In der letzten Lage kam rund um die Brandenburgwahl das Thema Klassenkampf auf. Und es wurde analysiert, dass viele ärmere Menschen sich in einem Konflikt nicht mit Wohlhabenden, sondern noch ärmeren Menschen befinden würden - zumindest wird ihnen dies suggeriert. Die Armen sollen nicht merken, dass sie eigentlich gar nicht durch Ärmere, sondern eigentlich durch die wirklich Reichen klein gehalten werden. Divide et Impera. So weit, so nachvollziehbar.
Was mich an Diskussionen dieser Art oft stört, ist, dass die Definition der „Reichen“ dann in meinen Augen oft fehlgeht. Es wird aufs Einkommen geschaut, statt aufs Vermögen. Dort ist Adressat aber nicht Fritze Merz oÄ. Der Reiche ist der, der auf ein paar Euros seines Einkommens den Spitzensteuersatz zahlt. Also der, der mehr als 66,761 € verdient -auch wenn der Durchschnittssteuersatz dieser Person nicht bei 42% liegt sondern bei knapp 18% und diese Person immernoch mehr Sozialabgaben als Steuern zahlt.
Oft habe ich in diesen Diskussionen das Gefühl, dass man dann einen Konflikt zwischen den Armen und der Mittelschicht („die Reichen“) herbeiredet. Die wirklich Reichen bleiben unadressiert.
Mir fällt das besonders frustrierend bei der jährlichen Erhöhung des Grundfreibetrags auf. Auch die Lage und meine eigene Partei (Grüne) lassen sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass diese Erhöhung vor allem Besserverdienenden nutzt. Das ist auch richtig… wenn es keine Inflation gäbe. Wir haben uns aber nun einmal nicht nur für eine Steuerprogression, sondern auch dafür entschieden, dass darin eine gewisse wirtschaftliche Leistungsfähigkeit X mit einem gewissen prozentualen Steuersatz Y zu besteuern ist. Diese Leistungsfähigkeit X ist nächstes Jahr X minus Inflation, wird aber weiter mit Y besteuert, als hätte sich nichts geändert. Das nennt sich kalte Progression. Diese Argumentation findet sich eigentlich bei allen steuerlichen Maßnahmen.
Das Problem ist in meinen Augen, dass die Parteien des linken und linksliberalen Spektrums damit die Diskussion auf eine Ebene WIR (Geringverdiener) gegen DIE (Besserverdienende) bringen. Wirklich Reiche (Einkommensmillionäre merken den Grundfreibetrag nicht, Vermögende und Erben sind sowieso außenvor) kommen wieder davon.
Mir fehlt die Anerkennung, dass Inflation, Krieg und Klima nicht nur die ärmere Hälfte, sondern die ärmeren 99% trifft. Unabhängig also, ob mit einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von 15.000 oder 150.000. Mir fehlt die Solidarisierung mit der Gesamtgesellschaft. Es reicht eben nicht, nur auf die Allerärmsten zu schauen, wenn man Zusammenhalt sucht. Es reicht nicht, nur das Bürgergeld zu erhöhen, wenn Normal- und auch Besserverdiener sich fragen, ob sie sich je ein Eigenheim kaufen können. Natürlich geht es den einen schlechter und sie brauchen die Hilfe dringender, man kann aber beides machen und beides klar kommunizieren. Es geht um die Debattenkultur. Wer wird gegen wen ausgespielt?
Ich glaube, es gäbe eine große Mehrheit für Vermögenssteuer, Erbschaftsteuer & Co, wenn man durch unsere aktuelle Diskussionskultur dem Ehepaar mit 60k Jahreseinkommen nicht das Gefühl vermitteln würde, diese würden dadurch zur Kasse gebeten.
Mein Appell ist, weniger Sozialhilfeempfänger und Alleinerziehende gegen das Akademikerpaar mit Haus am Stadtrand auszuspielen. Obszöner Reichtum, Privatjets, Yachten und vererbte Wohnblockriegel sollten das Augenmerk sein. Dagegen sollten wir gemeinsam stehen.