die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wurde als Teil der Corona-Hilfen von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Nach einer Verlängerung läuft diese Senkung zum 1.1.2024 aus. Natürlich opponieren die Lobbyverbände der Gastronomie dagegen. Auch die CDU schließt sich (natürlich…) an. Das Hauptargument ist neben der Unterstützung der ächzenden Gastronomie (Binnenkonsum) die Entlastung der Verbraucher:innen.
Es gibt allerdings Gründe, wieder zum vor-pandemischen Mehrwertsteuersatz zurückzukehren: Insbesondere werden die Steuereinnahmen unter dem in der BReg akzeptierten Paradigma der Schwarzen Null einfach dringend gebraucht. Unter den Steuersenkungen, die aufgrund des als zu schleppend empfundenen Binnenkonsums diskutiert oder umgesetzt wurden, ist diese wohl sowohl in dieser Hinsicht als auch aus sozialer Sicht eine, auf die verzichtet werden kann. Denn a) muss gegessen und getrunken werden, d.h. die konsumdämpfende Wirkung dürfte nicht allzu dramatisch ausfallen und b) essen im Restaurant tendenziell eher finanziell besser gestellte Menschen. Will man sozial gerecht entlasten, könnte man dies also anders effektiver tun.
Wäre doch ein schönes Lage-Thema, denn der Gelegenheit könnte man auch das ganze Thema Mehrwertsteuer auf Waren des täglichen Bedarfs mal angehen. Ich persönlich favorisiere aus sozialen Gründen hier eine Senkung oder einen Wegfall der MwSt auf Grundnahrungsmittel (Modell Spanien, s. hier) und darüber hinaus eine Orientierung an Zielen des Klimaschutzes und der öffentlichen Gesundheit (Anreizwirkung in Richtung einer Planetary Health Diet). Meines Wissens sind die EU-Staaten relativ frei in der Gestaltung der MwSt und auch das BVerfG lässt dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum (sonst wäre die derzeit geltende höhere MwSt auf pflanzliche „Milch“ ggü. Kuhmilch, die von veganen Lobbyverbänden schon lange beklagt wird, auch problematisch).
Dröselt das doch mal mit Eurer Erfahrung und (rechtlichem) Wissen auf.
Das Argument mit der Entlastung der Verbraucher sehe ich einerseits auch kritisch, da essen gehen im Restaurant Luxus ist und man das nicht unbedingt tun muss. Andererseits betrifft die Erhöhung soweit ich weiß alle, die warme Speisen verkaufen. Heißt auch in den Uni Mensen und Cafetarias müssen die Preise erhöht werden und da trifft es dann eben doch die Leute, die wenig Geld zur Verfügung haben (Sollte ich mich hier irren, gerne korrigieren). Ich finde auch, dass man die Ängste der Gastronomen vor Umsatzeinbußen und drohenden Pleiten ernst nehmen muss. Die Leute sind nach Corona kaum wieder auf den Füßen und stehen noch auf wackeligen Beinen, da kommt nach der Inflation und Energiekrise mit der Mehrwerststeuererhöhung der nächste Hammer. Natürlich wenden die sich mit ihren Sorgen an ihre Lobbyvertreter*innen, wenigstens haben die welche im Gegensatz zu anderen Selbstständigen. Jetzt wieder voll zu erhöhen, ist für viele Familienbetriebe zu früh. Warum kann es keine Zwischenlösung geben, dass man beispielsweise von 7% auf 11% hochgeht? Dann hat der Staat wieder mehr Einnahmen, aber man zwingt die Leute nicht so in die Knie. Warum müssen es gleich die vollen 19% sein?
Naja, abgesehen von Binsenweisheiten wie „eine höhere Steuer bringt Geld in die Staatskasse, aber belastet diejenigen, die sie zahlen müssen“, könnte man ja mal die eigentlichen Argumente diskutieren:
Pro ermäßigter Satz: Die Leute müssen essen, und ein unterschiedlicher Steuersatz, je nachdem ob ich mich vor Ort ins Lokal setze und esse oder das Essen in einer Plastikverpackung mitnehme und auf der Parkbank um die Ecke verzehre, erscheint unlogisch.
Pro erhöhter Satz: Gastronomiebesuche dienen überwiegend oder zumindest zu großen Teilen der Freizeitgestaltung und nicht primär der Bedürfnisbefriedigung. Dass ein romantisches Dinner im Szene-Restaurant niedriger besteuert werden soll als ein romantischer Kino-Besuch erscheint unlogisch.
Wer sich da auf welcher Seite verortet, kann jeder selbst entscheiden.
Und ja, ganz so einfach ist das dann alles doch wieder nicht, denn Kantinenbesuche, oder wenn der Arbeiter in der Mittagspause irgendwo was essen geht, sind keine Freizeitgestaltung, aber auf der anderen Seite unterliegen auch nicht alle Lebensmittel im Supermarkt dem ermäßigten Steuersatz.
Korrekt, die Mensen und Kantinen kommen im verlinkten Spiegel-Artikel gegen Ende auch zur Sprache, wollte den Ausgangspost damit nicht zu sehr verkomplizieren. Eine schrittweise Steigerung auf das alte Niveau erscheint mir auch eine ganz gute Lösung für die akute Frage. Die allgemeine MwSt- Reform bleibt dessen ungeachtet Thema.