Pflege-Tarifvertrag

Wunschthema mangels eigenen Durchblicks: von Verdi scheinbar mit einigen Trägern ausgehandelter Tarifvertrag, der von u.a. Caritas sabotiert wird…

Same hier - wieso kann ein kirchlicher Träger alleine einen deutschlandweiten Tarifvertrag verhindern? Wer sitzt von Dienstgeber-Seite in dieser „Arbeitsrechtlichen Kommission“ der Caritas, die den Vertrag wohl maßgeblich abgelehnt hat?

Einmal mehr Anlass einen kritischen Blick auf die weitreichenden Möglichkeiten zur Einflussnahme durch die Kirche zu werfen.

Eine Darstellung der Historie inkl. Kommentar dazu hier:

Hallo zusammen,

auf den ersten Blick natürlich und verständlicherveise kritikwürdig was hier gelaufen ist, in meinen Augen auch auf den zweiten Blick allerdings anders als gedacht:
Der ausgehandelte Traifvertrag wurde von ver.di und der Arbeitgebervertretung BVAP ausgehandelt, die etwa 70.000 Beschäftigte in der Pflege vertreten (insg. ca. 1,1 Mio https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/pflegekraefte/beschaeftigte.html#c3331).

Das Ziel war diesen Tarifvertrag durch das Arbeitsministerium als allgemeingültig erklären zu lassen. Soweit erstmal ein sicherlich sinnvolles Anliegen. Der Knackpunkt ist aber, dass der ausgehandelte Tarfivertrag in den meisten Bereichen (z.B. Gehalt, Urlaub, Sonderzahlungen, betriebliche Altersvorsorge…) hinter den aktuell gültigen Tarifrichtlinien der Caritas und auch der der Diakonie zurückbleibt.
Bei Anerkennung des ausgehandelten Tarifvertrags besteht die in meinen Augen nicht unbegründete Sorge, dass die Pflegekassen diesen als Grundlage für die Leistungsübernahme durch die Pflegeversicherung führen könnte. In Zeiten klammer Kassen sehe ich ein solches Szenario als nicht unwahrscheinlich. Dies hätte m.E. zwei mögliche Folgen:

  1. Arbeitgeber die über dem ausgehandelten Tarifvertrag bezahlen, wie Caritas und Diakonie, können das Lohnniveau nicht mehr halten.
    oder
  2. Die Eigenbeiteiligung der zu Pflegenden steigt um das Lohnniveau der Pflegenden zu halten.
    Beides keine wunderbaren Aussichten. Sinvoll wäre es meiner Meinung nach gewesen den Tarifvertrag am oberen Lohnniveau anzusiedeln und eben nicht am unteren wie jetzt geschehen. Denkbar wäre auch, nur noch Pflegedienste o.Ä. zuzulassen, die einem Tarifvertrag angehören.
    In die ganze Sache spielt zusätzlich noch die Pflegereform die aus dem Gesundheitsministerium kommen soll. Hier ist bislang keine Kostendeckelung für die Pflegebedürftigen vorgesehen, dies könnte die möglicherweise kommende Überbelastung der Pflegebdürftigen verhindern.
    Warum hat jetzt die Caritas das mitentscheiden bzw. ein Veto einlegen? Laut Arbeitnehmerentsendegesetz kann in diesem Bereich ein Tarifvertrag nur für allgemeingültig erklärt werden wenn die Arbeitsrechtlichen Kommissionen von Caritas und Diakonie zustimmen. Dies war hier nicht der Fall. Ob man diese Regelung für gut befindet ist eine eigene Diskussion wert.

In diesem konkreten Fall ist aber in meinen Augen verhindert worden, dass ein unambitionierter Tarifvertrag flächendeckend gültig wird, der möglicherweise das Gegenteil von dem erreicht was er erreichen soll: steigende Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Da im Gesundheitswesen mit Kranken und Pflegekassen noch weitere Player mit im Spiel sind ist die Gemengelage inmeinen Augen deutlich komplizierter als inanderen Bereichen.
Ich hoffe ich konnte ein bisschen Licht ins Dunkel zu dieser konkreten Entscheidung bringen :slight_smile:

[Disclaimer: Ich bin bei einem Caritasverband beschäftigt, allerdings nicht im Pflegebereich]