Warum hat man die Wissenschaft eigentlich nicht stärker in die Entwicklung eingebunden?
Im Prinzip passierte genau das. Die Gruppe PEPP-PT um KI-Unternehmer Chris Boos, MItglied im Digitalrat, initiierte die Zusammenarbeit zwischen einigen Universitäten (und Unternehmen, von denen man niemals was mitbekam).
Daraus entstand auch das dezentrale Protokoll DP3T, was auch vom Chaos Computer Club und anderen hoch gelobt wurde.
Am Anfang wurde auf der Webseite von PEPP-PT kommuniziert, dass DP3T der favourisierte Ansatz ist. Dann wurde dieser Zusatz kommentarlos fallengelassen und auch sonst war die Kommunikation von PEPP-PT sehr dürftig.
Daraufhin gab es dann den Shitstorm, weil auch immer fragwürdiger wurde, ob 1) PEPP-PT die geeignete Initiative ist und 2) warum PEPP-PT einen zentralen Ansatz verfolgt (Anfänglich hies es, dass man offen sei für beide Lösungen, aber komischerweise haben Boos und Spahn immer nur von einer zentralen Lösung geredet), wobei immer klarer wurde, das der dezentrale Ansatz überlegener ist - außer halt, wenn man eine KI-Firma hat, die beim zentralen Ansatz Daten analysieren will… DP3T hat dann weitergemacht wie bisher. (Richtigstellung: Hier wurde keine Zeit verloren! Neben der Arbeit am Protokoll haben die Forscher sich halt noch von PEPP-PT distanziert, aber die Arbeit an DP3T ging weiter, sogar fokusierter, da mehr Mitarbeiter und mehr fachliche Kritik am Ansatz.) DP3T ist heute das Protokoll, auf dem das Protokoll von Google/Apple und damit auch das der Corona-App der Bundesregierung basieren, ein voller Erfolg also.
Google und Apple haben unter Hochdruck daran gearbeitet, ein gegenseitig verständliches Protokoll zu erarbeiten sowie die Apps tief im Betriebssystem zu verankern (bspw. damit die im Hintergrund laufen). Auch hier wurde keine Zeit verloren, und zum Glück haben sich Google und Apple geweigert, eine zentrale Lösung technisch zu unterstützen. (Etwas kurios war das Statement, dass man sich SAP und T-Systems als Partner geholt habe, „weil die mit Google und Apple auf Augenhöhe verhandeln können“. Erstens gab es nichts zu verhandeln und zweitens ist es äußerst schwierig, die beiden zu irgendwas zu zwingen - wird mal höchste Zeit für ein europäisches Smartphone und Betriebssystem, so am Rande.)
SAP und T-Systems braucht man, um die Infrastruktur hier aufzusetzen und die App an die rechtlichen Gegebenheiten in Deutschland anzupassen. Mit <=60 Millionen Euro ist das sogar ein recht schlankes IT-Projekt, und dass es open soruce ist, ist ein Meilenstein und Hoffnungsschimmer in der Digitalisierung.
Was mich unglaublich ärgert, ist, dass die Testlabore noch nicht richtig eingebunden sind. Das ist der eine Flaschenhals, der schon von Anfang an klar war und nicht rein technisch zu lösen ist. Der einzige Faktor, wo Zeit wirklich eine Rolle gespielt hat.
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Kurzzusammenfassung: Die Wissenschaftler wurden eingebunden, haben ihren Job gemacht (inklusive sich gegen eine unnötig risikoreiche zentrale Lösung zu stemmen), Google/Apple haben ihren Job gemacht und SAP und T-Systems ebenso.