Lebenswirklichkeit in Ostdeutschland

… Die aktuelle Folge strotzt in ihrem ersten Teil mal wieder von Vorurteilen und (vermutlich unbeabsichtigten) herabwürdigungen von Ostdeutschen. Das größte Ärgernis gleich vorneweg - ihr habt wieder das Narrativ bedient, im Osten würde man ja garkeinen Ausländern begegnen. Sorry, aber es ist genau diese Arroganz und das Leugnen der Lebenserfahrung Ostdeutscher durch Journalisten aus dem Westen die zumindest ein Teil des Problems ist. Zunächst einmal ja, laut Statistik gibt es hier weniger Ausländer als im Westen. Aber dabei wird immer vergessen, dass die relative Änderung in den letzten Jahren hier im Osten um ein Vielfaches größer ausgefallen ist, als in Westdeutsachland. Wenn man durch Ostdeutsche Städte geht, hat sich das Bild deutlich stärker geändert, als in Westdeutschen Städten (in unserer Kirchgemeinde z.B. von 0% auf 10-20% von denen viele immernoch kaum Deutsch sprechen können). Ich selbst komme aus Chemnitz - ja genau, DEM Chemnitz. Schon 2018 haben sich Journalisten erblödet uns zu erzählen hier würde man ja garkeinen Ausländern begegnen (neben vielen anderen verzerrten Narativen - aber das wäre ein anderes Thema). Meine persönliche Erfahrung ist aber, dass man durchaus mal durch die Chemnitzer City oder über den Kassberg laufen kann und bei jedem zweiten Menschen dem man begegnet die gesprochene Sprache nicht versteht (damit habe ich natürlich noch keine Information über die Stattsangehörigkeit, aber ich denke mein Punkt sollte trotzdem klar sein). Wie kommt man eigentlich darauf, es würde irgendwie Vertrauen erzeugen, wenn man schlicht die Alltagserfahrung betroffener leugnet? Btw. ich persönlich freue mich darüber, dass unsere Stadt bunter geworden ist. Das Phänomen ist übrigens auch garnicht so schwer zu erklären. Natürlich müsste man sich dazu mal etwas mehr als 30s mit der Stadt beschäftigen. Da wäre z.B. der Fakt dass Ostdeutschland die weltweit älteste Bevölkerung hat (weil ja viele Jugendliche gegangen sind). Wieviele Senioren sind im Schnitt Abends in den Innenstädten unterwegs? Flüchtlinge sind dagegen meist Jugendliche, junge Familien, lauter, auffälliger, aktiver und - da es Deutschland ihnen ja oft besonders schwer macht eine Arbeit aufzunehmen - oft auch mit Zeit zum totschlagen. Und ratet mal wo die Stadt viele ihtrer Sozialwohnungen hat … Lange Rede kurzer Sinn - bitte unterlasst doch bitte in Zukunft derartige Aussagen, die so offensichtlich an der Lebensrealität Ostdeutscher vorbei gehen.

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Laut Eigenaussage aus Baden-Württemberg sind es dort sogar 100%. (Wir können alles außer Hochdeutsch)

Wenn der Ausländeranteil steigt kann das an mehr Ausländern liegen oder weniger Inländern. Das Problem ist wahrscheinlich weniger die Zuwanderung als mehr die Abwanderung. Die Mauer wurde auch nicht gebaut, um die DDR vor Zuwanderung zu schützen, sondern vor Abwanderung.
Dass bessere Integration endlich angegangen werden muss, stimme ich zu. Dass eine Arbeitserlaubnis schneller erteilt werden sollte, auch.
Konservative Parteien sperren sich da gerne, denn wer integriert ist und einen Job hat, den kann man schwerer abschieben.

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Was ist jetzt genau dein Vorwurf gegenüber Ulf und Philip? Worin soll die Herabwürdigung „von Ostdeutschen“ im Allgemeinen bestehen?

Welches wörtliche Zitat legst du hierfür zugrunde? Wer soll das so zugespitzt behauptet haben?

Du bestätigst selbst:

Du hast also dem Faktum an sich nicht widersprochen. Aber irgendwie scheint es dir wichtig gewesen zu sein, auf geringe Deutschkenntnisse hinzuweisen. Unbedarfte Leser - da bin ich sicher nicht der einzige - könnten die Formulierung „von denen viele immernoch kaum Deutsch sprechen können“ als Vorwurf verstehen. Wie kommst du überhaupt darauf, dass diese Menschen „immernoch kaum Deutsch sprechen können“? Was meinst du damit? Hast du sie nach ihrer Aufenthaltsdauer und der Möglichkeit, Deutschkurse zu besuchen, gefragt? Und mit wie vielen von ihnen hast du dich unterhalten, um daraus derart allgemeine Schlussfolgerungen ziehen zu können?

Inwiefern ändert diese Feststellung etwas an dem Faktum, dass Ostdeutsche seltener Kontakt zu Ausländern haben? Und was soll das Ansprechen dieser Tatsache, die du ja bestätigst (s. o.), mit „Arroganz und d[em] Leugnen der Lebenserfahrung Ostdeutscher durch Journalisten aus dem Westen“ zu tun haben?

Auch hier bestätigst du wieder im Grunde, dass die Erfahrung sich stark verändert hat. Ist das dein Punkt, der klar sein sollte? Und inwiefern haben Ulf und Philip etwas anderes, gar Gegenteiliges, behauptet?

Das mag ja stimmen, aber gibt es im Osten nur noch Hochaltrige? Und inwiefern ist das wofür relevant?

Ja, und? Worauf willst du hinaus?

Ist das anderswo anders?

Meinst du Chemnitz? Muss man sich also mit jeder einzelnen Stadt länger als eine halbe Minute beschäftigen, um Aussagen über ‚den‘ „Osten“, von dem du ja zuvor schreibst, treffen zu können?

Welche Aussagen meinst du genau? Und inwiefern wurde im Podcast die „Lebensrealität Ostdeutscher“ in Abrede gestellt?

Und worin sollen „Vorurteile[] und (vermutlich unbeabsichtigte[]) [H]erabwürdigungen von Ostdeutschen“, ja „das Leugnen der Lebenserfahrung Ostdeutscher“, nun bestehen? Ich versteh’s leider nicht.

In dem, was du nennst, thematisierst du doch nach meiner Lesart, aber ich kann mich natürlich irren, Fremdheitserfahrungen aufgrund eines schnell gestiegenen Ausländeranteils. Meine Vermutung wäre, dass im Podcast nichts Gegenteiliges behauptet wurde.

Im Podcast ging es allerdings um die Wahlergebnisse in zwei ostdeutschen Bundesländern, weshalb ich zu meiner Schlussfrage komme:

Soll das, was du thematisierst, diese Wahlergebnisse in irgendeiner Weise rechtfertigen? Wenn ja, inwiefern?

Mir fällt da - offen gestanden - nichts ein.

Aber ich schließe natürlich nicht aus, dich gründlich missverstanden zu haben.

PS: Über eine Präzisierung deines Anliegens würde ich mich freuen.

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Die Formulierung „man würde gar keinen Ausländern begegnen“ ist natürlich eine Überspitzung, dessen sind sich glaube ich alle bewusst. Aber ich denke schon, dass es ein nachweisbarer Fakt ist, dass dort, wo besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, die AfD eher weniger Stimmen bekommt und sie dort, wo besonders wenige Menschen mit Migrationshintergrund leben, eher mehr Stimmen bekommt. Auf diesen Sachverhalt soll dieser - etwas überspitzte - Spruch wohl hinweisen.

Mal als Beispiel:
Die besten Ergebnisse (jeweils 53-54%) hatte die AfD Sachen in drei Gemeinden im Landkreis Görlitz, in denen jeweils 4-6% Menschen mit Migrationshintergrund leben. Die schlechtesten Ergebnisse hatte sie in Leipzig 1 (10,1%), wobei in Leipzig fast 20% der Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat.

Klar, das wird auch noch andere Faktoren haben (generell liberalere Gesellschaft in den Städten im Vergleich zum Land usw.), aber dennoch unterstreicht das sehr deutlich, dass die „Ablehnung von Ausländern“ keine „Erfahrung mit „Überfremdung““ voraussetzt. Es ist hier viel mehr so, wie auch bei den sozial-wirtschaftlichen Themen: Es ist eine diffuse "Abstiegs"angst vorhanden. Daher: Der Teufel der „totalen Überfremdung“ und des „sozialen Abstiegs“ wird an die Wand gemalt und die Menschen wollen sich vor dieser vermeintlichen Gefahr schützen. Ob diese Gefahren real sind, ist da eher zweitrangig.

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Wenn man die Zustimmungswerte der AfD ansieht, dann bleibt es trotzdem dabei, dass sie oft dort am höchsten sind wo es am wenigsten Ausländer gibt.

Dass das oft Landkreise sind wo auch schon die NPD oder andere Parteien aus dem rechtsradikalen bis -extremen Spektrum am besten abgeschnitten haben zeigt, dass das nicht vorwiegend am Anstieg der Zahl der Ausländer liegt, sondern durchaus auch schon vorher ein entsprechendes Potential vorhanden war.

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Wirklich? Das glaube ich leider so nicht (übrigens Minute 42 wer es nachhören will). Und ja ich kenne die Statistken. Und ich habe auch schon 1990 in Meißen rechte Aufmärche vor einem Asylheim erlebt, wo die Polizei nur aus dem HGubschrauber zuschaute, wärend Menschen bedroht wurden (meinem Vater z.B. wollten sie die Knie zertrümmern). Fakt ist doch aber auch, wenn in einer Stadt schon 100.000 Menschen aus aller Welt leben und arbeiten und dann kommen 20.000 dazu verändert das ein Stadtbild kaum. Anders sieht das aber in Städten aus, wo es bisher kaum Ausländer gab dann aber relativ plötzlich tausende Ausländer ankommen. Ich wage zu behaupten, dass sich das Stadtbild von Chemnitz in den letzten Jahren im Zuge von 2015 deutlich mehr verändert hat als in den meisten westdeutschen Städten. Und das ist nunmal für einige Menschen vor Ort eine Herausforderung - da hilft es wenig, wenn die dann auch noch hören müssen, sie würden ja kaum Ausländern begenen, obwohl ihre Alltagserfahrung das genaue Gegenteil davon ist. Und das Ganze dann auch noch von Leuten, die überhaupt keine Ahnung - und auch kein Interesse - daran haben, wie sich Dinge verändert haben. Viele haben ein sehr deutliches Gespür dafür, wenn sie von den „mächtigen“ (Presse, Regierung etc.) verarscht werden - das kennt man nämlich noch von früher. Leider ist man auf der anderen Seite oft total unkritisch gegen Opposition. Und die Regierungen (hallo CDU) haben meiner Meinung nach auch wenig gemacht, um an dem Problem etwas zu ändern. Nein damit meine ich nicht einfach Konsequentes Abschieben - man könnte ja z.B. auch Hürden abbauen, um Menschen schnell in Arbeit zu bringen, anstatt ihnen das Leben so schwer und unangenehm wie möglich zu machen. Einer der Gründe, warum die CDU für mich in Sachsen nicht wählbar ist - sie trägt eine Mitverantwortung für strukturellen Rassismus in Behörden etc.

Hier noch weitere Beispoiele, die mich gestört haben:

25:25 „Einforderungsdemokratie“ für Demonstrationen - wurde so auch über z.B. Fridays for Future geredet?

26:10 „Wir sind ja auch alle Demokraten geworden […]“ Warum hat das im Osten nicht funktioniert? Ich würde jetzt nicht sagen das im Osten nur Antidemokraten leben …

29:10 Hoffnung, dass es schnelle und einfache Lösungen gibt …

30:45 Enttäuscht […] von Aufwand, Komplexität, Arbeit die auch alle da rein stecken müssen …
(hier gehen viele jede WEoche auf die Straße - es ist nicht unbedingt Aufwand der gescheut wird …)

31:00 ausgehst, der Volkswille sei sehr pointiert …"
(genau - deswegen sind die Leute 89 auch auf die Straße gegangen)

39:20 „kein Migrant wählt AFD“ - sorry, das ist einfach nur naiv.

Ich empfand die Diskussion über die Notwendigkeit Demokratie zu erlernen herabwürdigend - auch wenn das sicher nicht so gemeint war (aber gesagt wurde es letztlich doch so - der Ossi ist auf Grund seiner Geschichte zu dumm für Demokratie - ich habe ähnliche Diskussionen so noch nie z.B. über Frankreich oder die NL gehört). Was dabei gerne vergessen wird - hier im Osten haben viele unter Einsatz ihrer persönlichen Zukunft, und unter Gefahr für Leib und Leben (auch der zugehörigen Familien) für Freiheit und Demokratie (Mitbestimmung) gekämpft. Wieviele im Westen haben schonmal soviel für Freiheit und Demokratie riskiert? Ich selbst bin mit meinen Eltern mit Kerze in der Hand in Meißen demonstrieren gewesen. Als damals 6-jahriger habe ich natürlich nicht gewusst, worum es wirklich ging. Und natürlich sind auch nicht alle für Demokratie auf die Straße gegangen. Aber eben doch viele. Und in den Folgemonaten haben sie Basisdemokratie erlebt und Selbstwirksamkeit (im Machtvakuum nach dem Zusammenbruch haben Bürgerräte vieles geregelt). Daraus folgt aber nicht wie oft vermutet eine Unfähigkeit zur Demokratie. Vielmehr ist die Erwartung an Demokratie im Osten höher als im Westen. Die Bereitschaft - und Erwartung - klartext zu reden ist bei vielen höher. Aus westlicher Sicht mag es ja ein Zeichen von demokratischer Bildung sein, wenn man sich mit Olaf Scholz Aussagen zufrieden gibt (ala ich hab alles im Griff, Vertraut mir einfach, Etwas erklären? nö …) - hier im Osten wird das nicht akzeptiert.Genauso wenig wie die vielen Nichtsaussagen die Politiker (aus gutem Grund) gerne machen. Im Westen glaubt man durch Ausgrenzung und unter den Teppich kehren lassen sich Probleme beseitigen (das hat schon bei den Grünen nicht geklappt, wird aber immernoch so praktiziert). Hier reagiert man darauf aber sehr alergisch. Das dann die AFD gewählt wird - ich bin der Erste der sagt wie schlimm das für unser Bundesland ist. Aber das ist nicht Folge vonDemokratieunfähigkeit auf Grund der DDR-Sozialisation. Die Gründe sind vielfältig, einige kommen dann ja später noch im Podcast.

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Ich kann nur zustimmen. Der Kern der Aussage der zum Verständnis wichtig ist:

dazu

Das heißt für viele Menschen, gibt es gerade ein spürbare Änderung was die Zahl an Ausländern betrifft. Und jetzt mal völlig davon ab ob das positiv oder negativ ist. Gerade viele älter Menschen nehmen Veränderungen oft nicht als besondere Positiv auf. Dazu kommen die ganzen anderen Strukturprobleme die Osten: Überalterung, schlechter Versorgungslage …

Genau. Und genau hier widerspricht sich die gefühlte Wirklichkeit mit der realen Wirklichkeit. Durch die starke Änderung der Ausländeranteils, wird dies im Osten ganz anders wahrgenommen. Und wenn man das nicht versteht (/Verstehen will) sind wir wieder beim Punkt wie sich der „Ostdeutsche“ vom den „Westdeutsche Medien“ nicht verstanden und bevormundet fühlen:

Und nein das mag nicht 100% zu den Fakten passen, aber hier geht es eben auch wie er wargenommen wird.

Im Video vom Der Dunkle Parabelritter (teil von Funkl) wird das vileicht besser erklärt:

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Ehrlich gesagt wird das immer behauptet, da hätte ich aber gerne mal eine genaue Untersuchung zu.
Ich könnte dazu unzählige Gegenbeispiele aufzählen von Städten oder Stadtvierteln mit hohem Migrantenanteil, wo AFD stärkste Partei ist.
In meiner Stadt z.B. in Burbach (Bezirksratswahlen in Saarbrücken – wo die AfD vor der SPD liegt)

Oder in Pforzheim (Europawahl: AfD großer Gewinner in Pforzheim und Rastatt - SWR Aktuell)

Oder Gelsenkirchen (Gelsenkirchen: AfD-Beben bei Europawahl – DIESE Zahl schockiert besonders - DerWesten.de)

Oder im Essener Norden (https://www1.wdr.de/nachrichten/impuls-europawahl-ergebnis-der-afd-im-essener-norden-100.html)

Diesen Artikel empfehle ich mal zu lesen, geschrieben von jemandem, der in Essen Nord aufgewachsen ist (https://www1.wdr.de/nachrichten/impuls-europawahl-ergebnis-der-afd-im-essener-norden-100.html)

Migration ist super und auch wichtig. Es braucht hier aber viel mehr Realismus und Konsequenz. Und man muss aufhören, die Augen vor offensichtlichen Problemen zu verschließen.

Auch hier steckt schon wieder eine gewisse Überheblichkeit drin (mag nur mein subjektives Empfinden sein) - auch wenn sie dank der Formulierung als Fragen etwas versteckt ist. Die Antwort ist simpel - weil ich mich regelmäßig mit ihnen unterhalte, weil ich sie besucht habe, weil ich mit ihnen auf Behörden war, weil ich ihnen geholfen habe einen Studienplatz zu bekommen, weil ich einen Platz an einer Privatschule gesponsert habe usw. Es gibt hier tatsächlich Leute die mit viel Engagement versuchen zu helfen (ich bin da vergleichsweise noch ein kleines Licht). Übrigens auch für die ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn man so tut als gäbe es hier garkeine Probleme mit Flüchtlingen. Und warum nutze ich die Sprache als Beispiel? Weil es um die Lebensrealität der Menschen hier vor Ort geht, die ihnen gerne abgesprochen wird. Sie wissen schon - die Sache mit den Ausländern, die man hier nicht treffen würde. Ich gehe gewöhnlich nicht durch die Straßen und lasse mir von jedem den Ausweis zeigen um ihre Nationalität festzustellen.

Oh, die Westdeutschen Journalisten haben sich eine ganze Woche mit Chemnitz beschäftigt um Einschaltquote zu generieren - nur haben sich die meisten dabei nicht die Bohne für die Stadt interessiert. Es war viel schöner sich den aufgeregtesten Nazi zu suchen um eine tolle Story zu fabrizieren. Und ja, wenn man sich pauschal über Ostdeutsche äußert, muss man sich schon auch mit dem Osten beschäftigen. Das ich als Chemnitzer meine Stadt als Beispiel nehme ist also ungerechtfertigt? Tja, in anderen Städten sieht es aber ähnlich aus …

Rechtfertigen? Wieso sollte ich? Erstmal ist es ein merkwürdiges Demokratieverständins, wenn sich Wähler für ihre Wahl rechtfertigen sollen (nein, ich habe nicht AFD gewählt - so, genüge ich damit der Westdeutschen Norm eines Demokraten?). Ausbaden müssen sie es am Ende natürlich. Indirekt hat es aber schon etwas mit dem Wahlverhalten zu tun. Ich lasse mal die Parteien außen vor (dazu gäbe es auch genug zu sagen) - aber allein die Tatsache, dass die Presse immer wieder leichtfertig ihre Glaubwürdigkeit verspielt, und den Osten oft immernoch nicht ernst nimmt, trägt maßgeblich dazu bei, dass viele sich bei alternativen „Journalisten“ informieren. Und das ist ganz sicher nicht hilfreich wenn man die AFD schwächen will.

PS: Wer auch immer den Thementitel festgelegt hat - danke. Mein ursprünglicher war zugegeben eher unpassend und zu emotional.

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Für mich war es absurd, in derselben Folge Steffen Mau mit seinen treffenden Aussagen zum Lebensgefühl im Osten zu hören (Leseempfehlung!) und dann diese belächelnden Aussagen zu bekommen, im Osten gäbe es ja eh weniger Bezugspunkte. Ich stimme @Lean zum Großteil zu. Hier im tiefsten Ostsachsen gibt es zwar einen verschwindend kleinen Anteil Geflüchteter in der Bevölkerung, aber die neue Balkanroute über Polen endet hier. Das heißt, in Ostsachsen (nur dafür kann ich sprechen) haben wir spätestens seit 2023 alltäglichen Bezug in Gartenzaungesprächen und der Tageszeitung zu Schleuserkriminalität und Asylsuchenden. Besonders letztes Jahr kamen Helikopter und Verfolgungsjagden on top. Die Geflüchteten werden dann üblicher- und richtigerweise in entsprechende Asylverfahren oder Einrichtungen gebracht. Vermittle mal der Dorf- und Kleinstadtbevölkerung, dass das alles gut und richtig ist, weil das unsere kommenden Fach- und v.a. Pflegekräfte werden. Die Beschwerden treffen zwar die Migranten, ursächlich ist aber der Migrationsprozess.

In Chemnitz ist der Anteil der ausländischen Bevölkerung von 2010 bis 2020 von 3,0 auf 8,8% gestiegen. Seitdem hat er sich der Anstieg etwas beschleunigt auf 13,8% im Hahr 2023. Dazu lässt sich erstmal sagen, dass 13,8% für eine deutsche Großstadt ziemlich wenig ist.

Aber dir ging es ja um die „Geschwindigkeit des Wandels“ der Chemnitz (stellvertretend für Ostdeutschland) erheblich höher sei als im Westen.

Nur um mal ein ziemlich zufälliges Beispiel einer westdeutschen Stadt zu nehmen: Mainz. Dort hat sich der Ausländeranteil von 14,8% im Jahr 2010 auf gut 20% Mitte 2024 gestiegen.

Gab es in Chemnitz einen stärkeren Anstieg? Ja, aber mal Hand auf’s Herz: der Unterschied ist doch minimal. Wenn daraus für Chemnitzer besondere Herausforderungen entstanden sind, dann scheint das doch eher spezifisch lokale Gründe zu haben, als das man das an den Ausländern festmachen könnte.

Das ist doch erstmal kein Herabwürdigung Ostdeutschland, sondern nur die Beobachtung eines anderen Umgangs mit demokratischen Institutionen (zu denen Demonstrationen ja gehören). FfF war zudem kein spezifisch westdeutsches Phänomen, demonstriert wurde und wird auch im Osten – in Chemnitz zuletzt Mitte 2024. Dagegen ist es meines Wissens nach ziemlich unumstritten, dass sowohl die PEGIDA-Märsche, als auch anti-Impf-Demos und die Ostermärsche (nur um mal eine Bandbreite politischer Inhalte zu bilden) im Osten traditionell stärker sind/waren.

Dieses Zitat war ein Zitat, dass sich die Hosts gerade nicht zueigen gemacht haben.

Würdet du denn abstreiten, dass in einem Bundesland, in dem mehr als die Hälfte der Wähler explizit populistische Parteien wählen, offenbar besonders viele Menschen Hoffnung auf „schnelle und einfache Lösungen“ haben? Das Werben mit solchen Lösungen ist immerhin Kennzeichen populistischer Parteien.

Warum? Natürlich muss Demokratie erlernt werden. Das war in Westdeutschland nicht anders. Und in keinem anderen Land, das aus einer Diktatur herauskommt.

Dann solltest du mal die Diskussionen recherchieren, die in Frankreich selbst während der französischen Revolution geführt wurden. Oder innerhalb der Arbeiter- und Demokratiebewegung in seit der Industrialisierung. Aktuell wird zudem immer wieder über eine fehlende demokratische Kultur in den USA geredet und die Notwendigkeit zum Aufbau eines demokratischen Bewusstseins in diversen Entwicklungsländern ist ständiges Thema in allen möglichen Kreisen, die sich mit diesen Ländern beschäftigen.

Was man diesen Menschen hoch anrechnen muss. Aber die Geschichte ist voller Widerstandskämpfer und Demokratieaktisten, die irgendwann selbst autokratische Tendenzen entwickeln. Das passiert nicht zwangsläufig, ist aber oft das Ergebnis eines revolutionären Ereignisses, dem nicht der systematische Aufbau demokratischer Institutionen folgt.

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Das ist noch lange kein Grund, Rechtsextreme zu wählen.

Die Herausforderung besteht wohl eher für die Ausländer, die in solch einer ihnen offensichtlich nicht wohlgesonnenen Umgebung leben (müssen).

Oha.

… ist übrigens ein Begriff des ostdeutschen Soziologen Steffen Mau.

Demokratieverständnis wird ja nun mal niemandem in die Wiege gelegt.

Kudos dafür. Aber war das wirklich die Mehrheit?

Das hat Mau doch beschrieben, als er sagte:

Politik ist dann eigentlich, dass die Politik mehr oder weniger Erfüllungsgehilfe der eigenen Wünsche ist.

Das ist doch fein.

Wodurch genau wird die Situation von Menschen vor Ort beeinträchtigt, wenn andere Menschen schlecht deutsch sprechen?

Hier in der Stadt leben Menschen aus fast allen Ländern der Erde. Der Ausländeranteil ist mehr als doppelt so hoch wie in Chemnitz, der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund ist gut viermal so hoch. Der AfD-Wähleranteil bei der Europawahl war in der sächsischen Großstadt mehr als dreimal so hoch wie hier. Hier ist man entspannt im Umgang mit Menschen, die (noch) Sprachschwierigkeiten mit dem Deutschen haben.

Es ist vielmehr ein merkwürdiges ‚Demokratieverständnis‘, wenn Leute rechtsextreme Demokratiefeinde wählen (und dann noch nicht mal dafür Verantwortung übernehmen wollen).

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Was ich nicht verstehe: wenn die Demokratie im Osten so groß geschrieben wird, warum wird sich dann so wenig in Parteien engagiert?

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Wenn der Tenor bei der Kritik ist „Wir“ (Wessis) erklären „euch“ (Ossis) jetzt mal wie Demokratie geht, dann kann ich durchaus verstehen, warum das sehr schräg rüberkommt. Denn solange in der Ex-DDR brav die klassischen Westparteien (allen voran CDU und SPD) gewählt wurden, hat sich niemand an der unzureichenden Demokratie der dortigen Wähler gestört. Bezogen auf die PDS/Linke, die ja in den Ost-Bundesländern immer schon deutlich stärker war, sah das schon anders aus. Und nun lösen die hohen Stimmanteile für die AfD noch sehr viel stärker solche Reaktionen aus, obwohl in absoluten Zahlen die Mehrheit der AfD-Wähler im Westen wohnen. Das erinnert mich schon etwas an Fußballspieler, die als „unsere Jungs“ gefeiert werden, so lange das Team erfolgreich ist und plötzlich wieder zu „Ausländern“ oder „Migranten“ werden, wenn es verliert.

Ich kann auch einen Teil der Kritik von @Lean verstehen. Einige Formulierungen von Ulf und Philipp wirkten auch auf mich etwas unterkomplex, vor hatte ich den Eindruck, dass ein bestimmtes Bild „vom Osten“ verallgemeinert wird - was in erster Linie die Realität von Menschen ignoriert, die tatsächlich versuchen, dem in vielen Gegenden herrschenden rechten Mainstream entwas entgegenzusetzen.

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Vielleicht auch deshalb, weil die Vorstellung von Demokratie bei vielen doch recht eigentümlich ist. Forscher der Universität Leipzig haben das mal ermittelt:

„[…] Jeder zweite wünscht sich eine ‘starke Partei‘, die die ‚Volksgemeinschaft‘ insgesamt verkörpert. Statt pluralistischer Interessensvielfalt wird eine völkische Gemeinschaft gewünscht“, erläuterte Brähler. Decker fügt hinzu: „Unsere Untersuchung zeigt, dass sich derzeit viele Menschen in den ostdeutschen Bundesländern nicht mehr demokratische Teilhabe und Sicherung der demokratischen Grundrechte wünschen, sondern die scheinbare Sicherheit einer autoritären Staatlichkeit.“

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So habe ich das Segment der LdN aber in keiner Weise wahrgenommen. Es sei denn, man lehnt einfach aus Prinzip ab, wenn Westdeutsche über Ostdeutschland reden. Das ist meiner Meinung nach aber eine extrem umkonstruktive Haltung, die andersherum wohl auch nicht akzeptiert werden würde.

Praktisch die einzigen, die sich darüber ernsthaft echauffiert haben waren die CDSU, aus deren Sicht inzwischen ja selbst die Grünen nicht koalitionsfähig sind. Muss man daran wirklich sein Selbstwertgefühl festmachen? Außerhalb der CDSU waren vor allem DDR-Bürgerrechtler der PDS/Linken gegenüber kritisch eingestellt, was man dieser Gruppe vielleicht nachsehen kann, wenn man bedenkt, dass die PDS die Nachfolgepartei der SED war.

Absolut gesehen ist in Deutschland praktisch bei jeder Frage die Mehrheit im Westen. Einfach weil im Osten (Berlin nehme ich da mal aus, ist ja soziologisch auch völlig anders) ein so geringer Anteil der Bevölkerung lebt. Darum sind ja relative Statistiken so hilfreich.

Ohne jetzt konkrete Belege parat zu haben: ich hab das schon auch darüber hinaus wahrgenommen, so ein wenig im Sinn von „die sind ja noch nicht richtig in der Demokratie angekommen, wenn die immer noch die alte SED wählen“. Auch von der SPD, die aus meiner Sicht eh in großen Teilen stets ein eher neurotisches Verhältnis zu PDS und noch mehr zur Linkspartei hatte. Und die Rhetorik von der „SED-Nachfolgepartei“ kam besonders gerne von CDU und FDP, die sich die jeweiligen DDR-Blockparteien inklusive Personal einfach einverleibt haben.
Und nein, niemand „muss“ sein Selbstwertgefühl daran festmachen, das habe ich aber auch nicht geschrieben und so habe ich hier auch niemand anders verstanden.

Gerade beim Blick auf die AfD habe ich oft den Eindruck, dass dies vielen eben nicht präsent ist. Dazu tragen auch grafische Darstellungen, etwa die berühmte Landkarte mit der jeweils stärksten Partei, bei der dann der gesamte Osten AfD-blau ist, während diese Farbe im Westen kaum zu sehen ist. So ein Bild ist allemal einprägsamer als jede Statistik.

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Da hier von Chemnitz die Rede war, ist noch Folgendes interessant:

Hinter dieser ‚Abstimmung mit den Füßen‘ steckt keine Medienverschwörung, sondern sie hat durchaus reale Gründe:

Da kann man nur hoffen, dass sich in der nächsten Kulturhauptstadt Europas etwas zum Positiven wendet:

Aber es geht bei solchen Darstellungen doch gerade um gesellschaftliche Realitäten. Und da ist es doch egal, ob in Köln doppelt so viele AfDler rumlaufen wie in Chemnitz. Wenn die Bevölkerung in Köln viermal so groß ist, dann ist der gesellschaftliche Einfluss der AfD in eben Chemnitz trotzdem stärker.

Was die konkrete Karte angeht: ob „stärkste Partei“ eine sinnvolle Variable ist, um einen gesellschaftlichen Trend zu illustrieren, darüber kann man streiten. „Stimmanteil“ wäre vielleicht besser gewesen, weil es Nuancen stärker zum Ausrdruck bringt. Solche Karten findet man auch. Aber „Absolute Zahl aller AfD-Wähler“ wäre in jedem Fall absolut ungeeignet, um irgendeinen Erkenntnisgewinn zu bringen.

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Wenn es um die Relation zwischen Köln und Chemnitz geht oder um den Einfluss der AfD in den beiden Städten, hast du vollkommen Recht. Aber wenn es um den gesamtgesellschaftlichen Einfluss der AfD geht (etwa um die Zahl der Bundestagsmandate), dann trifft das eben nicht mehr zu. Und ich nehme häufig eine Sichtweise wahr, die das Problem AfD auf den Osten reduziert, was aus Wessi-Sicht natürlich bequem ist, aber halt nicht wirklich hilft, erst recht nicht, wann auch auch „nur“ 10% Stimmenanteil für so eine Partei problematisch findet.