„50 km/h in der Leipziger Straße in Berlin sei wohl okay“ – das ist genau das, was die Berliner CDU und SPD fordern (Leipziger Straße: Verwaltung widerspricht Senatorin - Berliner Morgenpost). Hättet Ihr bloß Almut Neumann gefragt, was sie davon hält… und: Die T30-Initiative würde hier NIE T50 dort zulassen, mitten in der Stadt. Die Idee einer nachhaltigen, lebenswerten Stadt bedeutet, dass der Mensch statt das Auto der Maßstab ist.
Die heute beschlossene StVG-Novelle des BT weist einige Fortschritte auf: Umwelt, Klima, Gesundheit und städtebaulicher Entwicklung finden zum ersten Mal hier Erwähnung. Aber die Leichtigkeit des Verkehrs bleibt gleichrangig – d.h. es erfordert immer noch eine Abwägung, ob Autoverkehr oder z.B. Gesundheit oder Klimaschutz wichtiger ist. Die Novelle ist hier sehr halbherzig.
Auch der Aspekt Verkehrssicherheit, also Vision Zero, findet hier keine Erwähnung.
Ich kann nur auf die Stellungnahmen der Umweltverbände (BUND, VCD, DVR etc.) zur StVG-Novelle hinweisen. …
Liebes Lage-Team,
danke für die Abwägung zwischen der Sicherheit und dem Verkehrsbedürfnis.
Grundsätzlich halte ich es für sehr schwierig, dass ein Entwurf für eine Verordnung auf einem nicht gültigen Gesetz beruht und auch nicht im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung behandelt wird. In meinen Augen gibt es nur ein paar kosmetische Änderungen, die am Ende weder Prozesse und Abwägungen vereinfachen werden, noch zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr führen.
In dem mir vorliegenden Entwurf zur StVO sehe ich aber die von euch skizzierten Änderungen nicht:
Bewohnerparken: Der Abschnitt ist meiner Meinung nach präzisiert worden, als dass der Parkraummangel nicht schon bestehen muss, sondern auch absehbar („drohend“) sein kann. Das heißt für mich: Es muss nicht erst eine Untersuchung den Parkraummangel feststellen (Aufwand: 1 Jahr und 100 k€ aufwärts), sondern es muss Anzeichen für eine Überlastung geben, die dann am Ende auch nur auf dem Papier als Möglichkeit beschrieben wird. Das ist dann zwar auch noch aufwand, aber es kann im Moment der Planung von der aktuellen Situation heraus geschlossen werden. Das halte ich für einen Fortschritt, wenn er auch klein sein mag.
Einrichten von Rad-/Bus-/Zebrastreifen (§45(1)7): Wie meine Vorrednerin sehe ich das Problem weiterhin im Straßenverkehrsgesetz, welches die "Leichtigkeit des Verkehrs weiterhin kennt. Da die Sicherheit indirekt proportional mit der Leichtigkeit des Verkehrs zusammenhängt, wenn alles andere gleich bleibt, gibt es keinen Grund dieses Kriterium weiterhin im Gesetz stehen zu haben, wenn die Intention „zur Verbesserung des Schutzes der Umwelt, darunter des Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der geordneten städte- baulichen Entwicklung“ ist.
T30 innerorts: Der Kriterienkatalog in der StVO §45(9)6 ist weiterhin unvollständig und kann selbst bei beliebiger Erweiterung nicht die Erfordernisse der Realität abbilden. Eine Inverse Formulierung wäre hier nötig (wie von vielen Städten gefordert). Mindestens wäre es sinnvoll Geschwindigkeitseinschränkungen anordnen zu können, wenn die Verkehrssicherheit dies erfordert. Das könnte an neu erkannten Gefährdungsstellen, oder auch an Straßen mit nicht regelkonformer Straßenraumaufteilung sein.
Wie ihr korrekt dargestellt habt, ist mit der „Leichtigkeit des Verkehrs“ immer nur der motirisierte Verkehr gemeint. Ich kann diese Spezifizierung aber nirgendwo aus dem Gesetz heraus lesen. Diese Dissonanz sehen auch viele andere Menschen, denn erst mit der Einschränkung, dass der motorisierte Verkehr etwas besseres sein soll, aber Fuß-/Rad- und Pferdeverkehr sich diesem unterordnen müssen, wird aus dem Gesetzestext der Problemfall, mit dem wir als Gesellschaft zu tun haben: in den Köpfen und den daraus resultierenden Verhaltensweisen. Ich würde mich freuen, könntet ihr den Grund für diese spezielle juristische Lesart herausarbeiten.
Ich hänge mich jetzt auch mal in diese Diskusion rein, denn ich hätte da eine Frage an Ulf. Er sagte bei dem Thema nämlich, dass eine flächendeckend Einführung von Tempo 30 in den Städten eine Einschränkung von Grundrechten wäre. Ulf: Kannst Du bitte konkret benennen, welches Grundrecht eingeschränkt wird, wenn man Tempo 30 in der Stadt einführen würde. Ich wühle mich gerade durch die ersten Artikel des GG, finde aber nix:
(vom Mod gelöscht wg Sarkasmus)
Was das Thema des „fließenden Verkehrs“ angeht, so bin ich nachdem ich jetzt seit mehr als 40 Jahren den Führerschein habe zu der Erkenntnis gelangt, dass der Verkehrsfluss nicht durch Tempolimits behindert wird, sondern durch die Verkehrsteilnehmer selbst. Beispiel: In meiner Stadt gibt es eine 4 spurige „Einfallstraße“ (noch in den 70ern gebaut), da war mal Tempo 60 erlaubt, seit ein paar Jahren nun nur noch Tempo 50. Die Ampelschaltungen wären für „grüne Welle bei 50“ ausgelegt. Wie sieht die Realität aus: Fährst Du 50 dann wirst Du reihenweise von anderen überholt, die zwischen 60 und 80 km/h schnell sind. Mit dem schönen Nebeneffekt, dass sie die nächste Ampel bei „rot“ erreichen und auf Null bremsen müssen, einen Rückstau erzugen, der dann auch die ausbremst, die gerne „grüne Welle bei 50“ hätten und in Summe bewegst Du Dich dann mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 km/h durch diese Straße. Und der gleiche Effekt wird bei Tempo 30 passieren. Würden alle sich an die Limits halten wäre ein „Verkehrsfluss“ möglich, aber in der Realität funktioniert es einfach nicht.
Meine Heimatstadt hat ca. 300.000 Einwohner und von den südlichen Stadteilen in die nördlichen sind es ca. 10 km. Das wäre wohl auch bei Tempo 30 ohne viel Zeitverlust zu schaffen, wenn, na ja, siehe oben…
Ich vermute mal ins Blaue hinein, dass das daran liegt, dass in den meisten Fällen der motorisierte Verkehr in einer konkreten Straße den Hauptanteil ausmacht, und er deswegen am stärksten gewichtet wird.
Wenn auf einer Straße 90% Fahrradfahrer unterwegs wären und nur eine Hand voll Autos jede Stunde vorbei kämen, wäre wahrscheinlich der fließende Fahrradverkehr auch wichtiger als der fließende Autoverkehr.
Das Problem bei dieser erst mal logisch klingenden Betrachtungsweise ist halt, dass gerade Autoverkehr wenig von der Rücksichtnahme anderer abhängig ist. Das Auto ist nun mal das „stärkste“ Verkehrsmittel. Eine Straße muss nicht extra attraktiv gemacht werden für Autos. Für Fußgänger und Radfahrer gilt das nicht, die Gruppen sind beide vulnerabler und suchen sich daher eher Wege, die für sie speziell ausgebaut sind, mit z.B. guten Fahrradwegen. Dadurch entsteht ein Henne-Ei-Problem: der Weg wird nicht für Fahrradfahrer ausgebaut, weil da wenige fahren. Da fahren aber u.U. nur deshalb wenige, weil der Weg nicht für Fahrradfahrer ausgebaut ist.
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Historisch wurden Gehwege erfunden, damit das Auto „freie Bahn“ hat, Ampeln werden gebaut, damit der Autoverkehr geregelt wird und schnell fahren kann (Fuß-/Radverkehr braucht das nicht). Die Tradition der „leichtigkeit des Verkehrs“ kommt genau aus der gleichen Richtung, wie die Nachfolger der Reichsgaragenordnung. Das von dir beschriebene Henne-Ei-Problem gab es früher mal mit Fahrradstraßen (seit der letzten VwVStVO-Änderung behoben/besser), nicht aber mit dem ungestörten (Kfz-)Verkehrsfluss.
Übrigens: Viel häufiger steigt der Radverkehrsanteil auf Straßen nicht wegen der guten Infrastruktur, sondern trotz der schlechten Verhältnisse.
PS: Auf der 2. Fahrradstraße (!) von Dresden ist gefühlt der Kfz-Verkehr (Anzahl), aber nachweislich die Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs gestiegen, weil die rechtlichen Hürden für Quersperren („Leichtigkeit des Verkehrs“) so immens hoch sind, dass die Stadt sich dem Thema nur sehr widerwillig annehmen möchte (zumindest das Problem wurde nach 1 Jahr inzwischen bestätigt) .
Deshalb würde ich dich bitten, deine Behauptung zu belegen.
Aus meiner Sicht lässt sich Rad- und Fußverkehr erheblich steigern, indem msn die Rahmenbedingungen verbessert, also dem Autoverkehr Privilegien entzieht.
Ich habe auch nichts gegenteiliges behauptet. Konkret:
Radverkehr steigert sich in Deutschland trotz schlechter Infrastruktur und Repressionen durch die Polizei. Beispiele lassen sich überall finden, wenn du darauf bestehst, kann ich dir für Dresden ein paar Zahlen raus suchen.
Verkehr nimmt immer zu, wenn sich Rahmenbedingungen verbessern (Infrastruktur führt zu Mehrverkehr). Das ist weltweit für Kfz- und Bahnverkehr nachgewiesen und betrifft auch den Radverkehr.
=> Die Steigerung der Radverkehrszahlen lässt sich durch gute Infrastruktur beschleunigen, umgekehrt aber der Anteil einer Steigerung nicht herausfinden, wenn es Änderungen in der Infrastruktur nicht gegeben hätte.
um Dich kurz auf Stand zu bringen was den Neumarkt in Osnabrück angeht: seit 2001 durfte man auch als Fußgänger über den Neumarkt gehen. 2013/2014 wurde der Tunnel abgerissen, den gibt es nicht mehr.
Seitdem wird um eine vernünftige Lösung gerungen. Zwischendurch wurde der Neumarkt drei mal für den motorisierten Individualverkehr gesperrt, Baustelle ist gefühlt immer und eine gute Lösung nicht wirklich in Sicht. Es gibt Leute, die glauben, dass ohne Autoverkehr auf diesem Platz die Osnabrücker Innenstadt nicht mehr zu erreichen ist und ausstirbt.
Loben muss man die Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU), die einige Dinge in Richtung Verbesserung des Radverkehrs angestoßen hat. Auch wenn auf der Pagenstecher Straße (auf der Jumbojets landen könnten) angeblich kein Platz für einen sicheren Fahrradstreifen ist.
Kommt gerne mal zu einer Lage Live nach Osnabrück, dann zeige ich Euch auf einer Radtour durch die Stadt die verrücktesten Ecken.
Ich begrüße die T30 Regelung, bzw Erweiterung. Hoffen wir, dass sie mehr T30 erlaubt. Unser Fokus ist weiterhin viel zu viel auf Autos. Ich selbst fahre viel, aber der aktuelle unsinn ist leicht zu erklären. Durch unseren Ort (30.000 Einwohner) führt eine Bundesstraße, die innerorts eben eine normale breite Straße ist. Umgehungsstraße ist seit Jahrzehnten im Gespräch, aber kosten, Anwohner und Umweltschutz(Wald,Moor) haben bisher nichts erreicht und werden wohl auch nie was erreichen.
Leider auch viel Durchgangsverkehr, wenn Stau auf der BAB 8 ist. Anyway. Meine Messung: bei T30 würde man bei vollständiger Nutzung der Straße, also komplettes durchfahren, 2,5 min länger brauchen. 2,5min nur. Da die Straße dummerweise den Ort teilt, haben wir sehr viele Kinder zu Fuß und auf dem Rad, die die Straße an den viel zu wenigen Übergängen queren müssen und die entlang der Straße an den viel zu schmalen Gehwegen laufen bzw radeln müssen, bei Wind und Wetter. Ich selbst als Radfahrer fühle mich unwohl. Bei T30 wäre das viel angenehmer, vs dem minimalen Zeitverlust. Zudem kommt, dass die gefahr der Straße viele Eltern dazu bringt, ihre Kinder mit dem Auto in die Schule zu bringen… wieder mehr Verkehr.
Anders gesagt: auch wer Auto fährt, kann T30 unterstützen, und es wäre sogar mehr Freiheit, T30 flächendeckend innerorts zu machen, mit Ausnahmen wie 2 spurigen Straßen, die getrennt sind (bspw mittlerer Ring in München)
Die FDP, die dich selbst gewählt habe, ist in diese Hinsicht eine Schande….
(Bzgl. LdN 354: Positivbeispiel für Umbaue einer zentralen Autostraße zur Fußgängerzone:)
Es gibt aus Wien diesbezüglich das Beispiel der Mariahilferstraße, eine der zentralen Einkaufsstraßen Wiens/Österreichs, dessen Umbau sogar für Aufschwung gesorgt hat. Lohnt sich reinzulesen, vor allem auch ins Konzept der Straße als geteilte Zone zwischen Radfahrer:innen, Fußgängern und teilweise Autofahrer:innen.