Ich bin Wasserwirtschaftlerin und habe auch in Dresden studiert. Ich arbeite derzeit in einem Berliner Ingenieurbüro (Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker), welches klimaangepasste Städte bzw. Schwammstädte plant. Das heißt ich beschäftige mich mit dem Thema blau grüne Infrastruktur, Starkregenvorsorge, Wärmeinseleffekt und urbaner Wasserhaushalt. Mein Ingenieurbüro ist in europaweiten Stadtplanungsprozessen beteiligt und hat einen guten Überblick über Regelungen, welche Planungen erleichtern bzw. erschweren. Ich würde mich freuen, wenn ihr das Thema wenn es um Bauen geht, mit aufnehmt.
Aus meiner Berufspraxis habe ich ein paar Gedanken, die ich euch gerne noch mitteilen würde.
Berlin hat aus meiner Sicht einen ganz schlauen Hebel gefunden um das Thema blau grüne Infrastruktur zu etablieren. Es gilt seit einigen Jahren die BReWaBE (Begrenzung von Regenwassereinleitungen bei Bauvorhaben in Berlin).
Diese besagt, dass bei Neubau oder umfangreicher Sanierung kein Regenwasser mehr in die Kanalisation eingeleitet werden darf und es auf irgendeiner Weise anders bewirtschaftet werden muss (speichern, versickern, verdunsten etc.). Durch diese Regelung werden Bauherr:innen gezwungen blau grüne Infrastruktur in ihre Bauvorhaben einzuplanen, da das Regenwasser sonst auf keine andere Art und Weise abgeführt werden kann. Durch die gezwungene Umstrukturierung der Stadtfläche öffnet dies auch Türen für andere Maßnahmen wie Radwege, multifunktionale Flächen etc. In der Straßenraumplanung muss man bedenken, dass es nicht nur oberirdisch sondern auch unterirdisch Konkurrenzen des des Straßenraumes gibt. Aus diesem Grund gibt es die Entwicklung hin zur Multifunktionalität.
In Berlin liegt die Aufgabe der Entwässerung bei den Berliner Wasserbetrieben. In den meisten anderen deutschen Städten liegt diese Aufgabe bei den Tiefbauämtern. Viele deutsche Städte haben noch die Regelung, dass Regenwasser gedrosselt und die Kanalisation eingeleitet werden. Das heißt es werden unterirdisch Zwischenspeicher geplant, um anschließend Regenwasser nach und nach in die Kanalisation zu entwässern. Dies macht die Errichtung von dezentralen Regenwassermaßnahmen nicht notwendig.
In meiner Berufspraxis gibt in besonders in prestige Bauvorhaben eine Planung von blau grüner Infrastruktur. Bei kleineren Bauvorhaben oder auch in kleinen und mittelgroßen Städten wird jedoch immer noch sehr häufig kanalgebundene Entwässerung geplant. Das gleiche gilt auch für weniger zentrale Stadtteile in größeren Städten. Was aus meiner Sicht weder ressourcenschonend noch zeitgemäß ist. Durch die BReWaBE in Berlin sind alle Bauvorhaben auf eine ziemlich gute Art und Weise gezwungen die Stadträume anders zu planen.
In Diskussionen über Straßenräume bzw. Stadtentwicklung fällt mir immer auf, dass sich so viel auf Verkehr fokussiert wird. In der Stadtplanung sind wir jedoch interdisziplinäre Teams, welche Landschaftsarchitektur, Medieninfrastruktur, Verkehr, Wasserwirtschaft, Brandschutz etc. zusammen planen und denken müssen. Es gibt aus meiner Sicht schon sehr schöne Lösungen. Nur ist die Gesetzgebung und die Behörden bei progressiver und innovativer Stadtplanung zögerlich.
Von meinen Kolleg:innen wurde das Projekt Bluegreen Streets mit Toolboxen für Entscheidungsträger:innen erstellt. In diesem wird ein sog. blau grüner Straßen (BGS) Querschnitt vorgeschlagen mit eine notwendigen Breite eine BGS-Korridors, welcher Gleichzeitig zur Trennung von Rad und Auto genutzt werden kann. (HafenCity Universität Hamburg (HCU): BlueGreenStreets )
Man muss bedenken, dass die Bauvorhaben je nach Größe mehrere Jahrzehnte dauern können. Das heißt das was jetzt gebaut wird, wurde z.B. vor 10 Jahren genehmigt und natürlich auch mit den ökologischen Ansprüchen und Regelungen vor 10 Jahren geplant. Aus diesem Grund ist eine schnellere Frequenz der Gesetzgebung sinnvoll, damit auch Behörden innovativere Projekte genehmigen können. Viele tolle nachhaltige Lösungen sind schon erprobt und erwiesen und werde dennoch sehr zögerlich genehmigt
Ich hoffe ich konnte euch einen kleinen Einblick in meinen Berufsalltag geben! Es gibt noch so viel mehr zu erzählen, besonders zum Thema wir wollen innovative Stadtplanung und Rechtsgrundlagen.