Osterruhe, oder doch nicht

Die Kapazität der Ministerialverwaltung oder der Bundestagsausschüsse ist auch keine „juristische“ Hürde. Man dürfte das/die Ruhetags-Gesetz(e) rechtzeitig machen, könnte es auch, will es aber nicht.

Die Frage war bewusst provokativ gestellt, weil es bspw. etwas anderes ist, ob ich eine gesetzliche Regelung (auf Bundes- oder Landesebene) habe oder eine Musterverordnung des Bundes, die die Länder aufgrund Bundesgesetz (IfSG) exekutieren könnten (Zitat BMI: „Eine ausdrückliche Kompetenz des Bundes für die gesetzliche Regelung von bundeseinheitlichen Feiertagen besteht nicht.“). Es wurde ja auch nie von einer „gesetzlichen Regelung“ gesprochen, sondern es wurde bewusst schwammig gehalten. Ich wollte damit die Komplexität der Thematik verdeutlichen und es eben nicht damit getan ist, einfach zu fordern: „Der Staat soll Vorschriften machen!“ Das ist mir persönlich zu oberflächlich.

Eher eine Verordnung, s. o. Die Ausschüsse entwerfen i. d. R. auch keine Gesetzesvorlagen, sondern interfraktionelle Beratung und Sachverständigen-Anhörung stehen hier im Vordergrund.

Das sowie die wahrscheinlich erwartbare Klagewelle durch Arbeitgeber, aufgrund der Rechtsunsicherheit…
Ich persönlich habe mich auch gefragt, wie mit Arbeitnehmern/-innen umgegangen werden soll, die sowieso im Homeoffice arbeiten und keinerlei physische Kontakte haben, wenn die Intention des Ruhetags war, Kontakte am Arbeitsplatz, in Betrieben, Fabriken usw. zu vermeiden. Das hätte aber möglicherweise eine Ungleichbehandlung nach sich gezogen. Man kann ja nicht einfach sagen: „Die, die ohnehin zuhause arbeiten, arbeiten weiter. Für die ändert sich nichts.“

Das ist offensichtlich, fraglich nur, ob der Wille da ist. Vorschlag: Nicht mehr der Bund bzw. das Kanzlerinamt macht einen Vorschlag bzw. Beschlussentwurf, sondern die Länder nach Abstimmung von ‚A‘- und ‚B-Ländern‘. Ist auch naheliegender, da der Großteil der Umsetzung in den Ländern verantwortet wird. Damit würde man aus Sicht des Bundes aber auch, zumindest symbolisch, das ‚Heft des Handelns‘ aus der Hand geben, was nicht ganz ungefährlich wäre.

Ja, das stimmt. Damit wollte ich mich nicht im Detail beschäftigen.

Eine ausdrückliche Kompetenz des Bundes für die gesetzliche Regelung von bundeseinheitlichen Feiertagen besteht nicht.

Das ist leider eine sehr eng gefasste und zurückhaltende Aussage.

Verblüffend ist jedenfalls, dass sowohl der Bund als auch alle Länder eigene Feiertagsgesetze haben.

Im Einzelnen ist die Zuständigkeit mMn so:

Wo der Bund keine hat, haben sie die Länder. Wo der Bund von einer konkurrierenden Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat, haben sie die Länder.

Erst mal kann man das Ruhetagsgesetz gut und gerne unter „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG fassen. In Betracht kommen zusätzlich Nr. 11 „Recht der Wirtschaft“ und Nr. 12 „Arbeitsrecht“. Dann hätte der Bund eine konkurrierende Kompetenz.

Wenn man das ablehnt, hat der Bund in der Tat keine „ausdrückliche“, aber eine möglicherweise eine ungeschriebene. In Betracht kommt eine ungeschriebene Kompetenz „kraft Sachzusammenhangs“. Zusammenhängen könnte der Ruhetag wiederum mit dem Infektionsschutz in Art. 74 GG. Deswegen wäre die auch die ungeschriebene Kompetenz für den Ruhetag allenfalls eine konkurrierende.

Ich finde es durchaus vertretbar, dass die Ruhetage eng genug mit dem Infektionsschutz zusammenhängen, um eine Bundeskompetenz zu begründen. Es geht ja eig. nicht um Ruhe, sondern um Kontaktverringerung.

Aber Ruhetagsgesetze der Länder wären die sicherste denkbare Lösung gewesen. Denn es ist sicher, dass es keine ausschließliche Bundeskompetenz gibt.

Für Gesetz statt Verordnung spricht, dass die bisherigen Feiertage auch durch Gesetze geregelt sind. Vielleicht muss das aufgrund der o. g. Wesentlichkeitstheorie sogar so sein.

Die Ausschüsse entwerfen i. d. R. auch keine Gesetzesvorlagen, sondern interfraktionelle Beratung und Sachverständigen-Anhörung stehen hier im Vordergrund.

Stimmt.

Das sowie die wahrscheinlich erwartbare Klagewelle durch Arbeitgeber, aufgrund der Rechtsunsicherheit…

Das ist vielleicht ein Problem. Genießt man denn überhaupt Vertrauenschutz oder ist es nicht wichtiger, dass der Staat in der Pandemie schnell reagiert? Besser wäre natürlich „proagiert“, aber die Regierung macht gerade alles andere, als der Pandemie zuvorzukommen.

Ich persönlich habe mich auch gefragt, wie mit Arbeitnehmern/-innen umgegangen werden soll, die sowieso im Homeoffice arbeiten und keinerlei physische Kontakte haben, wenn die Intention des Ruhetags war, Kontakte am Arbeitsplatz, in Betrieben, Fabriken usw. zu vermeiden. Das hätte aber möglicherweise eine Ungleichbehandlung nach sich gezogen. Man kann ja nicht einfach sagen: „Die, die ohnehin zuhause arbeiten, arbeiten weiter. Für die ändert sich nichts.“

So hab ich das noch nicht gesehen. Ein ähnliches Problem haben wir doch auch ohne Ruhetag, mit den ganzen geschlossenen Geschäften und Gastro?

Man kann es auch so sehen: Freie Tage für Leute, die eh im Homeoffice arbeiten, bringt für den Infektionsschutz gar nichts. Insoweit belastet es den Arbeitgeber und bringt für das eigentliche Ziel 0 Vorteil.
Die Arbeitnehmer würde es freuen.

‚A‘- und ‚B-Ländern‘.

Interessant, die Begriffe waren mir noch nicht geläufig.

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Ich habe gerade nochmal Merkels Zurückruder-Rede gehört. Sie sagte, sie wolle die „Verordnungen“ „nicht auf den Weg bringen“.

Das klingt so, als hätte ihr tatsächlich kein Parlamentsgesetz vorgeschwebt. Plural Verordnungen deutet auf Länder hin; Auf-den-Weg-Bringen durch die Kanzlerin deutet auf Bundeskompetenz hin.

Ja, das habe ich ja weiter oben versucht zu beschreiben (eine Möglichkeit): Rechtsverordnung des Bundes auf Basis des IfSG – aber auch da wäre eine Prüfung notwendig gewesen, ob sich das überhaupt wasserdicht begründen lässt und nicht vom nächsten VG kassiert wird. Vielleicht hätte es mehrerer Verordnungen bedurft, in denen jeweils verschiedene Aspekte behandelt werden. Hätte es ein Gesetz bzw. eine Änderung eines bestehenden sein sollen, müssten natürlich auch die Fraktionen beteiligt werden, zumindest die Regierungsfraktionen. Ob da alle einfach so mitgemacht hätten, eher fraglich. Die wurden ja offenbar vorher gar nicht konsultiert, etwa über die Fraktionsvorsitzenden oder Parlamentarischen GF.

Vielleicht hätte es mehrerer Verordnungen bedurft, in denen jeweils verschiedene Aspekte behandelt werden.

Guter Punkt! Daran hatte ich gar nicht gedacht.

Ob da alle einfach so mitgemacht hätten, eher fraglich. Die wurden ja offenbar vorher gar nicht konsultiert, etwa über die Fraktionsvorsitzenden oder Parlamentarischen GF.

Das kann sein und mag ein weiterer Grund sein, wieso Merkel Abstand genommen hat.

Mir wäre es lieber, dass so etwas transparent wird. Aus Sicht der Regierung will man dass natürlich vertuschen und schiebt dann „juristische Hürden“ vor.

nicht vom nächsten VG kassiert wird

Gesetze sind insofern „sicherer“, dass nur die Verfassungsgerichte sie kassieren dürfen, Art. 100 Abs. 1 GG.

Allein schon die falsche Form – RVO, ohne das Wesentliche im Gesetz zu regeln – ist ein Grund, die Norm zu kassieren.

Eigentlich darf dann kein VG die RVO anwenden.

Vgl. auch die Corona-Impf-Verordnung. Zurzeit ist die Prioritätsregelung (nicht die restlichen Teile) verfassungswidrig, weil der Bundestag die Priorität selber bestimmen muss. Er darf sie nicht an Jens Spahn delegieren.

Allerdings sind hier BT und BRat zur Besinnung gekommen und eine richtige Grundlage ist so gut wie fertig – wobei die Priorisierung eh „Geschichte ist“, weil und soweit bald Arztpraxen impfen.

Bei den Ruhetagen wäre eine RVO auf festeren Füßen als bei der Impfung, da man für Ruhetage eine bessere RVO-Ermächtigung hätte: §§ 32, 28, 28a IfSG (seit November 2020). Wenn man sagt, dass die Ruhetage nicht so wesentlich sind, dass sie ein spezielles Gesetz brauchen, dann reicht das.

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Danke für die Ausführungen und die Links, durchaus sehr interessant, kannte ich noch nicht, wohl aber die Bewertung zur Impfverordnung (im Thread weiter oben).
Ich glaube aber immer noch, dass – unbenommen der Regelungskompetenz/Zuständigkeit von Bund oder Ländern bei einer Ruhetagsregelung – die Folgeprobleme viel größer als der Nutzen gewesen wären: Feiertagszuschläge, Aufrechterhaltung von bspw. IT-Services wenn vertraglich vereinbart usw. Dass man das alles nicht mal innerhalb von ein paar Tagen klären (auch auf Unternehmensebene) kann, verstehe ich schon, wird aber nicht der einzige Grund gewesen sein.

Inzwischen nimmt die Debatte nach dem Interview am Sonntag zum Glück fahrt auf. Auch, was die Rolle des Bundes angeht (SZ: Seehofer – Bund muss übernehmen). Der Art. 74 GG wurde schon genannt. Die SPD-Fraktion hat etwas später schon mehr oder weniger abgewunken. Mal schauen, was da noch kommt. Klar ist, dass man diese Option viel früher hätte in Betracht ziehen müssen.

Die Länder würden sich bestimmt sehr freuen, wenn man ihnen die Zuständigkeit für das Schulwesen wegnähme und dies mit Infektionsschutz begründet… ^^ Ob das eine plausible Begründung ist, wird vielleicht Gerichte beschäftigen.
Allerdings sind auch hier die Positionen innerhalb der Rechtswissenschaft naturgemäß sehr divers, was z. B. den Bundesrat betrifft: Christoph Möllers sagt: „Ja, klappt alles. IfSG bedürfe zwar einer Novelle, dieser muss im Bundesrat aber nicht zwingend zugestimmt werden, da Einspruchsgesetz.“ Jochen Rozek sagt: „Nee, Änderung des IfSG bedarf Zustimmung des Bundesrats.“ Mal sehen, was dahingehend noch passiert.

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