Nachträgliche Abschöpfung von Photovoltaik-Erträgen

Schockiert habe ich erfahren, dass die Photovoltaik-Branche Gefahr läuft, alle Erträge ab 10 Cent/kWh an den Staat abgeben zu müssen und das sogar nachträglich ab 01.03.2022.

In folgendem Link beschreibt das PV-Magazine Einzelheiten:

An einer einfachen Beispielrechnung will ich zeigen, welche Auswirkungen diese Regelung auf Dach-Photovoltaik-Anlagen haben wird. Ich habe bewusst einen unrealistisch niedrigen Preis zur Berechnung angesetzt um zu demonstrieren, wie unwirtschaftlich eine Dach-Photovoltaik-Anlage bei Umsetzung der neuen Regelung wäre:

Größe der PV-Anlage: 300 kWp
Invest: 360 000 € (sehr günstig)
Spezifischer Ertrag: 900 kWh/kWp
Kreditbetrag: 360 000 €
Zinssatz: 4,5 %
Wartungskosten: 10 €/kWp/Jahr
Gesetzliche Einspeisevergütung bei Volleinspeisung nach EEG2023: 10,10 Cent/kWh
Ertrag im Jahr 1: 27 270 €
Zinsen im Jahr 1: 16 200 €
Wartungskosten im Jahr 1: 3000 €
Ertrag nach Kosten und Zinsen im Jahr 1: 8 070 € (max. Tilgung: 2,2 %)

Die Amortisationszeit liegt damit weit über 20 Jahre.

Wenn diese Regelung umgesetzt wird, werden wir einen großen Einbruch der PV-Branche sehen. Speziell Dach-Photovoltaik-Anlagen werden am stärksten betroffen sein. Die Bundesregierung will sogar die Erträge nachträglich ab 01.03.2022 abschöpfen, was wiederum Liquiditätsnot bei PV-Betreibern auslösen wird, weil die Erträge oftmals schon zu einem großen Teil in neue PV-Anlagen investiert worden sind.

Meine Meinung: Es ist unvorstellbar dass solche Vorschläge überhaupt in Erwägung gezogen werden bei einer Regierungsteilnahme der Grünen und der FDP. Es wird sowohl der PV-Ausbau mit dieser Regelung erheblich gestört (gerichtet an die Grünen), als auch ein Markteingriff zugelassen von ungeahntem Ausmaß (gerichtet an die FDP).

Ich habe fest daran geglaubt, dass die Energiewende klappen kann, weil Photovoltaik sehr günstig geworden ist und damit mit allen anderen Energieerzeugern konkurrieren kann. Für einen Photovoltaik-Ausbau ist es aber natürlich notwendig, dass sich Investitionen auch rechnen. Wie im obigen Beispiel aufgezeigt, gibt es wahrscheinlich wenig andere Investitionen, die sich noch schlechter rechnen als Photovoltaik mit einer solchen Regelung.

Die Photovoltaik-Investition wurde auch als Inflationsschutz verkauft. Diese Geschichte kann man Investoren natürlich nach Inkrafttreten dieser Regelung nicht mehr erzählen, weil sie nicht mehr wahr wäre.
Es wird von ungerechtfertigten Zufallsgewinnen gesprochen und mit dieser Begründung am Ende die gesamte PV-Branche dicht gemacht.

So sehr die Regierenden ursprünglich an einer Lastenverteilung an allen beteiligten Marktteilnehmern interessiert waren (Schutz vor hohen Energiepreisen bei hohen Gewinnen auf der anderen Seite), so muss man doch feststellen, dass die Entscheidungsprozesse der Zinsentwicklung hinterherlaufen.

Selbst ohne eine rückwirkende Abschöpfung sind die Betreiber jetzt schon wieder in einem Krisenmodus. Die volkswirtschaftliche Arithmetik (Inflation hoch → Zinsen hoch) verlangt weiter steigende Zinsen und wird den Photovoltaik-Ausbau ab 100 kWp abwürgen.

Interessant wird auch die Fragestellung ob bei einer Gleichbehandlung aller PV-Anlagen-Betreiber, die Industrie mit großen netzgekoppelten Eigenversorgungsanlagen von einer Abschöpfung theoretischer Gewinne betroffen wäre.

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Super interessantes Thema, vor allem bei der aktuellen Situation!!

Aus der Grafik im Artikel ergibt sich ein zulässiger Erlös für Anlagen innerhalb des EEG von „Anzulegender Wert“ + 3 ct/kWh. Der „Anzulegende Wert“ ist sowas wie die garantierte Mindestvergütung. In deinem Beispiel also die 10,1 ct/kWh. Der Marktwert Solar - also die durchschnittlichen Verkaufserlöse von PV-Strom - lagen erstmals im September 2021 über diesen 10 ct/kWh. Ohne das russische Drehen am Gashahn wäre es niemals dazu gekommen.

Ich kann daher nicht nachvollziehen, dass es Anlagenbetreiber geben soll, die mit Einnahmen deutlich oberhalb des Anzulegenden Wertes kalkuliert haben und nun Einbußen gegenüber ihrer Planung hinnehmen müssen. Was wir dagegen erleben, das ist eine Art dauerhafter Jackpot-Gewinn von Anlagenbetreibern, die bis Mitte 2021 nicht einmal wussten, dass es den Spielautomaten überhaupt gibt.

In deinem Beispiel hängt außerdem alles am Fremdkapitalanteil von 100% und einem angenommenen Zinssatz von 4,5%. Bei weiter steigenden Zinsen wird die garantierte Vergütung, sprich: der anzulegende Wert, für Neuanlagen natürlich steigen müssen. Der „Profitdeckel“ wandert dann entsprechend mit nach oben.

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Für meine Einschätzung der Situation hängt es wirklich einzig und alleine davon ab, ob die Investitionen nach Einführung einer Abschöpfungsregelung schlechter dar stehen, als sie es bei ihrer Planung und Umsetzung waren.

Und hier sind PV-Anlagenbetreiber leider wie alle anderen Wirtschaftsteilnehmer: Sie werden natürlich jammern, wenn ihnen die Zufallsgewinne, die durch das Merit Order-System am Strommarkt in Verbindung mit den extremen Gaspreisen entstehen, abgegraben werden sollen. Und da ist mein Mitleid generell begrenzt.

Kurzum:
Eine Übergewinn-Abschöpfung darf selbstverständlich nicht zu einer Situation führen, in der vormals lohnende Investitionen plötzlich unrentabel werden. Aber sie darf durchaus dazu führen, dass die durch den Ukraine-Krieg erzeugten Gewinne, die nie Basis für eine Investitionsentscheidung waren, abgeschöpft werden können.

Und hier kann ich nur sagen:
Die Einspeisevergütung für PV-Anlagen im Jahr 2022 lag zwischen 6 und 7 cent pro kWh. Auf dieser Grundlage sind Investitionen getätigt worden. Wenn der Staat nun alles oberhalb von 10 oder gar 13 cent abschöpft, kann kein PV-Anlagenbetreiber erzählen, dass „diese Gewinnabschöpfung seine Investition ruinieren würde“.

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Hast du möglichst unabhängige Quellen oder Statistiken, die die Zahlen aus deinem Beispiel belegen?

Und, ganz wichtig, es geht bei dem Vorhaben nicht nur um Solarstrom sondern um alle Strom-Anbieter.

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Das ist glaube ich etwas sehr stark verkürzt, was in dem Artikel steht. Genau genommen beruft der sich auf eine geleakte Präsentation aus dem BMWK. Auf Twitter habe ich die zitierten Folien mit etwas Suche nicht gefunden. Aber z.B. anhand einer schematischen Abbildung der Merit Order darauf zu schließen, dass alle EE gleich behandelt werden halte ich z.B. für etwas vorschnell. Etwas weiter steht dann aber auch, dass das Cap für Anlagen außerhalb des Anzulegenden Wertes gelten soll bzw. eben die gesetzlichen Fördersätze (was der ersten Aussage des Artikels dann wiederum widerspricht). Also nicht gleich komplett schwarz malen.

Zu deinem Beispiel. Wenn der gesetzlich zugesicherte Anzulegende Wert weiterhin garantiert ist (wenn nicht wäre es wirklich ein fundamentaler Eingriff in die Investitionssicherheit). Dann sieht man sehr gut, was den EE aktuell wirklich zu schaffen macht. Das sind die steigenden Zinsen. Da ist das EEG aktuell bereits recht knapp bemessen und die Zinsen können da für die Ausbauziele noch sehr gefährlich werden. Hohe Amortisationszeiten sind bei den EE an sich der Normallfall. Wenn man auf die LCOE in deinem Beispiel schaut, sieht man aber sehr gut, dass diese mit rund 9,13 ct/kWh (angenommen 20 Jahre Lebensdauer wegen der EEG-Vergütungsdauer) unterhalb des angenommenen Anzulegenden Wertes liegen.

Allgemein würde ich sagen, dass die immer sehr knapp kalkulierten Ansprüche auf Vergütung aus dem EEG ein Problem sind, wieso der Ausbau nicht beschleunigt wird. Da wäre die aktuelle Marktsituation eben eine Chance gewesen, diesen Ausbau anderweitig angeregt zu bekommen. Insofern verstehe ich deine Aufregung, nur eben das Beispiel ist nicht passend gewählt. Wenn Menschen aktuell in EE investieren und die Preise mitnehmen könnten, dann wäre da kurzfristig ein enormes Potenzial für den Ausbau (vorausgesetzt die Technik ist gerade zu bekommen, zu installieren und ans Netz anschließbar).

Ich kann dabei aber auch verstehen, dass man zur Finanzierung der Krise versucht hohe Gewinne abzugreifen, nur würde ich mir wünschen, dass ein großer Anreiz im Bereich der EE bestehen bleiben würde, um die Investitionen dahin zu bewegen. Von daher lieber andere Hürden des Ausbaus beseitigen und möglichst schnell alles ans Netz (und diese auch ausgebaut bekommen) als versuchen das Cap super genau und eng zu treffen.

Abschließend noch einen Punkt:

Da es sich da (wie auch bei vielen Aufdach-PV-Anlagen um Eigenverbrauchskonzepte handelt würde ich davon ausgehen, dass dort nichts abgeschöpft werden kann. Es gab ja auch keine direkten Einnahmen. Bei der geplanten Maßnahme geht es um Anlagen, die über den Spot- oder Terminmarkt vermarktet werden.

Ich glaube, das muss man nochmal betonen: bei der garantierten Einspeisevergütung wird nichts nachträglich abgeschöpft. Diese hat sich ja für den Einspeiser nicht verändert und er profitiert ja auch nicht vom gestiegenen Marktpreis.

Es deutet auch derzeit nichts auf einen Einbruch hin. Der Ausbaupfad wird eingehalten. Die ZEIT hat hier eine schöne Seite zur Information:

https://www.zeit.de/wirtschaft/energiemonitor-deutschland-gaspreis-spritpreis-energieversorgung

Wird der Ausbaupfad unterschritten, wird die Einspeisevergütung erhöht / gesenkt. Das wird seit Bestehen des EEG gemacht.

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Vor 1.5 Jahren sah die Investition in Erneuerbare Energien bei 1.2 Prozent Zinsen und bei 30 niedrigeren Baukosten viel besser aus als die oben dargestellte. Zu dieser Zeit haben sich jedoch auch nur die aller allerbesten Projekte rentiert (warum eigentlich, wenn man die Erneuerbaren Energien fördern will?)

Die Frage ist doch, welche Zielsetzung wir haben. Wollen wir dass die PV-Branche weiter wächst oder wollen wir es eindämmen. Mit der Investition von oben wird keiner mehr investieren.

Stellt man sich vor, dass in jeder Branche so vorgegangen wird wie jetzt in den Erneuerbaren Energien: Jeder Immobilienbesitzer müsste hohe Rückzahlungen leisten (diese Gewinne waren auf jeden Fall unerwartet). Die Bauern verkaufen jetzt ihre Milch zu einem unglaublichen hohen Preis und machen große Gewinne…

Ich denke der Grund warum das nur mit den Erneuerbaren Energien gemacht wird, ist, weil die Erneuerbaren Energien keine Lobby haben. Warum sagt der Lindner dass eine Übergewinnsteuer bei Energieerzeugern ein zu großer Markteingriff wäre?
Weil es die Kohle und Atomindustrie am meisten treffen würde. Diese beiden Industrien haben seit Jahrzehnten nichts mehr investiert und können dadurch keine Abschreibungen geltend machen. Stattdessen macht die Regierung eine Abschöpfung der Erneuerbaren Energien und greift aber direkt in den Markt ein. Das ist für den Lindner dann marktwirtschaftlich in Ordnung.

Ich bin so ein Projektentwickler für große Dachanlagen und sehe meine Branche jetzt am Abgrund. Ich kann das ganze nicht nachvollziehen. Auch nicht wie nach der obigen Investitionsrechnung von meinen Vorrednern für einen Markteingriff argumentiert werden kann.

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@Matder Mein Kumpel hat das für mich geschrieben. Ich hatte noch kein Account.
Ich bin aus der Branche und orientiere mich schon um, dass mich diese Regelung nicht zu stark trifft. Mein Geschäftsmodell (Anpachten von Dachflächen und anschließender Bau von PV) ist auf jeden Fall nach dieser Regelung am Ende. Hoffentlich kommt es nicht ganz so schlimm.
Es stimmt dass andere auch abgeschöpft werden sollen. Aber da wird immer der Materialeinsatz in Erwägung gezogen. Jedem ist bewusst wie das große Firmen (wie Atom und Kohle) machen: Unterfirma Gründen und Material und Logistik teuer an Muttergesellschaft verkaufen

Ich finde die nachträgliche Abschöpfung bei PV-Anlagen problematisch. Es ist zwar tatsächlich so, dass die Betreiber mit diesem Geld vor zwei Jahren noch nicht rechnen konnten, jetzt wurde es aber bereits von den Betreibern großer PV-Anlagen in der Direktvermarktung vereinnahmt.

Es ist plausibel, dass dieses Geld genutzt wird um neue Projekte möglichst schnell voranzutreiben mit dem Ziel von dem aktuell sehr hohem Preisniveau zu profitieren. Die hohe Vergütung sorgt nach dieser Logik für Motivation und auch finanzielle Möglichkeit den Ausbau zu beschleunigen. Aufgrund von Vorlaufzeiten der Projekte ist so ein Effekt aber nicht sofort sichtbar. Aus meiner Sicht wäre es falsch, diesen Unternehmen Liquidität zu entziehen und auch durch den Preisdeckel auf die Einnahmen die Motivation für den Ausbau zu reduzieren.

Die Investition werden nicht alle Unternehmen vornehmen und stattdessen exorbinant hohe Gewinne realisieren. Diese sollten mit den Möglichkeiten des Steuerrechts abgeschöpft werden wie von der EU vorgesehen, damit diese Zufallsgewinne der Allgemeinheit Zugute kommen.

Diese ganze Diskussion läuft jedenfalls in die völlig falsche Richtung, wenn man den Ausbau beschleunigen und Planungssicherheit für zusätzliche Panel-Fabriken in DE oder EU erreichen möchte. Eigentlich bräuchte es (temporär) erhöhte Einspeisevergütungen, die bis zu 20ct/kWh betragen könnten. Selbst dann würde die Vergütung unterhalb des aktuellen Marktwerts PV liegen und das EEG-Konto würde sich dadurch nur etwas langsamer füllen.

Beim Umgang mit den steigenden Zinsen gibt es zwei Möglichkeiten, um die Attraktivität der Investition sicherzustellen. Das KfW-Programm 270 muss attraktiver werden (aktuell ab 3,81% Zins) oder die Einspeisevergütung muss steigen.

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Das ist genau das, was ich auch nicht so ganz verstehe. Wie kommen Firmen darauf, sich darüber auch nur im Geringsten zu beschweren, ohne ein moralisch schlechtes Gewissen zu bekommen.

Bis Mitte 2021 waren Preise an der Börse deutlich unter den 100€MWH. Dass jetzt jemand neue Anlagen baut und mit den aktuellen Preisen kalkuliert, kann ich mir nicht vorstellen.

Ob es jetzt sinnvoll ist, den Ausbau mit dem Deckel zu bremsen oder ob es überhaupt passiert, kann gestritten werden. Ich glaube auch nicht, dass die Gewinne alle reinvestiert werden. Den Betreibern wird bewusst sein, dass es sich hier um eine temporäre Situation handelt und sich der Preis auf Dauer wieder irgendwo im normalen Bereich einpendeln wird.

Ich gehe eher davon aus, dass die Gewinne zu großen Teilen als Benefit irgendwo in privaten Taschen landen.

Hallo Michael,
natürlich beschwert man sich, wenn man Angst hat, dass einem die gesamte Geschäftsgrundlage durch Abschöpfung genommen wird. Ob es wirklich so extrem mit 10 Cent kommt, weiß man nicht. Aber alleine, dass es im Raum steht ist schon problematisch.
Die Wirtschaftlichkeitsberechnung von oben ist realistisch. Es gibt mit Sicherheit wenige, die in sowas investieren würden. Und es handelt sich ja nicht um Kohlekraftwerke, die man in Zukunft nicht mehr haben will.

Warum sollte man moralisch ein schlechtes Gewissen haben wenn man Jahre lang für den Zubau von Erneuerbaren Energien gekämpft hat und nun einmal mehr Erträge erwirtschaftet als gedacht.
Diese Gewinne wurden von vielen Betreibern wieder in Erneuerbare Energien investiert.

Bei PV gibt es viele kleinere Betreiber mit 1000 KWp Leistung und nicht wie bei der Kohle und Atom ein paar sehr große.
Bei Kohle und Atom gibt es überhaupt kein Konzept, wie man an die Zusatzgewinne kommt. Das wird die FDP schon verhindern. Da kann man sich sicher sein. Die Übergewinnsteuer für Energieerzeuger war auf jeden Fall ein Tabu für die FDP. Liegt es vielleicht daran, dass Kohle und Atom nichts in neue Technologien investiert und deshalb keine Abschreibungen geltend machen kann und die FDP mit diesen Firmen stark verbandelt ist?

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