Lehramtstudium: Dual gestalten?

Ich frage mich schon seit Längerem, wieso das Lehramtstudium nicht reformiert und dual aufgezogen wird. Besonders vor dem Hintergrund des extremen Lehrkräftemangels und der sinkenden Unterrichts- und Bildungsqualität wäre es doch umso sinnvoller, die Problemstellen des Studiums zu beseitigen, immerhin brechen viele Studierende vor dem Erreichen des BA/MA/ StEx vorzeitig ab.

So wie ich es verstehe, könnte man durch das ausbildungs- oder praxisintegrierte duale Studium die Lage sowohl für Studierende als auch für Schulen drastisch verbessern.
Durch den frühen Kontakt zu den Bildungseinrichtungen können Studierende Erfahrung sammeln (und finden, überspitzt gesagt, nicht nach 5 Jahren heraus, dass das LehrerInnendasein nichts für sie ist) und werden offiziell in Prozesse mit eingebunden. Dadurch fühlt sich das Hospitieren nicht nach unnötig abgesessener Zeit an, Praktika werden endlich (!!) nicht mehr in den Semesterferien angesetzt (denn auch Lehramtstudierende Menschen verdienen ihre freie Zeiten, Stichwort Burnout), und das Studium würde ent-theoretisiert. Im besten Fall würde auch der Studiumsteil deutlich mehr auf die tatsächliche pädagogische Ausbildung ausgerichtet werden, anstatt fast ausschließlich Fachwissen vermittelt zu bekommen. Außerdem würden sie für die Arbeit, die sie in den Schulen ja ohne Zweifel leisten, entlohnt werden, was vielen Menschen das Studieren ermöglichen oder erleichtern kann, und einen weiteren Anreiz schaffen könnte.
Für die Schulen würden dadurch fest einplanbare unterstützende Hilfskräfte entstehen, die man finanziell einrechnen und ins Kollegium integrieren kann. Sie könnten betreuende Lehrkräfte dafür extra bezahlen, was sowohl den Studierenden als auch dem Lehrpersonal zugute käme. Mit mehr Betreuung, Vor- und Nachbereitung könnte man Studierenden mehr Verantwortung übertragen, anstatt sie nur zuhören zu lassen. Mehr helfende Hände könnten auch den Umgang mit großen Klassen erleichtern. Der organisatorische Albtraum der Praktikaverteilung und Referedariatszuteilung könnte im Zuge dieser Neuerungen auch neu geregelt werden, indem mehr Plätze für Azubis/Studis geschaffen werden, diese regelmäßig besetzt werden sollen und das auch gewollt ist.

Vielleicht vergesse ich auch einiges, ich kenne mich mit Administration etc. nicht so gut aus. Aber diese Idee spukt mir schon lange im Kopf herum und ich frage mich, wieso das öffentlich noch gar nicht diskutiert wird. Ich freue mich auf eure Gedanken!

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Das Thema „Duales Studium für Lehrkräfte“ wird immer mal wieder kurz medial angerissen, geht aber unter, da scheinbar die Thematik „Bildung“ generell wenig Interesse nach sich zieht. Scheinbar haben alle schon akzeptiert, dass es nicht gut aussieht…
Zu deinem Vorschlag: Ich selbst bin der festen Überzeugung, dass gerade die pädagogischen und didaktischen Konzepte an Schulen getestet werden müssten, da man sie ansonsten nur als theoretisches Konstrukt unter komplett unrealistischen Annahmen ansieht. Das hätte den Vorteil, dass ältere Lehrkräfte anderen Unterricht sehen und sich so auch mal weiterentwickeln würden… Allerdings habe ich auch festgestellt, dass die fachliche Tiefe der Lehrkräfte manchmal zu wünschen übrig lässt. Das heißt, dass sie zwar an den Universitäten und Hochschulen den Schulstoff wiederholen, allerdings nicht die größeren fachwissenschaftlichen Zusammenhänge inhaltlich sehen. (Hier spreche ich vor allem aus meinen persönlichen Erfahrungen und beziehe mich vor allem auf mathematische und physikalische Bildung. Beispiele könnte ich genug anbringen, will hier aber den Rahmen nicht sprengen.)
Ich sehe aber ein paar extremere Probleme mit dem dualen Studium, welche schwer zu lösen wären:

  1. Lehrkräfte gehen in Teilzeit wegen der hohen Belastung in der Schule, somit bringt ein finanzieller Anreiz um noch mehr zu arbeiten nichts (Stichwort Burnout). Außerdem verkennt man wie viel Aufwand ein Praktikant sein kann, wenn dieser auch unterrichten soll, da sie auch noch keine Noten geben dürfen und die Lehrpläne/Fachanforderungen eng gesteckt sind.
  2. Bei einem dualem Studium brauchen die Studierenden auch zwei Wohnungen oder müssten große Strecken pendeln, da Schulen nicht nur in Universitätsstädten existieren. Somit könnte ein solches Studium nur von Studenten mit gutsituierten Elternhäusern bestritten werden oder aber es wird in fußläufiger Nähe einer jeden Schule eine Wohnung für Lehramtsstudierende staatlich organisiert und bezahlt. Durch meinen Alltag an den Schulen, an denen wir finanziell schon um Kreide und Kopierpapier betteln müssen, sehe ich das als hoch illusorisch an. Und hier hätten wir ein riesiges Diversitätsproblem, dass auf uns zukommen würde, denn dann würden Menschen, die echte finanzielle Nöte nicht kennen an die Schulen kommen und nochmal mehr nach finanzieller Lage des Elternhauses die SchülerInnen sortieren (was ich selbst als Schüler aber auch als Lehrer in Konferenzen mehrfach erfahren durfte).
  3. Duales Studium bedeutet auch, dass die Studierenden immer mal da sind und immer mal nicht, sodass sie eher für die SchülerInnen zur Belastung werden. Jede Lehrkraft muss sich auf die SchülerInnen einer Lerngruppe einstellen und auch andersherum. Somit wären Studierende hier nur als Hilfskräfte einzusetzen, die in einem kognitiv aktivierenden Unterricht den SchülerInnen mit der leitenden Lehrkraft zusammen Denkanstöße gibt, jedoch sieht erstens die Realität anders aus (was ich hier schon beschrieben habe: Bildungspolitik am Abgrund) und je nach Aufgabenstellung kann ein vermeintlicher Tipp ein Vorsagen der Lösung werden, sodass der kognitiv aktivierende Unterricht durch gut gemeinte Tipps eher sabotiert wird.
    Ich persönlich bin auch der Meinung, dass das Lehramtsstudium gerade im pädagogischen und didaktischen Teil dual sein sollte und ich nehme auch jede/n Praktikanten/in oder Referendar/in in meinen Unterricht mit und versuche sie/ihn so gut es geht zu integrieren (Übertragung von Unterrichtsplanung, Halten von Stunden, SchülerInnenunterstützung, Materialenteilung, usw.)
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Die Grundidee ist sicher gut, die Ausgestaltung wäre sicher herausfordend.

Theoretische Lern-Innovationen vom Amtsschimmel gipfeln in so Ideen wie „Schreiben wie Hören“, wo heute noch Generationen drunter leiden.

Allerdings, wie schon erwähnt, sind Menschen, die sich um ihre Mitmenschen kümmern, in unserer kapitalorientierten Gesellschaft eher nachrangig, weil sie keinen direkten monetären Output erzeugen.

Wird eher als idealistische Freizeittätigkeit bewertet denn als richtige Arbeit…

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Eine Umgestaltung der Lehrerausbildung ist sicherlich notwendig. Gerade eine stärkere Verschränkung von erster und zweiter Phase wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Dafür würde es jedoch besser Betreuung der Studierenden von Seiten der Uni und auch der Schulen benötigen. Ich weiß aus meiner Erfahrung, dass nicht jeder Lehrer Lust und Zeit hat sich um die Betreuung der Referendare zu kümmern. Hier müssten die Kollegen Doppelsteckungen und Stundenerlass erhalten um dieser Aufgabe angemessen nachgehen zu können. Leider ist dies auf Grund des Lehrermangels wohl nicht zu realisieren und bleibt dann wie so viele andere Leistungen auch eine zusätzliche Belastung für die Lehrkräfte.

Da die Wege in den Lehrerberuf zukünftig eher durchlässiger Gestaltet werden, wäre es auch sinnvoll hier einheitliche Standards zu formulieren, welche von allen Bundesländern akzeptiert und realisiert werden. Es gibt jetzt schon den Seiteneinstieg, Quereinstieg, einen Quereinstiegsmaster und den „Bodenständigen“ Weg in den Lehrberuf. Aus meiner Erfahrung als Fachseminarleiter kann ich nur zurückmelden, dass die Referendare alle mit extrem unterschiedlichen Voraussetzungen starten und für mich sehr ersichtlich ist, dass es hier dringend einheitliche Standards geben muss, damit eine gute Ausbildung der Referendare überhaupt möglich wird.

Was das Testen von pädagogischen und didaktischen Konzepten angeht, so wären sicherlich Modellschulen (wie z.B. in Bielefeld) die in Kooperation mit den Unis langfristig Konzepte erproben und evaluieren können sinnvoll. Da müsste der Staat halt wieder Geld in die Hand für nehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt, der in einem anderen Beitrag schon mal angerissen wurde, ist, dass in Deutschland viele wissenschaftliche Erkenntnisse rund um den Wissenserwerb einfach konsequent ignoriert werden. So ziemlich alle Erkenntnisse der Hattie-Studie wurden wohlwollend zur Kenntnis genommen um dann einfach so weiter zu machen wie bisher. Ich führe hier jetzt nur ein Bsp. an: Eine der größten Verbesserungen der Unterrichtsqualität wird dadurch erzielt, dass Lehrkräfte Unterricht gemeinsam planen und sich gegenseitig in ihrem Unterricht besuchen und konstruktive Feedbacks geben. Hierfür müssen die Schulen halt entsprechend Lehrerteams und Strukturen zur Verfügung stellen, damit dies überhaupt realisiert werden kann. Dies erfolgt in der Regel halt nicht, wodurch diese Maßnahme, welche eigentlich relativ kostenneutral die Unterrichtsqualität steigern könnte, nicht realisiert werden kann.
Hierbei wird halt auch erkenntlich, dass die Frage wie Bildung konkret ausgestaltet werden soll, eher eine Glaubensfrage denn eine Frage ist, welche auf wissenschaftlich fundierten Fakten erfolgt.

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Klassiker des Schulsystembashings. Glaub aber nicht, dass solche Ideen aus dem „Amtsschimmel“ stammen. Davon abgesehen muss man sich mal erinnern, wie Schreiben vorher gelehrt wurde, nämlich indem man repetitiv einzelne Buchstaben in einer Art verschnörkelter Kalligraphieschrift wiederholen musste, die man so nach der Schule nie wieder irgendwo verwendet. Wegen des daher anfangs stark begrenzten Buchstabenkontingents waren die ersten Sätze, die man schreiben musste, daher sinnfreier Nonsens wie „Fu ruft Uta. Uta ruft Fu.“ Sowas will aber kein Kind schreiben können. Ich wollte damals ein Schild für meine Zimmertür schreiben mit der Aufschrift „Kein Zutritt für Erwachsene“ u.ä. Deswegen gab’s bei mir Jahre vor der Einführung in den Schulen ganz automatisch „Schreiben wie Hören“ im DIY-Style.

Insofern war die Grundidee von „Schreiben wie Hören“ gar nicht so verkehrt. Bloß wurde das dann verknüpft mit einer anderen Idee, nämlich Kinder nach Möglichkeit nicht zu kritisieren und stattdessen bei jeder Gelegenheit zu loben. Und beides zusammen führte dann hier und da bei extremer Anwendung dazu, dass Kinder – wenn Lehrkräfte diese Lernprinzipien nicht nach Logik, sondern buchstabengetreu befolgten – für falsche Schreibweisen erstmal zwei Jahre lang gelobt wurden, und dann auf einmal wurde die Rechtschreibung „scharf gestellt“ und alles war falsch.

Meines Wissens ist das aber jetzt nicht mehr so, sondern es hat da eine sinnvolle Synthese stattgefunden. Grundschullehrkräfte mögen mich korrigieren, falls das falsch ist.

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Sehe das bei meiner jüngsten in Abitur und Studium. Rechtschreibung und Kommasetzung ist ein echtes Problem.

Aber ja, die kombi aus beiden war wohl der Kardinalfehler.
Aber regeln machen nur Sinn, wenn man sie so lernt, wie sie gemeint sie.

In der Fahrschule sagt man ja auch nicht, erst „Fahren wie Fühlen“ , dann fangen wir mit den Verkehrsregeln an

Aus meiner Sicht wäre ein duales Studium insbesondere für Grundschullehrkräfte eine super Idee. Ich selbst unterrichte Grundschülerinnen und leite unseren kleinen Grundschulbereich, obwohl ich selbst nie Lehramt studiert habe.
Ein erfolgreiches duales Studium ist in diesem Bereich möglich und sehr sinnvoll.

Hallo zusammen,

Ich verstehe unter einem dualen Studium etwas anderes. Nämlich die Kombination eines Studiums mit einer Berufsausbildung.

Ich würde gerne einen anderen Vorschlag machen und zwar die Annäherung der Lehramtsausbildung an den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Verwaltungsdienst und Polizeidienst.

Die Beamtenanwärter absolvieren dabei ein Bachelor-Studium und verbringen aber einen großen Teil ihrer Ausbildung in den Ausbildungsbehörden. Die Anwärter werden über die gesamte Zeit vergütet.

Sofern man das Ausbildungsniveau nicht absenken will, müsste man die Ausbildungszeit natürlich entsprechend verlängern für ein Master-Studium, aber ich fände ein solches Modell gut.

Es besteht ein derart großer Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern, warum soll man diese nicht bereits während der Ausbildung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf aufnehmen und diese entsprechend besolden? Das man das Beamtengesetz ändern muss ist geschenkt, aber das lässt sich regeln.

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Genau so meinte ich es.
Ich bin selbst Rechtspflegerin und habe damit dieses juristische Fachstudium im gehobenen Justizdienst absolviert. Aber diese „Ausbildungen“ laufen heute auch unter dem Titel „duales Studium“, soweit ich weiß.
Dieses verbindet konzentrierte Theoriephasen mit einer betreuten praktischen Ausbildung. Dieses Konzept passt hervorragend zur Lehrer:inausbildung, denn gerade für Lehrer:innen ist die Praxis ebenso wichtig wie die Theorie.

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Stark! Bin selbst im allgemeinen Verwaltungsdienst. Ich fand den Begriff duales Studium dafür nicht wirklich passend, da ich -wie gesagt- was anderes darunter verstehen, aber dann meinen wir ja das gleiche :wink:

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