NATO-Beitritt von Schweden und Finnland?

Bei Gedankenspielen welche Zeichen die westliche Gemeinschaft setzen könnte sehe ich einen schnellen NATO-Beitritts Schwedens und Finnlands als eines der stärksten möglichen Signale die gesetzt werden könnten.

  • es würde die Geschlossenheit der westlichen Wertegemeinschaft demonstrieren
  • nach der Invasion der Russen in der Ukraine hätten die beiden Staaten eine nachvollziehbare Argumentation aus ihrem Sicherheitsbedürfnis heraus
  • egal wie der Ukraine-Russland-Konflikt sich entwickelt, würde Russland dann strategisch schlechter dastehen als vorher

Gestern wurde das Thema im Handelsblatt hier und der SZ hier erörtert.

Das man damit einen Nerv treffen würde zeigt unter anderem dieser Newsweek-Artikel hier.

Das die Türen für beide Länder offenstehen hat Jens Stoltenberg wiederholt angeboten: u.a. hier und wenn ich mich richtig erinnere auch gestern auf der PK.

Finnland hätte dann die längste Landgrenze eines NATO-Landes mit Russland. Ich weiß nicht, ob das in ihrem Interesse sein kann.

Scheint aber durchaus ein erneuertes Interesse daran in Finnland zu geben. Gab kürzlich (14. Februar) eine Folge vom ‚Deutschlandfunk Hintergrund‘ zu dem Thema.

Seit den Napoleonischen Kriegen konnte sich Schweden erfolgreich aus allen Kriegen und Bündnissysteme bzw. -zwängen heraushalten. Warum sollte Schweden etwas an dieser äußerst privilegierten Lage ändern wollen?

Für Finnland gilt das Gleiche seit 1945.

Weil sich mit den aktuellen Ereignissen sehr gut argumentieren lässt, dass beide Länder nur mit starken Verbündeten vor einem Angriff sicher sind. Ich wüsste zwar gerade von keinem Konflikt zwischen einem der beiden Länder und Russland, der sich zu einem Krieg entwickeln könnte. Aber wer weiß, wie das in 10 oder 20 Jahren aussieht.

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Finnland hat den gesamten kalten Krieg ohne Bündnis überstanden und dabei vermutlich deutlich weniger Angst vor einer Invasion oder einem Atomschlag haben müssen als die Staaten der NATO oder des Warschauer Pakts.

Ob Schweden sich der NATO anschließt oder nicht, hat vermutlich keinerlei materielle Relevanz für den neuen Ost-West-Konflikt. Aber Schweden wird dadurch potentielles Schlachtfeld in diesem Konflikt.

Mir hat eine Österreicherin gestern erzählt, dass auch in Österreich ein NATO-Beitritt in der Bevölkerung diskutiert wird.
Wie Finnland hat sich auch Österreich nach dem zweiten Weltkrieg verpflichtet, keinem Bündnis beizutreten und neutral zu bleiben.
Sie sagte mir, sie rechne jetzt nicht damit, dass Österreich von irgendjemandem angegriffen werde, aber wenn sie sieht, wie die Ukraine im Stich gelassen werde, weil sie kein NATO-Mitglied ist, macht ihr das schon Angst.
Ich denke, dass sich für Finnland und Schweden (vor allem Finnland) die Bedrohungslage durchaus geändert hat.

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Mit Finnland würde sich die Landgrenze Russlands zur NATO mehr als verdoppeln. Das wäre in erster Linie ein strategisches Problem für Russland, da sie mehr als die doppelte Strecke abdecken müssten. Ganz abgesehen davon das Murmansk und St. Petersburg deutlich verwundbarer wären.

Für Finnland kann ich nichts sagen, aber in Schweden sind die Umfragewerte für einen NATO Beitritt, seit langem mal wieder in der Mehrheit.

Vor allem von den konservativen Parteien incl. SD wird in die Richtung Druck aufgebaut.

Nur die mehr als 100% mehr NATO-Grenze bleiben dennoch die finnische Grenze. Insofern müssen die Finnen hier abwegen, ob ein neutrales Finnland tatsächlich weniger sicher ist, als ein NATO-Mitglied Finnland das Russland ein neues „strategisches Problem“ schafft. Denn die deutliche Eskalation, die in dieser Erweiterung aus der - nun denke ich für alle offenbaren - russischen Sicht liegt, kann ja auch die Wahrscheinlichkeit einer Konfrontation erhöhen, auch an der längsten NATO-Landgrenze.

Wie du geschrieben hast, müssen das die Finnen und Schweden selbst entscheiden.
MMn ist es wichtig, dass Russland nach diesem ganzen Desaster deutlich schlechter dasteht als vorher. Die Lektion für Russland und andere Akteure die mit Expansionsgedanken spielen, muss sein, dass es sich nicht lohnt andere Länder zu überfallen. Die NATO-Osterweiterung ist nur ein Vorwand, der dem Ziel die Ukraine, Belarus usw. wieder anzugliedern im Weg steht. Ich denke nicht, dass Putin Finnland oder gar Schweden einverleiben will. Daher stände ihm eine etwaige NATO-Partnerschaft der beiden Länder nicht direkt im Weg, wäre aber ein echter „Pain in the Neck“. Frei nach dem Motto: „You’ve ask for it, you’ll get it!“

Oder wie Putin es anscheinend 2016 formuliert hat: „Wenn wir derzeit über die Grenze schauen, sehen wir auf der anderen Seite einen Finnen. Wenn Finnland der Nato beitritt, sehen wir auf der anderen Seite einen Feind.“

Was hier bisher noch nicht zur Sprache kam: Sowohl Schweden als auch Finnland sind zwar nicht NATO-Mitglied, aber enge NATO-Partner im Programm Partnership for Peace. Die beiden Ländern sind damit bündnisfrei, aber keineswegs neutral. Finnland hat auch ein hoch-kompatibles Militär zur NATO (hohe Interoperabilität) und hat erst kürzlich top-moderne F-35 Kampfjets aus den USA bestellt.

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Wenn Putin in jeder Person eines NATO-Landes einen Feind sieht, muss er sich nicht wundern, wenn das auf ihn zurückfällt. Uns fällt es jedenfalls leicht, zwischen Putin und Russen allgemein zu differenzieren.
Mir steht es auch frei, über den Gartenzaun zu gucken und meinen Nachbarn einen Nachbarn oder einen Feind zu nennen.
Letzteres wird nicht selten zur selbsterfüllenden Prophezeiung und beschäftigt nur all zu oft deutsche Gerichte.

@DanK zumindest die wirtschaftlichen Beziehungen waren in der Vergangenheit recht eng. Wie sich das nun entwickeln wird, steht natürlich in den Sternen.

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Russland ist auch in Partnership for Peace. Könnte mir vorstellen nicht mehr lange.

https://www.nato.int/cps/en/natohq/51288.htm

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Viel wird meines Erachtens davon abhängen, ob Putin oder jemand seines Kalibers über die aktuelle Krise hinaus in Russland am Ruder bleibt. Die Uneindeutigkeit mit der z. B. Finnland eindeutig im Lager des Westens steht, ist nur solange von Nutzen, wie man es auf der anderen Seite mit einem rationalen Akteur zu tun hat.

Nun wenn das nicht der Fall ist, dann ist ja die Gewissheit, mit der man unter dem Schutz der NATO ihre längste Landgrenze mit Russland nie verteidigen muss, auch nicht gegeben.

Und das heißt wohl, du hälst (jetzt) Putin für keinen (mehr).

Die Gewissheit, einen Atomkrieg auszulösen, sorgt hoffentlich dafür, dass die Befehlskette selbst im Fall eines Alleinherrschers wie Putin nicht reibungslos funktioniert. Zumindest ist mir kein stärkeres Argument bekannt, einen Befehl zu verweigern bzw. den Befehlhaber abzusägen. Insbesondere wenn eine Krise, wie im aktuellen Fall, „out-of the blue“ herbeigepokert wird.

Dass Putin irrational handelt, erscheint mir offenkundig. Nordkorea ist ein beliebtes und respektiertes Mitglied der Staatenfamilie im Vergleich zu dem Status, der Russland bald droht. Und für was?

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Heute findet eine Sondersitzung der NATO statt: HIER

The meeting will be in person and will be chaired by the NATO Secretary General, Jens Stoltenberg. The Ministers of Foreign Affairs of Finland and Sweden, as well as the European Union’s High Representative for Foreign And Security Policy, will take part.

Bemerkenswert ist mMn dass Finnland und Schweden zuerst genannt werden.

Anhand der unverhohlenen Drohungen und Provokationen aus Russland, aktuell und in der jüngeren Vergangenheit, wäre ein NATO-Beitritt eine starke Antwort.

Neben dem von mir o.g. Problem der Landgrenze zu Finnland würde dadurch auch der Bewegungsraum der russischen Ostsee-Flotte auf die Größe der Müritz reduzieren.

Mir stellt sich seit einiger Zeit eine, wie mir scheint, sehr naive Frage zum NATO-Beitritt bzw der Unterstützung der Weltgemeinschaft im Zusammenhang mit dem Ukraine Konflikt:

Würde ein EU-Land, das scheinbar grundlos angegriffen wird und nicht in der NATO ist, einfach auf sich gestellt bleiben?

Mir will das einfach nicht in den Kopf gehen, dass Schweden, Finnland, Österreich und Irland ebenso überrannt werden könnten wie die Ukraine und die Welt bloß zuschaut.

Philip und Ulf hatten es kurz angesprochen: was ist denn mit den Alliierten 2.0, die gemeinsam unterstützen - ob nun NATO-Mitglied oder nicht?