenhaus gehalten wurde, was durchaus präventive Zwecke verfolgt hat, wird man heute eher dazu übergehen, nur das absolut Nötigste zu tun. Darunter kann die Patientenversorgung natürlich leiden.
Das Dilemma an der Sache ist, dass es nicht möglich scheint, beide Ziele zu erreichen: Eine optimale Versorgung (daher knapp unter dem, was man als „Überversorgung“ bezeichnen würde) und eine optimale Kosteneffizienz. Desto mehr Fokus man auf die Kosteneffizienz legt, desto stärker rückt der Fokus von einer „optimalen“ zu eine „hinreichende“ Versorgung (die im Einzelfall auch schneller mal mangelhaft sein kann).
Beide Systeme haben Vor- und Nachteile - wie immer im Leben. Die Frage ist, was uns als Gesellschaft wichtiger ist. Wollen wir eine möglichst kosteneffiziente Versorgung - und sind wir bereit, dafür Abstriche bei der Qualität zu machen?
Letztlich ist es aus meiner Sicht weniger eine Frage, ob wir die Betriebskosten der Krankenhäuser gemäß Fallpauschalen oder nach tatsächlichen Kosten decken - beide Systeme können funktionieren, wenn zwei Dinge stimmen:
- Die von Bund und Ländern übernommenen Kosten müssen ausreichend hoch angelegt sein (der Punkt ist vor allem bei Fallpauschalen relevant, aktuell scheinen die zu niedrig zu sein).
- Ein erwirtschafteter Gewinn/Verlust muss Konsequenzen haben, darf aber nicht dazu führen, dass Gewinne an Kapitalgeber ausgeschüttet und Verluste vergemeinschaftet werden. Eine gewisse Abweichung nach Unten und Oben ist normal, aber wenn ein Krankenhaus massive Gewinne oder Verluste einfährt, muss eine Kontrollinstanz prüfen, woran dies liegt. Beides, sowohl besonders hohe Gewinne als auch Verluste, sind Zeichen dafür, dass u.U. etwas schief läuft.