LdN325 LehrerInnenmangel: Gründe

Ich finde deinen Kommentar tendenziös. Und gebe nicht viel auf diese Studien, die im Endeffekt sagen, dass es ja doch alles nur faule Säcke sind, die den Beruf ausüben, aber eigentlich komplett ungeeignet sind und das Aufgabenprofil nicht erfüllen können, weil sie falsche Erwartungen haben.

Ich kenne mehrheitlich Lehrkräfte, die den Job an sich gerne machen, aber von der Aufgabenlast genug haben.
Und ja, wenn ich jahrelang ein Fach studiert habe, im Studium auf die Fachinhalte und die Vermittlung derer ausgebildet werde, und dann mache ich im späteren Beruf doch irgendwie 50 Prozent andere Aufgaben (z. B. Geld einsammeln, Streitigkeiten lösen, Mails an Eltern und Kolleg:innen versenden, Konferenzen vorbereiten), kann das zu Frustration führen. Von daher finde ich deine angeführten Studien sehr schlecht und nicht zutreffend.

Das stimmt nicht. Eine Realschulkraft verdient A12, und dann auch nur eine verbeamtete Kraft. Und das, obwohl seit Jahren alle neuen Lehrkräfte ein genauso langes Studium und Referendariat hinter sich gebracht haben!

Zudem wirst du in eine höhere Laufbahn eingruppiert und kannst dich ganz einfach auf A14 Stellen bewerben. Für Sek. I Lehrkräfte ist mit A13 (ohne Zulage!) Schluss.

Schön also, dass du findest, dass du genug verdienst.

Ich möchte auch ergänzen, dass es ja nicht ausgeschlossen ist, dass man als Ingenieur auch mal Prämien für gut abgeschlossene Aufträge bekommt. Habe ich so bei einem Bekannten erlebt, der mal gut 10.000 Euro on top gekriegt hat.
Als Lehrkraft darf man im Jahr nicht mehr als 1100 oder waren es 1200 Euro(?) zusätzlich verdienen. Politiker:innen, die nebenbei noch diversen Nebentätigkeiten nachgehen, haben es da wesentlich besser.

Bei einer befreundeten Bundesbeamtin ist es auch nochmal anders mit Vergütungen. Die scheint für diverse Zusatzaufgaben auch einfach mal einige Euro mehr zu kriegen.
Im Schulalltag erlebt man ja schon, dass Kolleg:innen mit diversen Zusatzaufgaben vielleicht mal eine Ermäßigungsstunde bekommen. Aber mehr Geld gibt es nicht. Oder Kolleg:innen, die eine Beförderungsstelle bekommen haben, aber dann die entsprechende Aufgabe eher gar nicht ausüben… Das System ist schon sehr sonderbar und veraltet. Es müsste in so vielen Bereichen reformiert werden.

  1. Natürlich ist nicht jeder Lehrer Deutschlehrer, aber auch nicht jedeR Mathelehrer:in. Plädiere doch für Fach-angemessene Bezahlung, statt das Ganze so zu relativieren. Davon hat eine Deutschlehrkraft auch nichts.
  2. Nicht selten werden Deputate durch einen Dienstbeschluss auch mal aufgeteilt, also vielmehr schöngerechnet. Befreundete Lehrerin wurden kürzlich die Schulstunden von 45 auf 40 min Lehrzeit verkürzt. D.h. plötzlich statt 28 nun 31,5 Schulstunden die vorbereitet/ nachbereitet werden müssen, denn die 5 Min/ Stunde bedeuten wohl nicht weniger Vorbereitung. Habe immer mal wieder von solchen individuellen Stundenmodellen gehört, die die Arbeitszeit unnötig strecken, insbesondere im Ganztagsbereich. Zudem wie bereits geschrieben wurde: Vorbereitung ein Jahr im Voraus? Wie soll das gehen? Ein Großteil der Vorbereitung an Schulformen die nicht die gymnasiale Oberstufe betreffen, sind Elterngespräche/ Mails/ Besuche von SuS/ Klassenfahrten etc. Sowas kann man gar nicht weit im Voraus planen, selbst wenn man wollte.
  3. In meinem Umfeld sind nur die Sommerferien wirklich lang und andauernd, andere Ferien meist Korrekturzeiten/ Zeugnisse.
    Ich persönlich finde aber die langen Sommerferien, insbesondere vor dem Hinblick von sozialer Ungleichheit im Bildungssystem, bei dem einkommensstarke Familien deutlich leichter die „bildungsfreien“ Ferien überbrücken können, nicht mehr zeitgemäß.
    Hier würde ich ein Modell befürworten, dass Lehrer:innen flexible 30 Urlaubstage bekommen (meinetwegen mit 3 Wochen „Betriebsurlaub“ in den Sommerferien), dafür aber die gesamte Arbeitszeit erfasst würde. So wäre die Belastung etwas verteilter und man müsste sich nicht von Ferien zu Ferien „retten“, zudem hätte man flexible Urlaubstage für Geburtstage/ Hochzeiten/ Trauerfeiern oder um mal Kurztrips zu machen.
  4. Das was du vorrechnest betrifft aber nur Lehrer:innen mit Beamtenstatus und klammert rund 10-20% der Lehrkräfte in vielen Bundesländern aus. Die Vorteile die dieser Status bringt werden ja durch den Verlust gewisser Bürger:innenrechte (Streik, Dienstanweisungen, Disziplinarrecht…) „erkauft“.
    Dieses Gehalt ist gut, überdurchschnittlich. Das kann man in Hinblick auf die Einkommensverteilung in D nicht leugnen. Trotzdem ist die Ausbildung sehr lang, der Numerus-Clausus teilweise sehr hoch. Zudem: Ja, das Einstiegsgehalt ist im Vergleich sehr hoch. Nach 10-20 Jahren Berufserfahrung im vergleich zu anderen Akademiker:innenjobs wird dies aber oftmals überholt. Außer Bildungsbehörden bleibt LuL kaum eine Aufstiegschance.

Wie ich bereits in meinem vorherigen Beitrag geschrieben habe: der ganze Bildungssektor ist sehr, sehr heterogen, selbst für einen sehr hierarchischen, strukturierten ÖD. Manchmal sind Konzepte/ Stellen derselben Fächer von selben Schulstufen in unterschiedlichen Bundesländern kaum vergleichbar. Geschweige denn am Ende alle Fächer, Schulstufen in allen BL, also „Die Lehrkräfte“.

Du hast damit außerdem nicht einen Grund für Lehrer:innenmangel aufgezeigt. Mit der Argumentationsweise müssten es ja 500 Bewerber:innen auf eine Stelle geben.

In Baden-Württemberg sind definitiv alle Realschulkräfte A13. Und ehemalige Hauptschulkräfte konnten auf A13 umsatteln.

Aber wie ich bereits sagte: auch Grundschullehrkräfte sollten das gleiche bekommen.

Darum geht es mir nicht. Mir geht es um den Blick, dass man zumindest mit A13 nicht schlecht verdient.

Wenn dauerhaft erzählt wird Lehrkräfte würden schlecht verdienen, dann ist das in der Sache falsch und schreckt bestimmt einige ab. Davon landen viele in der deutlich schlechter bezahlten Werbebranche.

Der Rhythmus des Schultages in 45/60/90 Minuten Takt ist grundsätzlich zu hinterfragen, da er auf keinerlei wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht sondern willkürlich gewählt wurde…

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Tatsächlich berief sich die Einführung der 45-minütigen Schulstunde etwa in Preußen 1911 auf damalige wissenschaftliche Erkenntnisse (die allerdings noch nie unumstritten waren). Das Ziel war damals Verdichtung, damit nicht mehr nachmittags unterrichtet werden muss (Geschichte(n) aktuell: Warum hat eine Schulstunde 45 Minuten? – Deutsches Historisches Museum: Blog). Generell ist sowohl bei dem starren Stundenschema, als auch bei so manchem preußischen Schulbau die Genese des Schulwesens aus dem Militär nicht zu verhehlen…
Ich würde Dir aber zustimmen, dass es grundsätzlich keinen zwingenden pädagogischen Grund für die Taktung in 45-90 Minütige Einheiten gibt. Oder anders gesagt, es gibt zumindest flexiblere Modelle, die in der Praxis mindestens genauso gut funktionieren. Allerdings setzen sie ein hohes Maß an Autonomie und Flexibilität innerhalb der Schule voraus - und das mögen viele Schulverwaltungen ja nicht so gerne.

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Vielen Dank für den Hinweis. Ändert aber nichts an der Tatsache, dass aus heutiger Perspektive die 45 Minuten Taktung keinen Sinn ergibt…

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Das würde natürlich ein Prozess sein über viele Jahre. Man könnte so sagen: Je mehr Leute durch gestiegenes Prestige angezogen werden, umso so strenger kann ausgewählt werden, dass es sich so ungefähr die Waage hält bzw. der steigende Bedarf gedeckt werden kann.

Die Eignung während des Studiums zu prüfen ist eigentlich zu spät. Wer sich für Lehramt interessiert, wäre abgeschreckt durch die Chance, ein oder zwei Jahre verloren zu haben und die „Schande“, mittendrin zu scheitern. Solche Tests sollten doch schon in den letzten Schuljahren angeboten werden, da ist noch viel Flexibilität. Ein didaktisches Talent kann man da auch schon erkennen, vor allem aber müsste die Persönlichkeitsstruktur im Mittelpunkt stehen, also eingenständiges Denken, positive Lebenshaltung, psychische Robustheit, Menschenfreundlichkeit, möglichste Unabhängigkeit von schnelllebigen Sympathiebezeigungen (nicht wenige LehrerInnen beteiligen sich am schulinternen Sympathiewettbewerb, was zwangsläufig zu einem suboptimalen Unterricht führt mit Bevorzugung und Benachteiligung von SuS, und handeln sich zwangsläufig Niederlagen ein, die in Zynismus oder Resignation enden können.) Ausreichend Didaktik und gar Fachdidaktik kann man noch lernen.

Man kann sich das ja ansehen, wo es schon funktioniert und dann abkupfern mit der Freiheit, noch zu optimieren. Ich habe sehr oft das Gefühl, in DE sollte man das möglichst nicht machen, lieber das Rad neu erfinden. (Da bekomme ich regelmässig die Krise).

Ich verstehe den Ansatz und Wunsch ja, aber das doch eher Nebenschauplatz, bei einem derart maroden, ausbeuterischem und kruden System, wie es das aktuelle ist. Die Wahrheit aus meiner Sicht ist, dass das System in den allermeisten Fällen genau das, was Sie fordern schon auf viel unhumanere Weise umsetzt: jeder, der nicht enorm resistent und gewillt ist, steigt früher oder später eh aus. Es gibt immer ein paar Negativbeispiele, so ist das in allen Jobs und ich denke das werden auch Persönlichkeitstests nicht verhindern. Trotzdem fände ich dem Studium vorausgehende Tests gut, aber als Rückmeldefunktion an die Studienbewerber und gegebenenfalls anteilig als Auswahlkriterium. Vermeintlich „elitärere“ Lehrkräfte einzusetzen, wird aber kein Problem lösen; ich glaube nicht daran, dass dadurch plötzlich besser geeignetere Schüler in die Unis zum Lehramt streben oder dadurch in irgendeiner Weise das fehlgemanagte System besser läuft. Das ist denke ich ein Schluss, der nicht haltbar ist.

Zudem sollte man auch generell die Methodik und Aussagekraft von Persönlichkeitstypen hinterfragen und zumindest im Hinterkopf haben, dass die Bewertung auf Basis einer Normierung erfolgt. Und wenn diese Normierung und Bewertung hinsichtlich der Funktionalität der Lehrkräfte in DIESEM aktuellen System erfolgt, ist aus meiner Sicht der gesamte Wert solcher Untersuchungen nichtig. Denn die Fähigkeit in einem völlig verkorksten System ohne Schäden zu funktionieren, kann einfach kein guter Maßstab sein. Vielleicht sollte man ein System etablieren, in dem gerade auch andere als hochenergetische und resiliente Personen gute Lehrkräfte sein können, von denen Schüler auch sicherlich profitieren und nicht nur via Vorbildfunktion lernen können, dass Lehrkräfte hochfunktionale Alleskönner sind.

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Ganz ehrlich: Bei der Studie muss man als Empiriker schon auch mal sagen, dass man die Kirche hier getrost im Dorf lassen kann.

  1. Zunächst einmal wurden nur Mathematiklehrkräfte untersucht.
  2. Ich empfehle, mal die absoluten Unterschiede in den Skalen in Tabelle 4 und die darin enthaltenen Eta-Quadrate zu betrachten. Außerdem auch Abbildung 1 und die Mittelwertprofile; diese sind zwar erkennbar, aber ganz ehrlich: das sind doch auch eher granulare als weltbewegende Unterschiede. Die Lehrkräfte scheinen schon eher alle in dieselbe Richtung zu gehen, oder? Der größte Unterschied ist noch in der Bedeutsamkeit der Arbeit zu erkennen und darauf gehe ich in Punkt 3 ein - das ist nämlich ein fettes Manko. Basierend auf den Profilen und diesen statistisch zwar signifikanten (in den ANOVAs), jedoch absolut betrachtet eher kleinen Unterschieden in der Schülerwahrnehmung, die Nicht-Eignung von 70% der Lehrkräften abzuleiten, finde ich eine sehr steile These.
  3. Diese Analyse der Persönlichkeitsstruktur findet auf Basis eines Systems statt. Du vertrittst hier explizit die These: „Die Lehrer sind von den Eigenschaften her ungeeignet, deswegen gibt es die hohen Burnout quoten.“ Weißt du, was die Studie vielmehr zeigt? → Dass in dem aktuellen System manche Typen besser funktionieren als andere. Das hat erstmal nichts mit der grundsätzliche Befähigung zur Lehrkraft zu tun. Denn wenn Lehrer vom Schontyp die Arbeit nicht an erste Stelle setzen, dann kann das eindeutig eine reziproke Kausalitätsbeziehung mit dem System haben. Denn es ist doch auch ein gesunder Egoismus, die Arbeit nicht an erste Stelle zu setzen, wenn man in einem System arbeitet, das einen ausbeutet.
    Fazit: Ja, die Studie zeigt, dass Lehrkräfte mit einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur in Tendenzen weniger belastet und performanter in dem Job sind. Aber die Studienergebnisse sind ja extrem davon konfundiert, dass die Lehrkräfte sich gerade in diesem verkorksten System befinden. In einem annähernd gesunden System, wären vielleicht nur 10% überlastet. Das solltest du bedenken - dann fielen die Studienergebnisse sicherlich auch ganz anders aus. Für mich ist die Studie damit ebenfalls vielmehr ein Fingerzeig auf das System und nicht auf die Persönlichkeit von Lehrkräften. Wer sich durch das Referendariat schiebt, macht das meist, weil er den Job ausüben möchte, denn er weiß: weder wird er reich an Geld, noch an Freizeit, noch an Prestige. Und du solltest wirklich unterscheiden: Vielleicht haben 75% das Studium aus den Gründen begonnen, aber weißt du, wer 5 Jahre Studium, 1.5 Jahre Referendariat und 3 Jahre Revisionsbesuche durchzieht? Meist wohl eher die, die wirklich Bock auf den Job haben, sonst muss man schon enorm willensstark und ignorant sein.

Das ist falsch: 75% fangen aus diesen Gründen an Lehramt zu studieren, nicht 75% der Lehrer(!) hatten diese Gründe - das sind zwei völlig unterschiedliche Gruppen. Schau dir noch mal deine eigene Quelle an.

Übrigens sind Persönlichkeitstypen ein stark umstrittenes Konzept:
Persönlichkeitstypen sind empirisch nicht haltbar. Wenn wir große Gruppen von Menschen untersuchen, lassen diese sich nicht einfach wenigen Kategorien zuordnen“, erklärt Marcus Roth. Das sagt auch Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück, der sich mit dem Einsatz von Persönlichkeitstests in Bewerbungsverfahren beschäftigt: „Das zentrale Problem besteht darin, dass Persönlichkeitstypen die tatsächliche Vielfalt der menschlichen Persönlichkeit auf das Gröbste vereinfachen. Millionen von Menschen werden einem gemeinsamen Typus zugeordnet, obwohl sie sich de facto sehr stark voneinander unterscheiden. Das eigentlich sehr differenzierte Persönlichkeitsprofil jedes Einzelnen bleibt dabei auf der Strecke.“ Gleichzeitig entstehe der Eindruck, Menschen aus verschiedenen Gruppen würden sich sehr deutlich voneinander unterscheiden. „Wie bei einem Stereotyp – alle Frauen sind so und alle Männer ganz anders.“

Ich finde ehrlich gesagt auch, dass man die nicht sehr ertragreiche Zuordnung in der geringen Unterscheidbarkeit zwischen den Ausprägungen der vermeintlichen „Typen“ in der zitierten Studie erkennen kann.

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zu b) Als Gymnasiallehrer aus Bayern, der seit 3 Jahren an Schulen in Finnland arbeitet, kann ich bestätigen, dass die Kollegen hier ganz schön mit den Ohren schlackern, wenn sie vom Verdienst in Deutschland hören. Kollegen mit 20 Jahren Berufserfahrung bekommen weniger raus als Einsteiger in Bayern mit A13.

Andererseits gibt es mehrere Faktoren, die das Lehrerleben erleichtern und die Unterrichtsqualität erhöhen:

  • Die Unterrichtspflichtzeit ist geringer (z.B. 20 statt 24 Stunden für Fachlehrer, 24 statt 28 an der Grundschule in Bayern).
  • Für die Ausübung des Berufes nötige Materialien werden gestellt. Man gibt keinen Cent für Büromaterialien, Laptop, Handy, (digitale) Unterrichtsmaterialien, Druckerpatronen etc.aus.
  • Das Schulpersonal umfasst neben den Lehrer i.d.R. mehrere Schulpsychologen, Sonderpädagogen, Schulbegleiter/Sozialpädagogen, Beratungslehrer, eine Art hauptamtlichen Vertrauenslehrer (kuraattori), Krankenschwester/Arzt. Aufgaben, die in vielen deutschen Schulen von Lehrern nebenbei bzw. zusätzlich geleistet werden müssen, sind hier in professionellen Händen.
  • Vertretungsstunden werden überwiegend extern vergeben. Ein Pool aus Studenten, Rentnern, Freiberuflern, Arbeitslosen usw. fängt Ausfälle kurzfristig und stundenweise ab. Unterricht fällt praktisch nicht aus. Der zu vertretende Lehrer bereitet die Stunden vor, so dass inhaltliche Kontinuität gewährleistet ist.
  • Die Zulassung zum Studium ist nicht unbeschränkt oder nur über die Abiturnote gesteuert, sondern umfasst einen umfangreichen Eignungstest. Der prognostizierte Bedarf in ein paar Jahren +10% wird zugelassen, der Rest hat Pech gehabt und kann es später nochmal probieren. Entsprechend ist die durchschnittliche Eignung („Lehrerpersönlichkeit“) in meinen Augen höher.
  • Autonomie, Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten sind größer, Vertrauen in die Fähigkeiten der Lehrer höher. Späße wie Respizienz, Unterichtsbesuche durch Vorgesetzte oder Regelbeurteilungen gibt es nicht.

Dabei sei gesagt, dass nicht auch hier nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen ist. Es gibt an den Schulen durchaus Probleme, manche Entwicklungen sehe ich sehr kritisch und Burnout ist auch in Finnland kein Fremdwort, aber in manchen Bereichen könnte man voneinander lernen.

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Hallo DoT,

danke, dass für die ausführliche Antwort. Ich habe den Vergleich mit den Polizisten explizit nicht auf die Arbeitszeit oder Belastung bezogen, sondern wie diese mit der hohen Emotionalität im Alltag umgehen - dabei insbesondere mit der Unterscheidung „Ich als Polizist“ oder „Ich als Lehrkraft“ und „ich als Person“ und wie diese sehr unterschiedlich gelebt werden in beiden Berufsgruppen. Um das nochmal plastisch zu machen: Ein Lehrer wird 3 mal wöchentlich von Schülern angespuckt und angepöbelt vs Ein Polizist wird 3 mal wöchentlich angespuckt und angepöbelt - wie damit umgegangen wird, ist meiner Erfahrung nach grundsätzlich unterschiedlich und darum geht es mir. Dass man das tägliche Arbeitspensum und den Alltag beider Kräfte nicht vergleichen kann, sollte klar sein. Ebenso möchte ich, wie bereits oben beschrieben, nicht wegdiskutieren, dass der Lehrberuf sehr anstrengend und intensiv ist. Mir geht es darum, zu diskutieren, weswegen manche Berufe mit einer Belastung anders oder besser umgehen, als andere.

Eine Sache möchte ich jedoch kritisch hinterfragen in deinem Beitrag: Arbeiten die Lehrer so viel am Wochenende und zu Hause weil sie defintiv keine Möglichkeit haben, diese Tätigkeit unter der Woche im Schulgebäude zu machen - sprich weil es die räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeiten nicht gibt? Oder um umzuformulieren: Hat ein Lehrer keinen Arbeitsplatz in der Schule, bei dem die kommende Stunde vorbereitet werden könnte, sodass diese zwingend zu Hause erledigt werden müsste?
Und nochmals die Frage: Ist diese zusätzliche Arbeit explizit vom Dienstgeber gefordert und muss verpflichtend in dem Ausmaß und an diesem Zeitpunkt gemacht werden oder ist sie einer intrinsischen Motivation und eigenen Erwartungshaltung geschuldet?

Und eine Detailfrage: Du sagst 6 Stunden ohne Pause - das entsprechen 8 x 45 Minuten Unterrichtsstunden aneinandergereiht ohne Pause. Ist das wirklich der Fall; 5 Tage in der Woche? Wenn nicht, würde ich von solchen Überspitzungen abstand halten, denn sie schaden der Sache mehr als sie gut tun.

Darf ich da anknüpfen: Was passiert in den übrigen 70-50% der Arbeitszeit in diesem Zeitraum?

Ich glaube, ich verstehe nicht ganz die Frage. 30-50% der Ferienzeit der zweiwöchigen Ferien sind meist Arbeitszeit bei Lehrkräften (und nicht - wie meist dargestellt - Urlaub). Also gibt es keine 70-50% „übrige“ Arbeitszeit. Oder verstehe ich etwas falsch?

Ich antworte gerne darauf: Ja, das ist häufig wirklich der Fall, nur, dass eigentlich 6 Unterrichtsstunden mit Pausenaufsichten und Dienstgesprächen in den großen Pausen mit Kolleginnen und Schülerinnen bereits genügen und definitiv sehr häufig niemals die arbeitsrechtlich vorgeschriebenen 30 Minuten eingehalten werden können. Von daher ist kein Abstand dazu erforderlich.

Inwiefern das an 5 Tagen der Woche passiert, tut meiner Ansicht nach zwar nichts zur Sache, solange es ein strukturelles Problem ist, das regelmäßig auftaucht – und das ist der Fall. Zudem habe ich beispielhaft beschrieben und keine Allgemeingültigkeit gefordert:

… sollte als Indikator für ein Beispiel genügen aus meiner Sicht, aber vielleicht ist das nicht verständlich gewesen. Natürlich gibt es auch Tage mit Freistunden und weniger, aber momentan gibt es wegen Personalmangel und viel Krankheit eher noch mehr Vertretungsstunden zu den Pflichtstunden obendrauf, die sich eben in Freistunden legen. Also nein, das ist nicht immer so, aber davon Abstand nehmen muss man definitiv nicht.

Also aus meiner persönlichen Sicht: Erst einmal sind in den allermeisten Schulen kaum vernünftige Arbeitsbedingungen für Büroarbeit für Lehrkräfte vorhanden, ganz davon zu schweigen, dass man alles Wichtige an Büchern usw. nicht permanent in der Schule haben kann. Meist haben Lehrer ca. einen 1qm Schreibtisch in einem „Großraumbüro“ namens Lehrerzimmer, in dem man kaum gut arbeiten kann. Ich glaube es wäre richtig, richtig gut, wenn Lehrer ein Büro mit PC in der Schule haben könnten - das würde vieles vereinfachen und die Trennung von Arbeit und Freizeit ermöglichen. In Südkorea gibt es z. B. vernünftige Arbeitsparzellen für Lehrkräfte. Vielmehr ist der Grund für Wochenendarbeit aber auch, dass man nach 4-6 Stunden Unterricht am Tag einfach kaum noch die kognitiven Ressourcen hat, effizient und vernünftig alles durchzuarbeiten und es auch einfach zu viel Arbeit ist, um alles unter der Woche zu schaffen. Möglich ist das - je nach Phase - aber schon. Ich glaube aber, das würde mehr an die Substanz gehen, als an einem freien Sonntag noch 3-4 Stunden zu korrigieren, anstatt es vor dem neuen Arbeitstag abends durchzudrücken. Wie gesagt, sind es im Mittel ja so ca. 47 Wochenstunden und diese in 5 Tagen unterzubringen ist einfach sehr anstrengend, berücksichtigt man die „Qualität“ der Haupttätigkeit (= Unterrichten = Interagieren mit 15-30 Menschen).

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Sowas gibt es nicht (bzw. nur extrem selten). Im Regelfall hat eine Schule wenn überhaupt(!) höchstens einen Arbeitsraum oder eine Ecke in der Bibliothek mit einer Handvoll meist älterer PCs, oft genug aber nicht einmal das. Scanner und Drucker sind dort auch eher Luxusartikel und ähnlich alt. Und natürlich das Lehrerzimmer, dort ist aber eigentlich immer irgendwas los.

Mein Mann kommt aus dem Ausland, wo er Physik im BA und Master studiert hat, dort hat er Schülerinnen Unterricht erteilt damit sie ihre Hochschulzugangsberechtigung schaffen können. Dort gibt es jährlich einen Test für alle, die an einer Hochschule studieren möchten. Zudem hat er durchgehend als Tutor und Nachhilfelehrer gearbeitet (Studienfinanzierung, Familie nicht finanzstark). In Deutschland hat er seinen Doktor in Physik gemacht und auch hier Studierende angeleitet.
Da wir selbst Kinder haben und die Akademikerwelt wenig familienfreundlich ist (befristete Verträge, Konkurenz, Wochenendarbeit etc.), dachten wir an den Schulbetrieb. Er würde Mathematik und Physik einbringen, als Herkunftssprache gar Spanisch und zudem viele Persönlichkeitsmerkmale, die den Schüler
innen entgegen kommen könnten. So kommt er selbst prekären Verhältnissen,hat eine Mirgrationsgeschichte, ist der erste Akademiker seiner Familie, war als Schulkind eher mäßig in Physik, weiß jedoch heute für das Fach zu begeistern, da er selbst das Fach liebt, er hat eine sehr positive Einstellung gegenüber Kindern und Menschen allgemein, er ist super optimistisch und geduldig und hat zudem Bock auf die Arbeit. Wir leben in Hamburg, hier wird er abgelehnt als Quereinsteiger, da er keine Lehrerfahrung an deutschen Schulen hat. Er soll sich nun als Vertretungslehrer bewerben, um Erfahrungen zu sammeln. Wir haben Kinder, die Mieten sind enorm und wir können es uns nicht erlauben, dass er seinen Job hinwirft, um für wenig Euros Vertretungslehrer zu werden, damit er sich dann für das Vorbereitungsjahr bewerben darf. Der Mann ist hochqualifiziert und ich hätte gerne solch einen Lehrer gehabt, aber dies wird den hamburger Schüler*innen wohl nicht vergönnt sein. Das macht mich traurig, auch im Hinblick, dass unsere Kinder in 2 Jahren in die erste Klasse kommen werden und das Drama um den Lehrkräftemangel erst so richtig in Schwung kommt. Ich versteh nicht warum solchen Kandidaten nicht Praktikas oder Lehrproben angeboten werden, aktiv nach Lösungen gesucht. So groß scheint das Problem wohl nicht zu sein oder verstanden zu werden. Der rote Teppich wird jedenfalls nicht heraus geholt, nicht mal das Linoleum.

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Hallo zusammen,

ich wollte hier nochmal einen anderen Aspekt dieses Themas beleuchten, der mich persönlich betrifft.

Ich habe in NRW ein Examen für die Sek. II gemacht und damals eine Sek. I Stelle angenommen, weil es zu der Zeit zu wenig bis keine Sek. II Stellen für meine Fächer gab, viele meiner Mitreferendar:innen denselben Deal angenommen haben, die Gewerkschaft dazu geraten hat und mein damaliger Schulleiter einen Wechsel in die richtige Laufbahn auch als eher eine Formsache, die sehr wahrscheinlich ist, dargestellt hat.

Ich habe mich jahrelang in vielen Bereichen der Schulkultur engagiert, mit einiges an freiwilligen Arbeitsstunden, jahrelang, auch in der Oberstufe, bis zur Abiturprüfung. Für die Arbeit in der Oberstufe habe ich nicht das Geld bekommen, das man ja sonst als Sek. II Kraft bekommt, es sind in NRW gut 450 Euro/Monat Unterschied zwischen den Laufbahnen.

Trotzdem kam es nie zu einer Laufbahnwechselstelle, auch weil, wie ich später erfuhr, meine Bezirksregierung, im Vergleich zu anderen in NRW, die Stellen blockiert und laut Personalrat auch die Schulleitungen unter Druck setzt, so eine Stelle gar nicht auszuschreiben.

Ich habe also eine Qualifikation, die ich letztlich nicht ausüben kann, auch ohne mich unter Wert zu verkaufen, und es gibt keinerlei Bestrebungen von offizieller Seite, daran etwas zu ändern. Ich weiß nicht, ob es sowas auch in anderen Arbeitsbereichen oder Branchen gibt. Mich, und andere Betroffene, die ich kenne, die sich ebenfalls auch immer in der Sek. II engagiert haben, frustriert diese Perspektivlosigkeit maßlos!
Das Gehalt soll bis 2026 zwar auch für meine Laufbahn angehoben werden, aber die „Karriereoptionen“ sind ein Desaster, z. B.:

  • keine Bewerbung auf A14-Funktionsstellen möglich, mit A13 ist Schluss
  • keine Möglichkeit an ein Gymnasium oder ein Berufskolleg versetzt zu werden, weil ich zwar die Fakultas, aber nicht die entsprechende Laufbahn habe
  • Arbeit in der Sek. II nur in einem geringeren zeitlichen Umfang möglich (was zeitgleich aber auch eine Win-Win-Situation für Schule und Bezirksregierung ist: Man hat eine günstigere Lehrkraft, die höherqualifizierte Arbeiten erledigen könnte)

Wie gesagt, die Situation ist furchtbar und das geht schon seit Jahren so! Auch, weil man von allen Seiten hängen gelassen wird. Auf offizielle Anfrage sagt auch das Ministerium, dass man sich das ja alles selber so ausgesucht habe. Was einfach gelogen und Victimblaming ist. Zumindest wurde die Verfügbarkeit von Laufbahnwechselstellen in den letzten Jahren ja deutlich auf 0 zurückgefahren, das hat man sich ja nicht selber ausgesucht und kann es auch gar nicht beeinflussen. Ich habe wirklich schon alles(!) probiert. Auch juristisch kann man dagegen nicht angehen.

Mich würde interessieren, was ihr dazu sagt. Und ich fände es natürlich auch toll, wenn dieser Problematik auch medial mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden würde, z. B. im Podcast

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Das liegt an einem Fehlverständnis meinerseits. Ich bin davon ausgegangen, dass alles ausserhalb der Sommerferien/Weihnachtsferien regulär 100% Arbeitszeit wäre (auch mit Blick auf die Posts hier).

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