Moria brennt - und die deutsche Bundesregierung schaut tatenlos zu

In der Nacht zu vorgestern ist das Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos abgebrannt. Ein Camp für 2800 Leute, in dem 13.000 Menschen „leben“ müssen. 13.000 Menschen, die nun nicht mal Verschläge haben, sondern komplett ohne Hab und Gut und Dach über dem Kopf dastehen.

Als Reaktion wurden bundesweit in vielen Städten Kundgebungen und Demonstrationen organisiert, insbesondere in Städten, die sich als Sichere Häfen der Seebrücke bekannt haben. Auch Großstädte wie Hannover sagen, dass sie gerne Menschen aus Moria aufnehmen wollen würden und die Zahl der bereitgestellten Plätze ist tatsächlich höher, als Menschen in Moria leben.

Trotzdem verweigert die Bundesregierung bzw. das Innenministerium die Aufnahme ebenjener Hilfesuchender. 150 unbegleitete Minderjährige wäre man bereit aufzunehmen, für alle weiteren müsste man eine „europäische Lösung“ finden. Dieses Narrativ wurde auch schon während der Pandemie gepflegt.

Ich würde mich sehr über eine (europa-)rechtliche Einordnung freuen und vielleicht eine Erklärung, warum es für die unterschiedlichen aufnahmebereiten Kommunen keine Möglichkeit gibt sich gegen Horst Seehofer’s menschenfeindliche Politik durchzusetzen.

Ansonsten an dieser Stelle der Aufruf an alle vor Ort die Seebrücke-Bündnisse und Initiativen zu unterstützen. Es macht mich zutiefst betroffen und tatsächlich schäme ich mich sehr mit anzusehen was mit den Menschen aus Moria gemacht wird und glaube aber fest daran, dass wir den politischen Druck weiter erhöhen müssen, um unseren so oft proklamierten Werten gerecht zu werden.

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Vielen Dank für die hochwertige Berichterstattung @philipbanse @vieuxrenard :heart:
LG aus Lesbos

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Genau diese Frage wollte ich auch gerade stellen. GG Artikel 20 Absatz 3 sagt:

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

Jetzt hätte ich gerne eine Antwort auf die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage Herr Seehofer seine Ablehnung begründet. Ein „will nicht“ reicht dafür definitiv nicht aus, denn das würde ja bedeuten, dass der Innenminister über dem Gesetz steht und damit gegen Artikel 20 Absatz 3 verstößt.

Dass es die europaweite Lösung wohl nicht geben wird haben wir in der Lage ja gehört. Es nervt mich allerdings, dass die Verweigerungshaltung von Polen, Ungarn und der Tschechei einfach so akzeptiert wird. In letzter Konsequenz heißt das, wir akzeptieren faschistische Tendenzen, auch wenn diese gegen die „europäischen Werte“ verstoßen? Das ist eigentlich ungeheuerlich.

Ich möchte gerne wissen, warum mein Kommentar scheinbar abgelehnt wurde. Es wäre zumindest gut, wenn man eine kurze Benachrichtigung erhalten könnte.

Aus meiner Sicht grenzt das an Meinungsdiskriminierung, denn ich habe mit meinem Statement in keiner Weise gegen irgendeine Etikette verstoßen.

Kommentare betrachten wir als Leserbriefe - wir veröffentlichen nur die, die wir für wertvoll halten, weil sie die Debatte weiterbringen. Ich würde aber schätzen, dass 95% veröffentlicht werden.

Genau weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, woran es bei deinem letzten Kommentar gescheitert ist. Wir lehnen zB Kommentare ab, die falsche Information oder persönliche Angriffe gegen andere Menschen enthalten, insbesondere gegen die beiden Podcaster.

Wie gesagt. Der Kommentar war ein reiner Debattenbeitrag und enthielt keinerlei Angriff.

Ich hätte verstanden, wenn es unter der Kategorie „Themenvorschläge“ nicht so gedacht war, das Thema an sich zu diskutieren. Eure Antwort irritiert mich nun aber, da sie doch nahelegt, dass Ihr mit dem Inhalt nicht einverstanden gewesen seid. Und dies empfände ich dann tatsächlich als übergriffig und diskriminierend.

Zum Inhalt: Ich habe die Linie der Regierung befürwortet und gesagt, dass es eine schwierige Balance zwischen der aus meiner Sicht notwendigen Abschreckung und einer angemessenen Versorgung der Menschen ist. Eine Grundversorgung muss gewährleistet werden und Kinder sollten ausgenommen werden. Aber ein Anrecht auf Aufnahme sehe ich nicht. Diese Meinung mag nicht jedem gefallen. Sie ist aber legitim.

Vermutlich fand ich deine These, dass Abschreckung notwendig sei, menschenverachtend und habe den Kommentar deswegen nicht freigeschaltet, aber das können ja auch mal andere Leute kommentieren …

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Es gibt aber ein Anrecht auf ein geregeltes und zeitnahes Asylverfahren. Welches nicht stattfindet.

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Ja. Das stimmt. Dies müsste dringend geändert werden.

Notwendige Abschreckung?
Es geht hier um Menschen, die ihre Heimat verlassen, das tut niemand einfach aus Spaß, schon gar nicht auf diesem lebensgefährlichen Weg. Diese Menschen fliehen vor Krieg, Terror und vielleicht auch aus Hunger und Durst.

Man würde doch auch kein Kind ertrinken lassen, um andere Kinder davon abzuhalten, am Wasser zu spielen.

Notwendige Abschreckung, also wirklich!

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„Notwendige Abschreckung“ ist pointiert gemeint. Das Konzept „Abschreckung“ wird derzeit von den Medien als vermutlicher Hintergrund für das zögerliche Handeln der politischen Akteure angeführt - und wahrscheinlich stimmt es auch, dass dies ein Motiv ist.

Man möchte Flüchtlingszahlen wie 2015 vermeiden - und man möchte auch der Türkei ein Druckmittel wie bei der Öffnung der Grenzen zu Beginn der Coronakrise ein Stück weit nehmen, indem man einen härteren Kurs fährt.

Ich finde das nachvollziehbar und habe gesagt, dass es ein Drahtseilakt ist, diese Linie zu vertreten, aber andererseits die Menschen angemessen zu versorgen.

Ich bin absolut der Meinung, dass Europa dringend handeln und die katastrophalen Zustände verbessern muss. Aber die Asylverfahren müssen am Ende geordnet stattfinden und die Menschen sollten sich auch nicht unrealistische Hoffnungen machen.

Menschen auf der Flucht muss geholfen werden, ganz egal, welche Hoffnungen sie genau haben. Ich denke auch nicht, dass diese Menschen, die vor Krieg und Terror fliehen, hohe Ansprüche haben und sich ins gemachte Nest setzen wollen. Sie wollen in Frieden leben, sie wollen eine neue Heimat finden, arbeiten und Teil einer Gesellschaft sein.
Hätten sie hohe Ansprüche und wäre ihre Heimat nicht so schrecklich, würden sie gar nicht erst diesen weiten, gefährlichen Weg gehen. Dann würden sie einfach zuhause bleiben.

Hier kommen wir nicht ganz zusammen. Aus humanistischer Sicht sehe ich das wie Sie. Aber in Anbetracht von Millionen Menschen weltweit, die auf der Flucht sind, kann man das nicht so pauschal betrachten.

„Ende 2019 lag die Zahl der Menschen, die weltweit auf der Flucht waren, bei 79,5 Millionen - mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung.“

Genauer gesagt: Selbst wenn es unter Aufbietung aller Ressourcen theoretisch möglich wäre, muss man auch akzeptieren, wenn Menschen in Europa das nicht wollen. Praktisch hat sich 2015 gezeigt, dass wir am Rande unserer gesellschaftlich akzeptierten Aufnahmebereitschaft waren - bzw. sie bereits weit überschritten hatten. Mich hat damals sehr erschrocken, wie viele meiner Bekannten - quer durch alle politischen linken Lager plötzlich begannen, mit der AfD zu sympathisieren.

Leider ist das auch nur AfD-Propaganda: Es spricht nichts dafür, dass die deutschen Kapazitäten zur Aufnahme von Geflüchteten ausgeschöpft wären, ganz im Gegenteil. Das sind ja interessante Menschen, die da plötzlich mit der AfD sympathisieren … und ganz sicher keine „Linken“ oder Humanisten.

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Also zum Einen wollen ja nicht alle Flüchtlinge der Welt nach Deutschland oder auch nur nach Europa.
Zum Zweiten war das Zahlenverhältnis in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg viel schlimmer. Da waren 12 bis 14 Millionen Menschen von Flucht und Vertreibung betroffen, die von der kriegsgebeutelten deutschen Bevölkerung aufgenommen werden mussten. Allein in der SBZ (später DDR) wurden 4 Millionen Menschen aufgenommen, das waren 25% der Bevölkerung! Dagegen sind die heutigen Zahlen doch lächerlich und unsere Möglichkeiten sehr viel besser, sie aufzunehmen. Wir leben in einem Wohlstand, von dem man damals nicht einmal ahnen konnte! Kinder hatten damals kein eigenes Zimmer, das Klo war auf der halben Treppe, ein Auto hatten nur sehr reiche Leute und die Wäsche wurde auf dem Waschbrett geschrubbt.
Aber wenn Politiker bei diesem Thema immer zögern und sich lieber danach richten, was eine Minderheit (AfD und andere Rassisten) davon halten, dann fühlen die sich bestätigt und machen die Sache immer schlimmer.
Wir können uns doch nicht von der rassistischen Minderheit vorschreiben lassen, wem wir helfen!

Ich finde hier im Forum, auch teils im Podcast, dass doch recht schnell die Moralkeule ausgepackt wird.

Die „interessanten Menschen“ sind teils genau die Verwandten und Bekannten im näheren Umfeld, die man eben nicht „verloren geben“ sollte - sondern mit denen man sich auseinandersetzen muss. Ich sagte ja, dass ich erschrocken war.

Niemand bestreitet, dass wir 13000 Menschen für die Abwicklung ihrer Verfahren aufnehmen könnten. Aber 2015 kamen Millionen von Menschen und mir erkläre bitte jemand, warum dies nicht mehr der Fall ist.

Der Grund ist der Deal mit der Türkei und hier beginnt die Heuchelei der ganzen Betrachtung. Die Menschen kamen größtenteils aus der Türkei nach Lesbos. Unter anderem, weil es ihnen dort nicht gut erging. So ist es aber mit Hunderttausenden anderer Flüchtlinge in der Türkei ebenfalls. Nur um die kümmert sich niemand, weil sie nicht direkt vor Europas Tür gelassen werden. Die Menschen reagieren nur auf das Sichtbare.

Daher nochmals: Es geht nicht nur um die Menschen, die zur Zeit auf Lesbos demonstrieren. Es geht um sehr viele Flüchtlinge und um tragbare und ausgewogene Lösungen für die Gesamtproblematik. Den Menschen auf Lesbos muss vor Ort geholfen werden und ihre Asylanträge müssen schnell bearbeitet werden.

Hier ein Artikel von heute:

Zur Einordnung der Situation auf Lesbos und den real gelebten europäischen Werten an den Außengrenzen hier mal das Video von Joko & Klaas über Moria:

Und damit niemand behaupten kann, man habe das ja nicht gewusst…

Joko und Klaas sind ja auch für ihren Qualitätsjournalismus bekannt:

Natürlich müsste die Türkei zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie sich nicht an den Deal hält und massenhaft gegen Menschenrecht verstößt.
Aber das entbindet uns nicht von der moralischen Verpflichtung, zu helfen, wenn Menschen Hilfe brauchen und wir dazu in der Lage sind! Nennst Du das Moralkeule? Warum ist Moral für Dich so etwas Schlimmes?

Wenn Du an einem brennenden Auto vorbeikommst, zuckst Du dann die Schultern und gehst/fährst weiter, weil ja die Feuerwehr dafür zuständig ist?
Wenn jemand vor dem Supermarkt gestürzt ist und blutet, bietest Du keine Hilfe an, weil da ja auch andere Leute sind, die helfen könnten?
Und wie würdest Du es finden, wenn Du in Not wärst und Dir nicht geholfen würde?

Hallo zusammen,
wer sich zur aktuellen Lage und was in den letzten drei Jahren passiert ist, denen kann ich die Folge 6 von dem Podcast " Wir packen’s an und wir reden drüber" empfehlen. Hier der Spotify-Link:

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