Persönliche Verantwortung von PolitikerInnen

Hallo,

Manchmal treibt mich die Frage um, ob man hochrangige(re) Politiker:innen oder politische Beamt:innen nicht auch persönlich für politische Verfehlungen zur Verantwortung ziehen können sollte. Ein Untersuchungsausschuss ist ja schön und gut, bringt aber am Ende nur eine Feststellung und die politische Folge bleibt (gefühlt) leider häufig aus.

Als Beispiel, wo das gerade passiert, wäre der Landrat in RLP zu nennen, gegen den wegen der Flutkatastrophe an der Ahr wegen fahrlässiger Tötung ermittelt wird.
Wäre es hier möglich, die politischen Verantwortlichen auch zivilrechtlich zum Ersatz eines entstandenen Schadens zu verpflichten?

Könnte ein Staat nicht evtl auch gegen Herrn Scheuer wg Verschwendung von Finanzmitteln des Bundes zivilrechtlich vorgehen? Ist eine solche Idee der persönlichen Haftung realistisch oder eher utopisch?

MfG Philipp

Naja, das Thema ist relativ populistisch, aber gerade deshalb auch gefährlich.

Grundsätzlich gilt im deutschen Recht, dass der Arbeitnehmer nur dann für von ihm angerichtete Schäden zahlt, wenn er diese Schäden wirklich grob fahrlässig verursacht hat. Das ist im Arbeitsrecht geregelt, das gilt auch für Beamte (siehe z.B. §75 BBG).

Daher: Sowohl der Arbeitnehmer als auch der Beamte sind ihrem Arbeitgeber nur dann zum Schadenersatz verpflichtet, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben. Eine einfache Fahrlässigkeit genügt nicht. Und im Arbeitsrecht ist der Schaden in der Praxis i.d.R. auf drei Monatsgehälter begrenzt.

In Bezug auf Politiker ist das noch einmal ein Stück problematischer, als dies schon bei Arbeitnehmern oder Beamten ist. Und zwar deshalb, weil Politiker ihr Amt gerade nicht auftrags- oder weisungsgebunden ausüben (Art. 38 I GG) und es zu ihrem Job gehört, komplexe Entscheidungen zu treffen, die mannigfaltige Auswirkungen auf die Zukunft haben können.

„Hindsight is 20/20“ gilt auch hier - daher: Im Nachhinein ist es immer einfach, zu sagen, dass die Entscheidung eines Politikers falsch war. Aber wie viel „Sicherheit“ müssen wir von einem Politiker einfordern? Daher: Wollen wir wirklich, dass Politiker sich einen Großteil ihrer Handlungsoptionen nicht bedienen wollen, weil sie befürchten müssen, im Nachhinein dafür haften zu müssen?

In der Politik läuft es - wie übrigens auch bei Rechtsanwälten - darauf hinaus, dass man eine Rechtsauffassung vertritt, für deren zu Grunde liegendes Problem es eben gerade noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt. Kurzum: Man versucht Dinge, wie z.B. den Mietendeckel in Berlin. Damit kann man scheitern, damit kann man aber auch Erfolg haben - was es sein wird, können vor der Entscheidung des BVerfG meist nicht mal die Experten begründen. Es mag zwar im Vorfeld klare Mehrheits- und Minderheitsmeinungen geben, aber es ist selten so, dass absolut jeder renommierte Jurist sagen würde: „Na das ging ganz offensichtlich gar nicht!“.

Ein Haftungsanspruch gegen Politiker würde dazu führen, dass man Politiker im Prinzip zwingt, immer die Mehrheitsmeinung zu verfolgen. Die Mehrheitsmeinung der Wirtschaftswissenschaftler vor Einführung des Mindestlohnes war übrigens, dass der Mindestlohn total schlimm wird - die Mehrheit hat nicht immer Recht, sondern die Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler hat halt im Schnitt eine gewisse politische Einstellung, welche die Einschätzungen beeinflusst.

Und wie soll ein Politiker sich dann entscheiden, wenn die Expertenmeinungen im Hinblick auf eine Reform (oder der Einführung eines neuen Systems wie der Maut) sehr gespalten sind? Wenn es eine Haftungsmöglichkeit gibt, wäre das Resultat, dass der Politiker lieber nichts tut, als zu riskieren, sich haftbar zu machen. Das führt dann eher zu noch mehr Stillstand und weniger „Mut“ zum Fortschritt.

Zu guter Letzt muss natürlich auch noch Art. 46 GG Erwähnung finden. Dieser schließt eine Haftung von Abgeordneten für ihre Abstimmungen explizit aus - diese Logik gilt ein Stück weit auch für Minister. Also einen Minister haftbar zu machen, weil er mit den Stimmen der Abgeordneten ein Projekt realisiert, erscheint fragwürdig, wenn man gleichzeitig die Abgeordneten, die das Ganze abgenickt haben, nicht zur Rechenschaft zieht. Im Hinblick auf Scheuers Maut-Versagen muss man daher auch konstatieren, dass die Schuld nicht alleine bei Scheuer liegt, sondern auch bei der ganzen großen Koalition, die das Maut-Vorhaben in dieser Form abgenickt hat, obwohl es viele, viele kritische Stimmen gab, die sich im Nachhinein als korrekt erwiesen haben.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Ich halte einen (zivil- oder verwaltungsrechtlichen) Haftungsanspruch gegen Politiker für ausgesprochen schwierig. Strafrechtlich, wie im Ahrtal geschehen, sieht die Sache schon anders aus. Also wenn Straftaten im Amt begangen werden, kann natürlich auch und gerade gegen hochrangige Politiker im Bundestag ermittelt werden (nach Aufhebung ihrer Immunität). Aber die Schwelle zur Straftat überschreiten inkompetente Minister wie Herr Scheuer halt in aller Regel nicht.

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Das Thema ist zwar schon etwas älter, ich packe es aber mal hier mit rein da es ja um neue Informationen zur FLutkatastrophe und potentiellem Fehlverhalten von Politikern geht:

Nur falls jemand glauben sollte dass die Grünen das alles besser und sauberer machen.

Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber im nahen europäischen Ausland kann es durchaus passieren, dass Minister für Verfehlungen während ihrer Amtszeit verurteilt werden. Beispiel: Inger Støjberg – Wikipedia

Siehe dazu auch dieser Thread