Auch eher nicht, aber das Problem ist halt, dass man im Verteidigungsfall, wie man ihm z.B. aktuell in der Ukraine hat, nicht die Möglichkeit hat, die jeweiligen Sachverhalte zu prüfen. Daher: Man hat nicht die Zeit, zu prüfen, ob jemand, der sagt, er könne nicht kämpfen, tatsächlich aus tiefgreifenden psychischen oder physischen Gründen nicht kämpfen kann - oder ob derjenige nur lieber auch schnell das Land verlassen würde, um nicht kämpfen zu müssen.
Letztlich wollte man zwei Dinge erreichen:
a) Möglichst viele Nichtkombattanten (Frauen, Kinder, Senioren) sollten das Land verlassen können.
b) Möglichst viele wehrfähige Menschen sollten das Land nicht verlassen können.
Da die Quote der Nicht-Wehrfähigen in bestimmten Bevölkerungsgruppen (Kinder 100%, Rentner und Frauen relativ hoch…) besonders hoch war, wurde diesen die Flucht erlaubt. Denn hätte man z.B. bei jeder Frau auch erst prüfen wollen, ob sie nicht doch wehrfähig sei, wäre keine rechtzeitige Flucht mehr möglich gewesen.
Umgekehrt ist die Quote der Wehrfähigen in der Gruppe der jungen und mittelalten Männer aller Erfahrung nach besonders hoch, daher hat man dieser Gruppe die Flucht grundsätzlich nicht erlaubt. Diejenigen in dieser Gruppe, die sich im Rahmen ihrer Einziehung in die Verteidigung als absolut Nicht-Wehrfähig herausstellen, haben dann natürlich das Problem, dass das Zeitfenster, dass eine Flucht ermöglichen würde, i.d.R. bei Feststellung ihrer Nicht-Wehrfähigkeit geschlossen sein wird.
Das ist natürlich problematisch und alles andere als schön, auch durchaus diskriminierend und generell geschlechter-ungerecht. Aber irgendwie auch nahezu alternativlos. Zumindest fällt mir keine andere Methode ein, gleichzeitig die schnelle Flucht für möglichst viele Nicht-Wehrfähige zu ermöglichen und gleichzeitig möglichst viele Wehrfähige für die Landesverteidigung zu verpflichten.
Und dass ein Staat, der existenziell bedroht wird, seine Landesverteidigung zweifellos höherwertig ansiedeln wird als z.B. Geschlechtergerechtigkeit oder das Recht des Einzelnen, nicht in einem Krieg kämpfen zu wollen, ist denke ich ein roter Faden, der sich durch die Geschichte aller Staaten zieht… die USA (Vietnam) und Russland (Ukraine) haben letztlich sogar ohne eine eigene, existenzielle Bedrohung Wehrpflichtige gegen ihren Willen in einen Krieg in’s Ausland verschifft. Dagegen ist die Verwendung von nicht-willigen im Verteidigungsfall noch recht verständlich.
Kurzum:
Dass Männer und Frauen im Hinblick auf die Einziehung im Verteidigungsfall anders behandelt würden, ist unschön, aber auch nur schwer vermeidbar, wie das Beispiel der Ukraine zeigt…