LdN327: Bankanleihen bitte noch einmal für Dummies erklären

Liebe LdN-Community,
ich tue mich immer ein bisschen schwer damit, (Bank-)Anleihen als Konstrukt zu verstehen und habe in der aktuellen Ausgabe die Anleihenproblematik bei der Silicon Valley Bank nicht ganz verstanden. Vielleicht kannt mir hier noch einmal jemand Nachhilfe geben. Ich habe irgendwo glaiube ich einen Denkfehler.

Eine Anleihe ist nach meinem Verständnis eine Art Kredit für den Anleihe-Ausgeber (Staat oder Unternehmen). Eine Bank kann mir zB eine Anleihe für 100€ mit 5 Jahren Laufzeit und 3% Zinsen im Jahr verkaufen/ausgeben. Praktisch bedeutet dies, dass ich der Bank 100€ gebe, die ich nach 5 Jahren zurückbekommen soll. Gleichzeitig verpflichtet die Bank sich dazu, mir jedes Jahr 3% Zinsen auf die Anleihe zu zahlen, ich bekomme also über 5 Jahre jährlich 3€. Nach 5 Jahren Laufzeit habe ich also meine 100€ zurück und gleichzeitig 15€ Zinsen bekommen.

Anleihen können als Gut gehandelt werden. Ich kann meine Anleihe bei einer Bank also z.B. an eine dritte Person verkaufen. Abhängig insbesondere von der Bonität des Anleihe-Ausgebers und dem Zins bekomme ich beim Weiterverkauf meiner Anleihe 100% des Anleihewertes oder mehr oder weniger.

Nun zum aktuellen Fall: Auch die Silicon Valley Bank hat solche Anleihen zu den Konditionen XY ausgegeben.

In der Lage wurde der Sachverhalt nach meinem Verständnis wie folgt geschildert: Seitdem die Zinsen allgemein gestiegen sind, haben die alten Anleihen der Silicon Valley Bank an Wert verloren. Das liegt daran, dass es für Anleger lukrativer geworden ist, das Geld nicht in vergleichsweise niedrig-verzinste Silicon Valley Bank Anleihen zu investieren, sondern in andere Anlagemöglichkeiten.

Meine Frage ist jetzt, wie diese Entwicklung die Bank überhaupt in Schwierigkeiten bringen kann. Meine Gedanken dazu sind folgende:

  • niemand möchte mehr Anleihen bei der Silicon Valley Bank direkt kaufen, weil es keine attraktive Anlagemöglichkeit mehr ist. Dadurch fällt der Bank eine Finianzierungsmöglichkeit weg, sodass sie weniger Geld am Kapitalmarkt aufnehmen kann.

  • dieses Problem könnte die Bank aber doch lösen, indem sie die Konditionen ihrer Anleihe verbessert. Das müsste sie doch wirtschaftlich können, weil sie das ihr geliehene Geld aufgrund der allgemein gestiegenen Zinsen wieder gut weiterinvestieren kann

  • weiterhin ist mein Gedanke, dass der allgemeine Wertverlust der Silicon Valley Bank Anleihen die Bank selber doch erst einmal nicht betrifft, oder? Betroffen sind doch erstmal die Anleiheinhaber, die nun eine Anleihe haben, die nicht mehr so viel Wert ist wie zum Ausgabezeitpunkt. Das ist aber doch eigentlich kein Problem der Bank, sondern ein Problem des Anleiheinhabers? Das ist doch gerade sein/ihr typisches Anleiherisiko. Ich kann doch auch ein Sparbuch mit fester Verzinsung für 5 Jahre mit 2% pro Jahr fest verzinst abschließen. Wenn die Zinsen nun stark steigen, habe ich eben Pech gehabt und kann 5 Jahre lang nicht an das angelegte Geld dran. Würden die Zinsen stark unter 2% fallen, hätte ich wiederum Glück gehabt. Die Risikolage zwischen Sprabuch und Anleihe als Anlagenprodukte ist doch ähnlich → das Risiko liegt erst einmal beim Anlage-Inhaber und kann doch die Silicon Valley Bank nicht in Probleme stürzen.

  • der Wertverlust der Silicon Valley Bank-Anleihen kann die Bank selbst doch erst dann in ersthafte Schwierigkeiten bringen, wenn die Bank selber ihre eigenen Anleihen wieder aufkauft, oder? Erst dann würde der Wertverlust der Anleigen doch zu einem finanziellen Verlust bei der Bank selbst führen, oder?

Letzteres ist irgendwie das einzige Szenario, bei dem es in meinem Kopf Sinn macht, dass der Wertverlust der Silicon Valley Anleihen die Bank selber in eine Schieflage bringt. Ulf sagt in der Lage, dass die Silicon Valley Bank „sehr viele ihrer Anleihen unter Wert verkaufen mussten“, um den „run auf die Geldautomaten abzudecken“.

Musste die Silicon Valley Bank jetzt neue Anleihen zu für sie sehr schlechten Konditionen ausgeben oder mussten die ihre eigenen Anleihen, die sie vom Markt wieder aufgekauft haben, zu sehr schlechten Preisen verkaufen? Ich habe das Gefühl, dass ich hier irgendetwas nicht verstehe bzw. durcheinander bringe.

Ich würde mich mega freuen, wenn mir jemand von euch auf die Sprünge helfen könnte :slight_smile:

Bin zwar keine Finanzmensch und habe die Folge noch nicht gehört, aber hier hast du einen Denkfehler:

„Ihrer Anleihen“ ist in diesem Fall nicht Silicon Valley Anleihen, sondern Anleihen die durch die Silicon Valley gehalten wurden und massiv an Wert verloren haben.

Also die Silicon Valley als Anleiheninhaber aus deiner Erklärung, nicht als Anleihenausgeber.

4 „Gefällt mir“

Genau was Olaf sagt.
Und das wichtigste hast du auch richtig verstanden.

Die Silicon Valley bank hat Anleihen am Kapitalmarkt gekauft, d.h. Sie hat Geld verliehen.
Diese Anleihen haben, getrieben durch das zinsumfeld, stark an wert verloren.
Das passiert auch bei allen anderen Akteur:innen die Anleihen halten, und gilt auch fürs direktkreditgeschäft.

Warum trifft das jetzt die Silicon Valley bank besonders? Das sind Im wesentlichen Bilanzregeln:

  • unter gewissen Umständen (wenn du planst die Anleihen für ihre gesamte Laufzeit zu behalten und nicht zwischendurch zu verkaufen) musst du Wertverluste/Gewinne aus marktpreisschwankungen nicht direkt in deinen Jahresabschluss schrieben. Die silicon Valley Bank hat „Stille Verluste“ gesammelt . Disclaimer: ich weiß nicht genau wie die SVB bilanziert, aber das ist eigentlich immer ähnlich
  • die beiden Seiten deiner Bilanz (aktiv und passivseite) müssen immer ausgeglichen sein. Wenn jetzt auf der passivseite aus irgendwelchen Gründen Gelder abfließen ( hier geschehen: Abfluss vom Kunden Einlagen) hast du kurzfristig zwei Optionen: dich entweder am Kapitalmarkt refinanzieren, d.h. Zusätzliche Kredite Avon anderen Banken aufnehmen oder deine aktivseite kürzen, d.h. Handelbare Wertpapiere verkaufen.
    Bei der svb war Option 1 wohl raus, weil niemand (zu sinnvollen Konditionen) Geld an sie leihen wollte, darum sind sie auf Option 2 gegangen/ haben Option 2 durchgerechnet. Wenn du aber deine Wertpapiere von oben mit den stillen Reserven verkaufst, dann. Werden die „bilanzwirksam“, d.h. Du musst die Verluste verbuchen.

Ich hoffe das war verständlich sonst gerne nochmal hier oder per PN nachfragen :slight_smile:

1 „Gefällt mir“

Noch ein wichtiger Hinweis, der nicht direkt mit den Anleihen zu tun hat, sondern mit den Einlagen:

Für die Firmenkunden der SVB gab es keine relevante Einlagensicherung, d.h. den klaren Anreiz, das Geld lieber schnell abzuziehen, wenn sich Probleme abzeichnen.

Das ist anders als für die meisten Privatanleger hierzulande.

Vielleicht noch ergänzendwert: ich würde das „hierzulande“ in deinem letzten Satz streichen. Das ist im wesentlichen in den USA gleich wie in Europa

1 „Gefällt mir“

Und nun kommt die Rettung der durch die Zentralbank ins Spiel:

Diese kann nun, weil ihr Verluste in US-Dollar nichts anhaben können, die Anleihen zum Nennwert statt zum Marktwert akzeptieren. Entweder direkt kaufen oder als Pfand, um einer Bank, die Geld braucht, Zentralbank zu leihen. Meinem Informationsstand wird dies nun für (Alt-)Anleihen so gehandhabt in den USA. Was einer Revolution gleichkommt.