LdN413 Schwangerschaftsabbruch wirklich verboten/rechtswidrig?

Ihr berichtet, dass Schwangerschaftsabbrüche generell verboten und rechtswidrig sind und nur unter bestimmten Bedingungen (§ 218a (1)) lediglich straffrei bleiben.
Könnt ihr diesbezüglich bitte die Begriffe verboten und rechtswidrig noch einmal genauer einordnen?
Wenn ich als Laie im § 218a (1) lese:

  1. Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn…

dann interpretiere ich, dass unter den genannten Bedingungen der § 218 eben nicht zutrifft und der Abbruch eben auch nicht rechtswidrig oder verboten ist. Warum ist das nicht so?
Und gibt es wirklich rechtliche Gründe, dass Schwangerschaftsabbrüche oft nicht im „Standard-Lehrplan“ sind?

Würde nach dem Gruppenantrag die zwölf-Wochen-Regelung ins SchKG überführt werden? Was wäre mit Schwangerschaftsabbrüchen die die Bedingungen nicht erfüllen? Wäre deren Strafbarkeit dann auch im SchKG geregelt?

Vielen Dank,
Henning

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Als Mediziner und Arzt finde ich die Argumentation von zB medical Students for choice eher lächerlich bzw dem Thema nicht gewachsen.

Alle Gynäkologen sollten im Rahmen ihrer Ausbildung Kürettagen erlernen, wenn zB der Mutterkuchen sich nicht von der Gebärmutter löst. Oder wenn ein Kind noch in der Mutter stirbt und nicht abgestoßen wird.

Der Eingriff an sich ist nicht schwierig und alle Gynäkologen (die halbwegs operativ arbeiten) beherrschen das und machen das regelmäßig.

Dass er nicht angeboten wird, liegt an verschiedenen anderen Stellen. Beispielsweise Moralvorstellungen, meist Notwendigkeit einer Anästhesie (bei operativem Abbruch), spezielle Anforderungen der Klientel. Viele Ärzte, die Abbrüche durchführen, machen das ausschließlich.

Und: ich lerne auch in der Chirurgie nicht, wie ich ein Atherom gut operiere oder die Mandeln entferne in der HNO. Dazu gibt es Facharztausbildungen.

Wenn jemand nach dem Studium nicht mal sicher eine Lungenentzündung behandeln kann (sehr häufig), wieso sollte man dann einen Abbruch einer Schwangerschaft (eher selten) durchführen können sollen? Das ist nicht wegen legaler Bedenken, sondern einfach, weil das Studium keine komplett berufsfertigen Ärzte für alle Fächer auswirft.

Der Abbruch ist meines Erachtens nach 218a dann auch nicht verboten und es gibt keine Rechtswidrigkeit. Es gibt ja dieses Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld, was alles benötigt wird, um eine Strafe verhängen zu können. Wenn das auf einer der früheren Stufen nicht erfüllt ist, gibt es keine Strafe.

Aktivisten stören sich daran, dass ein Abbruch eben im Strafgesetzbuch behandelt wird, ganz allgemein.

Und ein venöser Zugang ist auch eine (gefährliche?!) Körperverletzung, trotzdem mache ich das regelmäßig. Und nun? Soll ich das nicht mehr tun, weil es im StGB steht?

Wenn Abbrüche (relativ teuer) von den Krankenkassen immer übernommen werden sollen, müssten meines Erachtens zusätzlich auch Verhütungsmittel übernommen werden, sonst finde ich die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. Nein, ich spreche nicht von Abbruch-Flatrate, aber die Pille für 40 Euro in 4-6 Monaten nicht zu zahlen, aber nen Abbruch für über 1000 ist halt wild.

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Und auch bei der potentiellen Neuregelung würde sich im Kern nicht viel ändern, denn auch dann sind Schwangerschaftsabbrüche nach der 12. Woche “rechtswidrig” bzw. “Verboten”. Nur dass nicht die Frau bestraft würde, sondern der durchführende Arzt.

Guten Abend.

Sehr gute Aspekte, die überhaupt keine Erwähnung gefunden haben. Darüber hinaus gilt auch zu erwähnen, dass, ginge man von einem operativen Eingriff aus/ von dem ja gesprochen und der in der Ausbildung, wie mehrfach erwähnt, nicht mehr gelehrt werde, mit jeder Abrasio „ Ausschabung“ das Risiko für Folgeschwangerschaften steigt, eine fehlliegende Plazenta/ Plazenta praevia oder eine zu stark in die Gebärmutter eingewachsene/ Plazenta accreta riskiert. Das alles sind zusätzliche Aspekte, die natürlich über dass Argument der Straffreiheit hinaus gehen, die aber bei Kassenleistung für Abtreibung Bedeutung erlangen. Ich war auch ein wenig überrascht über die abwertende Bewertung … (edit Mod.) über die Kollegen Scharf, Maul und Rosenberg, alles renommierte Kolleg:innen… Schade.

Ich arbeite als Fachärztin im Bereich Pränataldiagnostik.

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Ich finde schade, dass bei der Debatte rund um Schwangerschaftabbrüche ausschließlich über das nicht geborene Leben und dessen Schutz gesprochen wird, und dass es dieses vorrangig zu schützen gilt. Und wenn es dann um die schwangere Person geht, wird über körperliche Folgen gesprochen durch zum Beispiel schlecht durch geführte Abbrüche oder ähnliches. Ich würde mir wünschen, dass wir anfangen, auch über die sozialen, mentalen, finanziellen, gesellschaftlichen Folgen und Risiken eines Abbruchs für die schwangere Person zu sprechen. Wann sprechen wir über den Schutz der schwangeren Person, der Person die bereits am Leben ist und am Leben teilnimmt? Diese Frage geht für mich weit über den Aspekt der Entkriminalisierung hinaus. Wir alle haben den Slogen „My body, my choice“ im Ohr, wenn es um Abtreibungen geht. Hier geht es um viel mehr als über den Körper der schwangeren Person - Hier geht es um unser ganzes Leben!

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Wenn ich die aktuelle Regelung des § 218 (Wer eine Schwangerschaft abbricht , wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.) mit der geplanten Neuerung § 14 [Wer eine Schwangerschaft abbricht, (…), wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (…)] vergleiche, kann ich nicht erkennen, warum mit dem „Wer“ im aktuellen § 218 auch die Schwangere und mit dem anderen „Wer“ in § 14 der Neuregelung nur die durchführenden Ärzte gemeint sein sollen.

Also wodurch fällt, trotz identischen Wortlauts, bei der Neuregelung die pot. Strafbarkeit der Schwangeren weg?

Auch in der LdN413 bei ca. 54:20 und ich glaube später nochmal wird das so gesagt.

Könnte das vielleicht nochmal näher erläutert werden?

Ja, die Neuregelung des § 218 spricht dann von Strafbarkeit gegen den Willen der Schwangeren, wodurch faktisch die Schwangere nach dem neuen § 218 nicht mehr von Strafe bedroht wäre. Aber nur weil die Schwangere nach dem neuen § 218 nicht mehr von Strafe bedroht wäre, führt das ja nicht dazu, dass sie das auch nach § 14 der Neuregelung nicht mehr wäre.

Es geht finde ich beim Studium auch hauptsächlich um die Sichtbarkeit des Themas. Es wird überhaupt nicht besprochen. Es wird nicht über Alternativen (medikamentöse Abtreibungen), Komplikationen oder über die Gesetztesgrundlage etc. gesprochen. Ich finde, dass es ein relevantes Thema ist, was definitiv im Studium zumindest eine halbe Vorlesung verdient hat.

Bei deiner Argumentation zu den Kosten möchte ich noch einmal auf den sozialen Faktor hinweisen. Was machen Frauen, die sich die Abtreibung nicht leisten können? Das ist neben der Fahrtstrecke zu Kliniken, die Abtreibungen durchführen, eine große Barriere. Es ist eine sehr privilegierte Ansicht, das zu ignorieren. Vor allem die Folgekosten. Jemand, der sich eine Abtreibung nicht leisten kann, kann sich auch ein Kind nicht leisten. Das ist für den Staat viel teurer. (Ja, ich weiß, unterschiedliche Geldtöpfe.) Und die sozialen und psychologischen Folgen für Kinder in Armut sind da noch nicht mit eingerechnet. Auch wenn es bestimmt Hilfsangebote gibt, um eine Abtreibung zu finanzieren, ist das glaube ich eine sehr große Hürde! Das alles gilt es dabei zu beachten.

Zu deiner Argumentation bzgl. Durchführung von ärztlicher Maßnahmen als Körperverletzung: der Unterschied ist, dass ich als Arzt oder Ärztin dafür angeklagt werde. Bei einer Abtreibung geht es aber um die Frau, die die Abtreibung durchführen lässt, die sich strafbar macht. Durch das neue Gesetz wäre die Verantwortung wieder bei den Ärzt:innen und so sollte es sein. Wir als Ärzt:in müssen die Verantwortung für durchgeführte medizinische Maßnahmen tragen.

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Guter Vorschlag!

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Entschuldigung, aber das stimmt einfach nicht dass es nicht besprochen wird. Das hört man so oft in den Diskussionen, dass ich meiner Erinnerung nicht mehr traue und meine alten Uniskripte durchgesehen habe.

Wir haben ausführlich den chir. + med. Schwangerschaftsabbruch inkl. verschiedener Präparate in Gyn gelernt und die rechtlichen Grundlagen, Beginn des menschlichen Lebens, moralischer Status des Embryos usw. in Ethik der Medizin.

Staatsexamen Medizin 2018

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Dann war deine Gyn-Vorlesung oder Blockwoche nicht besonders motiviert und dahinter. Ich sehe schon, dass das keine Ausrede sein sollte, aber man kann eine Uni nicht dazu zwingen, alles zu besprechen. Mir haben zum Beispiel in der Hämatoonko Leukämie total gefehlt, weil alle total auf Myelome und chronische Lymphome gestanden haben.

Ich hatte im Rahmen des Blockpraktikums (deutschlandweit für alle meines Wissens nach verpflichtend) zwei Ethikseminare, eines zum Thema Pränataldiagnostik und eines zum Thema Schwangerschaftsabbruch. Es wurde umfangreich diskutiert und alle Teilnehmer waren gut vorbereitet und Wertschätzend in der Kommunikation. Und das war eine wirklich normale curriculäre Veranstaltung.

Bzgl der Kosten: wie gesagt, meinetwegen sollen die Krankenkassen das zahlen (ggf mit einer Grenze, damit wir die Sozialsysteme nicht überlasten), aber ich finde, wenn Abbrüche bezahlt werden, dann doch bitte auch Verhütungsmittel. Wobei das zur Politik ja auch nicht gut passt. Herzinfarkt wird behandelt, Prävention ist Privatsache.
Ich finde, wenn man das ganze Thema „reproduktive Selbstbestimmung“ oä anfasst, dann umfassend mit Zahlung nicht nur der Abbrüche, sondern Zahlung der den Abbruch vermeidenden Maßnahmen (weil keine Schwangerschaft entsteht)

Ich denke es ist sehr wichtig mehr gut zugängliche Angebote für Schwangerschaftsabbrüche zu schaffen. Sicher kein leicht zu lösendes Problem.

Ein wichtiger Punkt wurde schon genannt, die Abrechenbarkeit über die Krankenkasse, die selbstverständlich eine Legalisierung voraussetzt.

Der andere Punkt ist die medizinische Ausbildung. Im Studium lernt niemand irgendeinen chirurgischen Eingriff, auch keinen Schwangerschaftsabbruch. Das ist auch der falsche Ansatzpunkt. Es ist sicher nicht abträglich, wenn alle Studentinnen im gyn. Skills Lab eine Grapefruit kürretieren, fällt aber eher unter virtue signaling. Versteht mich nicht falsch, meinetwegen kann man das Thema gerne ausführlicher besprechen. Die Frage ist immer nur auf Kosten von welchem anderem Themengebiet, das Medizinstudium ist ja schon gnadenlos überfrachtet.

Zielführend wäre da eher eine Implementation in das Logbuch Frauenheilkunde, dass also jede Ärztin in Weiterbildung x chir. und x med. Abbrüche während der Ausbildungszeit machen müsste. Dementsprechend könnten auch Krankenhäuser, die keine Abbrüche anbieten nicht mehr die volle Weiterbildungsermächtigung erhalten.
Kann man jede Beteiligte dazu zwingen ist die Frage?

Naja, wer Frauenheilkunde wählt …

Die anderen Ärzte werden doch auch „gezwungen“ alles in ihrem jeweiligen Fachgebiet durchzuführen, oder irre ich da und der Chirurg kann wählen ob er bei bestimmten Knochenbrüchen keine Behandlung anbietet/durchführt?

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Man kann insbesondere beim Abbruch keinen zwingen, teilweise macht das in Häusern nur ein Arzt oder so. Und auch der Anästhesist kann nicht gezwungen werden.

Und auch in anderen Fachrichtungen gibt es Leute, die nur zB Füße operieren und keine Knie.
Spezialisierung ist schon real. Klar hat der das mal gelernt, aber wenn das letzte Knie vor 15 Jahren gespiegelt wurde, würde ich auch lieber drauf verzichten.
Und klar, auch ein Gynäkologe sollte immer kürettieren können (hat er ja gelernt, unabhängig von x Abbrüche in der Ausbildung, weil man nicht nur für Abbrüche kürettiert), aber wenn er nur Brüste behandelt, wieso sollte man ihn dann dazu zwingen, in einer Gebärmutter zu operieren, was er nicht (mehr) gut kann?

Das ist aber Ausschluss durch Spezialisierung und nicht durch Verweigerung.

Das ist ja wieder was anderes.

Aber es ist ein Unterschied ob ein Arzt sagt: mach ich nicht weil zu lange her und nicht wirklich fit in diesem Spezialfall oder ob er sagt mach ich nicht weil will ich nicht.

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Nein? Bringt der Betroffenen ja keinen Vorteil, dass der Arzt es aus Grund x nicht macht und nicht aus Grund y.
Im Zweifel kann man den Grund ja auch einfach vorschieben. Und jemanden zu irgendetwas zwingen führt am Ende auch nicht zu einer besseren Versorgung.

Es war ja vor allem ein Gegenargument zu den Chirurgen. In der akuten Lebensgefahr im Dienst muss auch ein Fußchirurg (wenn er Dienst macht) dein Becken stabilisieren und sonst hast du halt Pech. Ausschluss bleibt im Ergebnis Ausschluss.

Wie häufig kommt es denn in Deutschland vor, dass eine Frau eigentlich vor der 12. Woche ihre Schwangerschaft abbrechen will, aber es nicht kann, weil sie keinen Arzt findet, weil es zu teuer ist oder aus sonst welchen Gründen? Gibt es da Statistiken zu?

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Noch einmal zur juristischen Ausgangsfrage:
Im Strafrecht teilt sich die Frage, ob eine Handlung zu bestrafen ist in drei Prüfungspunkte
I. Tatbestandsverwirklichung
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld

Unter „I.“ werden die Voraussetzungen des Straftatbestands geprüft. Unter „II“, ob ausnahmsweise keine Rechtswidrigkeit gegeben ist (etwa wegen Notwehr) und unter „III.“, ob ausnahmsweise Gründe gegen die Schuld im Sinne der persönlichen Vorwerfbarkeit sprechen (etwa extreme Alkoholisierung).
§ 218a I StGB spricht nun explizit davon, dass der Tatbestand in den genannten Fällen nicht verwirklicht ist, d.h. es entfällt nur „I.“, die Rechtswidrigkeit der Handlung bleibt aber bestehen. Dies hat zB Konsequenzen dafür, ob die Kosten übernommen werden.
Den Entfall auch der Rechtswidrigkeit sieht das StGB ausdrücklich nur in § 218a II vor, also bei medizinischen Gründen oder etwa einer Vergewaltigung. Hoffe das hilft bei der juristischen Frage, ob Abtreibungen nicht doch legal sind - Antwort: sie sind nicht strafbar, bleiben aber rechtswidrig.

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Ich halte es ehrlich gesagt für hochproblematisch Krankenkassen alles evtl. Wünschenswerte bezahlen zu lassen. Schon jetzt explodieren die Beitragssätze.
Und weder Sex noch Schwangerschaft ist eine Krankheit! (Anders sieht es natürlich bei medizinischen Indikationen zum Abbruch aus.)
Wenn man das machen möchte, ist das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine für die GKV.

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Sehe ich auch so. Wenn aber die Entscheidung zur Bezahlung von Abbrüchen käme, fände ich dann die (im Einzelfall günstigere) Übernahme von Verhütungsmitteln auch sinnvoll.

Sonst kommt dieses „die GKV zahlt alles, aber meine Brille/Pille nicht“.

Ob das aber sein muss, ist fraglich. Da hast du Recht

Ich bin kein Mediziner, habe aber aus verschiedenen Quellen (u.a. Auch verschiedene Talkformate / Podcasts) mit Medizinern gehört, dass das mit der fehlenden Ausbildung für Schwangerschaftsabbrüche, zumindest für die Facharzt Ausbildung, absolut nicht stimmt. Die Frage ist ob jetzt jeder bspw. angehende Orthopäde, eine entsprechende Zusatzausbildung bräuchte.
Das wird aber in den ganzen Berichten zu dem Thema einfach immer verkürzt/falsch dargestellt.

Ergänzend: wo es tatsächlich einen Mangel in (am Personal) der medizinischen Ausbildung gibt ist die Geburtshilfe. Geburtsstation werden immer mehr geschlossen, weil sie nicht rentabel sind. Des Weiteren gibt es immer weniger Hebammen. Grund: die Ausbildung und der Beruf wird immer unattraktiver. Dazu habe ich noch keinen Gruppenantrag gesehen…