Liberaler Sozialismus als realistische Utopie

Aber wie soll denn sonst eine Transformation von privatwirtschaftlichen Unternehmen zu Genossenschaften erfolgen?

Neue Genossenschaften gründen und aufbauen schön und gut. Darf gerne auch gefördert werden.

Aber damit ist man nur den winzigstmöglichen Schritt näher an der hier gewünschten Wirtschaftsform.

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Das bessere System wird sich langfristig durchsetzen. Manchmal braucht es nur den nötigen nudge.
Vermögende haben ein Interesse, das jetzige System zu erhalten, aber wenn die Bevölkerung erst sieht, dass die Demokratie davon profitiert, wenn das Geld seiner Macht beraubt wird, wird sie das allumfassend haben wollen.

Es geht hier nicht um konkrete direkte Umsetzung, sondern um die Erweiterung des Horizonts, der Vorstellungskraft.

Wir sehen gerade die aktuellen Strukturen scheitern. Man könnte mal darüber nachdenken, ob es nicht auch andere Möglichkeiten des Zusammenlebens geben könnte.

Mir geht es vor allem darum, die Fantasie neu anzuregen.

Deutschland beharrt in vielerlei Hinsicht auf ungesunde Weise auf dem Status Quo und ist veränderungsresistent. Es war aber nicht schon immer so wie jetzt und muss auch nicht so bleiben.

Erg.: Kooperation statt Konkonkurrenz

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Ich sehe Genossenschaften, insbesondere auch solche mit einer sozialistischen Grundidee durchaus als eine mögliche Form für mehr Teilhabe der Mitarbeiter. Man muss da aber sicher auch zwischen kleinen und großen Betrieben unterscheiden was die Vor- und Nachteile angeht.

Und entscheidend sind dann natürlich auch die Satzungen.

In meiner Heimatstadt ist eine genossenschaftliche Brauerei zu Grunde gegangen weil die Halter der Anteile lange Zeit keine Mehrheit für ausreichende Rücklagenbildung hatten sondern Gewinne ausgeschüttet wurden oder als Sponsoring an Vereine gingen. Ein Teilverkauf des Gebäudes scheiterte daran, dass dies hätte einstimmig beschlossen werden müssen, ebenso wie ein zuschiessen von privaten Mitteln.
Am Ende wurden alle Anteile an den einzigen Interessenten verkauft weil man sonst ohnehin hätte schließen müssen. Mittlerweile gibt es nur noch Rezept und Marke und gebraut werden die Biere woanders.

Bei größeren Firmen sehe ich die Probleme insbesondere dann wenn es ein Ungleichgewicht gibt, z.B. in der Altersstruktur. Ein Automobilzulieferer der Geld in die Transformation stecken muss könnte durchaus Probleme haben wenn sehr viele der Mitarbeiter recht alt sind und wenig Interesse an der Transformation haben. Oder wie sieht zb eine Umsetzung aus wenn es um Fremdkapital geht welches benötigt wird.

Ein Allheilmittel sind Genossenschaften daher in meinen Augen nicht. Probleme werden durch potentiell andere Probleme ersetzt und es wird sicherlich Erfolgsbeispiele geben ebenso wie abschreckende Beispiele.

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Würde sich sowas ggf. von selbst bzw. gepaart mit entsprechendem Rahmen ergeben bei hohen Erbschaftssteuern und oder Vermögensabgaben.

Wenn ich die Erbschaftssteuer rechtlich frei stelle ab einer Summe X, wenn dafür Unternehmensanteile an die in der Firma tätigen Mitarbeiterinnen verschenkt werden? Das ist dann ein schleichender Wandel und kein radikaler. Aber mehr Verteilung als Ergebnis. Ist jetzt nicht lange durchdacht, aber alleine durch die Begrenzung von Vermögen würde es sich ja über mehr Menschen verteilen. Auch nach dem 2. Weltkrieg war der Kapitalismus ein anderer, der viel mehr auf Umverteilung gesetzt hat als es jetzt der Fall ist (sagen Dokus und Podcasts).

Das grundsätzliche Thema wurde auch in diesem Interview angesprochen unter den Begriffen Marktsozialismus (sowas wie Vergenossenschaftung der Wirtschaft) und Eigentums Demokratie (Prinzip wie jetzt aber strenge Reichtumsobergrenzen) ab 1:45:00. Ziel: System schaffen in dem wirtschaftliche Macht stark verteilt ist, damit Demokratien stabil bleiben.
Philosoph Christian Neuhäuser über Reichtum, Herrschaft & Kapitalismus - Jung & Naiv: Folge 776

Ja, das Kollektiv muss nicht schlauer entscheiden als der einzelne Vorstand. Aber das ist für mich kein Grund gegen das Modell. Das Modell zielt ja nicht darauf ab Unternehmenspleiten zu vermeiden sondern Wirtschaftsmacht zu verteilen. Hier wirds auch bessere und schlechtere Genossenschaften geben.

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Könnte man das nicht stattdessen in eine Stiftung (oder was auch immer da jetzt korrekt wäre) übertragen, welche die ihr nach Eigentumsanteil zustehenden Erträge an die (natürlich auch ehemaligen) Mitarbeiter nach geleistetem Arbeitszeitsnteil o.ä. ausschüttet? (beispielsweise, ziehe mir das bloß gerade aus der Nase hier, ich bin nicht fähig das komplett auszuarbeiten.) Mitspracherecht für die begünstigten über Abstimmungen, durchgesetzt dann aber durch die Stiftung als deren Repräsentation, mit Verpflichtung im Interesse der begünstigten zu handeln.

Also quasi nichtvererbbare Firmenanteile mit abgeschwächtem Stimmrecht. Das Unternehmen immer weiter an sich selbst überführen um zb hier im thread bereits angeführte fatale Pattsituationen zu vermeiden. Der ganze Aufwand setzt natürlich eine gewisse Mindestgröße des Unternehmens voraus, verhindert dann aber effektiv Dynastienbildung.

Man merkt es auch an den Reaktionen: Ich kann diesen “Etikettenschwindel” einfach nicht nachvollziehen. Wer die freie soziale Marktwirtschaft für eine tolle Sache hält, die nur hier und da etwas Feintuning benötige, den wird man mit dem Begriff Sozialismus doch nur verschrecken.

Wer dagegen ein Problem mit Eigentum, Geld, Lohnarbeit hat den wird man bestimmt nicht abholen, indem man die wesentlichen Gesellschaftselemente beibehalten will (Podcast sinngemäß: “niemandem ist es verboten, Unternehmen zu führen…”).

Da hat Jacobin dem Sozialismus mMn eher einen Bärendienst erwiesen.

Klingt auch interessant. Das Mitspracherecht ehemaliger MitarbeiterInnen, die nur noch Geld aus dem Unternehmen ziehen müsste man begrenzen, damit es nicht zu einer zu starken Ausrichtung auf Renditeabschöpfung kommt?

Wäre das sowas ähnliches von der Struktur wie die Carl Zeiss Stiftung oder die Robert Bosch Stiftung?

Struktur | Carl-Zeiss-Stiftung
Die Carl-Zeiss-Stiftung ist Alleinaktionärin der beiden Stiftungsunternehmen Carl Zeiss AG und SCHOTT AG.

Wem gehört Bosch? - Eigentumsverhältnisse erklärt

Die Robert Bosch GmbH hat eine komplexe Eigentümerstruktur. Die Hauptanteilseigner sind die Robert Bosch Stiftung GmbH (ca. 94%), die ERBO II GmbH (ca. 5,4%) und die Gänsheide-Stiftung (ca. 2%). Die Familie Bosch hält nur noch 0,001% der Anteile mit ca. 7% der Stimmrechte.

Die Robert Bosch Stiftung GmbH ist mit ca. 94% Anteil der Haupteigentümer der Robert Bosch GmbH. Sie führt das gemeinnützige Engagement des Stiftergründers Robert Bosch fort, finanziert sich aus den Dividenden der Robert Bosch GmbH und hat keinen Einfluss auf die operative Unternehmensführung.

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Super spannendes Thema, danke für den Beitrag und Teilen des Podcasts.

Was mir hier bei der Eingangs-Utopie und in der bisherigen Diskussion auffällt, ist, dass sich auf den Umstellungsprozess ab Status Quo und dann auf das Fortbestehen konzentriert wird. Ein Abziehbild unserer aktuellen Wirtschaft wird sozusagen im Vakuum betrachtet, als gegeben angesehen. Das ist sie sozusagen auch - ich finde jedoch man muss sich auch die Frage stellen, wie wir überhaupt in die Situation gekommen sind, über die Struktur einer 5-Billionen-Euro-Wirtschaft zu philosophieren.

“Hätte diese Wirtschaft mit ihrem Wohlstand für die Bürger auch in der skizzierten Utopie entstehen können?”

… ist für mich die zentrale Frage.

Wohlstand entsteht durch Innovation und diese wird im Kapitalismus durch die dicke Karotte vor dem Esel getrieben. Es gibt unter Millionen/Milliarden Einzelne die bereit sind hohe Wagnisse einzugehen, um eine besondere Karotte zu ergattern. Dadurch kommt überhaupt erst das Gummi auf die Straße. Ich würde daher folgendes intuitiv infrage stellen:

Ich denke ebendiese Dynamiken würden stark eingeschränkt werden. Wieso sollte jemand in der skizzierten Utopie noch irgendwelche Risiken bei irgendwas eingehen? Wieso sollte jemand mit einer genialen Idee und Know-How daran interessiert sein, ein Startup mit 99 anderen zu Gründen die alle zu gleichen oder zumindest sehr hohen Teilen beteiligt sind? Wagniskapital einzusammeln ist ja heute bereits normal und da wird um jedes % gefeilscht. Und viel wichtiger: kann so ein Genossenschafts-Startup überhaupt effektiv und schnell die nötigen und schweren Schritte dieser ersten Phasen unternehmen, wenn alles demokratisch abläuft? Vielleicht fehlt mir die Vorstellungskraft, aber ich denke in so einer Utopie würden wir die Wirtschaft nur noch verwalten. Unsere Wohlstandssicherung funktioniert aber seit jeher nicht durch reine Verwaltung, sondern Innovation. Stagnation heißt Abstieg wenn die Utopie nicht von vornherein global umgesetzt wird.

Edit: Ergänzung

Gerade aktuell stehen wir vor dem Hintergrund des Klimawandels vor den größten technologischen Herausforderungen. Allein zurückblickend auf die letzten 20 Jahre: Wäre das iPhone und Android entstanden? Hätte die E-Mobilität die gleichen Fortschritte erzielen können? Gäbe es OpenAI und sämtliche Derivative in der KI?

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Eigentlich muss man diese Frage gar nicht stellen. Wir sehen nicht nur in Deutschland, dass ein gewisser Wohlstand satt macht.
Der rudimentäre Lebensstandard ist gesichert, gleichzeitig ist das Vermögen derart verteilt, dass durch Arbeit allein keiner diesen Lebensstandard nennenswert steigern kann.
Die oberen 5% sind so vermögend, dass auch sie von der Karotte nicht mehr motiviert werden, im Gegenteil das Vermögen oft mehr Rendite abwirft, als es Arbeit jemals könnte. Möglicherweise sind wir jetzt einfach an dem Punkt, wo die Geschichte des Kapitalismus zu Ende erzählt ist und durch ein neues System ersetzt werden muss, um den Funken neu zu entfachen.

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Das gleiche hättest du im Jahre 2005 schreiben können und siehe da, die Landschaft der Vermögenden sieht heute völlig anders aus als damals, die Lebensstandards sind für alle weiter gewachsen. Ungleichheit und Vermögenskonzentration in seiner heutigen Form will ich damit nicht gutheißen, das Problem sehe ich natürlich auch und auch Handlungsbedarf. Allerdings kann beides stets erst nach dem Funken entstehen, nach vielen, vielen Funken. In der oben skizzierten Utopie sehe ich aber überhaupt keine Funken mehr, das ist mein Kernargument.

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Ich sehe derzeit keinen Funken mehr. Die Solarindustrie war führend und ist heute tot, die Automobilindustrie baut Verbrenner bis das Licht ausgeht, die Pharmaindustrie hinkt anderen Ländern, besonders der Schweiz, hinterher. Wenn es mal Schlagzeilen gibt, dann sind es Skandale. Selbst SAP als echter innovativer Global Player verwaltet seine Software nur noch. Ich sehe wirklich kein Unternehmen in Deutschland das zukunftsweisend agiert.

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Verständnisfrage:

Wenn ein Unternehmen zur Genossenschaft umgewandelt wird, werden Unternehmensentscheidungen dann zwingend auf Basis von Mehrheiten aller Anteilseigner getroffen? Also müssen alle Genossenschaftsmitglieder beteiligt werden?
Verlängern sich dann die Entscheidungswege nicht enorm? Ist eine solche Genossenschaft dann noch konkurrenzfähig im internationalen Geschäft?

Oder bleibt ein Entscheidungsgremium ähnlich eines Vorstandes Entscheidungsträger? Wieviel Handlungsspielraum haben diese dann bei Investitionen, besonders mit Risiko?

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Denke, dass das vorwiegend auf die Satzung ankommt.

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Zumindest das bei den Bosch-Stiftungen sieht mir eher nach einer Struktur aus um erbschaftsstreitigkeiten abzuwenden, oder? Der grosse Anteilseigner erhält nur wenig Dividende, die kleineren Anteile unter familienkontrolle kriegt den Rest, so wie mir das nach einem überfliegen aussieht.

Scheint also eher ein Modell nach amerikanischem Vorbild zu sein? Da „spendet“ ja auch jeder superreiche alles in die Familiengeführte stiftung und dient wohl eher als steuersparmodell und einer Stärkung der familienfreundlichen Machterhaltung mit staatlicher Genehmigung. (Ohne auf irgendeine Art und Weise experte auf diesem Gebiet zu sein…)

Da bin ich bei dir. Das ist allerdings ein speziell deutsches Problem und liegt nicht am Kapitalismus, sondern an der Politik der letzten 40 Jahre.

Man kann sich natürlich jede mögliche Form vorstellen, aber generell gibt es weiterhin so etwas wie einen Vorstand. Allg. gesprochen ist der Hauptunterschied zwischen AG und Genossenschaft - Mitspracherecht pro eingesetztem Kapital vs. ein Votum pro Person.

Es gibt also keinen Anreiz für einzelne Kapital nachzuschießen, falls es benötigt wird, sondern es muss als Gemeinschaftsentscheidung getroffen werden und dann schießen alle den gleichen Betrag nach –> Problem wurde mit der Brauerei beschrieben.

Genossenschaften können trotzdem innovieren, aber meist nur inkrementell und nicht disruptiv. Traditionell sind sie in gewachsenen, stabilen, kapitalintensiven oder risikoarmen Branchen stark und treiben selnten technologische Innovation voran.

Es gibt ja jede Menge Kritik, dass unsere Internetnutzung zu 80% auf amerikanischen Unternehmen beruht, im AI Bereih droht uns gerade das gleiche - Ist da die Förderung dieser Unternehmensform wirklich das was es in D oder Europe braucht?

Das schöne ist ja, es kann jeder versuchen. Warum wird da nur über die Utopie geredet? - Herr Kuch kann durch taten voran gehen und eine Genossenschaft gründen. Er muss dafür nicht auf den Staat warten.

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Die rechtlichen Probleme habe ich ja angedeutet. Ansonsten ist zum Thema „es kann jeder versuchen“ das heute veröffentlichte Lage-Interview zu empfehlen. Der Kapitalismus hat durch Vermögensklumpung sich selbst gekillt.

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Jetzt will ich doch noch genereller auf diesen Denkanstoß antworten. Ich sehe wenig neue Ideen, sondern viel alten Wein in neuen Schläuchen.

Hegels Menschenbild als sittliches, soziales Wesen, dessen Freiheit erst durch soziale Einbettung realisiert wird, ist nicht wirklich neu. - Heißt ich bin darauf angewiesen, dass mir die Gesellschaft und Insitutionen Freiheit erlaubt.

Kuch versucht, Hegels Idee einer „sittlichen Freiheit“ in die Gegenwart zu übersetzen. Freiheit entsteht für ihn nicht durch Rückzug des Staates, sondern durch gemeinsame Gestaltung – etwa in demokratisch organisierten Betrieben, Genossenschaften oder einem „sozialistischen Finanzmarkt“, mit dem Risiko geringerer Dynamik.

Und spätestens bei diesem Begriff hört mein Verständnis auf. Utopie hin oder her, anstatt bei dem sehr einfachen Gedanken “Banken = BÖSE” stehen zu bleiben, sollte man sich mal die Mühe machen zu ergründen, mit welchen Mitteln die Finanzwelt so übermächtig geworden ist. Mit welchen Mitteln sorgen sie für Ungleichheit, blähen Preise auf und schaffen sich Einfluss? - Es ist das Privileg der Geldschöpfung und fraktionelles Bankwesen und dieses Privileg gewähren ihnen die Staaten - In einem sozialistischem Finanzmarkt wird der Bock zum Gärtner gemacht. - Nochmal: Mit der Analyse, dass die Finanzmärkte eines der größten Probleme unserer Zeit sind, gehe ich vollkommen mit. Die Lösung ist leider die vollkommen falsche.

Kuch bleibt leider an vielen entscheidenden Stellen, zb der konkreten Ausgestalltung der Finanzmärkte und wie das in einem globalen Umfeld funktionieren soll, sehr vage.

Die Einzelteile seines Ausführung sind nicht neu und haben alle Vor- und Nachteile. Es gibt aber in D den rechtlichen Rahmen, um alle Einzelteile auszuprobrieren - go for it! Am Ende soll sich die beste Idee durchsetzen.

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Wie realistisch ist ein Schwenk zum liberalen Sozialismus oder geht es eher um ein rein theoretisches Gedankenspiel?