Ökobilanz von Retouren

Moin zusammen.

Vorne weg: Ich höre die Lage „erst“ seit Mai 2021, weswegen ich mir nicht sicher bin, ob dieses Thema schon einmal behandelt worden ist.

Immer wieder habe ich gehört, dass große Händler, wie z.B. Amazon, Retouren in großen Mengen entsorgen, anstatt sie weiter zu verkaufen. Gestern habe ich mich mit einem Bekannten unterhalten, der in einem kleinen lokalen Schuhgeschäft arbeitet. Selbst dieses kann Retouren, die leichte Spuren aufweisen, nicht mehr verwenden. Auch das Spenden der Retouren ist nicht möglich, da dies Kosten für das Geschäft verursachen würden.

Warum wird nicht aktiv gegen das Vernichten der Retouren vorgegangen? Dazu habe ich Mal folgende
https://www.n-tv.de/mediathek/sendungen/RTLplus/Retouren-Wahnsinn-Die-dunkle-Seite-des-Onlinehandels-article22932066.html gesehen und diesen [Was es mit der Vernichtung von Retouren auf sich hat - Wirtschaft - SZ.de](https://Artikel der SZ) rausgekramt.

Gerade aktuell ist doch die Ökobilanz ein wichtiges Thema. Wie kann es da also sein, dass Geschäfte verwendbare Waren vernichten, anstatt sie z.B. zu spenden, weil das Spenden so hohe Kosten verursacht?

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Etwas am Thema vorbei, aber: schlechtes Schuhgeschäft ^^

In unserem Second Hand werden auch Schuhe angeboten.

Wenn also Schuhe durch den Second Hand gehen können, warum können dann Schuhgeschäfte nicht Retouren günstiger als Originalpreis anbieten?

Ach und unser Elektromarkt bietet ebenfalls ausgepackten Retouren zu einem günstigeren Preis an.

Es geht also, man muss es nur wollen.

Aber du hast insofern Recht, solange Spenden teurer ist als Vernichten wird sich da nicht viel ändern.

Was schlägst Du denn vor?

Finde das Thema nicht trivial und verstehe da beide Seiten… Klar, ist Entsorgung Mist, aber wenn ein Unternehmen wie Amazon da irgendeinen China-Schrott im Wert von 10 Euro als Retour bekommt - wohlmöglich sogar noch mit der Anmerkung, dass es defekt ist - ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass beim zweiten Verkauf auch zurückgesendet wird.

Und dann ist das unternehmerisch absolut günstiger den Kram zu entsorgen - eventuell ist das auch für den CO2-Verbrauch die bessere Lösung.

Wir hatten das bei uns in der Firma (Industrieunternehmen mit 20.000 Mitarbeitern) letztlich auch, dass neue Schreibtische und Bürostühle gekauft wurden. Die alten Möbel hat man einem Entsorgungsunternehmen übergeben, dafür vermutlich sogar noch gezahlt, obwohl es Mitarbeiter gab, die Interesse an der Übernahme hatten

Das zu spenden oder weiterzuverkaufen ist da nicht trivial. Oftmals gibt es für dieses Szenario (das auch nicht häufig vorkommen muss) in Konzernen einfach keinen Prozess. Das ganze muss ja z.B. buchhalterisch auch passen, bei Mitarbeitern müsste das wieder als geldwerter Vorteil versteuert werden, man bräuchte einen Prozess für die Genehmigung, man muss die Leute am Empfang informieren, dass da auf einmal Leute durch’s Tor gehen, die Bürostühle im Schlepptau haben, etc. pp.

Zu den Retouren hab ich keine so echte Meinung. Aber das Beispiel mit den Schreibtischen zeigt sehr gut, dass manches in unserem Land falsch läuft. Über Jahrzehnte haben deine Kollegen von ihrem Chef einen Torschein bekommen und den Schreibtisch mitgenommen oder einer Einrichtung gespendet. Jetzt hat ein Buchhalter festgestellt, dass etwas „Richtiges“ falsch sein könnte und schon werden jedem Schwachsinn Tür und Tor geöffnet. Es hat sich eine „Industrie“ aus Juristen und Kaufleuten entwickelt, die unser Land mit Bürokratismus überziehen. Hier wäre eine Zeitenwende dringend angeraten.

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Wie stellst Du Dir denn eine Lösung konkret vor?

Das ist rechtlich tatsächlich etwas komplizierter.

Bei Kauf von Neuware hat der Kunde den Anspruch und das Recht darauf, absolut fehlerfreie Neuware zu erhalten, daher ohne Kratzer oder kleinste Beschädigungen.

Beim Second Hand-Kauf von Retouren im Fachgeschäft vor Ort gilt „gekauft wie gesehen“, daher: Der Kunde kann das Produkt in die Hand nehmen, etwaige kleinere Fehler inspizieren und entscheiden, ob er das Produkt für den geringeren Preis kaufen möchte.

Im Online-Handel geht das nicht wirklich. Bilder des konkreten Einzelstücks hochzuladen erzeugt zu hohe Kosten für den Online-Shop und wäre auch nur begrenzt hilfreich. Der Online-Shop müsste dem Kunden daher quasi versprechen, dass das Produkt wie Neuware ist. Das wiederum bedeutet, dass die Second Hand-Ware kostenaufwändig durch Mitarbeiter (statt wie im Fachhandel vor Ort durch den Kunden) geprüft werden müsste. Die Retour-Quote von Second Hand-Ware wäre zudem selbst bei einem verhältnismäßig gut funktionierenden System vermutlich höher. Und das ist dann halt das Problem: Es wird unwirtschaftlich.

Eine mögliche Lösung wäre, Online-Händler zu verbieten, Retourware zu vernichten. Das könnte z.B. dazu führen, dass diese Ware palettenweise zu günstigen Preisen an Großkunden, die Vor-Ort-Geschäfte führen, verkauft werden. Zum Beispiel größere Second Hand-Läden, Sozialkaufhäuser, Flohmärkte und ähnliches. Oder, dass die Online-Händler die Ware bei Sonderaktionen verschenken. Oder an gemeinnützige Organisationen spenden. Ohne ein Verbot ist die Vernichtung dieser Artikel für die Online-Händler leider - rein wirtschaftlich betrachtet - tatsächlich das Sinnvollste, weil jedes Verschenken natürlich die Nachfrage befriedigt, die man lieber mit einem Verkauf befriedigen will.

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Der Buchhalter hat schlicht Recht. Wann immer ein Unternehmen etwas an einen Mitarbeiter übergibt, muss das als geldwerter Vorteil versteuert werden. Das ist schlicht das Gesetz - und auch sinnvoll. Denn sonst würden Unternehmen noch stärker als ohnehin schon ihre Steuern verkürzen, indem sie die Lohnsteuer und Sozialabgaben teilweise aushebeln, indem sie ihre Mitarbeiter mit Waren und Dienstleistungen an der Steuer vorbei bezahlen.

Denn wer entscheidet letztlich, ob das Geschenk an den Mitarbeiter tatsächlich nur erfolgt, weil das Zeug sonst weggeworfen würde - oder ob es sich um eine verdeckte Lohnzahlung handelt? Es wäre schlicht zu einfach, Steuern zu verkürzen, wenn Unternehmen nicht alles als geldwerten Vorteil werten müssten. Das gleiche gilt leider auch, wenn Supermärkte z.B. abgelaufene Ware schreddern, obwohl Mitarbeiter die Ware auch nach Hause nehmen würden.

Ich kann total nachvollziehen, dass das eine ziemlich blöde Situation ist, aber die Frage ist halt wirklich: Was wäre eine tragfähige Lösung, die nicht massiv missbraucht werden könnte?

In der Praxis läuft es ohnehin so, dass die Arbeitgeber und Buchhalter einfach wegschauen, wenn die Arbeitnehmer den alten Bürotisch nicht zum Wertstoffhof, sondern nach Hause fahren. Und das Finanzamt schaut in der Regel auch eher nach „größeren“ Problemen. Aber rechtlich kann man das halt nicht so regeln, weil das Missbrauchspotential einer solchen Regelung zu groß wäre.

Es ist der Staat mit seinem - nachvollziehbaren - Interesse an Steuerzahlung, der diesen Bürokratismus entwirft. Wie gesagt, vor allem aus Mangel an Alternativen. Bietest du Unternehmen Schlupfräume, um Steuern zu sparen, kann ich dir garantieren, dass diese auch maximal ausgenutzt werden, bis in die tiefsten Grauzonen hinein. Und dann ist das Geschrei nach einer Reform auch wieder laut. So wird das Ganze zu einer Frage der Prioritätensetzung.

Der aktuelle Status Quo ist eigentlich ganz okay: Streng genommen ist es verboten, aber wenn man es nicht übertreibt, interessiert es in der Regel einfach niemanden… so eröffnet man keine Steuerschlupflöcher, während es in der Praxis so läuft, wie man es auch erwarten würde…

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Tja, das ist wie immer die Kernfrage.

  1. Der Staat könnte z.B. verhindern, dass der Einzelhandel Retouren direkt wieder zurückschickt, sondern sie erst mal einsammeln und mit einer Art Abgabe belegen, die so hoch ist, dass der Handel dadurch motiviert wäre, die Waren anderweitig doch zu verkaufen. Aber das würde einen großen Berg an Bürokratie und aktive Überwachung erfordern.
  2. Der Staat könnte z.B. eine sehr große Einfuhrsteuer auf Elektronik-Produkte erheben. Dadurch würden diese im Wert steigen sobald sie in Deutschland bzw. der EU wären. Auch dann hätten die Händler ein Interesse die dann teuren Waren auch zu verkaufen. Das würde aber massive Proteste von Wirtschaft und auch Verbrauchern bedeuten. So einen „Shitstorm“ muss eine Regierung dann aussitzen können.
  3. Wir warten einfach bis die Klima-Katastrophe dem heutigen Verschwender-Kapitalismus den Gar ausmacht und konsumieren dann erzwungenermaßen weniger und nachhaltiger.

Eine wirklich gute Lösung gibt es bei solchen Themen leider eh nie, sonst wären es ja keine echten Probleme.

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Das ist eine berechtigte Frage. Ich bin seit über 30 Jahren im Berufsleben und habe mich davon 20 Jahre gezwungener Maßen mit Umweltrecht beschäftigt (nicht als Jurist sondern als Ingenieur). In der Zeit gab es etliche Initiativen zur „Verwaltungsvereinfachung“ die meist von den Wirtschaftsverbänden initiiert und mit den Verwaltungen untersucht wurden. Das Ergebnis war fast immer ernüchternd.
Oft kommen solche Argumente, da stünde doch ein Gesetz entgegen, siehe auch Daniel_K. Die Menschen glauben dann, ein Gesetz wäre „von Gott gemacht“.
Es ist ja wirklich heute alles extrem kompliziert. Deshalb sehe ich auch nur radikale Lösungen. Hier zwei Beispiele die das untermauern:

  • in den 90zigern Jahren gab es einen Konzern mit Hauptsitz der u.a. Stahl und Röhren hergestellt hat. Der hatte für den gesamten Konzern nur 4 Regelungen, und die waren Auszüge aus Vorstandsprotokollen. 100.000 Mitarbeiter waren sich bewusst, dass sie „verantwortungsvoll“ handeln müssen. Ging also.
    30 Jahre später hat ein anderes Unternehmen, dessen Mutter alles bis in kleinste Detail schriftlich regelt, beschlossen die Kultur zu ändern. Die Vorschriften gibt es heute noch, aber der Geist ist daran orientiert das Richtige für das Unternehmen zu tun (dazu gehört auch als ganz hohes Gut die Legalität).

Hier nun mein erster Vorschlag: sämtliches Steuerrecht wird gelöscht. Statt dessen wird ein neues Steuerrecht geschaffen, dessen Umfang Max eine A4 Seite haben darf (Bierdeckel ist doch etwas knapp).

Ja und wo ist das Problem?

Retouren sind doch keine Neuware mehr.
Kleinen Rabatt drauf und fertig.

Nein.
Warum musste der Online-Handel das versprechen?

Wenn dran steht Retourware ist doch klar, dass es keine Neuware mehr ist.

Außerdem gibt es stationäre Händler die sich auf den Abverkauf solche Retouren spezialisiert haben.
Könnten also auch die Onlinehändler so tun.

Wer zahlt die?

Was soll das bringen? Der Staat nimmt dann zwar mehr durch Zölle ein, aber da hat der Händler ja nix von

Da bin ich grundsätzlich für. Beste Lösung imo: Flattax: ALLE Steuervergünstigungen fallen weg, dafür zahlt man pauschal 25% Steuer auf alles Einkommen. Passt vermutlich auch auf einen Bierdeckel.

ABER: Das ist ein anderes Thema!
Eine komplette Reform der Steuer wird in Deutschland so bald nicht passieren - schon garnicht unter einer Ampel!
Das ist ein verdammt dickes Brett was man da zu bohren hat.

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Der Einzelhändler, der etwas als Retoure zurückschicken will.

Na das sich irgendwelche Billig-Elektroartikel (50 € Smartphones usw.) Nicht mehr lohnen und durch die steigenden Preise könnte die Nachfrage nach ordentlichen Produkten steigen.

…unterliegen aber trotzdem den gesetzlichen Bestimmungen in Punkto Gewährleistung, Sachmängelhaftung und Widerrufsrecht.
Ich habe hier selber auch eine Ein-Man-Berater-Bude… Selbst für mich lohnt es sich nicht Computer & Co gebraucht bei Ebay zu verticken, weil man damit viel zu viel Hassle mit Verbraucherrechten hat.

Weil er dazu (mittlerweilen durch E-Recht) gesetzlich verpflichtet ist.
Und das ist auch gut so!

Mitarbeiter dafür einzustellen und Lagerfläche bereitzustellen, um irgendwelchen Schrott zu verkaufen, der unter Umständen garnicht mehr funktioniert, muss sich auch erstmal rechnen.

Und vor Gewährleistungsansprüchen von Kunden bewahrt einen das auch nicht.

Mit Zöllen kann man steuern, dass lokale Unternehmen gefördert werden. Das als Instrument für eine bessere Ökobilanz zu nutzen, ist imo nicht machbar. Dafür hängen da zu viele Faktoren mit dran. Es werden ja nicht nur Endprodukte eingeführt sondern auch Produkte die weiterverarbeitet werden, wo unter Umständen ganze Industrien abhängig sind, die dann Probleme bekommen. Außerdem müsstest könnte dadurch auch ein Handelskrieg entstehen…

Dazu kommt noch, dass es für viele Produkte im Inland einfach keine konkurrenzfähigen Alternativen gibt…

@LeoWom

Das man sich einfachere Regeln wünscht ist ja verständlich. Aber das sagt sich halt auch sehr leicht. Meines Erachtens darf man nicht übersehen, dass komplizierte Regelungen ja kein Selbstzweck sind. Die grundsätzliche Überlegung ist ja, das pauschale Regelungen im Einzelfall häufig zu Ungerechtigkeiten führen. Grundsätzlich sind differenzierte Regelungen eben auch passendere Lösungen. Außerdem verfolgen manche Steuern ja auch eine Lenkungswirkung.

Insofern stellt sich ja die Frage wie genau das Steuerrecht aussehen soll, dass auf eine DIN A4 Seite passt und trotzdem gerecht bleibt.

Auch die Lösung von @Dave scheint mir eher zu kurz zu greifen:
Offen bleibt einerseits, was denn "Einnahmen’ sind? Wie läuft das bei Selbstständigen/Unternehmer*innen? Was ist mit Immobilien? Was ist mit sonstigen Vorteilen (Firmenwagen etc.)? Ganz zu schweigen von Erbschafts-, Mehrwert- , Schenkungssteuer etc. - um nur ein paar Beispiele zu nennen, die mir spontan in den Sinn kommen.

Ich glaube zwar auch, dass Vereinfachungen möglich sind, aber ohne ins Detail zu gehen einfache Lösungen zu fordern, erscheint mir doch etwas populistisch.

Die Ideee ist nicht auf meinem Mist gewachsen:

Sehr kluger Mann…

Ja, das wäre toll. Hat sich auch Svenja Schulze gedacht.
Und darum findet sich im §23KrWG:

(2) Die Produktverantwortung umfasst insbesondere
11. eine Obhutspflicht hinsichtlich der vertriebenen Erzeugnisse, insbesondere die Pflicht, beim Vertrieb der Erzeugnisse, auch im Zusammenhang mit deren Rücknahme oder Rückgabe, dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden.

Das eine ist wie mit der Retoure-Ware umgegangen wird, das andere die Ökobilanz der Retoure an sich. Laut internetworld.de ist „beschädigte Ware“ nur für ein gutes Viertel der Retouren der Grund, für den Großteil der Retouren ist hingegen das Shopping-Verhalten der Kunden verantwortlich, nicht die Ware.

Ich plädiere dafür, dass die Arbeitsbedingungen der Paketzusteller endlich auch in der Praxis mit dem Arbeitsrecht vereinbar sind (insbesondere beim Mindestlohn). Die dadurch erhöhten Zustellungs- und Retourenkosten wird der Kunden tragen müssen (entweder direkt oder indirekt). In der Konsequenz würde der Kunde aus rein finanziellen Überlegungen informierter einkaufen und dadurch einen signifikanten Teil der Retouren vermeiden. Dafür bräuchte es kein neues Gesetz, sondern schlichtweg eine Exekutive, die das existierende Arbeitsrecht durchsetzt.

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Das ist ja auch der Sinn des Widerufsrechts. Es soll für den Kunden ein Equivalent dazu geschaffen werden, dass er die Ware im Geschäft mal angrabbeln und ausprobieren kann. Das Widerrufsrecht hat mit beschädigter Ware nichts zu tun (dafür gibt es die Sachmängelhaftung)

…sind auch ein wichtiges Thema aber darum geht es ja nicht.

…tragen momentan Amazon & Co und werden das auch in Zukunft so handhaben.

Nö!