LdN325 LehrerInnenmangel: Gründe

Ich habe selbst einen MINT-Studiengang in Bayern absolviert und in zweiten Semester (2014) überlegt, auf Lehramt zu wechseln. Ich hatte mich aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

  • Lehramt ist eine „Einbahnstraße“, d.h. realistisch gesehen hat man nicht wirklich mehr eine Option, mit dem Abschluss etwas anderes zu machen, wenn man zB nach 10 Jahren gerne etwas anderes machen würde
  • während dem Referendariat und auch danach wird man irgendwohin in Bayern versetzt, kann also keine wirkliche Lebensplanung vornehmen (es gibt zB kaum eine Chance, einen Platz in den Universitätsstädten zu bekommen - existiert der Mangel evtl. nur in ländlichen Regionen, wie auch bei Ärzten?)

Für Nicht-MINT-LehramtsanwärterInnen an Gymnasien war es zu dem Zeitpunkt sogar so, dass man einen ~1,5-Schnitt im Staatsexamen haben musste, um nach dem Referendariat überhaupt einen Job zu bekommen!

Zumindest in Bayern sehe ich zB bei der Bezahlung weniger das Problem. Die LehrerInnen verdienen nicht sonderlich viel weniger als „normale“ Studienabsolventen (v.a. wenn man die Pension mit einberechnet). Aus meiner Sicht wäre also bessere Planbarkeit der Örtlichkeit und leichterer Wechsel in andere Felder deutlich sinnvollere Maßnahmen.

Noch eine kurze Anmerkung zum Thema Zusatzaufgaben:
Aus meinem Bekanntenkreis habe ich zum Thema Zusatzaufgaben im Lehramt mitbekommen, dass dies tatsächlich viel auf die Nicht-Verbeamteten abgewälzt wird, da die Verbeamteten sich zu fein waren und ja ohnehin schon ausgesorgt haben und die Nicht-Verbeamteten sich noch beweisen mussten.

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Ah, die sympathische Mentalität im Staatsdienst. Vielleicht auch ein Grund, warum Menschen nach dem Abi etwas Anderes anstreben?

Ansonsten hätte ich noch: nicht-verbeamtete Lehrer, die in den Sommerferien entlassen werden.
Je nach Studiengang war die Verbeamtung zumindest bis vor einigen Jahren überhaupt nicht garantiert, wenn man überhaupt einen Job bekam (s.o.).

Und da das Problem wie im Podcast erwähnt vor allem Grundschulen und nicht-gymnasiale weiterführende Schulen betrifft, ahne ich schon, wo das nächste Problem liegt.

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Hauptgrund für mich, aber auch viele meiner Freunde, selbst solche, die mit Lehramt angefangen haben, kein Lehrer zu werden, ist die große inhaltliche und methodische Starre im Lehrplan!

Als Beamter kannst du nicht einfach wechseln oder neue, innovative lernformate nutzen. Stattdessen bist du extrem davon abhängig, an welcher Schule der Lehrermangel am größten ist und das ist meist dort, wo die schrecklichsten Schulleiter herrschen, dem du dann wie im Mittelalter untergeben bist. (So meine Sorge).

Das ist einfach eine altmodische Art der Zusammenarbeit aus der preußischen Hochkultur. Das passt auch für keinen Schüler mehr, aber du als Lehrer musst das dann ein Leben lang durchdrücken, auch wenn du siehst, das es effektivere Wege gäbe. Aber Lehrpläne werden von ganz anderen gemacht, die keinen Kontakt mit Schülern haben.

Klar kosten interaktivere lernformate mehr Geld, weil mehr Lehrer gebraucht werden. Aber genau den inhaltlichen Punkt habt ihr im Podcast komplett weg gelassen…

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Vorne weg: Danke, dass ihr das Thema in der aktuellen Lage beleuchtet habt.

Ich stimme Bias an dieser Stelle komplett zu:

Ich selbst komme habe theoretische und mathematische Physik studiert und habe danach mein Referendariat als Seiteneinsteiger vollzogen. Mir ist dabei sogar aufgefallen, dass ich gegenüber den Lehramtsstudierenden sogar vorteile im Referendariat hatte:
• Ich kann vor allem jederzeit auf einen anderen Berufszweig mit meinem M.Sc. wechseln.
• Ich hatte deutlich weniger Vorbereitungszeit, da ich die Themen in meinem Studium in einer deutlicheren Tiefe hatte. Erstaunlich war für mich, dass meine Seminare im Referendariat nahezu nie didaktisch oder pädagogisch waren, sondern fachlich inhaltlich. Hierbei viel besonders Stochastik auf, da interne Studien in dem Bundesland zeigten, dass diesen Thema meistens nicht unterrichtet wird und daraus wurde geschlussfolgert, dass diese LehrerInnen dieses Thema selbst nicht beherrschen, was sich mit meinen Erfahrungen aus den Seminargruppen deckte.
In meinem Referendariat hatte ich auch keine didaktischen oder pädagogischen Nachteile und gute es so gut abschließen, dass ich danach Handreichungen erstellen und Fortbildungen halten konnte/durfte/sollte.
(Persönliche Schilderungen müssen nicht auf andere LehrerInnen im MINT-Bereich zutreffen, allerdings habe ich von einigen Seiteneinsteigern eine ähnliche Rückmeldung bekommen.)

Nun habe ich das Bundesland wechseln wollen und das Bundesland wollte mich nicht einstellen, da ich nur 7 Jahre Lehrerfahrung in der Sekundarstufe I und II hatte, davon 2 Jahre lang Handreichungen für das vorherige Bundesland erstellt und Lehrerfortbildungen (didaktisch) gehalten habe und Mathematikfachschaftsleiter seit 6 Jahren war. Laut dem Bundesland in dem ich jetzt arbeite hätte ich erstmal Mathematik komplett von vorne studieren sollen und sie könnten mich maximal mit E10 einstellen, obwohl ich die Jahre zuvor schon E13 bekommen hatte und im Gespräch für E14 war. Ich arbeite nun in diesem Bundesland doch unter E13 und unterrichte Mathematik und Physik, dafür musste ich allerdings das Ministerium 9 Monate nerven, was soweit ging, dass ich persönlichen Kontakt zum Bildungsminister aufgenommen hatte, der dann persönlich (angeblich) entschied mich einzustellen…
Mein Beispiel zeigt, dass der LehrerInnenmangel scheinbar nicht so wirklich in der Welt der betreffenden Ämter und Ministerien angekommen ist und dass man hochqualifizierte und -motiverte LehrerInnen mit einer nicht extrem geraden Ausbildungslaufbahn versucht sogar abzuschrecken.

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Vielleicht wäre es besser, von einem Lehrstundenmangel zu sprechen:

Zumindest in Thüringen gibt es sogar mehr Lehrer pro Kind als 1992 - bei deutlich weniger Stunden.
Die Teilzeitquote ist doppelt so hoch, wie in anderen Professionen (bei A14 persönlich verkraftbar - zumal wenn beide verdienen). Hier könnte das - europaweit gesehen - Spitzengehalt sogar kontraproduktiv wirken. Mehr Gehalt? Lehrer sind keine „homo oeconomicus“.

Auch Abmilderungsstunden nur fürs Alter suchen in der Arbeitswelt ihresgleichen.

Insgesamt fehlt es an einer Erklärung, warum der Lehrerberuf in den letzten Jahrzehnten so viel anstrengender geworden ist, dass die Stunden pro Lehrer so sehr fallen. Auch der Podcast interessiert sich dafür nicht.

Was ich plausibel finde:

  • von Verwaltungsaufgaben befreien
  • IT professionalisieren (Lehrer haben nicht mal einen administrierten Dienstrechner!)

Aber das hängt oft am Sachmittelträger: Den Landkreisen und kreisfreien Städten. Die haben bisher kaum ihr Fett weg bekommen.

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Zum Thema Lehrermangen und vor allem auch die möglichen abbruchgründe möchte ich mal meine Geschichte beitragen.
Bei dem Thema wurde mir von euch wirklich aus der Seele gesprochen.
Ich habe selbst mein Lehramtsstudium in den Fächern Mathematik und Informatik nach 5 Semestern abgebrochen. Die Gründe dafür waren vielseitig, hauptsächlich aber die folgenden:
Fehlender Bezug zum Schulalltag:
Die Anzahl der praktischen Stunden und Zeit, die man an der Schule ist oder direkt von Lehrern lernt ist extrem gering.
Unnötig hohes Niveau:
Beispielsweise in Mathematik habe ich in der Fachwissenschaft exakt die gleichen Module gehabt wie Diplom und Wirtschaftsmathematiker. Die Professoren haben hinzukommend dazu auch keinerlei Rücksicht darauf genommen. Eher im Gegenteil, bei einigen hatte man den Eindruck das ihnen nicht passt das da zukünftige Lehrer mit im Hörsaal sitzen.
Studienaufbau:
Ich hatte den Eindruck das das Studium vom Grundkonzept her nicht stimmig aufgebaut ist. Vereinfacht gesagt lernt man erst alles in reiner Fachwissenschaft in viel zu kompliziert um es auch nur irgend einem Schüler beizubringen, dann hat man teilweise die gleichen Themen in der Fachdidaktik in auf das wesentlich und für die Schule runter gebrochen noch einmal.
Thematik Quereinsteiger:
Nach meinem Abbruch habe ich im dualen Studium Informatik studiert und das auch erfolgreich abgeschlossen. Jetzt arbeite ich in einem mittelständischen Unternehmen und mache gerade meinen Ausbildereignungsschein, um (hoffentlich) ab nächstem Ausbildungsjahr selbst Fachinformatiker ausbilden zu können. Ich verdiene jetzt mehr als ich in der Schule bekommen würde bei einer (wenn ich das abgebrochene Studium nicht mit einrechne) kürzeren Studienzeit. Es ist also einfach auch in vielerlei Hinsicht unattraktiv Lehramt zu studieren. Wenn wäre es sogar weniger Zeitaufwand bspw. direkt dual Informatik zu studieren und dann als Quereinsteiger an eine Schule zu gehen. Hinzu kommt das man hierbei noch von Anfang bis Ende Geld verdient.

Alles in allem kann ich mich vollumfänglich anschließen, das ich ein duales Studium deutlich sinnvoller fände. Dem haben auch jegliche Lehrer zugestimmt, mit denen ich mich unterhalten habe. Sie pflegten immer zu sagen, das man das Unterrichten und dem Umgang mit einer Klasse nun Mal am besten in der Schule lernt.

Abschießend noch vielen Dank an euch das Thema so aufzunehmen in dem Umfang mit den guten Punkten

Gruß,
Jörg

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Wenn ich mir überlege was der KmK da als Lösungen für den LehrerInnenMangel vorgeschlagen bekommen hat.
Größere Klassen(bei uns wird demnächstauf 28 aufgestockt), mehr Unterrichtsstunden, weniger Möglichkeiten für Teilzeit und als Ausgleich Yoga/Achtsamkeitsübungen(in der Freizeit natürlich).
Also mehr Arbeit bei gleichem Gehalt…
Dann ein Land Berlin was nicht mit den LehrerInnen verhandeln will zum Thema kleinere Klassen, weil ist ja nicht alleine dafür zuständig, aber fast alle Parteien sprechen sich in ihren Wahlprogrammen für kleinere Klassen aus.
Durch diese Widersrpüche, die Mehrarbeit und geringe öffentliche Wertschätzung(unterstelle ich einfach mal aus meinem Erleben heraus) brauch sich doch keiner wundern wenn kaum jemand mehr in den Beruf möchte.
Als Erzieher an einer Grundschule kann ich noch ergänzen das viele Probleme auch durch die ErzieherInnen abgepuffert werden. Ausfallstunden, die nur im Klasenbuch stehen, vielleicht in einer Statistik landen, aber für die Öffentlichkeit nicht weiter greifbar sind.
Schulleitungen die von den ErzieherInnen dann erwarten das sie unterrichten in diesen Stunden.
Notbetreuung wenn zu viele Klassen Ausfall haben um sie noch einzeln zu betreuen.
Solche Sachen bekommen nicht mal alle innerhalb eines Kollegiums mit, von den Eltern ganz zu schweigen.
Gleichzeitig erlebe ich immer wieder das es ein Hierarchiedenken gibt. Also LehrerInnen gegenüber ErzieherInnen.
Dadurch entsteht ne künstliche Kluft innerhalb des Kollegiums und lässt die Zufriedenheit bzw Attraktivität noch weiter sinken.
Muss ich mal Erzieher anmerken das wir in der Diskussion zu wenig mitgedacht werden. Fängt ja schon in den Kitas an(Schlüssel erhöhen damit mehr Kinder Kinder von weniger ErzieherInnen betreut werden dürfen).
Wie Christian Bayer(Ökonom) meinte bekommen Erzieher staatliche Dumpinglöhne. Das Thema spare ich mir jetzt :smile:

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Keine Sorge, sowas erlebt man in jeder Struktur, die nur einen hinreichend großen Verwaltungsapparat hat.
Sobald der Mangel die Personalabteilung selbst nicht betrifft, bewertet man BewerberInnen dort nach Schema F und es ist auch völlig egal, ob die Stelle am Ende unbesetzt ist.

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IHMO ist das einfach die Schuld des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kommt in keinster Weise seiner Führsorgepflicht nach.

1.) Lehrer bekommen 0 bis keine Unterstützung im Zusammenhang mit persönlichen oder fachlichen Angriffen von Schülern oder Eltern. Welche Schule hat einen Rechtsbeistand für die Lehrer? Mein Arbeitgeber bietet das seit Dekaden. Lehrer müssen sich nicht nur selber gegen diese Angriffe wehren sondern sind dann auch noch vor Gericht Unterlegen, der arme Schüler und der Böse Lehrer.

2.) Die Arbeitgeber arbeiten wie vor 200 Jahren, die letzte technische Revolution war die Ersetzung des Federschafts durch Füller in der Verwaltung. Einsatzlisten werden manuell auf Papier erstellt. So kommt es dazu das Springer 2 Tage vor Schuljahresbeginn gesagt bekommen wo die hin müssen. Ohne EDV sind die Einsätze dann auch nicht nur spät sondern ineffizient. Dh. Springer fahren durch die halbe Republik nur weil jemand im Amt die Listen nicht unter Kontrolle hat.

3.) Wer könnte es ändern? Die Politik, aber denen sind die Posten in den Ministerien und der Föderalstaat auch wichtiger als eine ordentliche Schulpolitik. „Ihr wisst doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“ ist ja als Zitat entlarvend.

4.) Digitalisierung ist nicht den Schülern ein IPad in die Hand zu drücken. Es mangelt nicht an der HW sondern and der SW. Sprachen, Mathematik, Physik und Chemie… Mein Neffe lernt gerade das Atommodell mit Holzkugeln und Bausatz. Das ist keine Chemie im 2023 sondern Handwerken in 1990.

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Ich finde es etwas schade, dass die Gründe nur gestreift wurden. Was mit gefehlt hat:

  • Vor einigen Jahren war es sehr schwer überhaupt eine Stelle zu finden. Vor 10 Jahren bekam man in baWü mit Glück eine Krankheitsvertretung mit Arbeitslosigkeit im Sommer. Eine „richtige“ Stelle gab es vielleicht in Hintertupfingen oder mit viel Glück. Die Stellen waren einfach nicht da - woher kommt der Wandel?
  • die Frage: Warum werde ich Lehrer oder Lehrerin? Wurde das evaluiert? In meiner Abiklassen wurden sehr viele Lehrer oder Lehrerinnen. Weswegen? Bei einigen war der Hauptgrund, weil es das einzige war was sie kannten und die Stelle daher Leute mit ausgeprägten Sicherheitsbedüfnis angezogen hat. In der Schule waren sie ihr Leben lang und es war recht bequem - alles andere wäre ein Schritt ins Unbekannte. Bei der Schule weiß man was man bekommt. Leider waren das oft aber nicht die SchülerInnen, die gut in der Schule waren oder eine Passion fürs Soziale hatten. Die PH ist ums Eck, man kann daheim wohnen bleiben und später in geerbte Haus der Großeltern ziehen. Mit diesem Mindset ist es aber schwer in dem
    System wirklich Veränderungen zu bringen - inzwischen dürften einige davon lange etabliert sein oder Führungsrollen haben. Es war damals bekannt, dass es sehr kompliziert ist von einem Bubdesland in anderes zu wechseln - wer, wenn nicht sehr Heimatsnahe und sicherheitsbedürftige sucht sich so ein Studiengang? Mit 18 wollen doch viele die Welt erkunden!
  • Als Ergänzung an den vorherigen Punkt: Rollenmodell. Meine Lehrer am Gymi haben vor 15 Jahren während des Unterrichts geschlafen, gefrühstückt, Schülerinnen gemobbt, sind Rauchen gegangen. Gymnasium in Baden Württemberg. War einfach möglich - hatte keine Konsequenzen. Hat lange gebraucht, bis ich Jahre nach der Schule realisiert hab was das für eine Arbeitsmoral war. Waren natürlich nicht alle - die Mehrheit hat sich sicherlich sehr bemüht und war engagiert; aber es waren doch die, die im Kopf hängengeblieben sind und das LehrerInnenbild für mich sehr geprägt haben. Als Beamte: was soll denn passieren? Welcher Typ Mensch möchte da Kollege werden?
  • Das Gehalt hat bei der Studienwahl eine sehr kleine Rolle gespielt. Ich glaube, dass bei höheren
    Gehälter eher noch mehr in Teilzeit gehen.
  • Es ist beeindruckend, welche Möglichkeiten junge Eltern im Lehrberuf bei eigenen Kindern haben. Das ist wunderbar! Aber führt halt such dazu, dass die Angebote angenommen werden - das reduziert natürlich die Stunden wenn jemand in Teilzeit wechselt.
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Ich möchte euch gerne daran teilhaben lassen, wie das Land Brandenburg gerade den Lehrer:innenmangel erfolgreich bekämpft hat. Aktuell läuft die Planung für das kommende Schuljahr und meine Schule befindet sich aktuell in einem Personalmangel. Das Ministerium hat die angesetzten Lehrer:innenwochenstunden pro Schüler:innen (SuS) einfach reduziert. Et voilà, wir haben auf dem Papier einen Personalüberschuss. Job done. Danke Ministerium!
Ich habe bei dieser Thematik nur noch Zynismus übrig und verfahre, wie im Podcast vom interviewten Lehrer beschrieben, für mich nur noch so, dass ich Abstriche bei der Stundenvorbereitung mache, da ich sonst sehr bald im Burnout bin. Ich arbeite an einer Förderschule und gerade unsere Kinder haben große Bedarfe in allen möglichen Bereichen. Man kann einfach nicht alles abdecken und allem gerecht werden. Die neusten Forderungen und das Schönrechnen von Statistiken sind einfach nur noch der blanke Hohn und ich fühle mich nur noch verarscht. Ich bin erst wenige Jahre im Beruf und denke schon über Teilzeit nach, da die Anforderungen einfach so hoch sind, die Wertschätzung so gering und man den SuS einfach nicht gerecht werden kann, so wie sie es eigentlich verdienen.

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Macht euch bitte die Mühe und schaut euch laufbahnwechsel.de an, wie mies in NRW mit Bestandslehrkräften umgegangen wird. Das zeigt doch sehr gut, wieso es definitiv bessere Berufe als den Lehrberuf gibt. Ich kann auch nur jedem empfehlen, einen anderen Beruf zu wählen. Gymnasien werden ja immer noch bevorzugt gefördert, wenn man sich alleine die Verfügbarkeit von Beförderungsstellen anguckt. Mehr Geld und mehr Ansehen haben die ganz normalen Lehrkräfte, die täglich allerlei Stress und Ärger mit den wirklich schwierigen und bedürftigen SchülerInnen haben, ja nicht verdient (mit Ausnahme 2026, wo man doch auch A13 kriegt, aber noch lange nicht dieselbe Laufbahn wie aktuelle StudienrätInnen).

In meinen Augen kollabiert das System leider noch nicht, weil viel zu viele Lehrkräfte aufgrund ihres Idealismus immer noch zu viel Mehrarbeit in wirklich alles reinbuttern. Gibt doch genug, die sich über den normalen Unterricht hinaus aktiv an der Schulentwicklung beteiligen. Aber viele haben es noch nicht begriffen und supporten dieses Mistsystem, in dem es nie notwendige und sinnvolle Reformen geben wird.

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Ich würde die pauschal geäußerte Kritik, dass eine Reduktion der Teilzeitquote das Lehrpersonal „in den Burnout treiben“ würde, nicht zustimmen. Wenn man sich die Zahlen anguckt, ergibt sich ein ganz anderes Bild: So ist im Jahr 2021 über 40% des Lehrpersonals in Teilzeit, wohingegen das in allen anderen Branchen in Deutschland nur durchschnittlich 29,9% sind.

(Bildung: Knapp 41 Prozent der Lehrer arbeiten in Teilzeit - WELT)

Zweitens ist das kaufkraftbereinigte Salär in Deutschland für das Lehrpersonal überdurchschnittlich gut. Laut OECD verdienen Neuanfänger das doppelte des OECD-Durchschnitts. Daher denke ich nicht, dass höhere monetäre Anreize das Problem bessern würden.

(OECD: Deutsche Lehrer erhalten hohes Einstiegsgehalt an Schulen - DER SPIEGEL)

Drittens ist wie oben von Kai.H beschrieben die Praxis der Abmilderungsstunden z.B. für Ü55-Lehrpersonal, oder für Lehrer und Lehrerinnen, die neue Mitarbeiter einarbeiten, so ebenfalls in keiner anderen Branche üblich und sollte abgeschafft werden.

Diese Maßnahmen mögen unter dem Lehrpersonal unangenehm sein, aber viele (nicht alle) Lehrer sind immer noch Beamte des Staates Deutschland und müssen daher ihren Bildungsauftrag in einer Notlage wahrnehmen.

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Diesen Teil finde ich auch sehr spannend. Ich höre oft, dass der Lehrerberuf so anstrengend ist und auch in der Lage wurde ja darauf hinverwiesen, dass viele ins Burout rutschen. Ich bezweifel nicht, dass der Lehrberuf anstrengend und emotional sehr belastend ist. Auf der anderen Seite trifft das allerdings auf andere Berufe ebenso zu: Polizisten, Feuerwehrangestellte, Sozialarbeiter, Angestellte in Krankenhäuser, Arzthelfer, Notfallsanitäter, Bestatter - all das sind ja exemplarische Berufe, in denen Beschäftigte sicherlich eine sehr hohe Emotionalität im Beruf finden und in der Menschen auf die eine oder andere Art lernen, damit umzugehen lernen wenn sie den Job länger als drei Jahre machen. Auch die Arbeitsbelastung ist in anderne Berufen deutlich höher: im Management oder als Doktorand sind 60+ Wochenstunden und Wochenenden oft die Regel statt die Ausnahme. Im Studium sind mir hingegen viele Lehramtsstudenten im Kopf geblieben, die bei jeder Seminararbeit gestöhnt haben über die viele Arbeit. Ich möchte hier, ganz klar nicht sagen, dass LehrerInnen zuviel schimpfen oder übertreiben. Das waren auch sicherlich nur subjektive Wahrnehmungen.

Mir geht es hingegen um einen etwas Blickwinkel: Machen wir in der Ausbildung oder Auswahl unserer Lehrkräfte vielleicht etwas falsch oder haben wir dort Potential zum Wachstum? Könnte Stressresistenz oder die Fähigkeit eine emotionalie Distanz vom Job zu haben eine größere Rolle bei der Zulassung zum Lehramtsstudium spielen? Wäre es hilfreich, Lehrkräfte zunächst eine anderen Beruf zu erlenen / auszuüben und den Quereinstieg die Regel statt die Ausnahme zu machen (Macht das überhaupt einen Unterschied?) um sicherzustellen, dass diese außer den Alltag in der Schule auch noch eine andere Realität kennen? - Vieles, was ich im Studium extrem überfordernd fande, finde ich heute deutlich einfacher - einfach weil ich im Beruf andere Herrausforderungen gefunden hab und die Relevanz/Konsequenzen anders einschätzen kann. Benötigt es mehr Abwechslung und Wachstumsmöglichkeiten für Lehrkräft? In vielen Berufen tritt nach ~5 Jahren eine Frustation auf, wenn man den gleichen Job jeden Tag macht - bei Lehrern erwarten wir das 30 Jahre lang? Tritt hier vielleicht eine Art Tunnelblick auf? Was macht ein Lehrer oder eine Lehrerin eigentlich, wenn er oder sie nach wenigen Jahren feststellt, dass der Job nicht das ist, was er oder sie für den Rest des Arbeitsleben machen möchte? Gibt es Perspektiven oder „ergeben“ sich die meisten einfach ihrem Schicksal und rutschen dann eben ins Burnout? Braucht es ein einfach zugängliches, dauerhaftes und akzeptiertes begleitendes Coaching durch Psychotherapeuten (evtl durch den AG) um hier frühzeitig Muster zu erkennen und zu durchbrechen? Oder würde es hier bereits helfen, im Studium klarzustellen, dass dies ab einem gewissen Gehalt auch privat gemacht werden kann? Wissen Lehrer, dass es soetwas gibt?

Ich weiß nicht, ob sich der Lehrerberuf in den Jahren so gewandelt hat, dass die Belastung wirklich so stark wurde - oder ob sich nicht die „Lehrer“ über die Jahre gewandelt haben?

Vielleicht hat sich einfach geändert, dass heute oft der Anspruch an „Erfüllung“ durch den Beruf besteht. Das ist natürlich schwer, wenn das gesamte berufliche und Bildungleben aus 12 Jahren Schule, Lehramtsstudium und Schule als Lehrkraft besteht. Wie viele beginnen das Lehramtsstudium „weil sie anderen etwas beibringen möchten“, „was weil sie anderen helfen möchten“ oder „weil sie gerne mit Kindern arbeiten“? Die Realität ist einfach eine andere. Ich zumindest war nicht in der Schule weil ich etwas lernen wollte, sondern weil man halt in die Schule gegangen ist. Das lernen war ein Teilaspekt - die wichtigere Motivation war der Soziale durch die Klassenkameraden und weils halt einfach so war. Zu lernen weil es spannend oder interessant war, waren die Ausnahmen (Chemie und Biologie) und kamen erst im Studium. Es ist natürlich unendlich frustrierend, wenn einem Jahrelang beigebracht wird, anderen etwas beizubringen und dabei vergisst, dass die anderen das vielleicht garnicht interessiert. Dazu kommt natürlich noch der soziale Herkunftshintergrund der SchülerInnen. Vielleicht muss da ein größerer Stellenwert gelegt werden.

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Zum alltäglichen Inhalt des Lehrerberufs verweise ich mal auf einen Blogeintrag eines Gesamtschullehrers aus NRW. In den Kommentaren dazu finden sich weitere Ergänzungen.

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Im Podcast wurde meiner Meinung nach das Gehalt von verbeamteten Lehrern zu gering eingeschätzt. (keine konkreten Zahlen) Lehrer arbeiten beim Berufseinstieg in der Besoldungsgruppe 12-13.

Je nach Bundesland sind das netto min. 3400€/Monat. Das entspricht einem Bruttoeinstiegsgehalt von min. 65.000 €/Jahr in der realen Wirtschaft. (Steuerklasse 1, etc.) Hinzu kommt das Pensionen deutlich höher sind als Renten und der viele Urlaub.

Die Verbeamtung erfolgt meines Wissens relativ zügig.

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Aber im Endeffekt machst du es ja schon. Ich weiß auch nicht, wie die Arbeit eines 60h+ Doktoranden ist. Aber alleine schon die Lärmbelastung und die vielen Konflikte, die man täglich hat oder zu bearbeiten hat, hat so ein Doktorant beispielsweise nicht. Zudem ist ne 60 Stundenwoche auch alles andere als sinnvoll, man beachte die aktuelle Debatte über die 4-Tagewoche.

Zum Stress: Ich habe vor meinem Lehramtsstudium Zivi gemacht (Krankenhaus), eine Ausbildung im sozialen Bereich und nebenbei im Einzelhandel (Minijob und später Midijob) gearbeitet. Wie du richtig sagtest gibt es in sehr vielen Bereichen stark stressige Jobs. Ich kann jetzt nur aus meiner genannten Erfahrung sprechen, aber ich merke eine deutlich stärkere Auswirkung des Stresses im Lehrerjob, als in meinen anderen Jobs vorher, die auch immer wieder stressig waren. Es ist eine andere Qualität, die ich vorher nie hatte. Habe mich selbst schon öfter gefragt warum ich das so wahrnehme. Dabei habe ich für mich bisher nur eine Erklärungsmöglichkeit gefunden, dass ich einfach den ganzen Schultag über zu 100% konzentriert bin, um alle SuS immer im Blick zu haben, ihren Arbeitsstand, wenn sie Hilfe brauchen, auf dem Hof die Aufsichtspflicht habe usw. Bei allen anderen Jobs habe ich zwischendurch immer Phasen gehabt, in denen ich mental nicht zu 100% da sein musste. Sei es im Krankenhaus ein längerer Weg von Station A nach Station Z, im Einzelhandel Regale befüllen oder ähnliches. Vielleicht hat der Job eine besondere Stressintensität, die in anderen Bereichen weniger stark ist?

Zur Ausbildung: Wie auch in der Lage angeklungen sollte mMn dringend viel praxisnaher ausgebildet werden und eben von Anfang an auch in der Praxis gelernt werden. Ich stand erst im 4. Semester das erste Mal vor einer Klasse. Wenn ich dann erst merke, dass der Job nichts für mich ist habe ich schon viel Zeit verschwendet.

Zur berufsbegleitenden Stressregulierung: Es gibt schon Angebote für regelmäßige Supervisionen, leider viel zu wenig und auch ist nicht immer die Akzeptanz da (auch weil es quasi mehr Arbeitszeit bedeutet und nachmittags stattfinden muss, Unterricht kann ja nicht noch mehr ausfallen). In meinem Kollegium nutzen wir das gerne und regelmäßig mit merkbaren Effekten.

Zur Veränderung des Berufs: Hier kann ich nur meine älteren Kollegen wiedergeben. Allgemein sei das Klima und der Umgang der SuS untereinander rauer geworden. Dazu kommt, dass heute Lehrer:innen seitens der Eltern oft Kompetenzen abgesprochen bekommen und man sich mit wütenden Emails, Anschuldigungen, Anweisungen an die Kinder sich von dem Lehrer nichts sagen zu lassen und sogar Anzeigen rumschlagen muss.

So umfangreich der Lehrerjob an sich ist, so umfangreich auch die Ansätze, um die Probleme zu lösen. Das große Problem ist, dass im Bereich Bildung kein konkreter Gewinn für Investitionen ablesbar ist und die Komplexität des Systems bei der Politik eine buchstäbliche Angststarre auslöst das ganze grundlegend und mit hohen Investitionen anzugehen. Dabei wäre es so wichtig, weil am Ende leiden vor allem unsere Kinder darunter.

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Kann ich nur dem User blaubaer empfehlen und allen anderen, die nicht nachvollziehen können, wieso Lehrkräfte so japsen.

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Hallo Boutmachine,
tut mir leid, dass es so rüberkam - ich möchte wirklich das Gegenteil.
Die Belastung, die Lehrkräfte spüren, ist sehr real und muss ernst genommen werden. Ich möchte auch nicht Beruf A gegen Beruf B vergleichen oder sagen, dass Lehrkräfte (oder Doktoranden) 60 Stunden arbeiten sollten oder dass das gut ist. Was ich sagen möchte, ist dass es in anderen Bereichen ebenfalls sehr starke Belastungen gibt, aber in diesen Bereichen anscheinend damit besser umgegangen wird. Natürlich treten auch dort psychische Krankheiten wie Burnout auf, aber vielleicht können wir dennoch doch davon etwas lernen.

Ich mach was ich meine vielleicht etwas plastischer: @tirup gibt in seinem sehr guten Beitrag (danke dafür!) das Beispiel, dass das Klima deutlich verrauter ist und sich Lehrer z.B. mit abgesprochener Kompetenz, Emails und co rumschlagen zu müssen. Es steht ohne Frage, dass das sehr belastend sein kann. Solche Situationen kommen in anderen Berufen allerdings auch regelmäßig vor - z.B. bei Polizisten. Meine Erfahrung mit Polizisten ist, dass diese oft sehr gut zwischen „Ich als Polizist“ und „ich als Privatperson“ unterscheiden können und mit Beschimpfungen, Bedrohungen und auch tätlichen Angriffen anders umgehen können. Es ist aber auch angehenden Polizisten natürlich von vornherein klar, dass sie in solche Situationen kommen können - jemand sehr harmoniebedürftiges wird daher eher nicht in den Polizeidiest gehen oder intensive Ausbildung in dem Bereich brauchen.
Ein anderes Beispiel aus meinem Bekanntenkreis: Eine befreundete Lehrerin hat es zutiefst getroffen und belastet, dass eine 14 Jährige Schülerin, die es aufgrund ihres sozialen Hintergrundes sowieso schon nicht einfach haben wird, schwanger wurde. Das ist belastend - keine Frage und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen soll. Es gibt aber Berufszweige, die mit solchen Belastungen jeden Tag umgehen und das nicht zwingend nach Hause nehmen. Das Gleiche rifft natürlich auf Stress, Arbeitsintensität und vieles mehr zu.

Meine Frage ist daher, warum Berufsgruppe A besser mit einer Situation umgehen kann als Berufsgruppe B: Ist es Ausbildung; ist es der Typ Mensch den es anzieht; Ist es die Erwartungshaltung an die Rolle oder was ist es? Für mich scheint es momentan eine Mischung aus allen drei Punkten zu sein. Vermutlich hat sich das Anforderungsprofil an Lehrer auch einfach geändert über die Zeit, ohne dass sich die Auswahlkriterien und die Ausbildung entsprechend geändert hat.

Ich nehme die Probleme ernst, aber einfach zu sagen „Wir brauchen mehr Lehrer“ greift mir einfach zu kurz.

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