MP Kretschmer setzt auf russisches Gas - CDU uneins?

In einem aktuellen Interview setzt Sachsens Ministerpräsident Kretschmer auf russisches Gas.

Was mir zwischen den Zeilen auffällt:

Er spricht davon, das wir nach dem Angriff auf die Ukraine weiter russisches Gas brauchen. Wie dieses „Ende des Angriffs“ aussehen soll, sagt er nicht, nennt nur nebulös Diplomatie. Setzt er darauf, das die Ukraine klein beigibt? Was im Moment die wohl einzige diplomatische Lösung wäre.

Er hält eine weitere Abhängigkeit von russischem Gas für unverzichtbar und wohl auch für unproblematisch. Zeigt das einr gewisse Verbundenheit zu Russland oder geht es rein um den Wohlstandserhalt?

Atomkraftwerke sollen noch 15 Jahre laufen, erneuerbare Energien spielen offenbar keine Rolle. Klingt sehr nach einem „Weiter so“, wie es ja die CDU schon in den letzten Jahren favorisiert hat.

Nun ist Kretschmer ja quasi der 2. Mann hinter Friedrich Merz in der CDU.
Einigkeit bzw eine klare Linie (wie Merz es oft von der Ampel fordert) sieht anders aus.

Welches Ziel hat Kretschmer mit diesen Aussagen? Die kritische sächsische Bevölkerung beruhigen?
Die Nähe zu Russland erhalten?
Konfrontation subtiler Art zu Merz?

Ist die CDU da auch sehr uneinig?

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Vor einigen Tagen hat correctiv.org eine ausführliche Recherche zur „Gazprom-Lobby“ veröffentlicht:

Als eine der Lobby-Organisationen, die „russische Interessen und deutsche Politik miteinander verbunden haben“, wird dort die „CDU Sachsen“ angeführt. Als einer der zentralen politischen Akteure vor allem der sächsisch-russischen Netzwerke, die noch über die unten zitierten Passagen hinausgehen, wird Michael Kretschmer angeführt. In der Recherche heißt es dazu:

Eine der Konferenzen ist das von dem VNG-Konzern mitgegründete „Deutsch-Russische Rohstoff-Forum“. Es fand 2007 jährlich bis zur Pandemie statt und noch heute ist auf Videos zu sehen, wie die Teilnehmer in St. Petersburg oder Düsseldorf an drei Tagen darüber diskutieren, wie wichtig eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern sei. […] Immer wieder mit dabei sind auch der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Dreizehnmal fand das Rohstoff-Forum statt. Sigmar Gabriel, damals SPD-Wirtschaftsminister, sprach sich hier 2016 für das Ende der Russland-Sanktionen aus und noch 2021 trat der amtierende sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer auf.

Kretschmer hat sich öffentlich wiederholt als Anwalt russischer Interessen geriert, sich gegen die nach der Krim-Annexion verhängten Sanktionen ausgesprochen und jüngst Friedensverhandlungen mit Russland eingefordert. Eine Anfrage ließ er unbeantwortet.

Was bringt einen Ministerpräsidenten dazu, sich zum Fürsprecher einer Autokratie zu machen? Ein Grund könnte sein: Wenn es VNG und anderen sächsischen Firmen mit Russland-Geschäft gut geht, profitiert sein Bundesland.

Aber auch seine Partei profitiert: VNG sponsert Veranstaltungen der CDU, nach eigenen Angaben mit einem mittleren vierstelligen Betrag im Jahr. CDU-Parteigruppen treffen sich mitunter bei VNG für ihre Veranstaltungen.

Jenseits der traditionell russlandnahen Unions-Landesverbände in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern dürfte der Cringe-Faktor bei Kretschmer mittlerweile so hoch sein, dass er bundesweit - wenn sich nicht einiges ändert - m.E. keine nennenswerte Rolle mehr spielen dürfte. Daniel Günther und Hendrik Wüst dürften als Kandidaten für eine potentielle Merz-Nachfolge deutlich größere Chancen haben.

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Der ist halt von der CDU Sachsen. Ich glaube, der hat überhaupt keinen wirklichen Grund, weswegen er das fordert, außer immer das Gegenteil von den Grünen. Das ist doch mittlerweile der Kernpunkt der Unions-Politik, auch bei Merz. Erschreckend, dass so ein Kindergartenverein uns die letzten Jahrzehnte fast ununterbrochen regiert hat und derzeit mal wieder die Umfragen anführt. Da fragt man sich schon manchmal, ob es nicht vielleicht doch noch ein besseres System gäbe als diese Demokratie.

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Ob es ein besseres System gibt, weiss ich nicht. Aber noch Stellschrauben am aktuellen System offenbar

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Oder einfach eine bessere Berichterstattung. Die Medien berichten leider sehr einseitig. Da müsste in jeden Beitrag rein:

Und damit es für die Hintergründe klar ist, Frau Merkel und die CDU haben uns hauptverantwortlich an Russland verkauft und die erneuerbaren verhindert.

Denn das Erinnern an den der die Krise verursacht hat ist extrem wichtig um das künftig zu verhindern.

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Der Mensch hat ein sehr kurzes Gedächtnis.
Im Zweifelsfall ist immer die Regierung schuld, die grad an der Macht ist - für alles.
Was von Medien und Opposition ja auch so kolportiert wird.

Aber die Aussagen von Herrn Kretschmer finde ich zu diesem Zeitpunkt sehr befremdlich.

Wenn Russland ein Referendum in Sachsen abhalten würde, ich wüsste nicht wie es ausfällt bzw ob Russland da was beeinflussen muss.

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Es gibt einen aktuellen Klimapodcast von Claudia Kemfert. Da sagt sie sehr deutlich wer uns den Schlamassel eingebrockt hat. Vielleicht müsste man die in Haft nehmen.

Das ist auch die Position der Bundesregierung und der EU. Russisches Gaslieferungen wurde ja nicht von Seiten des Westens mit Sanktionen belegt, sondern durch die russische Regierung unterbunden. Würde morgen wieder Gas durch die Leitungen strömen, Europa würde es mit Kusshand in Empfang nehmen.

Es gibt hier gar keinen Dissens darüber, dass „wir“ gern weiterhin russisches Gas importieren würden. Kretschmer haut also auf einen Strohmann ein. Und mit gutem Grund macht er das. Denn was er natürlich nicht diskutieren will: was notwendig wäre, den Russen zu geben, damit sie die Lieferungen wieder aufnehmen.

Die Sache ist ja klar: solange der Westen die Ukraine in ihrem Abwehrkampf unterstützt, gibt es - verständlicherweise - kein Erdgas aus Russland.
Mit dieser offensichtlichen Feststellung kann man die Diskussion dann eigentlich beenden.

Sich als „Stimme des Ostens“ wichtig zu machen und noch noch mehr Wähler an die AfD zu verlieren.

Dummerweise scheinen sich die Stellschrauben überwiegend in die andere Richtung zu drehen, wenn man mal z.B. nach Italien, Schweden, Großbritannien, USA usw. schaut. Merz scheint so einer Entwicklung ebenfalls nicht abgeneigt zu sein, und auf den Rückhalt von Döpfner & Co. kann er sich dabei 100% verlassen.

Ja, aber wo soll da der Wandel herkommen? Bei den Konzernmedien ist eh klar, auf welcher Seite sie stehen, und wahrheitsgemäß zu berichten steht da vielerorts recht weit unten auf der Agenda. Und die öffentlich-rechtlichen berichten im Wesentlichen auch bloß so, wie die Privaten in seriös, erstens, weil deren Führungsriege in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich von CDU/CSU und Seeheimer Kreis installiert wurde, und zweitens, weil die Privaten eh schon dabei sind, den ÖRR sturmreif zu schießen, und der ÖRR bisher zu feige ist, dem etwas entgegen zu setzen.

Mich würde ja viel mehr interessieren, wie ein Referendum über einen #Säxit ausfallen würde, wenn es außerhalb Sachsens stattfinden würde.^^

Nope. Die Position der derzeitigen Bundesregierung ist, sich so schnell wie möglich unabhängig vom russischen Gas zu machen. Klar würden sie jetzt erstmal vorübergehend wieder Gas abnehmen, wenn Russland liefern würde, aber eben bloß für ein, zwei oder drei Jahre, wie lange das eben dauert. (Und wie lange Länder wie Bayern, Sachsen, etc. das hinauszögern können.)

Das ist der Grund, weswegen Putin den Hahn zugedreht hat, weil Habeck bei aller Kritik offenbar voran kommt, denn wenn die Unabhängigkeit erstmal hergestellt ist, nützt Putin das Druckmittel sowieso nichts mehr.

Ja, diese ostdeutsche Identitätspolitik nervt nicht nur extrem, sondern bestärkt den Rechtsradikalismus immer weiter. Ist ja nicht nur Kretschmer, sondern praktisch die ganze Ost-CDU, die FDP, die Linke, der öffentlich-rechtliche MDR, lokale Zeitungen, die alle extrem rechte Positionen normalisieren. Besonders perfide ist die immer wieder erzählte Sage, dass die Ostdeutschen deshalb so aktiv bei Pegida, Coronageschwurbel, Russlandgefolgschaft usw. sind, weil „sie nunmal traditionell ein rebellisches, autoritätskritisches Völkchen sind, dass – wie der Sturz des SED-Regimes bewiesen hat – tendenziell der Regierung eher misstraut und nicht solche Schlafschafe wie die Wessis“. Da komme ich jedesmal aus dem Facepalmen nicht mehr heraus, wenn irgendein Ossiversteher wieder diesen Blödsinn auspackt und dabei die Verhältnisse vollkommen umdreht, dass nämlich „die Westdeutschen“ zum Zeitpunkt der Vereinigung eine jahrzehntelange regierungskritische Widerstandstradition mit 68ern, NATO-Doppelbeschluss, Anti-AKW, Volkszählung usw. hatten, während „die Ostdeutschen“ bloß heimlich auf die Gelegenheit gewartet haben, endlich durch Perestroika relativ gefahrlos für schickere Autos, Urlaub auf Malle und die heilige D-Mark auf die Straße zu gehen.

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So läuft das in Russland, aber nicht in der regelbasierten EU. Würde aus den (genehmigten) Pipelines von Russland zur EU Erdgas kommen, dann könnten das EU-Unternehmen auch kaufen. Ganz egal, was die Bundesregierung bezüglich Erdgasversorgung plant. Wollte man tatsächlich weg vom russischem Gas, so müsste auch den in Betrieb befindlichen Pipelines die Betriebserlaubnis entzogen werden - so wie bei Nordstream II, wo sie im letzten Augenblick erst gar nicht erteilt wurde.

Aber solange Russland nicht liefern will, ist dies natürlich eine rein akademische Debatte.

Nö. Wenn Europa das Gas aus Russland nicht mehr benötigt, wird ein Embargo beschlossen, wie schon bei Öl und Kohle, und daran müssen sich EU-Unternehmen dann halten.

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Bis wir russisches Gas tatsächlich nicht mehr benötigen (im Sinne von „wir kommen auch gut ohne zurecht“ anstatt von „wir schaffen es mit Ach und Krach und verzehnfachten Heizkosten gerade so durch den Winter“) ist dieser Konflikt hoffentlich schon Geschichte.

Ist das Sarkasmus oder denkst du wirklich, dass die Ostdeutschen in erster Linie für Konsum im Herbst 1989 auf die Straßen gegangen sind? Und dass dieser Protest nicht die reale Gefahr beinhaltet hatte, in Hohenschönhausen oder Bautzen zu landen?

Man kann da sicher nicht alle über einen Kamm scheren. Was die 1000 Leute auf der ersten bekannten Montagsdemonstration angeht, hast du bestimmt Recht. Aber das waren doch nicht „die Ostdeutschen“, und bestimmt nicht die, die jetzt sagen sie haben damals das Regime gestürzt und stürzen jetzt das nächste. „Die Ostdeutschen“ haben brav in ihrem Land gelebt und vielleicht hinter vorgehaltener Hand gelästert, aber die friedliche Revolution wurde nicht in der DDR gestartet, sondern in Ungarn, Polen, der Tschechoslowakei und mit Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion. (Länder, die die Transformation dann ganz alleine schaffen mussten, ohne sich an ein westliches Land ran flanschen zu können.) Und auch dann gab es in der DDR erstmal keine breite Demokratisierungsbewegung, sondern unter dem Slogan „Wir wollen raus“ eine Absetzbewegung über Ungarn und die Prager Botschaft ins westdeutsche Schlaraffenland. Erst ab Mitte Oktober '89, als klar war, dass die DDR-Staatsführung die Lage absolut nicht mehr im Griff hatte und die Sowjetunion sich dezent heraushalten würde, waren dann die von Fotos bekannten Hunderttausende auf der Straße, als im Grunde schon alles gelaufen war. Und sorry, aber das persönliche Risiko für diese Leute, und noch später für die Teilnehmer der genehmigten(!) Alexanderplatzdemo, war deutlich geringer als für westdeutsche Atomkraftgegner, die sich in Brokdorf oder Wackersdorf reihenweise die Schädel haben einschlagen lassen.


(Bildquelle: FAZ: Seite 3 - Warum das Geld im Osten nicht glücklich machte )

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Naja was heißt „ranflanschen“? Auch in Westdeutschland war die Zustimmung zur Wiedervereinigung sehr hoch, die „Nie wieder Deutschland“-Fraktion repräsentierte doch nur eine kleine Minderheit. In vielen Ländern Ostmitteleuropas ist die politische Kultur im übrigen durchaus mit Ostdeutschland vergleichbar.

Was doch schon ein revolutionärer Akt in einem Land gewesen ist, was seine Bürger fast 30 Jahre lang eingesperrt hatte.

Das stimmt, aber bis Ende der 80er wäre man als Demonstrant in der DDR in die schon von mir erwähnten Gefängnisse gekommen.

Ich bin weder der Meinung von Kretschmer, was die Beziehung zu Russland angeht noch Anhänger der These der politisch besonders wachen Ostdeutschen, finde aber schon, dass dort einige Schwachstellen unseres politischen Systems weniger unkritisch betrachtet werden als in Westdeutschland (wo auch ich lebe). Beispiele wären die Migrationspolitik oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk.

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Sorry, aber Du faselst. Bis zu den Demonstrationen von Plauen und Leipzig mit 15.000 bzw. 70.000 Teilnehmern (bei 70k bzw. 500k Einwohnern) vom 7.10. bzw. 9.10. ging jeder Demonstrant das gleiche Risiko ein, das die Demonstranten in Peking vier Monate zuvor eingegangen waren.
Dass nach einem Monat Wende geltendes DDR-Recht auch mal zu Gunsten der Bürger angewandt wurde, ist in der weiteren Entwicklung wenig überraschend - auch die DDR-Verfassung garantierte Versammlungsfreiheit.

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Den Zusammenhang zu Kretschmers doch sehr russlandfreundlicher Meinung zum Demokratieverständnis der sächsischen Mitbürger, die ggf selbst noch in der DDR aufgewachsen sind, mag man noch konstruieren können.
Ist es evt eine Mischung aus zu komplexen Lebensverhältnissen (daher der Drang zu vermeintlich einfachen Parolen wie am rechten Spektrum), ggf eine gewisse Demokratiemüdigkeit (viel Diskussion um wenig offensichtlich zählbare Ergebnisse), der Angst um den Wohlstandsverlust (Panikszenarien in Medien und Politik), die zu solchen Denkweisen führt?

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Die Bürgerrechtsbewegung der DDR war weitgehend links-ökologisch motiviert und wurde von der Alternativen Liste in West-Berlin massiv unterstützt.

Hat sich (…) komplett erledigt. Bin gespannt, was dem lieben Herrn Kretschmer jetzt einfällt. Stimmt er in den allgemeinen Kanon ein, dass es wohl „der Russe“ gewesen sein müsse, wenn man noch gar nichts weiß?

Und wurde dann tatsächlich bei der Volkskammerwahl von wievielen Ostdeutschen gewählt? Waren’s 2,9%? Birne und D-Mark-Geschenke trafen irgendwie besser den Geschmack der Ostdeutschen.