Medienlandschaft in Deutschland und deren Folgen

Hallo Philip und Ulf,

Ihr hattet Euch in der letzten Folge nochmals zu #allesdichtmachen und Herr Liefers geäußert. Herr Liefers hat, auch wenn seine daraus folgenden Handlungen und Beschlüsse extrem fragwürdig sind, trotzdem aus meiner Sicht ein Problem vieler Menschen in Deutschland sehr treffend beschrieben: Man konsumiert Medien und erfährt faktisch nichts. Mir ging das vor 5-10 Jahren so. Ich habe taglich eine halbe Stunde Tagesschau, Spiegel, FAZ, Zeit, usw. im Internet gelesen. Informiert war ich dadurch jedoch in keinster Weise. Ich wußte die Themen über die geredet wird, aber das „dahinter“ oder eine Einordnung war mit damals nur selten möglich. Mir ist das erst durch unabhängigen Journalismus gelungen, zunächst der Krautreporter Newsletter. Da wurden zum ersten Mal Ding eingeordnet und dann aus dem täglichen Schwall an Internetartikeln die lesenswerten genannt. Ein paar Jahre später kamen dann die Podcasts wie die Lage.

Es gibt aber Leute, die das nicht haben. Und das ist aus meiner Sicht ein Riesenproblem der Medien hier in Deutschland. Ohne dass jemand Medien hat, die die Dinge für einen einordnen und zusammenfassen, ist man hier in Deutschland aufgeschmissen. Ich habe studiert und promoviert und alleine mit Nachrichten gucken und Internetartikeln lesen, kann ich mich nicht sinnvoll informieren. Bzw. der Zeitaufwand dafür ist einfach viel zu groß. Und geht Herrn Liefers so und ich merke das in meinem Umfeld auch. Da gibt es einfach eine Menge Leute, die nicht wissen, was Sache ist. Und da sind auch Personen dabei, die sonst extrem rational sind und sich bis in kleinste Details informieren, wenn sie z. B. irgendetwas kaufen. Von denen höre ich dann ein „Ja, der Impfstoff ist ja so schnell entwickelt worden, ob das mit rechten Dingen zuging?“. Ja, die Frage ist berechtigt, aber das wurde ja bereits vor Monaten erklärt. Nur gehen solche Dinge einfach im Artikelrauschen unter. Das ist aus meiner Sicht das große Problem, das wir hier in Deutschland mit der Berichterstattung haben. Sie funktioniert nicht, ohne dass man selbst jemanden hat, der den Kram hauptberuflich aufbereitet.

Und das alles passiert in einer Welt, die eh immer komplexer wird. An allen Ecken und Enden, stelle ich fest, dass Dinge eigentlich richtigt komplex sind und man sich ewig viel einarbeiten muss, z. B.:

  • Altersvorsorge
  • Versicherungen
  • Gesundheit: Bei vielen Beschwerden ist man oft allein gelassen. Gerade so ganzheitliche, diffuse Dinge, die der Arzt mit 1-2 Besuchen nicht behandeln kann. Ernährung z. B…
  • Einkaufen:
    • Elektrogeräte haben z. B. extrem oft irreführende Bezeichnungen. Nehme ich Modell QWS349 oder QZV595? Und was ist der Unterschied dabei.
    • Supermarkt: Ich hätte gerne Bio, aber „richtiges“ Bio - Biosiegel studieren. Aber kein Demeter, weil Exoteriker/Querdenker möchte ich nicht fördern. Dann hätte ich gerne noch wenig Verpackung, wenn möglich kein Kunststoff…
  • Recht: Man muss die Verkehrsregeln kennen, die auch immer spezieller werden.
  • Steuer(erklärung)

  • Heißt einfach, dass unser Leben sehr kompiziert ist und immer komplizierter wird. Alleine kann man das aus meiner Sicht eigentlich gar nicht schaffen, ohne dass man irgendwo Defizite hat, die u. U. auch richtig weg tun, wie z. B. Altersvorsorge. Und vor diesem Päckchen, das jeder von uns mitschleppen muss, ist es einfach extrem schwierig, sich auch noch über die aktellen Entwicklungen auf dem laufen zu halten. Das kostet Zeit und Energie, die oft an anderen Stellen sinnvoller eingesetzt werden kann.

Ich persönlich bin etwas erschreckt, wie viele Personen davon in meinem Umfeld betroffen sind, insbesondere auch Personen von denen ich das nicht möglich gehalten hätte. Diese „uninformierten“ Personen sind natürlich manipulierbar, was dann zu solchen Dingen wie #allesdichtmachen führen kann. Und im September haben wir Bundestagswahl…

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Danke für Deinen Hinweis auf die Krautreporter, die ich mir angeschaut und abonniert habe (es gibt übrigens von Phillip
ein Interview dazu).

Dennoch stimme ich mit Deiner Kritik an der Medienlandschaft nicht überein. Ich bin seit > 40 Jahren Abonnent der
Süddeutschen Zeitung und lese parallel das Online-Angebot von FAZ (Abo) und Spiegel (Artikel ohne Paywall), heise news (bin IT affin) hin und wieder Die Zeit. Abends schaue täglich Tagesschau oder heute. Zeitungen aus dem Springerverlag kann ich nicht ernst nehmen.

Die LdN kann mich fast nie mit Themen überraschen - mich interessieren mehr die Analyse und Einordnung. Gleiches gilt für die Artikel auf Krautreporter, die ich bislang sehen konnte.

Ich bin m.E. gut informiert und wenn nicht, kann man alle Themen googeln. Wer will und die Zeit aufwendet, kann sich gut informieren. Die Kritik von JJL kann ich in kleinster Weise nachvollziehen.

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Hallo FlorianR!

Ich gebe Ihnen recht, dass die Welt komplizierter geworden ist.
Allerdings ist es m. E. nicht die Schuld der Medien, dass die Welt so wie sie ist.
Der Konkurrenzdruck und Aktualitätsdruck ist durch das Internet viel härter geworden.
Und genau, wie es schwieriger geworden ist, die immer vielschichtigere Welt zu erfassen, ist es auch schwieriger geworden, sie journalistisch einzuordnen.

Die Zeit, die man vor 20 bis 30 Jahren zum Recherchieren und Gegenchecken hatte, gibt es heute nicht mehr. Und die Lesegewohnheiten haben sich geändert.

herzliche Grüße,
Markus

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Das ist doch der springende Punkt, die Einordnung. Es gibt zu vielen Themen und zu Corona ganz besondere eine Menge teils widersprüchliche Artikel. Maske nein, dann ja, dann hier dann dort, dann die Quatschmeldungen, dass Masketragen krank macht. Dazu noch die Algorithmen von Facebook oder Youtube, die einem gezielt in Richtung der spektakulärsten Meldungen leiten und damit ins Abseits. Ohne Einordnung der Artikel und deren Hintergründe kann man sich da schnell verlieren.

Auch das ist richtig. Aber stellt Dir mal vor nicht mehr Lage zu hören und das selber zu recherchieren. Und dann stell Dir vor, dass es auch noch Personen gibt, die in Haushalten aufwachsen, die sich kaum mit Politik beschäftigen. Durch das Lagehören hast Du einen unglaublichen Wissenvorsprung und kannst bereits im Vorfeld Schlagzeilen deutlich besser einordnen. Und es gibt halt auch einfach eine ganze Menge Menschen, die keine Lust auf diese Recherche haben.

Das ist vollkommen richtig. Die Medien sind nur an ihrer eigenen Komplexität schuld und vermutlich das auch nicht ganz, da hier auch äußere Zwänge vorliegen.

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