Wenn die Kund:innen nicht leiden sollen, muss der Betrieb weitergehen - dann aber gibt es kaum etwas, was das Unternehmen stört. Die Krankenhaustreiks in der jüngsten Zeit belegen das aus meiner Sicht. Daher die Preisfrage: Wie sollen denn Mitarbeiter:innen eines Verkehrsanbieters, eines Krankenhauses, einer Kindertagesstätte oder eines Entsorgungsunternehmens so streiken, dass es zwar für das bestreikte Unternehmen „unangenehm“ ist, aber nicht für dessen Kund:innen?
Dazu würde ich gerne mal etwas Substanzielles lesen, bevor ich mir weiter anhöre, wie verantwortungslos doch Menschen sind, die gerne von ihrer Arbeit leben würden und zur Durchsetzung dieses Wunsches ihre grundgesetzlich verbrieften Rechte nutzen.
Verschiedene Streikende so gegeneinander auszuspielen finde ich ungehörig.
Es ist nicht falsch, für mehr Geld zu streiken, und auch nicht schlechter als für besser Arbeitsbedingungen. Denn es geht immer um Arbeits- und Lebensqualität, und die steigt nun einmal wenn ich statt 1.900 nach einer Erhöhung 2000 im Monat habe - schon normalerweise, und erst Recht bei der aktuellen Inflation, dir zu erffektivem Lohnkürzungen führt.
Dass das bei Hochverdienern (Piloten) weniger verständlich ist, sehe ich ja ein - aber unterhalb dieses Niveaus sollte man die Förderung nach mehr Lohn nie als gierig darstellen. Und dass Pflegekräfte so entmutigt sind, dass sie für ein Mindestmaß an besseren Arbeitsbedingungen streiken müssen und schon wissen, dass sie nicht mehr Geld bekommen werden, macht mich echt betroffen. Das wirft ein schlechtes Licht auf unsere Gesellschaft.
@otzenpunk Dein letzter Satz zerstört einfach jegliche Grundlage für eine gute Diskussion.
Nur eine Seite eines Konflikts als „Schuldigen“ zu deklarieren und den anderen einen Freifahrtsschein auszustellen lässt ja gar keine andere Sichtweise mehr zu. Und andere Meinungen und Argumente als „dunkle Seite“ zu diffamieren ist ein höchstproblematisches framing.
Ich kann und sollte selbst in dem gerechtfertigsten Streik Punkte ansprechen dürfen, die mich stören oder die man besser machen könnte imo. Und ich denke, wir sind uns in sehr vielen Punkten einig. Die anderen Punkte würde ich aber lieber diskutieren und von Argumenten überzeugt werden als mit framing, Monokausalität und Totschlagsrgumenten begründet zu bekommen…
@Tris ja, meine Antwort hatte ich vorher geschrieben, wurde aber nicht genehmigt bis die Antwort dastand. Mein Punkt ist ja auch nicht, dass die Streikenden das Problem sind. Es bleibt das Argument: Wenn das Ergebnis einer Verhandlung den Streik nicht verhindern kann, wer auch immer dafür Schuld ist, läuft etwas schief. Ein Verbot von Weitervermietung der Arbeitsmittel wäre da bspw. eine Lösung, die mich so spontan jedoch nicht überzeugt. Mir geht es in dem Ganzen um eine Verbesserung der Streiks, ich will und wollte nie den Streik oder Streikende generell verunglimpfen und stehe grds. hinter dem Streik als Mittel. Ebenso wenig möchte ich jedoch eine Seite als 100% böse und die andere Seite als 100% korrekt sehen…
Exakt. Und somit hat dieser Streik erstmals (?) keinen Effekt auf die Verhandlungen.
Die Arbeitgeber können kein Angebot abgeben, welche die Streiks am Montag verhindern. Also werden sie es nicht tuen.
Dieser Streik unterstreicht nicht die Forderung und ist für die aktuell geführten Verhandlungen kein Verhandlungspunkt, da weder die Gewerkschaften noch die Arbeitgeberseite an diesem Punkt irgendetwas tuen können, um den Montag noch zu einem produktiven Arbeitstag zu machen.
Durch das frühe Ankündigen der Streiks durch die Gewerkschaften und das logische reagieren des Managements, die Betriebsmittel wo möglich zwischenzuvermieten, ist hier durch beide die Verhinderung des Streiks als ein verhandelbarer Punkt durch beide Seiten zerstört worden.
Ursache und Reaktion sollte man hier aber klar trennen.
Wenn die Gewerkschaft Cockpit bei Eurowings anruft und sagt: Montag arbeiten wir nicht, egal was Verhandlungen ergeben.
Dann ist es doch logisch, dass die Disponenten von Eurowings bei Easyjet anrufen und zig Flieger zur Vermietung von Sonntagabend bis Dienstagfrüh für einen Schnäppchenpreis anbieten. Eine Ausstiegsklausel aus dieser Vermietung brauchen sie nicht, denn der Streik am Montag ist Fakt.
Ein Streik muss durch Verhandlungen verhinderbar sein - sonnst ist es kein Teil der Verhandlungen sondern eine Machtdemonstration bzw. PR-Aktion.
@Olaf.K Ich zitiere den bereits anfangs zitierten Artikel:
„Im Mai streikten die Busfahrer der [japanischen Stadt Okayama. Doch statt ein Verkehrschaos auszulösen und tausende Pendler vor den Kopf zu stoßen, gingen sie ganz normal ihrer Arbeit nach - mit einer Ausnahme: Sie kassierten ihre Passagiere nicht mehr ab und kontrollierten auch keine Fahrkarten. Die Fahrgäste hatten also einen Tag lang freie Fahrt in allen Bussen der Stadt. Verlierer war ihr Arbeitgeber.
(…)
Sogar in Deutschland wurde schon so kundenfreundlich gestreikt. Allerdings war das 1970 und es ging nicht um Lokführergehälter, sondern um Arzthonrare. Damals untersuchten die Ärzte zwar weiterhin Patienten, schrieben aber keine Berichte mehr - und die Kliniken konnten keine Rechnungen mehr schreiben.
(…)
Ein solcher Streik wäre also auch in Deutschland möglich. Schadenersatzforderungen müssten Bahnangestellte nicht fürchten, sagte Wolfgang Däubler, Professor für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht an der Universität Bremen.(…)Zu fahren, aber keine Tickets zu verkaufen, sei ein sogenannter Teilstreik, "bei dem nicht die gesamte Arbeitsleistung verweigert wird, sondern nur ein Teil der Arbeit.“ Die DB hätte also keine Handhabe für ihre Schadenersatzansprüche.
(…)“
Denn dass der wirtschaftliche Schaden durch Nichttransport geschieht stimmt auch nicht. Die Bahn erhält kein Geld für den Transport sondern für die Tickets. Das wird, wie auch später im Artikel angeführt, sicherlich durch Monatskarten etc. teilweise ausgehebelt, dürfte dennoch einen Effekt haben. Gerade, wie bereits gesagt, als erste Streikmaßnahme bevor man einen Tag lang komplett streikt, halte ich das für sinnvoll. In manchen Teilbereichen, wie Bussen, ist das womöglich auch effektiver als bei anderen (Fernverkehr).
@Veche gerade die zitierte Idee der Ärzte in Krankenhäusern halte ich für deutlich sinnvoller, da hier zu 0% die Patienten und zu 100% der Krankenhausbetreiber verliert oder? Und solche Konzepte sind doch damit viel sinnvoller UND Kundenfreundlicher. Letztenendes verliert der AG sogar mehr, da ja Arbeitsmittel wie Verbände, Strom etc. verbraucht werden…
@Veche und bitte, ich habe nie jemanden verantwortungslos o.ä. genannt. Ich wollte nie emotionalisieren oder jemanden angreifen, falls das durch eine Formulierung geschehen ist tut mir das leid. Ich wiederum empfinde deine letzte Aussage als verletzend, besonders unter dem Gesichtspunkt, dass ich im Thread bereits auf den Artikel verweise, in dem die Argumente stehen, die du hier forderst…
Da haben Sie natürlich recht, wobei es nichtsdestotrotz schwerer sein wird, alle Unternehmen in eine Gewerkschaft zu bekommen, wenn es davon viele gibt und nicht nur eins.
Ja kann in Teilen funktionieren. Nur auf die Gegenargumente die bereits vorgetragen wurden bist du noch mit keinem Wort eingegangen.
Hinzu kommt, dass das in dem Fall nur gewerkschaftlich organisierte durchführen können und wie willst du als Passagier wissen ob du gerade einen Streikenden oder einen umorganisierten vor dir hast.
Spannend wäre es dann beim Umsteigen vom Bus in die Bahn: der Busfahrer streikt und du zahlst nichts, der Kontroletti der Bahn streikt nicht und du zahlst erhöhtes Beförderungsentgelt.
Garantiert wärst du dann auch sauer.
Das ist korrekt, aber der typische Pendler hat eh eine Zeitkarte. Heißt dem Transportunternehmen droht kein Schaden und nichtmal der Unmut seiner zahlenden Kundschaft.
Wie du so Forderungen Druck verleihen willst erschließt sich mir nicht.
Inwieweit die Unternehmen evtl. Schadensersatzpflichtig gegenüber Zeitkarten Inhabern ist weiß ich nicht, aber da wäre bei einem länger andauerndem Ausstand sicher auch noch Musik drin.
Eher durch attraktive Verhandlungsergebnisse, idealerweise deutlich bevor der Tarifvertrag ausläuft.
Mich stört generell, dass typischerweise von beide Seiten erstmal unrealistische Forderungen bzw. Angeboten genannt werden. Als sinnvolle Verhandlungsbasis sehe ich das nominelle Wirtschaftswachstum (von Deutschland, der EU oder der Welt - je nach Unternehmen).
Das ist der Punkt. Die Schuldigkeit wird den Menschen angelastet, die seit Jahren Reallohnverluste akzeptieren müssen. Die Schuld ist eindeutig auf Seiten der Arbeitgeber und ich finde mittlerweile sollte sich mal die Zivilgesellschaft hinterfragen. Für wertlosen Applaus reicht es aber echte Solidarität ist direkt zu viel verlangt.
Ich meinte damit nicht Dich persönlich (sonst hätte ich das explizit so gesagt), sondern den Tenor der gegenwärtigen „Debatte“ über die Streiks. Diesen empfinde ich als zutiefst verstörend. Erstens wird den Streikenden vorgeworfen, quasi mutwillig der Bevölkerung zu schaden. Zudem verbreiten viele Medien auch relativ ungebrochen das Arbeitgeber:innen-Narrativ einer vermeintlich zwangsläufigen „Lohn-Preis-Spirale“. Damit werden neben den Streiks selber auch noch die Forderungen der Streikenden delegitimiert.
Was die genannten Beispiele für „kundenfreundliche“ Streiks angeht: Diese sind aus meiner Sicht nicht überzeugend. Einfach mal keine Tickets zu kontrollieren oder die Dokumentation wegzulassen, mag für bestimmte Tätigkeiten unter bestimmten Bedingungen praktisch möglich sein, aber es sicher nicht für alle von mir genannten Berufsgruppen. Ich würde daher nachwievor in Zweifel ziehen, dass auf diese Weise ein annähernd gleich hoher Druck auf Arbeitgeber:innen ausgeübt werden kann, wie mit einer herkömmlichen Arbeitsniederlegung.
Die Arbeitgeber legen vor dem ersten Verhandlungstag nie ein Angebot vor.
Also ist es nicht anders als sonst auch. Dass die Arbeitgeber die Streiks nicht verhindern könnten ist eine Aussage, die so keiner nachprüfen kann.
Vor allem da es sich um eine Profit-Preis-Spirale handelt. Die Reallöhne sinken fröhlich weiter. Ich würde soweit gehen, dass es mehr heftigere Streiks und Solidaritätsbekundungen braucht. Und ich stimme dir zu, dass die Medien endlich mal wieder mehr von den Arbeitgebern abrücken sollten.
@Olaf.K Ich hatte eigentlich versucht, auf alles einzugehen. Vielleicht magst du offene Kritikpunkte oder Fragen nochmal kurz zusammenfassen? Ansonsten versuche ich nochmal einen kurzen Abriss so wie ich das sehe zu schreiben:
Das Problem, dass Kontrolleure Schadenersatzpflichtig wären, gibt es wohl nicht, da es sich um eine Teilbestreikung handeln würde (ich bin kein Jurist, so habe ich das jedoch verstanden.)
Das Problem mit Monatskarten sehe ich und das würde sicherlich den Streikeffekt deutlich abmildern; außer wenn, wie du ansprachst, die Bahn dafür aufkommen müsste. Deshalb der Vorschlag, dies als Warnstreik umsetzen. Die Kunden werden nicht belastet und würde so auch das Verständnis für spätere harte Streiks erhöhen.
Der Grad der Unorganisierten ist immer ein Problem. Ich kenne die Zahlen bei einzelnen Bereichen der Bahn nicht. Am Montag fällt jedoch bspw. der komplette Fernverkehr aus; entweder hat die Bahn hier sehr geschickt die Unorganisierten auf die Regio umverteilt oder aber der Fernverkehr scheint tatsächlich beinahe vollständig organisiert zu sein. Wenn das der Fall wäre, könnte dieser Teilbereich auch sehr effektiv „kundenfreundlich“ bestreikt werden.
Das mit den Kontrolleuren ist natürlich ein Problem. Im ÖPNV oder kleineren Verbünden könnte man das wahrscheinlich besser umsetzen als im Fernverkehr. Hierauf sehe ich schlicht kein stichhaltiges Argument gegen dich, deshalb ja auch der Thread. Vielleicht sieht jemand eine Lösung die ich nicht sehe, vielleicht sieht jemand Probleme die ich nicht sehe. Ich habe keine absolute Meinung zu dem Thema…
Da die Bahn nur den aktuellen Aufhänger bieten sollte: Was hältst du von dem zitierten Streik der Ärzte? Sicher nicht in allen Branchen umsetzbar und inwiefern bspw. Pflegekräfte Einfluss auf Abrechnungen haben weiß ich nicht, aber für die Branchen und Berufsgruppen, in denen das möglich wäre, wäre das doch eine sehr gute „neue Streikmoral“ bzw. eine viel fortschrittlichere Art des Streikens als einfach „nur“ Stillstand oder? Was ist deine Meinung dazu?
@Veche ok danke, hatte ich anders aufgefasst
Den Streik grds. möchte ich persönlich nicht anzweifeln. Über Berichterstattung kann man sicherlich gesondert sehr intensiv reden… Diese ist leider tatsächlich oft daneben. Jedoch: Ein Streik ist imo nicht immer gerechtfertigt, eben nur meist. (Eben die erwähnten Machtkämpfe der Gewerkschaft,…) Den jetzigen halte ich grds. für gerechtfertigt, mich persönlich trifft eben der komplette Ausfall des Fernverkehrs sehr hart (eine Urlaubsreise später antreten ist kein Ding, eine akute Behandlung verschieben ist nicht so dolle) und natürlich würde es den Streik abmildern, aber vielleicht (ich bin mir unschlüssig) wären ein paar Verbindung zumindest zu den größeren Städten, wo man dann mit Bus und Regio wenigstens langsam vorankommt, machbar.
Und ja, nicht überall umsetzbar, wo möglich sollte es aber doch eingesetzt werden oder?
Kunden die die BILD lesen und sowieso die Streikenden für die Bösen Buben halten?
Solidarität sieht anders aus.
Wenn das der Fall wäre, warum beschwerst du dich dann und nimmst nicht den Regio?
Nach dem was man hier im Forum bereits dazu lesen konnten gar keinen.
Demzufolge wäre deine Idee nur Umsetzbar wenn sich die Ärzte mit dem Pflegern solidarisieren würden, was diesen dann wahrscheinlich eher wieder negativ ausgelegt wird, wenn sie es denn überhaupt dürften.
Klar doch und die Müllabfuhr holt deinen Müll trotzdem ab, du kriegst nur keine Rechnung…
Sorry aber deine Version von „kundenfreundlichen“ Streik funktioniert nunmal ausschließlich bei Ärzten und selbst da wär ich mir nicht so sicher.
Bei allen anderen ist Streik ohne Kunden Impact nicht möglich.
Erst recht nicht bei allen die Dienstleistungen ausführen.
Denn wenn die Arbeit gemacht wird, gibt’s keinen Streik.
Deine ganze Diskussionsidee stellt den Arbeitskampf als solchen in Frage und du siehst von Anfang an nur einen Schuldigen die Gewerkschaften.
Die Arbeitgeberseite ist bei deinem Ansatz völlig unschuldig und du als Kunde möchtest am liebsten gar nichts mitbekommen.
So hat aber Arbeitskampf noch nie statt gefunden und ich glaube auch nicht, dass du auf Seiten der Gewerkschaften irgendwo Verständnis dafür bekommen kannst.
Denn ein zufriedener Kunde übt keinen Druck auf den Arbeitgeber aus. (Außer vielleicht klatschen vom Balkon)
Das stimmt.
Dieses mal ist es aber sogar so, dass selbst nach einem erfolgreichen, ergo letzten, Verhandlungstag der Stop des Streiks nicht als Möglichkeit eingebracht wurde.
Somit sind Streik und Lohnverhandlungen erstmals als entkoppelte Einheiten zu sehen.
Der Streik ist somit kein verhandlungstaktisches Instrument mehr.
Denn selbst wenn sich beide Parteien sofort einig werden: Am Montag würde trotzdem nicht gearbeitet werden.
Sie haben tatsächlich ein Angebot vorgelegt:
27 Monate Laufzeit
zum 01.10. 23 +3% / zum 01.06.24 +2%
Einmalzahlung st/sv-frei von 2.500 €, davon 1.500€ noch dieses Jahr
schrittweise Erhöhung der Jahresschlusszahlung in 2023 für Tarifgruppen 9a bis 15 in 2023 auf bis zu 75% / in 2024 für alle Tarifgruppen 90%
Sparkassen und Krankenhäuser sollen aus Sicht des Bundes vom Tarifvertrag nicht abgedeckt sein und eigene Verhandlungen führen
Edit: es war allerdings auch der zweite Verhandlungstag, es wurde also wieder zum ersten Tag nichts vorgelegt. Und nach so einem Angebot darf man auch streiken.