LdN329 - Bildungspolitische Sprecherin

Hallo zusammen.

Ich habe das Interview mit der bildungspolitischen Sprecherin der FDP so verstanden, dass der Bund bei der Bildungsmisere leider überhaupt nichts machen kann. (Außer moderieren, Ideen reingeben und die Lehrbefähigung von Flüchtlingen schneller anzuerkennen).

Habe ich da etwas wesentliches überhört?
Der Bund kann da nichts machen?
Mehr Geld vielleicht?
Ein rohstoffarmes Land kann doch nur auf Innovation setzen.
Und da ist eine gute Bildung doch wesentlich.

Viele Grüße
Tobias

So ist das.
Bei der Bildung verteidigen die Länder ihre Kompetenzen mit Klauen und Füßen.
Der Bildungsgipfel hat das schön gezeigt.
Die Kritik aus den Ländern daran war die gleiche Kritik wie bei jedem Bildungsgipfel.
Entweder sind die Themen zu schlecht vorbereitet (wie dieses Mal wieder) oder sie werden im Vorfeld bekannt gegeben und von den Ländern vor dem Treffen schon in der Luft zerrissen. Und dann wird er boykottiert, da er ja eh nichts bringe.
Bildung ist Ländersache. Außer gut zureden und Geld geben kann der Bund da wenig machen.

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Bildung und Polizeirecht sind quasi die letzten beiden Gebiete, in denen die Länder im Rahmen des Föderalismus maßgebliche Kompetenzen haben. Gerade weil der Föderalismus auch unter die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG fällt („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“) ist das BVerfG sehr „länderfreundlich“, wenn es um die Frage geht, was der Bund im Hinblick auf die wenigen verbleibenden Kernkompetenzen der Länder darf.

Das geht auch so weit, dass es als Eingriff des Bundes in die Schulhoheit der Länder gesehen wird, wenn der Bund Geld für bestimmte bildungspolitische Maßnahmen zur Verfügung stellen würde. Denn dann könnte der Bund quasi über die Finanzschraube bestimmen, was die Länder im Rahmen der Bildungspolitik tun können.

Ich persönlich bin auch der Meinung, dass der Föderalismus historisch nach den Erfahrungen des Dritten Reichs sinnvoll war, um eine zu große Macht-Akkumulation zu vermeiden, aber das Preis, den wir aktuell dafür zahlen, ist mMn zu hoch. Ich hätte daher nichts dagegen, wenn wir zum Zentralstaat transformieren würden, dummerweise müsste man dafür erst Mal eine neue Verfassung aus dem Hut zaubern…

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Ich muss ganz ehrlich sagen, ich verstehe nicht so wirklich, wieso immer wieder der Föderalismus als eines der größten Probleme im Bildungssektor benannt wird.
Das Problem ist doch (sehr verkürzt), dass in den Ländern bildungspolitisch nicht das passiert, was sich viele wünschen. Viele Länder argumentieren, dass sie vom Bund zu wenig Geld bekämen und dass die Situation ja eigentlich auch gar nicht so schlimm sei.

Wieso sollte weniger Föderalismus an dieser Problematik etwas ändern? Dann ist es am Ende eben der Bund, der zu wenig Geld für Bildung ausgibt und die Probleme kleinredet, aber das Problem bleibt das gleiche.
Das Problem ist doch eher die politische Prioritätensetzung, die in der Vernachlässigung resultiert.

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Das Grundgesetz sieht die Möglichkeit einer Neugliederung des Bundesgebietes vor (Art. 29 GG), bei der halt eine Mehrzahl an Ländern übrig bleiben muss (Art. 79 III, „die Gliederung des Bundes in Länder“, Plural), das würde teilweise schon helfen. Ich schlage da immer gerne vor, die Anzahl vielleicht auf zwei zu reduzieren: Aldi Süd und Aldi Nord…? :grin:

Das ist ja auch 1951/52 schon einmal erfolgreich durchgeführt worden mit der Zusammenführung Baden-Württembergs (wenn auch nicht über Art. 29 sondern über Art. 118 bzw. ein entsprechendes Gesetz); zuletzt aber 1996 (über Art. 118a) in Berlin-Brandenburg gescheitert (weil Brandenburg nicht wollte).

Das ist natürlich immer die interessante Diskussion.
Befürworter des Föderalismus heben immer hervor, dass der Föderalismus das Austesten diverser unterschiedlicher Systeme ermöglicht, sodass man schneller herausfinden kann, was gut funktioniert und was nicht. Das Problem ist nur: Ich sehe diesen Effekt nicht.

Bildungspolitik wird vor allem ideologisch verfolgt. Die Konservativen Parteien (Union, FDP, AfD) werden stets an einer starken Segregation (z.B. das dreigliedrige Schulsystem) festhalten, progressive Parteien werden stets ein gemeinsames Lernen und damit den Abbau von „Schichtgrenzen“ bevorzugen.

Und das ist das große Problem des Föderalismus:
Er ermöglicht es den Ländern, die Schuld dem Bund zu geben, während der Bund sagt, Bildung ist Ländersache, damit haben wir gar nix zu tun. Statt die Probleme zu lösen, wird daher munter versucht, die Verantwortung abzuwälzen.

Eine klare Verantwortlichkeit für die Bildungspolitik würde vermutlich die Priorität für die Politik erhöhen. Desto eher man die eigene Verantwortung abwälzen kann, desto eher kann man die Priorität heruntersetzen und den „easy way out“ nehmen, indem man die Schuld für die Missstände abwälzt.

Aber ich bin da zugegebenermaßen auch Biased, weil ich den Föderalismus zu Zeiten immer stärkerer Europa-Integration für „eine politische Ebene zu viel“ halte…

Es ist immer einfach, sich selbst Argumente auszudenken, die man dann dem Gegenüber unterstellen und widerlegen kann :slight_smile: (Es stimmt schon, manche argumentieren so, ich habe das aber mit keiner Silbe erwähnt!)
Außerdem: Ist denn das Ausbleiben eines unterstellten positiven Effektes von Föderalismus schon ein Argument für Zentralismus?
Der Föderalismus entstand aus anderen Gründen, primär der Machtaufteilung wegen.

Da stimme ich dir zu, das hat aber nichts mit Föderalismus vs Zentralismus zu tun.

Ich sehe das Problem, allerdings glaube ich nicht, dass ein zentralistischeres System da inhärent besser sein soll. Das Abwälzen von Verantwortung und wegschieben von Schuld passiert auf Bundesebene genauso…
Aber du hast schon Recht, wenn man das Verschieben von Verantwortung als eines der Hauptprobleme ansieht, dann sind weitere Hierarchieebenen natürlich grundsätzlich nicht förderlich.

Es gibt jetzt schon eine klare Verantwortlichkeit und die liegt beim jeweiligen Kultusministerium. Die werden ja auch nicht müde zu betonen, dass Bildung Ländersache ist und bleiben soll. Es ist also nicht so, dass die Verantwortung immer auf andere Ebenen geschoben würde. Ich habe spontan auch nicht in Erinnerung, dass die Länder den Bund für Probleme in der Schulpolitik verantwortlich machen, das würde doch ihrer eigenen Argumentation widersprechen.

Die Frage, die sich mir stellt, welche Bedeutung bzw Stellenwert hat Bildung in der Politik?

Auch für Landesregierungen gilt die Legislaturperiode von 4 Jahren, und Bildungsergebnisse bzw Veränderungen im Bildungssektor zeigen sich meist in deutlich längeren Zeiträumen.
Daher ist es für Landes-(und Bundes-)Regierungen nachvollziehbar, auf Projekte mit schnellen Ergebnissen zu setzen, um bei den Wählern für die nächste Wahl zu punkten.
Und ähnlich wie bei diesen „schwarzen Löchern“ wie auch der Bundeswehr sieht man bei der Bildung nur selten, welchen Effekt investierte Gelder haben, und man kann sich leicht vergallopieren…was bei der nächsten Wahl wieder ungünstig ist.

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Tatsächlich sind es in den Ländern 5 Jahre, mit Ausnahme von Bremen.

Das ist tatsächlich auch ein Problem, dass man in einigen Bundesländern beobachten kann. Hier in NRW hatten wir z.B. in den letzten 20 Jahren etliche Wechsel von SPD- zu CDU-Führung, was dazu führt, dass sich in der Bildungspolitik eigentlich gar nichts wirklich tut, weil jede Ankündigung einer maßgeblichen Änderung von der jeweiligen Opposition direkt entgegnet wird, dass man es wieder rückgängig machen wird, wenn man die nächste Wahl gewinnt.

Wenn die Länder halt nur noch zwei große Kompetenzen haben, ist klar, dass diese auch gegen die politische Konkurrenz mit Klauen und Zähnen verteidigt und entsprechend ideologisiert werden.

Dass Bayern im Bereich Bildung z.B. relativ gut dar steht hat auch einfach damit zu tun, dass dort seit Ewigkeiten die gleiche Partei regiert. Ein weniger guter Kurs, der konstant über Jahrzehnte verfolgt wird, führt halt immer noch zu besseren Ergebnissen, als ein ständiger Kurswechsel mit gegenseitiger Blockierung.

Die meisten Änderungen würden die Bürger vor allem im Alltag bemerken. Wenn z.B. eine offene Ganztagsschule eingeführt wird oder das dreigliedrige Schulsystem abgeschafft wird, spüren das die Bürger schon ziemlich direkt. Bei anderen Aspekten (Personal, Ausstattung, Räumlichkeiten) hast du natürlich Recht, dass die Auswirkungen davon kaum wahrgenommen werden.

Ist das gemeinsame Lernen wirklich progressiv? Ich wurde damals mit gemeinsamen Lernen bis Klasse 7 beglückt. Ich erinnere mich noch ziemlich gut. Bis zum Ende der Grundschule in Klasse 4 ging das noch (mit Ausnahmen in denen die Erfüllung von Zusatzaufgaben bestraft wurde) recht gut. Die Klasse 5 und 6 war hingegen gänzlich verloren und in ihrer Langsamkeit völlig demotivierend für mich. Ein Interesse am Lernen habe ich erst zum Ende des Studiums (Semester 7-10), dank einiger sehr engagierter Professoren, wieder für mich entdeckt. Einiges an Potenzial ist bei mir dennoch verloren gegangen.

Oft haben wir in Klasse 5-6 Aufgaben für 30 Minuten bekommen und ich war nach 10 Minuten fertig. Die Lehrer waren aber mit den Leistungsschwächeren so beschäftigt, dass sie sich nicht um die Stärkeren (ich war nicht der einzige) kümmern konnten. Auch heute bekomme ich im privaten Umfeld regelmäßig mit, dass gemeinsames Lernen vor allem Leistungsstarke in ihren besten Jahren ausbremst. Auch Lehrer in meinem Freundeskreis äußern sich sehr kritisch zu den Theorien des gemeinsamen Lernens. In der Praxis fliegt das anscheinend nicht.

Dein „fortschrittlicher“ Ansatz ist vor allem eines, leistungsfeindliche Gleichmacherei. Wichtiger als das Verwischen von Schichten durch Gleichmacherei, ist das System durchlässiger zu machen. Es sollte kein Stigma sein an der Realschule zu sein. Es sollte auch kein Privileg sein am Gymnasium zu sein. Und noch wichtiger, der Wechsel muss jederzeit ohne Nachteile bei entsprechender (aktueller) Leistungsfähigkeit möglich sein.

Eine Gesellschaft kann sich nicht auf Dauer leisten ihre (zukünftigen) Leistungsträger ständig auszubremsen. Stattdessen sollte sie das Ziel haben möglichst viele zu Leistungsträgern zu machen.

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Die Stelle würde ich nochmal einem kritischen Lektorat unterziehen.

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Als Lehrerin und mit meinen Erfahrungen hier in Frankreich (als Lehrerin und Mutter), wo die Schüler:innen bis zur 3ème (9.Klasse) gemeinsam lernen, bin ich ein überzeugter Fan des gemeinsamen Lernens, aber du hast völlig recht, dass es oft nicht gut genug funktioniert. Das hat aber den Grund, dass die Klassen zu groß oder die Lehrer:innen didaktisch nicht gut genug ausgebildet sind.
Im gemeinsamen Lernen liegt großes Potenzial, während bei zu früher Trennung der Schulwege die (teilweise nur scheinbar) schŵächeren Schüler:innen zurückgelassen werden.
Jedenfalls ist „Selektion“ nach der 4. Klasse zu früh und sorgt für Druck.
Kinder aus bildungsfernen Familien kann man besser „mitnehmen“ und fördern, wenn man alle gemeinsam lernen lässt. Auch weniger intelligente Kinder profitieren von einer heterogenen Klassengemeinschaft.
Was die leistungsstarken wie dich betrifft, müsste die Gesamtsituation natürlich so aussehen, dass auch sie gefördert werden. Meiner Erfahrung nach sind sie aber auch kaum „aufzuhalten“. Was du gebraucht hättest, wären kluge Herausforderungen gewesen, zugewandte Lehrer mit genug Zeit oder Kraft auch für dich.
Der Fehler war sicher nicht das gemeinsame Lernen.

Das Ideal des gemeinsamen Lernens ist bisher nicht erreicht worden, weil wir noch zu sehr defizitorientiert denken. Gemeinsames Lernen bedeutet nur bei schlechter Durchführung „Gleichmacherei“, bei guter Durchführung bedeutet es vor allem „gezielte individuelle Förderung“, sowohl der Leistungsschwachen, als auch der Leistungsstarken. Dummerweise ist auch unsere Lehrerausbildung darauf nicht ausgelegt, von den sonstigen Lernumständen (zu große Klassen, schlechtes Unterrichtsmaterial) mal ganz abgesehen.

Als jemand, der eine völlige Schulabbrecher-Karriere hingelegt hat (ich habe die Hauptschule nach der 9ten Klasse ohne Abschluss verlassen) und alles später nachholen musste, kann ich deinen Punkt gut nachvollziehen. Denn der Grund für meine Schulkarriere war eben auch, dass ich in der Hauptschule derart unterfordert war, dass ich jedes Interesse an Schule verloren hatte (und da ich aus einer von Drogensucht, Kriminalität und Langzeitarbeitslosigkeit geprägten Familie komme, war etwas anderes als die Hauptschule für jemanden wie mich nicht drin, weil ich auf Grund des Familienhintergrundes - wenig überraschend - verhaltensauffällig und ziemlich aggressiv war).

Ein System mit Schwerpunkt auf die individuelle Förderung des Einzelnen hätte vermutlich unser beider Schulzeit deutlich angenehmer gestaltet, dabei ist es fast zweitrangig, ob diese individuelle Förderung in einer gemeinsamen oder segregativen Einrichtung stattfindet. Aber wegen meines Hintergrundes sehe ich die Lösung des Problems eben nicht in einer „individuellen Förderung nach Segregation“, da durch die Segregation schon verhindert wird, dass wirklich individuell gefördert werden kann.

Gleicher Lernstoff innerhalb einer Klasse ist z.B. nur unter der Prämisse von „Frontalunterricht“, daher: Der Lehrer erklärt die Welt, zwingend. In modernen Lernkonzepten ist es ohne weiteres möglich, dass verschiedene Leistungsgrade innerhalb einer Klasse unterschiedlich komplexe und anspruchsvolle Aufgaben bekommen, vor allem leistungsstärkere Schüler auch in die Unterrichtsgestaltung einbezogen werden („Lernen durch Lehren“). Da ist einfach noch eine Menge Luft nach Oben - wenn man sich vom Konzept des Frontalunterrichts löst.

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Danke euch beiden für die Darstellung. Ich verstehe euch und sicher habt ihr auch recht, dass das gemeinsame Lernen klappen kann.

Die Klassen sind zu groß und die Ausbildung nicht ausreichend auf individuelle Förderung abgestimmt. Außerdem ist ein Großteil der Lehrer ü50 und damit mit neuen Konzepten vielleicht nicht so vertraut.

Dennoch, da die Voraussetzungen so sind wie sie sind, kann ich doch nicht das gemeinsame Lernen zum Ideal machen. Zuvor müssen wir zwangsläufig die Voraussetzungen schaffen, damit es funktioniert. Leider läuft der politische Prozess oft anders ab (wie eben auch damals in meinem Bundesland, dank des Einflusses der SPD). Da wird einfach erklärt, dass gemeinsames Lernen der „Neue heiße Scheiß“ ist und „per Dekret“ eingeführt. Darunter leiden dann halt alle.

Das als progressiv zu bezeichnen ist wie Bitcoin, Scrum oder Miet-E-Scooter als progressiv zu bezeichnen. Theoretisch mag es fortschrittlich sein, aber nur unter der Voraussetzung gemachter Hausaufgaben. Wenn die Voraussetzung hingegen nicht stimmen, macht man damit alles nur noch schlimmer.

Hut ab. Es gehört unheimlich viel dazu

  1. Diese Bildungskarriere so verfolgt und sich durchgekämpft zu haben und
  2. Darüber so offen sprechen zu können.

Dafür hast du meinen vollen Respekt.

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Ja, die Bedingungen müssen besser werden.
Jedoch brauchen wir das Potenzial aller Menschen.
Kaum zu verstehen, dass die Politik nicht wirklich sieht, wie wichtig Bildung ist, bzw. es nicht schafft, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Ich habe es damals nur durch einen Gymnasiallehrer, der eine Art Mentor für mich war, ans Gymnasium geschafft. Meine Eltern wollten mich nicht schicken. Katholisches, armes Arbeiterkind und Mädchen vom Land mit vielen Geschwistern. Noch nicht einmal die Grundschullehrerin hat damals geglaubt, dass ich mich am 20 km entfernten Gymnasium durchbeißen könnte.
Und das bei einem ziemlich hohen IQ. Heute würde man wohl hochbegabt sagen. Ob ich es ohne meinen Unterstützer, der meine Eltern überzeugt hat, bis zum Abitur geschafft hätte…?
Mit Eltern, die mit 14 die Schule verlassen mussten und keine Fremdsprache konnten.
Alle Kinder wollen lernen und sollten individuell wahrgenommen und gefördert werden.
Ja, die Klassen sind zu groß. Es könnte alles so gut funktionieren, wenn die Bedingungen stimmen würden. Unser Ziel sollte sein, diese zu verbessern. Schwierig

Auch wenn ich es etwas weniger drastisch ausdrücken würde, stimme ich dir im wesentlichen zu.

Das beschriebene ist aber kein Phänomen, dass ausschließlich auf Schulen zutrifft, auch an den Universitäten (zur Situation an den Fachhochschulen kann ich mangels Berührungspunkten nichts sagen) ist der Trend seit Jahren ein race to the bottom. Wenn für irgendetwas mal außerplanmäßig Geld in die Hand genommen wird, dann für den 100. Brücken- oder Vorkurs oder später im Studium dann das 10000. Tutorium, um immer mehr leistungsschwachen SuS den Zugang zur Uni zu ermöglichen. Was in meinen Fächern (Mathe und Physik) zwar auch zu einer Erhöhung der Anfängerzahlen geführt hat, aber bei den Absolventen ist von diesem Zuwachs nur unwesentlich zu spüren.

Es wird oft beschworen, dass Bildung die einzige Ressource ist, die wir in Deutschland haben. Dann sollte man es auch ernst meinen und die wirklich guten* adäquat fordern und fördern. Es muss nicht jeder Abitur machen und es muss auch nicht jeder studieren.

*Hier ist dann auch die Durchlässigkeit des Systems ein wichtiger Bestandteil. Es darf für niemanden ein Hindernis sein, aus einer einkommensschwachen Familie zu kommen.

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Verpflichtender, für ärmere Familien kostenloser Kindergarten und Ganztagsschule wäre ein erster richtiger Schritt.

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Ein Faktor ist möglichetweise auch, das man in den Familien oft das Bild zeichnet, ohne Abitur und Studium bleibt nur Hartz4.

Ggf sollten auch Eltern mehr Realismus ob der Leistungsfähigkeit zeigen, und auch als Verkäuferin kann man einen erfüllenden Beruf haben.

Das Gehaltsgefälle ist ein anderes brisantes Thema

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Das was du beschreibst, höre ich anekdotisch auch öfter aus dem universitären Umfeld, es hat aber eher wenig mit der Diskussion um das dreigliedrige Schulsystem zu tun. Deutschland und Österreich sind weltweit die einzigen Länder, die nach der vierten Klasse aufteilen. Wenn du also nicht unterstellen willst, dass alle anderen Länder „leistungsfeindlichere“ (Hoch-)Schulsysteme haben als Deutschland und Österreich, kann das Problem der Hochschulen nicht daran liegen. Außerdem wurde das deutsche Bildungssystem ja auch nicht fundamental verändert oder so, wie sollen also einfach nur Forderungen nach Reformen aktuelle Probleme begründen?

Es ist doch eine Farce, erst für das Beibehalten des dreigliedrigen Schulsystems zu argumentieren und dann aber, die Kritik antizipierend, schnell noch so einen Satz zu ergänzen. Diese Durchlässigkeit ist in den letzten 100 Jahren nicht geglückt.
Das BMBF sagt selbst:
„Es entscheidet in kaum einem anderen Industriestaat die sozio-ökonomische Herkunft so sehr über den Schulerfolg und die Bildungschancen wie in Deutschland. Zugleich gelingt es in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich schlechter, Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gute schulische Kompetenzen zu vermitteln.“
Das sind die Fakten. Das aktuelle Schulsystem ist bereits ungerecht. So wie ihr argumentiert, spielt ihr überdurchschnittlich Starke auf der einen Seite und Leistungsschwache und von Diskriminierung Betroffene auf der anderen Seite gegeneinander aus.

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Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, die von dir @David beschriebenen Probleme der Universitäten können zum Teil auch eine Konsequenz des dreigliedrigen Schulsystems sein (mal davon ausgehend, diese Probleme existieren wirklich):

Es ist de facto so, dass ein Wechsel zwischen den Schulformen schwierig und eigentlich nicht geplant ist. Es liegt also im Interesse der Eltern, ihr Kind falls irgend möglich auf ein Gymnasium (oder Gesamtschule) zu schicken, wenn dem Kind nicht schon mit 10 Jahren die Chance auf ein Studium verbaut werden soll. An den Gymnasien wird versucht, die meisten Kinder mitzunehmen, das ist ja irgendwie auch das Ziel. Selbstverständlich wird sich dabei auch bis zu einem gewissen Grad der Leistung der SchülerInnen angepasst, das ist nur menschlich und lässt sich gar nicht vermeiden.
(Gleichzeitig ist es oft erklärtes Ziel von KultusministerInnen, jedes Jahr möglichst viele AbiturientInnnen zu haben, aber das nur am Rande)

Wer es dann aber irgendwie durch das Abitur geschafft hat, hat auch jede Berechtigung an eine Hochschule zu gehen, unabhängig davon, ob es individuell sinnvoll wäre.

Das Problem gäbe es so drastisch nicht, wenn sich wirklich um eine bessere Durchlässigkeit bemüht würde:
Kooperative Gesamtschulen, Integrative Gesamtschulen, zweigliedrig statt dreigliedrig, Aufteilung nach frühestens 8 statt 4 Jahren, etc.
Es gibt einen Haufen bereits in anderen Ländern erprobter Ansätze. Die alle mit dem Vorwurf der „Gleichmacherei“ abzustempeln, halte ich für unangemessen @pitus Ich sage auch nicht, dass jeder dieser Ansätze ein Allheilmittel für das Bildungssystem wäre. Aber so wie es ist, kann es auch nicht bleiben.

Natürlich spielt da auch mit rein, dass ein (abgeschlossenes) Studium mit einem gravierenden Ansehensgewinn verbunden ist, zusätzlich zu den je nach Bereich größeren oder kleineren monetären Vorteilen. Das hier auch noch zu berücksichtigen, würde aber zu weit führen.

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