Missstand Auswärtiges Amt

Liebe Mitarbeitende der Lage der Nation,
ich habe diesen Fall hier gefunden, und er suggeriert einen Misstand, den es mindestens im Auswärtigen Amt zu geben scheint. Ich weiß, dass dies hier zunächst eines der vielen Videos aus dem Internet ist, die man zunächst kritisch betrachten wollte. Deswegen frage ich euch als Journalisten, ob ihr solche Fälle auswerten und einordnen könnt. Mich persönlich schockiert es nämlich sehr, dass das auswärtige Amt dieses Problem zu kennen scheint (siehe Onlineauftritt) jedoch dagegen nichts unternimmt. Ich find es daher umso wichtiger, dass sich kritische Journalisten damit befassen.

Ich bin ein großer Fan Eurer Arbeit, macht weiter so.

Meine unüberprüften Quellen

49K likes, 2,165 comments - Cinin Abuzeed (@cinxn_) on Instagram: "Der Aufenthalt am Ben Gurion Flughafen in Tel Aviv, zeigte mir viel über den zweitklassigen Stat..."

Der Fall hat es mittlerweile in das Landesabgeordnetenhaus Berlins geschafft. Zudem haben sich auch der deutsche Botschafter in Israel, Funk und die ersten Zeitschriften dazu geäußert.

Bitte überlege Dir, ob dieser ein Beitrag in diese Forum gut aufgehoben ist

  • Beleg des Vorfalls mittels eines einzige Instagram-Post (auf den nur Instragram-User Zugriff haben)
  • Ansonsten keine Mediale Coverage des Vorfalls
  • Vorfall kann nicht nachvollzogen werden, auch nicht, ob das ein Einzelfall oder ein Muster ist
  • daher kann eigentlich auch niemand wirklich dazu Stellung beziehen

Links funktionieren zum Teil nicht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ulf oder Philip dies einordnen wird („Themen, die wir für relevant erachten und interessant finden“).

@vieuxrenard

Einzig der Hinweis des AA auf der Webseite zu den Reisehinweisen Israel gibt zu denken:

Des Weiteren müssen deutsche Staatsangehörige mit auch nur vermuteter arabischer oder iranischer Abstammung oder islamischer Religionszugehörigkeit mit einer intensiven Sicherheitsbefragung und möglicher Verweigerung der Einreise rechnen. Bei Verweigerung der Einreise ist bis zum Zeitpunkt des Rückflugs eine Verbringung in ein Abschiebezentrum üblich.

Ich denke auch, dass es schwierig ist, über das Thema zu berichten, ehe es keine guten Quellen dazu gibt. Andererseits ist das natürlich auch Teil des Problems, dass die Betroffenen solcher Behandlungen sich oft nicht an die Medien wenden oder die Medien das Thema nicht anpacken wollen, weil es ein relativ „heißes Eisen“ ist und man ganz schnell Zustimmung aus Richtungen bekommt, die man wahrlich nicht haben möchte…

Das Traurige ist, dass ich dieser Schilderung aus eigenen Erfahrungen durchaus glauben kann. Wenn ich meine eigenen Erfahrungen mit den Sicherheitsdiensten in Israel, vor allem an Flughäfen und Grenzübergängen, zur Grundlage der Bewertung nehme und dabei bedenke, dass ich keinen arabischen Namen habe oder arabisch aussehe, ist es nicht fernliegend, dass Menschen mit arabischen, vor allem Palästinensischen, Hintergrund nochmal deutlich härter angefasst werden.

Vielleicht daher mal meine Erfahrungen:

Ich war das erste Mal 2018 in Israel, weil Ryan Air den Flug von Weeze nach Ovda für 7,50 € pro Strecke angeboten hat (jup, 3300 km Flug günstiger als die Bahn in die Nachbarstadt…). Das Ziel war von Anfang an, über die Grenze nach Ägypten (Taba) zu gehen und dann in Dahab zu tauchen. Übrigens ein sehr empfehlenswertes Urlaubsziel für Individualurlaub :wink:

Ich und mein damaliger Begleiter hatten beide relativ buschige Bärte und aus Sicht der israelischen Sicherheitsbehörden sah es dann wohl so aus, dass „zwei junge, bärtige Männer“ nach Israel fliegen, um dann auf den Sinai zu gehen, wo ja (zumindest im Norden) auch Terroristen aktiv sind. Kurzum: Wir waren aus Sicht der israelischen Sicherheitsbehörden spätestens seit Ankunft am Grenzübergang Taba offiziell Sicherheitsrisiken.

In Taba wurden wir aus der Warteschlange gezogen und ewig befragt, wir mussten unsere ganze Bildungs- und Erwerbsbiographie auflisten, unsere Arbeitnehmer benennen und etliche - teilweise sehr persönliche - Fragen beantworten, bis wir irgendwann dann nach Ägypten gelassen wurden. Auf dem Rückweg quasi das gleiche, dieses Mal ergänzt um etliche Fragen, was wir in Ägypten genau gemacht haben, wen wir in Ägypten getroffen haben und vieles mehr.

Das Schlimmste war dann aber in der Tat der Flughafen Ben Gurion - denn unser Rückflug wurde leider auf diesen umgeleitet. Nach einer langen Busfahrt kamen wir 5 Stunden vor Abflug am Flughafen an. Schon vor dem Flughafen wurden wir, als wir auf der Wiese saßen und etwas gegessen haben, von einem Soldatentruppe kontrolliert und mussten etliche Fragen beantworten. Im Flughafen wurden in einer ersten Kontrolle allen Reisenden die üblichen Fragen gestellt und alle bekommen einen Aufkleber auf ihren Reisepass. Dieser enthält eine 10-stellige Nummer, wobei die erste Nummer (von links nach rechts gelesen) die Sicherheitseinstufung enthält. Wir haben beide die „6“ bekommen, die höchste Sicherheitsstufe.

Bevor wir unser Gepäck auf das Laufband für die Kontrolle legen konnten mussten wir unseren Aufkleber vorzeigen - und wurden, als die Mitarbeiterin die 6 gesehen hat, direkt von zwei bewaffneten Sicherheitsleuten „abgeführt“ zu einem separaten Bereich des Flughafens, in dem scheinbar die „Hochsicherheitskontrolle“ stattfindet. Als wir uns dort in der - sich extrem langsam bewegenden - Schlange umschauten, stellen wir schnell fest, dass nahezu alle Menschen in dieser Schlange entweder arabisch oder sonst wie „auffällig“ aussahen. Da wir in dieser Schlange über 4 Stunden verbrachten haben wir uns auch mit anderen, ebenso frustrierten, Reisenden unterhalten und es waren alles Fälle von Menschen, die halt zuvor mal in einem arabischen Staat waren oder arabische Wurzeln hatten.

In dieser Sicherheitskontrolle wurde alles erdenkliche gemacht. Jeder Reisende wurde exzessiv befragt, das Gepäck wurde komplett ausgepackt und jeder Gegenstand mit Wattestäbchen auf Sprengstoffspuren untersucht, sämtliche elektrische Geräte (Smartphones, Tablets, Laptops) mussten entsperrt übergeben werden und man fühlte sich grundsätzlich einfach behandelt wie ein Strafgefangener oder ein Terrorist. Es war einfach eine schreckliche Erfahrung.

Trotzdem bin ich ein Jahr später - den günstigen Preisen folgend - nochmal nach Ovda geflogen. Dieses Mal wurde ich bereits auf dem Flugfeld (auf dem Weg vom Flugzeug in’s Terminal) von Sicherheitskräften in Empfang genommen und habe die komplette Behandlung inklusive Befragung, ausführlicher Gepäckdurchsuchung usw. bekommen, das gleiche nochmal jeweils am Grenzübergang und vor dem Rückflug. Da habe ich dann beschlossen, mir das nicht mehr anzutun.

Ich habe absolut Verständnis dafür, dass in Israel höhere Standards an die Sicherheit angelegt werden, weil ja zweifelsohne eine schwerere Sicherheitslage herrscht. Aber ich kann nicht bestreiten, dass die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, viele Spuren im Hinblick auf die Sympathie zu Israel hinterlassen haben. Da sind wir halt wieder in der klassischen Etikettierungstheorie - wenn ein Staat dich behandelt wie einen Straftäter oder Terroristen und dich in diese Rolle drängt, erzeugt er damit massive Abneigung. Wenn ich schon so behandelt werde, weil ich „aussah“ als könnte ich (konvertierter) Moslem sein und weil ich nach Ägypten gereist bin (was ja beides meine freie Entscheidung war), wie muss es sich dann anfühlen, so behandelt zu werden, weil man den falschen Namen, die falsche Herkunft oder die falsche Hautfarbe hat - also wegen Dingen so behandelt zu werden, für die man im wahrsten Sinne des Wortes nicht kann. Und vor allem wenn solche Leute dann für Tage ohne richterliche Anhörung in Lager gepackt werden.

Es muss einfach bessere Möglichkeiten geben, die Sicherheit des Flugverkehrs zu wahren, ohne auf massives „racial profiling“ zurück zu greifen und Leute wegen ihrem Aussehen oder ihrer Herkunft zu kriminalisierten oder sogar zu internieren.

Die größte Beschwerde in dem verlinkten Instagram-Post ist ja nun, dass das auswärtige Amt nicht tätig geworden ist. Hier bin ich mir nicht sicher, ob das auswärtige Amt bei mir oder meinem Kumpel tätig geworden wäre, wenn wir in einem solchen „Lager“ gelandet wären, aber vermutlich landet man nur in solchen Lagern, wenn man palästinensischer Herkunft ist. Was für sich genommen schon schlimm genug ist.

Die Sicherheitskontrollen, vor allem in Tel Aviv, sind jedenfalls in der Tat berüchtigt - und das nicht ohne Grund. Ebenso wie wenig Zweifel daran besteht, dass Palästinenser im israelischen Alltag gerade durch die Sicherheitsbehörden benachteiligt werden. In diesem Sinne habe ich wenig Grund, an der sehr ausführlichen Schilderung der Betroffenen zu zweifeln. Aber dennoch fürchte ich, dass es kein gutes Thema für den Podcast ist, weil es eben so schwer, das Thema zu behandeln, ohne danach von Antisemiten oder Israelhassern hofiert zu werden. Da macht mehr Berichterstattung über die aktuellen Demonstrationen gegen die Justizreform mehr Sinn, denn diese Justizreform wird genau dazu führen, dass die hier geschilderten Dinge noch massiver praktiziert werden können.

Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, twitterte am Mitttwochnachmittag, „ die Behandlung, die Cinin A. schildert, ist schlimm und nicht hinnehmbar.