openPetition - Türöffner für bundesweiten Volksentscheid?

Hallo,

ich möchte mal in die Runde fragen, was Ihr von openPetion haltet.

openPetition setzt sich für die Vereinfachung und Weiterentwicklung der Instrumente der partizipativen Demokratie ein. Dabei möchte die Plattform Beteiligung stärken, sowohl auf kommunaler Ebene durch das „openDemokratie-Tool“ als auch deutschlandweit durch die im Jahr 2020 veröffentlichte Plattform der „Hausparlamente“ und europaweit durch die Schaffung einer gemeinsamen Plattform für alle europäischen Länder. Die Organisation bleibt dabei politisch neutral.

Sie hat eine Petitions-Onlineplattform entwickelt (man kann aber auch Briefwahl machen) und hält darüber Abstimmungen zu wichtigen Fragen in unserer Gesellschaft ab - ich nehme an: Vor allem, um Aufmerksamkeit auf partizipative Demokratie zu lenken. Die Ergebnisse sind natürlich noch völlig unverbindlich, aber die Abstimmungen laufen inzwischen hochprofessionell ab. Inzwischen kann man dort auch mit dem ePerso authentifiziert online teilnehmen, alternativ per Briefwahl.

Aktuelle Abstimmungen sind: Vermögensteuer für Superreiche, Waffenlieferungen an die Ukraine, Klimaschutzgesetz und die Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse. Dazu gibt es ein professionelles, m.E. neutrales und gut fundiertes Informationsheft.

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Interessant ist das Ergebnis der Volksabstimmung:

Teilnahme: Nur 63.064

Quelle:

Also diese Aktion mit der “Volksabstimmung” sehe ich kritisch. Das ist fast texbuchhaft populistisch. Ich hatte davon zum Beispiel bis zu deiner Post (Danke!) nichts gehört. Und weil es keine staatlich organisierte Wahl ist, habe ich auch persönlich keinen Bock mich verpflichtet zu fühlen, bei einer Online-Umfrage mitzumachen. Entsprechend repräsentiert mich diese Aktion in keiner Weise. Es ist eigentlich nur eine methodisch extrem zweifelhafte, nicht repräsentative Umfrage. Wenn ich sowas will, dann kann ich auch ein beliebiges Online-Medium aufrufen.

Partizipative Demokratie finde ich erstmal gut. Insbesondere auf kommunaler Ebene - das bekomme ich als Ratsmitglied regelmäßig mit - würden mehr Instrumente zur Einbindung der Bürger sicher Sinn machen. Aber auch hier muss es eine gute und überlegte Balance geben. Sonst wird nirgendwo in Deutschland mehr eine neue Überland-Stromleitung, Bahnlinie oder Mehrfamilienhaus mehr gebaut werden (nicht vergessen: die Flächennutzungs- und Bauleitplanung liegt in kommunaler Hand).

Entsprechend bin ich mir relativ sicher, dass pure “Volksbefragungen” auf kommunaler Ebene (und noch weniger in größeren Verwaltungseinheiten bis hin zum bundesweiten Volksentscheid) nicht die Lösung sind. Zumal sowas extrem anfällig für gezielte Kampagnen ist und damit die Rolle von privatem Geld im politischen Prozess stärkt.

“Partizipative Politik” ist für mich nicht das ankreuzen eines Kästchens bei einer Volksabstimmung. Das ist einfach nur eine etwas feiner aufgelöste Wahl, wie wir sie heute schon alle 4/5 Jahre für jedes Gremium haben. “Partizipieren” kann ich nur an einem Prozess und der beginnt in aller Regel lange bevor die verschiedenen Alternativen, über die abgestimmt werden kann, öffentlich gemacht werden.

Entsprechend würde ich mir mehr Bürgerräte und bessere Konzepte zur verpflichtenden aktiven Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene wünschen. Und die politischen Parteien sollten Anreize bekommen, erheblich mehr Mittel in die Aktivierung ihrer Mitglieder zu stecken. Die Partei als eine der zentralen Institutionen der politischen Willensbildung sollte unbedingt gestärkt werden, genauso wie die Möglichkeiten parteiunabhängiger politischer Initiativen.

Ich finde es außerdem etwas komisch, wenn openPetition einerseits ein “Vetorecht” per Volksentscheid fordert, andererseits aber schreibt

Das Vetorecht stellt die Entscheidungshoheit der repräsentativen Demokratie nicht in Frage.

Natürlich tut es das! Es ist sprichwörtlich ein Veto!

Es ist völlig in Ordnung, dass zu fordern – ich bin kein Fan bundesweiter Volksentscheide, aber die Forderung nach einem Volksentscheid ist eine völlig legitime Position, über die man trefflich inhaltlich diskutieren kann. Aber versucht doch bitte nicht, fadenscheinige Rhetorik anstelle von Argumenten zu nutzen.