Eine Gruppe von OSINT-Journalisten um James Reed (u.a. der mehrfach erwähnte Oliver Alexander) hat mittlerweile einen Artikel veröffentlicht, der den von einigen großen deutschen Medien berichteten Andromeda-Komplex in einem etwas anderen Licht erscheinen lässt. Gegen einen der mutmaßlichen Hintermänner wird in der Ukraine wegen möglicher Verbindungen nach Russland und wegen möglicher Vorbereitung eines Regierungsumsturzes ermittelt.
Mysteriöse Pipelineschäden, nächste Episode…
Der Deutschlandfunk hat schon anlässlich des Jahrestages der Anschläge in einem brauchbaren Überblick über die verschiedenen Theorien deutlich gemacht, dass alleine die Ermittlungsbehörden in Deutschland von der „Andromeda-Spur“ ausgehen und dass die vermeintliche „Spur in die Ukraine“ wohl eher zu Leuten führt, die zwar ukrainische Pässe haben oder hatten, aber inzwischen eher für Russland tätig sein dürften.
Die Original-Artikel sind hinter der Paywall,der Tagesspiegel fasst zusammen:
Demnach soll Tscherwynsky die Logistik der Operation geleitet und [die sechs Personen unterstützt haben, die die Operation angeblich ausführten. Die Befehle und Planungen dafür habe er mutmaßlich aus der ukrainischen Armeeführung erhalten. Tscherwynsky ließ die Vorwürfe von seinen Anwälten in einer schriftlichen Erklärung als „Verbreitung russischer Propaganda ohne jegliche Grundlage“ zurückweisen.
Aber anscheinend interessiert sich da ja kaum noch jemand dafür. Ich frage mich wirklich, ob andere Länder wie z.B. die USA oder Frankreich ähnlich laissez-faire mit einer solchen Situation umgehen würden.
Naja, selbst wenn es die Ukraine war: Ändert das wirklich etwas an den Notwendigkeiten?
Das wäre eine Sache, mit der man mit der Ukraine nach dem Krieg mal ein ernsthaftes Wort wechseln müsste. Aber gegenwärtig gilt weiterhin, dass tausende Ukrainer ihr Blut und ihre Leben opfern, um den Westen gegen Russland zu verteidigen - und dabei verdienen sie jede denkbare Unterstützung.
Hätte Russland die Ukraine erfolgreich überrannt und diesen Krieg somit mit wenigen Opfern und wenig Materialverbrauch gewonnen, stünden sie vermutlich jetzt schon über Transnistrien in Moldawien. Das darf einfach nicht geschehen, völlig egal, ob die Ukraine für den NS-Anschlag verantwortlich war oder nicht.
Deshalb habe ich es auch nicht so eilig mit der Aufklärung. Wenn es wirklich die Ukraine war, ist jetzt einfach nicht der richtige Zeitpunkt, das zu thematisieren.
Das kann man sicherlich so sehen. Fühlt sich aber irgendwie nach Erpressung an. Wie gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, dass andere Nato Staaten sich das so bieten lassen würden.
Erpressung würde ja voraussetzen, dass die Ukraine etwas fordern würde. Also wenn die Pipelines noch stehen würden und die Ukraine sagen würde: „Liefert uns Waffen, oder wir sprengen die Pipelines“ wäre es Erpressung.
So war es - wenn es denn die Ukraine war - eher ein: „Deutschland gibt Russland jedes Jahr Milliarden Euro für Gas, welche direkt in die russische Kriegswirtschaft fließen. Das müssen wir stoppen!“. Nicht nett, das auf dem Weg der Sabotage zu tun, aber nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass jede Million, die Deutschland an Russland für Gas zahlt, in Form von Raketen ukrainische Staatsbürger tötet.
Wie gesagt, wenn sich die Berichte bestätigen, wird man nach dem Krieg darüber reden und von der Ukraine eine Entschuldigung sowie die Zusicherung, dass so etwas nie wieder passieren wird, fordern müssen…
Bisher ist es ja nur ein Verdacht.
Um aktiv zu werden braucht man schon ein bisschen mehr, vor allem in dieser Gemengelage.
Aber Deutschland ist da wirklich ein Sonderfall.
Die NSA hört unsere Kanzlerin ab und es gibt ein „unter Freunden macht man das nicht“, Russland lässt Leute auf deutschem Boden erschießen und wir weisen ein paar Diplomaten aus.
Da Medien und Politik in Deutschland sehr schnell Verdächtigungen Richtung Russland geschossen haben und teils darüber sogar härteste Waffenlieferungen forderten (ja ich denke an dich, liebe Frau Strack-Zimmermann), bin ich schon sehr an Aufklärung interessiert.
Vor allem fordere ich in diesem Fall von allen, die damals die Unschuldsvermutung instantan verworfen haben, ein lautstarkes und lebenslanges Sorry - auf dass sie nächstes Mal lieber zweimal denken bevor sie die Öffentlichkeit aufhetzen.
Nur leider fürchte ich wird der ganze Fall wohl nach Möglichkeit einfach totgeschwiegen werden und die ganzen Hardliner mit chronisch überschnellem Schuss aus der Hüfte (schielt auch auf einige Äußerungen hier im Thread) werden weiter lautstark ihre Meinung in die Welt posaunen.
Du verwechselst hier internationale Politik mit Recht.
Es gibt keine Unschuldsvermutung gegenüber Staaten, Staaten haben keine Menschenrechte. Beschuldigungen zwischen Staaten ergehen (oder unterbleiben) eigentlich immer, weil die Staaten damit irgendwelche Ziele verfolgen, z.B. die Festigung von diplomatischen Beziehungen oder die Dämonisierung eines Feindes.
Wenn Politiker zu Beginn sofort Russland beschuldigt haben (was nebenbei immer noch möglich ist!), taten sie dies, um ein politisches Ziel zu erreichen - zum Beispiel um für mehr Waffen zu kämpfen. Ja, Politik ist ein dreckiges Spiel, vor allem in Kriegszeiten. Aber so sind die Dinge nun einmal. Dafür wird sich auch niemand bei Russland entschuldigen, zumal Russland hier auch indirekt verantwortlich ist. Denn letztlich hat Russland einen klar völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen, der die Ukraine erst in die Situation gebracht hat, eigene Verbündete zu sabotieren, weil diese Verbündete sonst die Waffen finanzieren, die ihre Bevölkerung dezimieren. Ich kann der Ukraine hier nicht mal moralische Vorwürfe machen, ich würde fast sagen, dass die meisten Länder hier so reagieren würden. Idealerweise hätte Deutschland freiwillig vollständig auf russisches Gas verzichtet (wie wir nach der Nord-Stream-Sprengung gesehen haben, ging es ja offensichtlich, ohne, dass die Welt davon unterging, auch wenn es teuer war… aber das hätte es uns Wert sein müssen!).
Kurzum: Deutschland hat sich mies gegenüber der Ukraine verhalten, die Ukraine wurde durch den russischen Angriffskrieg in eine extreme Situation gebracht und hat extreme Mittel ergriffen, diese Situation zu lösen. Wenn überhaupt ist eine (idealerweise gegenseitige) Entschuldigung zwischen Deutschland und der Ukraine nötig, bei Russland sollte sich niemand entschuldigen, das wäre ja noch schöner… Russland hat sich den Ruf, wegen dem es zu solchen Vorverurteilungen kommt, hart erarbeitet.
Bei uns vielleicht nicht (mal abgesehen davon, dass von der Leyen den Tätern mit härtesten Konsequenzen gedroht hat…).
Relevanz hat die Aufklärung hingegen für Russland. Angenommen Russland ist nicht dafür verantwortlich und die russische Führung weiß das: Dann macht es einen gewaltigen Unterschied, ob Biden seine Drohung wahr gemacht hat, oder ob es doch „nur“ die Ukrainer waren. Das vermeintliche Desinteresse Deutschlands bzw. der NATO an der öffentlichen Aufklärung sieht für mich nach strategischer Ambiguität aus („Ist die NATO aktiv in den Krieg eingetreten?“).
Es gab hier im Forum auch einige, die die USA verdächtigten. Müssen die sich jetzt auch alle entschuldigen?
Und vor allem: muss sich Putin jetzt entschuldigen?
Da entstehen bei mir einige Fragezeichen über dem Kopf, Vertipper?
Gelinde ausgedrückt. Ich sag nur „kritische Infrastruktur“.
Ich kritisiere natürlich einerseits den Staat Deutschland, das Thema mit zweierlei Mass anzugehen (wäre es mit den jetzt vorliegenden Indizien Russland gewesen, ich bin mir sicher es hätte schärfste öffentliche Reaktionen gegeben). Allerdings kann ich, das hast Du ja gut beschrieben, die Politik verstehen dies aktuell nicht zu tun.
Andererseits kritisiere ich aber auch unsere Medien. Man stelle sich wieder vor, dass diese Indizien gegen russische Staatsbürger vorliegen. Ich kann mir kaum denken, dass das Thema maximal hinter der Paywall behandelt würde. Ich habe die Zusammenfassung des Tagesspiegels auch eher zufällig gesehen.
Mal naiv gefragt: Wenn jetzt ein Schuldiger, sei es Russland, die Ukraine oder die USA zweifelsfrei (sofern das überhaupt möglich ist) als Urheber identifiziert, was würde akut in der jetzigen Situation passieren?
Die Sprengung hatte doch 0 Einfluss auf unsere Gasversorgung, da 1 aus „technischen Gründen“ von Russland abgeschaltet war und 2 aus politischen nie von Deutschland angeschaltet wurde.
Hmm, gute Frage. Ich würde hier differenzieren, zwischen denen die die USA aus Überzeugung ins Spiel gebracht haben (Putin, Wagenknecht, [Nachtrag: und auch den Autor des Beitrags unter mir]) und anderen, die lediglich meinten mit der USA einen Kontrast zu den vorschnellen Beschuldigungen Russlands zu erzeugen.
Ja, von Wagenknecht und ihren Anhängern erwarte ich hier eine Korrektur und eine aufrechte Entschuldigung für die Aufhetzung der Öffentlichkeit. Bei der anderen Gruppe sehe ich das anders, denn die hat versucht den Diskurs auf den Boden der Unwissenheit zurückzuholen.
Putin ist aus der Gleichung aus meiner Sicht als Beschuldigter raus. Der kann erzählen was er will, zumal seine (direkten) Aussagen auf unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt eher wenig Einfluss hat.
Wie @Daniel_K schon schrieb. Akut passiert da wohl nichts mehr, zumal es - sofern sich die Berichte bestätigen - um einen Alleingang von einigen verrückten Geheimdienstlern handelt. Für ernsthafte Konsequenzen sind wir schon zu weit gegangen. Schlimmstenfalls fühlen sich Scholz und andere bestätigt, dass man dem ukrainischen Militär nicht zu sehr trauen darf (Stichwort Waffenlieferungen ohne, dass russisches Gebiet angegriffen werden kann).
Ich würde aber vermuten, dass die Berichte, so sie korrekt wären, Gift für die langfristigen EU-Beitrittsverhandlungen sind.
Das ist mMn nicht ohne grünes Licht aus Washington passiert. Die neuen Erkenntnisse stinken nach plausible deniabilty-setup zugunsten Selenski’s
Hier ein guter Podcast zu dem Thema:
Was hat denn das Eine mit dem Anderen zu tun? Denkst du, den ukrainischen Geheimdienstlern - mal gesetzt den Fall, solche steckten tatsächlich hinter den Aktionen - müsste erst durch Washington am ganz konkreten Vorhaben erklärt werden, was Plausible Deniability ist und wie man eine Struktur aufsetzt, die den eigenen Präsidenten informationstechnisch außen vor lässt?
Danke, aber das ist mir klar. Vielleicht ist die Unschuldsvermutung das falsche Wort. Vielleicht nenne ich es besser guter Stil? Oder fairer Umgang? Was haben wir uns aufgeregt als bspw. Trump Europa sanktoniert hat. Was rollen wir die Augen wenn uns andere Staaten Doppelmoral vorwerfen.
Das hier sind genau solche Fälle wo wir uns eben falsch verhalten.
Ich glaube du hast meinen Beitrag falsch verstanden. Wie du vielleicht schon festgestellt hast geht es mir in den meisten meiner Beträge vor allem um den menschlichen Umgang miteinander. Hier shee ich massive Missstände in Deutschland. Mir ist ziemlich egal ob Putins Ego angekratzt ist. Und nein, Selensky oder der Ukraine als Ganzes muss man auch keinen Strick drehen, solange er davon nichts wusste.
Nein, ich verlange eine Entschuldigung gegenüber unseren Mitbürgern. Das betrifft politische Scharfmacher wie die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, sowie (Panzer-)Toni Hofreiter, ebenso wie bspw. Herrn Röttgen oder eben auch einige Hardliner hier im Thread. Und auch die Hosts haben sich auf die Seite der Ukraine geschlagen und eine ganz andere Gangart gegen Russland gefordert.
Oder zumindest erhoffe ich mir, dass diese Charaktere in Zukunft lieber durchatmen bevor sie sich mangels Fakten ganz sicher sind und härteste Sanktionen fordern. Ich gebe die Hoffnung auf ein wenig Selbstreflektion nicht auf. Die Welt wird nicht untergehen wenn man einfach mal ein wenig Stille und Unklarheit zulässt. Sie wird aber untergehen wenn wir uns gegenseitig aufhetzen und ständig Feindbilder zeichnen und nachschärfen.