Microtargeting oder "Dark Ads" für politische Werbung

Microtargeting ist eine Werbe- und Kommunikations-Strategie, die Botschaften speziell auf Zielgruppen abstimmt und dafür sorgt, daß nur diese Zielgruppe und niemand sonst diese abgestimmte Botschaft zu Gesicht bekommt. Die Sozialen Medien, z.B. Facebook und Instagram, sortieren ihre User:innen zu Werbezwecken in verschiedene „Schubladen“ ein; diese bekommen dann entsprechend zielgruppengerichtete Werbung angezeigt.

Microtargeting für politische Werbung ist spätenstens 2016 in Verruf geraten, als es beim Brexit-Referendum und der Wahl von Donald Trump eine maßgebliche Rolle spielte. Trotzdem kam es zu keinem Versuch einer Regulierung oder auch nur einer nennenswerten öffentlichen Debatte.

Ein großes Problem des Microtargeting für politische Werbung ist, daß es sich der öffentlichen Kontrolle entzieht. Eine politische Partei kann dabei einer Zielgruppe, an der kritischen Öffentlichkeit vorbei, eine Botschaft zukommen lassen - oder auch verschiedenen Zielgruppen jeweils völlig verschiedene, sich widersprechende Botschaften.

Beispiele dafür gab es auch im Wahlkampf zu dieser BTW (siehe TargetLeaks):

Die FDP schaltete Facebook-Werbungen, die sich inhaltlich widersprechen. Menschen mit “grünen” Interessen zeigte die FDP eine Werbung, wonach sich die Partei für “mehr Klimaschutz” mithilfe eines staatlichen CO2-Limits einsetze. Gleichzeitig schaltete die FDP eine Facebook-Werbung an die Zielgruppe “Vielreisende” mit einer anderen Botschaft: Keine “staatlichen Maßnahmen, Freiheitseinschränkungen oder Verbote” wenn es um “große Herausforderungen wie den Klimawandel” geht.

Der Bundestagsabgeordente der Linken, Diether Dehm, richtete eine Facebook-Werbung an fragwürdige Zielgruppen: Seine Facebook-Werbung, in der er Zweifel an im Westen entwickelte Corona-Impfstoffen sät, richtete er an Menschen, die sich für den russischen Propagandasender “Russia Today” oder den Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen interessieren.

Letztendlich drängt sich der Eindruck auf, daß Microtargeting die gesellschaftliche Spaltung benutzt und auch verschärft, um Menschen dazu zu bringen, gegen ihre eigenen Interessen zu wählen. Daher glaube ich, daß dieses Thema nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient; und die Gesellschaft zumindest darüber diskutieren sollte, ob und unter welchen Bedingungen Microtargeting für politische Werbung akzeptiert werden kann bzw. ob und wie es reguliert werden sollte.

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