Nachverdichtung ohne Weitsicht? Gedanken zu Folge 437

Hallo zusammen,

wieder eine interessante Podcastfolge, die mir einige neue Denkanstöße gegeben hat – zum Beispiel die Idee der Nachverdichtung auf Supermarktgrundstücken.

Was mir in der Diskussion um bezahlbaren Wohnraum jedoch oft fehlt, ist die Verbindung zur Frage: Wie schaffen wir dabei gleichzeitig lebenswerte, klimaresiliente Städte?

Ich studiere in Dresden und sehe dort ein wiederkehrendes Problem: Neubauten entstehen ohne begrünte Dächer oder Fassaden. Stattdessen dominieren karge, versiegelte Flächen aus Teer oder Stein. Selbst neue Marktplätze wirken oft kalt und wenig einladend. Dresden ist eine schöne Stadt, aber bei vielen Bauprojekten fehlt mir die Weitsicht, wie man klimaangepasst und lebenswert zugleich bauen könnte.

Gerade angesichts des fortschreitenden Klimawandels halte ich das für ein großes Versäumnis. Die aktuellen Debatten rund um serielles oder modulares Bauen dürfen nicht dazu führen, dass die nächsten Bausünden entstehen – plakativ gesprochen.

In diesem Zusammenhang hätte mich die Perspektive der aktuellen Bauministerin interessiert. Viele der diskutierten Ansätze sind nicht neu und waren bereits bei ihrer Vorgängerin Thema.

Ein Wunschthema für eine künftige Folge: Schwammstadt-Konzepte. Mein Eindruck ist, dass dieser Ansatz – obwohl hochrelevant – in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit verloren hat. Dabei ist er heute wichtiger denn je.

Viele Grüße

7 „Gefällt mir“

Da geht in der Stadt noch immer viel mehr Platz an das Auto verloren als am Wohnen.

Da liegt die Lösung auch vor dem Hand wenn sich mal jemand trauen würde.

(Wieso wir mit Hitzewellen wie jetzt es Leute überhaupt noch erlauben um in Karren mit Verbrennermotoren rund zu fahren, ist mir ein Rätsel.)

1 „Gefällt mir“

Problem erkannt.

Paris ändert gerade exakt das. Viele historische Zinkdächer, die zu einer enormen Aufheizung geführt haben, werden jetzt begrünt und das hat schon jetzt spürbare Auswirkungen. Viele der Parkplätze in den nun autofreien Zonen sollen ebenfalls mit Bäumen begrünt werden, dort, wo das schon geschehen ist, ist die Temperatur schon spürbar gesunken (nicht nur im direkten Schatten der Bäume…).

Dazu sind mittlerweile hitzereflektierende Farben marktreif. Dort, wo aus statischen Gründen nicht begrünt werden kann, kann durch solche Farben viel Abhilfe geschaffen werden.

Eine Frage, die ich mir noch stelle, ist, wie man Straßen besser hitzereflektierend gestalten kann. Wer im Sommer mal Barfuß gelaufen ist weiß, wie extrem sich Asphalt im Vergleich zu anderen Oberflächen aufheizt, tatsächlich so weit, dass man sich die Füße daran verbrennen kann (been there, done that…). Die Hitze, die der Asphalt speichert, sorgt dann auch dafür, dass in der Nacht keine Abkühlung eintritt, Straßen sind quasi riesige Nachtspeicheröfen. In der „autofreien Stadt“ ist die Antwort einfach: Asphalt ist nicht mehr notwendig und kann zumindest mit einer gut haltenden reflektierenden Farbe unschädlich gemacht werden. Aber gibt es Möglichkeiten, Asphalt an noch regelmäßig befahrenen Straßen farblich zu ändern? Die Kombination aus „extrem hohe Dichte, damit es auch den LKW aushält“ und „extrem dunkel“ ist einfach sehr problematisch, wenn wir die Städte vor Überhitzung schützen wollen.

1 „Gefällt mir“

Ich bin Wasserwirtschaftlerin und habe auch in Dresden studiert. Ich arbeite derzeit in einem Berliner Ingenieurbüro (Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker), welches klimaangepasste Städte bzw. Schwammstädte plant. Das heißt ich beschäftige mich mit dem Thema blau grüne Infrastruktur, Starkregenvorsorge, Wärmeinseleffekt und urbaner Wasserhaushalt. Mein Ingenieurbüro ist in europaweiten Stadtplanungsprozessen beteiligt und hat einen guten Überblick über Regelungen, welche Planungen erleichtern bzw. erschweren. Ich würde mich freuen, wenn ihr das Thema wenn es um Bauen geht, mit aufnehmt.

Aus meiner Berufspraxis habe ich ein paar Gedanken, die ich euch gerne noch mitteilen würde.

Berlin hat aus meiner Sicht einen ganz schlauen Hebel gefunden um das Thema blau grüne Infrastruktur zu etablieren. Es gilt seit einigen Jahren die BReWaBE (Begrenzung von Regenwassereinleitungen bei Bauvorhaben in Berlin).

Diese besagt, dass bei Neubau oder umfangreicher Sanierung kein Regenwasser mehr in die Kanalisation eingeleitet werden darf und es auf irgendeiner Weise anders bewirtschaftet werden muss (speichern, versickern, verdunsten etc.). Durch diese Regelung werden Bauherr:innen gezwungen blau grüne Infrastruktur in ihre Bauvorhaben einzuplanen, da das Regenwasser sonst auf keine andere Art und Weise abgeführt werden kann. Durch die gezwungene Umstrukturierung der Stadtfläche öffnet dies auch Türen für andere Maßnahmen wie Radwege, multifunktionale Flächen etc. In der Straßenraumplanung muss man bedenken, dass es nicht nur oberirdisch sondern auch unterirdisch Konkurrenzen des des Straßenraumes gibt. Aus diesem Grund gibt es die Entwicklung hin zur Multifunktionalität.

In Berlin liegt die Aufgabe der Entwässerung bei den Berliner Wasserbetrieben. In den meisten anderen deutschen Städten liegt diese Aufgabe bei den Tiefbauämtern. Viele deutsche Städte haben noch die Regelung, dass Regenwasser gedrosselt und die Kanalisation eingeleitet werden. Das heißt es werden unterirdisch Zwischenspeicher geplant, um anschließend Regenwasser nach und nach in die Kanalisation zu entwässern. Dies macht die Errichtung von dezentralen Regenwassermaßnahmen nicht notwendig.

In meiner Berufspraxis gibt in besonders in prestige Bauvorhaben eine Planung von blau grüner Infrastruktur. Bei kleineren Bauvorhaben oder auch in kleinen und mittelgroßen Städten wird jedoch immer noch sehr häufig kanalgebundene Entwässerung geplant. Das gleiche gilt auch für weniger zentrale Stadtteile in größeren Städten. Was aus meiner Sicht weder ressourcenschonend noch zeitgemäß ist. Durch die BReWaBE in Berlin sind alle Bauvorhaben auf eine ziemlich gute Art und Weise gezwungen die Stadträume anders zu planen.

In Diskussionen über Straßenräume bzw. Stadtentwicklung fällt mir immer auf, dass sich so viel auf Verkehr fokussiert wird. In der Stadtplanung sind wir jedoch interdisziplinäre Teams, welche Landschaftsarchitektur, Medieninfrastruktur, Verkehr, Wasserwirtschaft, Brandschutz etc. zusammen planen und denken müssen. Es gibt aus meiner Sicht schon sehr schöne Lösungen. Nur ist die Gesetzgebung und die Behörden bei progressiver und innovativer Stadtplanung zögerlich.

Von meinen Kolleg:innen wurde das Projekt Bluegreen Streets mit Toolboxen für Entscheidungsträger:innen erstellt. In diesem wird ein sog. blau grüner Straßen (BGS) Querschnitt vorgeschlagen mit eine notwendigen Breite eine BGS-Korridors, welcher Gleichzeitig zur Trennung von Rad und Auto genutzt werden kann. (HafenCity Universität Hamburg (HCU): BlueGreenStreets )

Man muss bedenken, dass die Bauvorhaben je nach Größe mehrere Jahrzehnte dauern können. Das heißt das was jetzt gebaut wird, wurde z.B. vor 10 Jahren genehmigt und natürlich auch mit den ökologischen Ansprüchen und Regelungen vor 10 Jahren geplant. Aus diesem Grund ist eine schnellere Frequenz der Gesetzgebung sinnvoll, damit auch Behörden innovativere Projekte genehmigen können. Viele tolle nachhaltige Lösungen sind schon erprobt und erwiesen und werde dennoch sehr zögerlich genehmigt

Ich hoffe ich konnte euch einen kleinen Einblick in meinen Berufsalltag geben! Es gibt noch so viel mehr zu erzählen, besonders zum Thema wir wollen innovative Stadtplanung und Rechtsgrundlagen.

4 „Gefällt mir“