Ganz ehrlich, wieso antwortet eine Behörde überhaupt auf solch eine Anfrage? Muss ein Ministerium, Behörde, Regierung auf jede Frage ernsthaft antworten oder kann man sowas einfach als rassistisch zurückweisen?
Weil mich das auch interessiert, habe ich das mal recherchiert:
Bundesministerium müssen Fragen von im Bundestag vertretenen Parteien beantworten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (Status der Abgeordneten) i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG; §§ 100 ff. der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestag: Regelung der Instrumente der Kleinen und Großen Anfragen sowie der Einzelanfragen von Abgeordneten).
Das Fragerecht unterliegt natürlich den allgemeinen verfassungsrechtlichen Schranken, wenn andere schutzwürdige Interessen sind betroffen (Schutz der Menschenwürde, Diskriminierungsverbot), wenn z.B. die Frage auf eine gleichheitswidrige, rassistische Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde abzielt. In dem Fall müsste das Ministerium überzeugend darlegt, dass die Frage auf eine verfassungswidrige Diskriminierung zielt.
Das scheint aber schwierig zu sein:
Im konkreten Fall einer Vornamen-Anfrage gibt es ein Urteil des Verfassungsgerichtshof Berlin, dass die Verweigerung einer entsprechenden Antworten die Rechte der Abgeordneten verletzt. Das Gericht erkennt rassistische Motiv nicht als legitimen Ablehnungsgrund an.
Das ist letztlich die umstrittene Wertung.
Es gibt gute Gründe, gegen das Urteil des VGH Berlin zu argumentieren, dass kaum andere, nicht-rassistische Gründe denkbar sind, warum ausgerechnet fremdenfeindliche Parteien wie die AfD solche Anfragen stellen. Welchen Sinn kann es haben, die Vornamen in Erfahrung zu bringen, wenn nicht, um damit fremdenfeindliche Ressentiments verstärken zu wollen?
Wie knapp diese Frage auch am Verfassungsgerichtshof Berlin war, wird aus dem Urteil übrigens deutlich.
Dieses Urteil war letztlich schon sehr „Amerikanisch“ in dem Sinne, dass das Gericht entlang der politischen Grenzen gespalten war. Fünf Richter sagen, der Senat muss die Vornamen veröffentlichen, die anderen vier sagen nicht nur, dass der Senat es nicht muss, sie sagen sogar, dass er es nicht einmal darf, selbst wenn er wollte. Einen größeren Kontrast kann es kaum geben.
Aber letztlich hat die Berliner Senatsverwaltung auch einfach schlecht argumentiert, zumindest, wenn stimmt, was der Tagesspiegel schreibt:
Also der Fall ist auch noch nicht gelaufen. Und wir können wohl in jedem Fall festhalten, dass die Frage extrem umstritten ist.
Ich finde die Frage berechtigt. Fragen sollten immer erlaubt sein.
Eine offene, faktenbasierte Diskussion, auch über unbequeme Wahrheiten, gehört zu einer freien Gesellschaft. Wenn Parlamente bestimmte Fragen nicht mehr stellen dürfen, entsteht der Eindruck von „Tabuisierung“ oder „politischer Korrektheit um jeden Preis“. Letztlich werte ich die Informationsfreiheit des Parlaments höher ein als den Wert, Daten zu verbergen.
Das Problem ist, dass es nicht um „Tabuisierung“, „politische Korrektheit“ oder „Daten zu verbergen“ geht, sondern um den Schutz von Minderheiten vor Vorverurteilung.
Angenommen, das Resultat wäre, dass die Täter solcher Taten vorwiegend „arabische“ Namen tragen würden. Was wäre dadurch gewonnen? Wir Wissen, dass es dort ein Problem gibt, wir wissen aber auch, dass dieses Problem sehr komplexe Hintergründe hat, z.B. dass Straßenkriminalität vor allem mit Aspekten wie Armut, Bildung, Alter und Geschlecht zu tun hat. Das klassische Beispiel aus der Kriminologie:
Vergleicht man die Häufigkeit von Gewalttaten zwischen „Deutschen“ und „Ausländern“ kommt dabei raus, dass Ausländer häufiger kriminell sind.
Vergleicht man die Häufigkeit von Gewalttaten zwischen „jungen Deutschen“ und „jungen Ausländern“ merkt man, dass der Effekt schon deutlich kleiner wird.
Vergleicht man die Häufigkeit von Gewalttaten zwischen „armen jungen Deutschen“ und „armen jungen Ausländern“ wird der Effekt noch deutlich kleiner.
Vergleicht man die Häufigkeit von Gewalttaten zwischen „armen jungen Deutschen aus gewaltaffinen Elternhäusern mit traumatischen Gewalterfahrungen“ mit „armen jungen Ausländern aus gewaltaffinen Elternhäusern mit traumatischen Gewalterfahrungen“ ist der Unterschied nicht mehr statistisch nachweisbar.
Wenn man nun aber einen „Erkenntnisgewinn“ über eine „Vornamenanalyse“ betreiben will, blendet man all das aus. Man bleibt auf der ersten Stufe („Deutsche“ vs. „Ausländer“) stecken und versucht gezielt, den Eindruck zu verstärken, dass das die Ethnie, Religion oder Staatsangehörigkeit das zentrale Problem sei. Und das ist Rassismus, das ist exakt das, was BILD-Zeitung und AfD mit diesen Anfragen und Berichterstattung über Vornamen bezwecken.
Die von dir vertretene Position ist daher ein typisches Beispiel von einer oberflächlich logischen, gar demokratischen Position, die erstmal gut klingt, bei genauerer Betrachtung aber das Problem verkennt. Diese von dir vorgebrachte Position - und ich will dir nicht unterstellen, dass das dein Ziel sei - wird klassischerweise auch von Rechtsaußen als Dogwhistle genutzt. Und deshalb ist sie abzulehnen.
Wenn wir das Problem von gewalttätigen jungen Männern lösen wollen, sollten wir das auf eine Art tun, die das Problem nicht rassistisch verkürzt. Daran hat die AfD aber kein Interesse, sie will im Gegenteil geradezu diese rassistische Verkürzng.
Falls das das gemeinsame Ziel wäre und nicht der rechte Teil des politischen Spektrums einfach seine Vorurteile bestätigen und rechtfertigen wollte, wäre das so. Dafür sehe ich keinen Hinweis. Denn auch die Union interessiert doch regelmäßig exklusiv, ob man ein Problem nicht irgendwie „den Ausländern“ anheften kann (siehe beispielhaft die Vornamen-Anfrage zu Silvester). Der Unterschied zur AfD ist nur, dass die Afd ihren Rassismus vermarktet, um die Demokratie zu zerstören und dann noch drastischer zur Jagd zu blasen, während die Union halt ab und zu eine Minderheit an den Angelhaken hängt, um aus der braunsten Brühe der Gesellschaft ein par Wähler:innen in den Eimer der Demokratie zu ziehen und vielleicht zu reintegrieren.
Ich komme selbst aus einem sehr armen Stadttiel im Ruhrgebiet. Damals schon schwierig, heute teils hochproblematisch. Was ich dort als Veränderung erlebt habe, prägt meine Sicht: Nicht Herkunft oder Religion sind das Problem, sondern die Sozialisierung, Insbesondere gewaltgeprägte Männlichkeitsbilder in bestimmten Milieus (ja, häufig arabische Vornamen).
Wenn sich Kriminalität in bestimmten Gruppen häuft, muss man das identifizieren und benennen dürfen, ohne gleich als Pauschalisierer zu gelten. Real spürbar ist nicht der „relative Anteil“, sondern die absolute Zahl von Gewalttaten im eigenen Umfeld.
Weniger gewaltaffine junge Männer bedeuten weniger Kriminalität. Das ist keine rassistische Hetze, sondern eine schlichte Feststellung. Wir brauchen mehr Prävention und konsequentes Durchgreifen, sonst lässt sich die steigende Gewalt nicht bremsen: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2025/04/pks-2024.html
Wer das ignoriert, gefährdet vor allem die Schwächsten in den Vierteln, in denen das als Realität täglich spürbar ist. Außerdem ist der Vorwurf des Verschweigens und Tabuisierens so absolut nicht zu entkräften.
Wir sind uns also einig, dass z.B. machohafte Männlichkeitsbilder ein riesiges Problem sind. Aber warum müssen wir das im Kontext von Ethnie diskutieren? Diese ganze Incel-Szene z.B., die extreme Männlichkeit auslebt (Andrew Tate und co.), ist auch ziemlich „weiß“ und in Deutschland auch sehr „deutsch“. Warum also der Fokus auf die Ethnie? Warum können wir das nicht ganz allgemein kritisieren?!?
Beim ersten Teil wird dir jeder zustimmen. Und niemand würde dir Rassismus unterstellen. Rassismus wird dadurch daraus, dass man unterstellt, „gewaltaffine junge Männer“ hätten etwas mit „Rasse“ bzw. „Ethnie“ zu tun.
Diese absurden Männlichkeits-Bilder sind oft bei armutsgefährdeten Menschen besonders ausgeprägt. Aber wie gesagt, diese Bilder werden auch bei konservativen weißen Deutschen sehr stark vertreten, oft in leicht abgewandelter Form. Also warum der Fokus auf die Ethnie?
Wir sind uns doch einig, gegen Gewalt vorzugehen zu wollen, dass Gewalt grundsätzlich schlecht ist und gewalttätige Menschen ein großes Problem sind, das es zu lösen gilt. Warum also willst du eine ganze Ethnie mit dem Stigma der Gewaltaffinität belegen? Das verschärft nur das Problem. Dieser ganze Gangsta-Rap-Bullshit basiert doch einzig darauf, eine ursprünglich negative Zuschreibung, die ursprünglich eine Etikettierung war, noch überhöhter zur Selbstidentifikation zu nutzen. Das ist ein dickes Problem - und das lösen wir nicht mit weiteren Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozessen, wie es die AfD mit ihren Anfragen versucht.
Also wenn man was gegen Gewalt tun möchte, vorzugsweise präventiv, wäre dann nicht naheliegend, zu schauen, welche Faktoren besonders zur Gewaltneigung beitragen und die anzugehen? Dann sieht man eben, dass „nicht Herkunft und Religion“ das Problem sind, sondern Sozialisierung zu einer „traditionellen“, wenig empathischen, autoritären, gewalttätigen Männlichkeit. Also läge doch deutlich näher, nach feministischer Erziehung, nach weniger gewaltaffinen, fortschrittlicheren Männlichkeitsbildern in staatlicher Bildung, nach umfangreichen Investitionen in Jugendämtern etc. zu rufen, als nach Abschiebungen. Warum sollten Vornamen dann überhaupt von Belang sein? Wenn man es ehrlich meinte, würde man ne Anfrage starten, welche gemeinsamen Faktoren auf Täterseite besonders einschlägig sind und von da aus eine Problemanalyse starten.
Was das konsequente Durchgreifen angeht, wäre entscheidend, Polizei und Justiz so mit Personal auszustatten, dass die in der Lage sind, geltendes Recht zügig anzuwenden.
Stattdessen auf Vornamen herumzureiten erklärt sich deswegen grade nicht aus Interesse an Problemen und ihren Lösungen, sondern ziemlich ausschließlich aus rassistischen Vorurteilen und Realitätsverweigerung.
Was ich bei dem Beitrag merkwürdig finde ist, dass alle Zahlen glatt sind. Da frage ich mich dann eher was das für Zahlen sein sollen und klingt eher nach Glaskugel als nach sauberer Statistik. Vielleicht ja aber auch nur verdammt merkwürdiger Zufall
Ich finde die Frage und die Berichterstattung darüber fragwürdig. Muss ich mir jetzt Gedanken machen, wie ich mein Kind nenne, will ich Angst haben muss, dass es bei falschem Namen in eine Risikogruppe einsortiert wird?
Heißen dann bald alle Kinder Maximilian?
Weil
Aufgaben, die unter dem Namen Maximilian verfasst wurden, erhielten zum Beispiel eine bessere Bewertung als die gleichen Aufgaben unter dem Namen Kevin. Schlechtere Noten für Kevin?
Edit: hab den Artikel nun gelesen (eigentlich wollte ich ihn nicht noch höher ranken, aber die Neugierde siegte):
Michael, Andreas und Thomas sind damit also vor Daniel, Olena und Alexander die größten Problemfälle deutscher Milieu-Strukturen, gefolgt von Ali, Ahmad und Christian.
Christian überrascht (mit Michael und Thomas). Denn die drei sind die häufigsten Namen im letzten deutschen Bundestag gewesen. Haben wir ein Milieu-Problem im deutschen Bundestag?
Klar. Wer kennt nicht die entspannten Reaktionen, wenn man fragt, ob jemand mal Sex mit Kindern hatte oder drogenabhängig war. Sind ja nur unschuldige Fragen, die man beantworten kann und wenn die Antwort zeigt, dass Verdächtigungen falsch waren, wird das ja grade von den Fragenden genauso laut und weit verbreitet, wie wenn die Antwort wie gewünscht ausfällt.
Die Frage ist nicht verboten, die Verwaltung muss antworten, aber die Frage verrät manchmal mehr über Fragesteller, als über irgendwas anderes. Im konkreten Fall steht von vornherein fest, dass die Frage ausschließlich in Rassimus begründet ist. Es gibt keinen anderen denkbaren sachlichen Grund diese Frage in solchen Zusammenhängen zu stellen. Sollte in der Berichterstattung dann auch klar benannt werden.
Der AFD geht es in der Anfrage ja darum, dass sie einen Beweis dafür haben wollte, dass ihre Behauptung stimmt, dass die meisten Menschen, die BG beziehen Ausländer oder Menschen mit Migrationshintergrund sind. Genauso wie bei den Anfragen zu Messerkriminalität. Das kann ja faktisch so sein. Eine solche Anfrage dient aber rein der Spaltung und Stigmatisierung (Ausländer sind dümmer, fauler, Sozialstaatstourismus, etc). Jetzt kam zwar raus, dass es eher am häufigsten deutsche Vornamen sind. Das Problem der Anfrage ist aber gleichzeitig, dass selbst, wenn Ali und Mohammed die häufigsten Vornamen wären, das ja gar keine Aussage über die Gesamtstatistik haben würde. Man erfährt dadurch nichtmal statistisch korrekt aus Sicht der AFD, ob nun die meisten Menschen die BG beziehen Ausländer sind. Es würde nur für eine schöne Überschrift bei der AFD genutzt worden.
Und genau diese Einordnungen + was schon alles zu den sozioökonomischen Faktoren gesagt wurde, fehlen mir in der Berichterstattung häufig. Das ist für mich schlechter Journalismus. Sowas gehört eingeordnet und nicht schlicht berichtet.
Ergänzend schwingt da immer mit, dass Menschen mit „migrantischen“ Namen eben keine „richtigen“ Deutschen sind. Das ist die logische Fortsetzung der Nennung von Staatsangehörigkeit in der Berichterstattung über Straftaten. Es wurde gesagt, „soll ja nur transparent sein“, in Wahrheit wollte man natürlich nicht, dass ständig da steht, dass es „deutsche Täter“ sind, sondern Futter fürs eigene Weltbild, also fragt man jetzt nicht mehr nach Staatsangehörigkeit, sondern nach Vornamen, in der Hoffnung, dass das besser funktioniert.
Was sollen das für Fakten sein? Vornamen sagen nichts über die dahinterstehende Person und ihre Situation aus, allenfslls über die Häufigkeit bestimmter Vornamen.
Das ist absolut so. Man muss ja auch nicht jede Frage für angemessen oder anständig halten, ganz im Gegenteil.
Aber ein Weltbild, ausgedrückt in einer Frage lässt sich eben nicht verbieten. Die versuchte Unterdrückung vergrößert das Problem in der Regel.
Wir müssen uns dem als Gesellschaft stellen, nur so können wir uns gemeinsam weiterentwickeln.
Ja. Das Milieu ist ein anderes, und die Tatwerkzeuge sind nicht Messer, sondern schwarze Koffer, vorsätzliche Gesetzeslücken und Dinnerparties, aber ja.
Klingt spannend, hast Du dafür eine Quelle? Mich würde interessieren, wie das statistisch untersucht wurde. Haben die großflächig Profile von Gewaltverbrechen erstellt?
Primär kann ich nur widergeben, was ich damals bei Prof. Feltes an der RUB in Kriminologie gelernt habe. Aber es gibt zahlreiche Studien zu diesem Thema, einen guten Überblick über all die Verzerrungen im Hinblick auf die PKS findest du z.B. hier:
Der absolute Großteil aller Kriminolgen vertritt klar die Position, dass aus der PKS gerade nicht das abgeleitet werden könne, was AfD und Springer-Presse gerne daraus ableiten würden, weil es eben zahlreiche Störeffekte gibt. Die PKS ist gerade keine „wissenschaftliche Studie“, sondern eine einfache, nicht den wissenschaftlichen Standards entsprechende Hellfeld-Erfassung, die gar nicht bemüht ist, diese u.a. im verlinkten Artikel genannten Störfaktoren auszublenden. Das ist auch nicht ihre Aufgabe.