LdN325 Iran nah an der Bombe?

Hallo,

Ich finde es etwas schade, dass die Rolle Trumps hier sehr kurz kam. Für mich war der Ausstieg aus dem Atomwaffendeal eine der größten Fehler und Offenbarungen der letzten Jahren. Wenn eine Regierung sich alle 4 Jahre ändert und die nächste Regierung einfach so - ohne Konsequenzen - aus einem Vertrag aussteigen kann: Dann ist der Vertrag doch nichts wert. Warum sollte der Iran oder Nordkorea eine diplomatische Lösung finden wollen, wenn die vom nächsten Präsidenten einfach einseitig gekündigt werden kann. Das zeigt doch, dass das keine Lösung ist und man eine andere Sicherheit braucht. Das machen Staaten wie Russland - aber für mich hat es das Vertrauen in die Diplomatie von westlichen Demokratien extrem zerstört.

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Was hat jetzt der Titel mit deinem Text zu tun?

Der Titel wurde von den Moderatoren angepasst weil ich mich auf den entsprechenden Beitrag der aktuellen Lage beziehe.

Ich denke @blaubaer will darauf hinaus, dass der Iran nur deshalb jetzt „nah an der Bombe“ ist, also das Atomwaffenprogramm signifikant fortgesetzt hat, weil der damalige Iran-Deal durch die Trump-Regierung einseitig aufgekündigt wurde. Und dem würde ich mich anschließen.

Für den Iran gab es nur zwei mögliche Wege:
a) Eine Öffnung zum Rest der Welt, durch welche die Sanktionen wegfallen und dem Iran - ähnlich wie andere islamische Länder wie Saudi-Arabien, trotz großer Menschenrechtsverletzungen - eine halbwegs sichere Zukunft ermöglicht wird.
b) Eine Orientierung an Russland und China mit dem Ziel, durch ein Atomwaffenprogramm „unangreifbar“ zu werden, dafür zu akzeptieren, dass die westlichen Sanktionen dauerhaft anhalten und somit Handel nur mit Russland, Indien, China und co. möglich sein wird.

Der Atomdeal hat das Ziel a) verfolgt. Da die USA tatsächlich, völlig verantwortungslos, einseitig und ohne klare Verfehlungen des Iran, davon zurückgetreten sind, blieb dem Iran nur Option b) offen. Und deshalb ist der Iran heute „nah an der Bombe“ und liefert als einziges Land der Welt bewiesenermaßen Waffen an Russland.

Daher stimme ich @blaubaer zu, dass das Fehlverhalten der Trump-Administration das öffentliche Ansehen der USA im Hinblick auf ihre Vertragstreue massiv geschadet hat. Elementare internationale Verträge wie der Iran-Deal werden in Zukunft dadurch noch schwieriger, denn die Länder, um die es geht, müssen quasi fordern, dass es strikte Austrittsklauseln in solchen Verträgen gibt, denen die USA wiederum nicht zustimmen werden. Daher: Die USA werden weiterhin darauf pochen, sich nicht vertraglich haftbar zu machen und fordern, dass man ihrem Wort vertraut, aber die anderen Vertragspartner wissen genau, wenn wieder jemand wie Trump an die Macht kommt, verliert das Wort der Vorgängerregierung jede Bedeutung.

Die USA würden daher gut daran tun, sich wie der Rest der Welt an das Wort der Vorgängerregierung gebunden zu sehen, wenn sie wollen, dass ihrem Wort vertraut wird. Aktuell dürfte die internationale Gemeinschaft sehr zurückhaltend sein, im Hinblick auf die anstehenden Wahlen, den USA zu viel Vertrauen zu schenken. Das ist ja auch ein Erklärungsansatz, warum es den europäischen Ländern so wichtig ist, dass die USA im Ukraine-Konflikt den Takt angeben…

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Ehrlicherweise handelt es sich um Vertragsbruch statt ‚Ausstieg‘. So wurde es zumindest seinerzeit im aufwachen podcast erklärt.
Dass die gesamte westliche Medienwelt das laufend verklärt, ist bedenklich.

Und damit war der Westen, insbesondere die EU, doch bodenlos naiv. Der Iran ist ein religiös-faschistischer Staat, zu dessen Ideologie unter anderem die Vernichtung Israels gehört und der, wie Markus Kaim im Interview auch gesagt hat, die gesamte Region destabilisiert. Der Iran ist, und war es auch zur Zeit der Gültigkeit des Atomdeals, ein Verbündeter sowohl der Assad Diktatur in Syrien als auch der islamistischen Terroristen von Hamas und Hezbollah. Das ist übrigens auch der entscheidende Unterschied zu Staaten wie Saudi Arabien, der seit Jahrzehnten ein Partner der USA ist.
Die Art, in der die Trump Administration den Deal beendet hat, kann man sicher kritisieren. Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass der Iran immer versucht hat, den Vertrag bestmöglich zu unterlaufen. Und mit einem Regime, dass jede Form von Opposition blutig unterdrückt und nun zulässt, dass hunderte Schülerinnen vergiftet werden (wenn es nicht ohnehin selbst dafür gesorgt hat), sollte nicht mehr verhandelt werden.

Vergiftungswelle an Mädchenschulen: Protest im Iran entflammt erneut | tagesschau.de

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Damit sind wir wieder beim Thema „Menschenrechtsverletzungen und Diktaturen sind nicht so schlimm, so lange sie auf unserer Seite stehen“. Eine These, die ich strikt ablehne. Es gibt keine „Guten Diktaturen“, dieses Schema von „Guter Diktator - böser Diktator“ haben wir historisch schon so oft durchgespielt (Batista in Kuba, Schah Pahlavi von Persien usw.).

Die Vergiftung der Mädchen dürfte auf das Konto von extremistischen Gruppierungen gehen, die noch weit radikaler sind als die iranische Theokratie. Die Regierung selbst hätte andere Möglichkeiten, die Mädchenschulen z.B. schlicht zu verbieten, das wahllose Vergiften der eigenen Kinder ist auch nicht im Interesse eines Diktators…

Und was das blutige Unterdrücken von Opposition angeht: Warum (ver)handeln wir dann mit Saudi-Arabien, wo Opposition im Gegensatz zum Iran sogar offiziell strikt verboten und mit empfindlichen Strafen bedroht ist. Aber Hey, Saudi Arabien ist #150 im Demokratieindex, also immerhin vier Ränge besser als der Iran. Big Difference… aber wie gesagt, Saudi-Arabien darf das - und auch das vom Königshaus befohlene Zerstückeln von Journalisten in Botschaften im Ausland ist unproblematisch, so lange man globalpolitisch auf unserer Seite steht…

Egal, das führt alles auch zu weit vom Thema weg. Also auch wenn man zu dem Entschluss kommt, dass der Iran-Deal von Anfang an ein Fehler war, war die Art des Ausstiegs der USA nicht angemessen und hat dem Ansehen der USA maßgeblich geschadet.

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Nun, jetzt steht der Iran kurz vor einer Atomwaffe und man hat sich jegliche Möglichkeit der Diplomatie genommen. Wie in der Lage angesprochen, bleibt nun fast nur noch militärische Mittel um zu verhindern, dass der, wie sie sagen religiös-faschistischer Staat, zur Atommacht wird.

Da schien mir der Weg der Diplomatie deutlich erfolgreicher. Was ist denn dein Vorschlag, wie man das hätte verhinden sollen?

Bzgl Opposition unterdrücken: Selbstverständlich sollte man auch mit solchen Ländern verhandeln. Das sind komplett getrennte Themenfelder. Warum sollte man keinen Deal mit diesem Land treffen, dass es keine Atommacht wird?

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Oben hatte ich ja schon die Möglichkeiten des Iran erörtert, vielleicht sollte man auch mal die Optionen des Westens erörtern. Welche Optionen hatten wir zum Zeitpunkt des Iran-Deals?

  1. Einen Deal mit dem Iran machen, der zumindest verhindert, dass der Iran eine Atommacht wird. Der Iran und Israel werden sich weiterhin (nebenbei: gegenseitig!) hinter den Kulissen massiv bekämpfen, aber zumindest bleibt es konventionell und die internationale Gemeinschaft bekommt effektive Möglichkeiten, den Iran im Hinblick auf Atomwaffenprogramme zu kontrollieren.

  2. Wir machen keinen Deal mit dem Iran und sanktionieren ihn maximal. Er wird sein Atomwaffenprogramm - ähnlich wie Nordkorea - zweifellos irgendwann vollenden und sich politisch Richtung Osten orientieren.

  3. Wenn wir weder einen Deal für akzeptabel halten, noch es für akzeptabel halten, dass der Iran zur Atommacht wird, bliebe nur Option 3 - ein Angriffskrieg mit dem Ziel eines Regime Changes und der Entwaffnung des Iran. Dieser ist jedoch völkerrechtlich unter keinen Umständen irgendwie zu rechtfertigen (auch ein illegales Atomprogramm rechtfertigt keinen Angriffskrieg; wer das anders sieht sollte sich bewusst sein, dass er jedem arabischen Staat das Recht geben würde, Israel anzugreifen, da Israel genau so eine illegale de-facto Atommacht ist). Die Konsequenz wäre, dass Russland damit auch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigen würde und auch im Hinblick auf China-Taiwan sämtliche Hemmungen fallen würden.

Diejenigen, die den Iran-Deal kritisieren, sind halt wieder in der komfortablen „Dagegen!“-Position. Dagegen sein kann man immer - auch durchaus mit guten Gründen. Aber nur, weil man gute Gründe dafür hat, gegen etwas zu sein, bedeutet das nicht, dass die Alternativen besser sind. Und von den drei Alternativen, die hier aufgeführt sind, ist mir Option A, daher der Atom-Deal, doch mit großem Abstand am sympathischsten - nicht, weil die Option wünschenswert wäre, sondern weil die Alternativen noch schlimmer sind.

Wer noch andere Optionen hat, kann sie gerne hinzufügen. Außer feinere Abstufungen (z.B. die Drohung mit Krieg im Falle der Fortsetzung des Atomprogramms) fällt mir da nichts ein - und alles, mit dem man droht, muss man im Zweifel auch umzusetzen bereit sein… (und schon die Drohung mit einem illegalen Angriffskrieg ist problematisch)

Nun beteuert der Iran doch immer, sein Atomprogramm würde nur zivilen Zwecken dienen. Da die USA und Israel dem zu Recht keinen Glauben schenken, gibt es sicher Pläne, gezielte Militärschläge gegen Zentren des iranischen Atomprogramms zu führen. Eine Invasion des Iran dürften auch die USA nicht planen.

Israel hat, im Gegensatz zum Iran, den Atomwaffen-Sperrvertrag nie unterzeichnet und ist damit auch keine „illegale“ Atommacht.

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Den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet zu haben sollte keinesfalls als „Vorteil“ in irgendeiner Weise ausgelegt werden - es gibt weltweit nur vier Staaten, die den Vertrag nicht unterzeichnet haben. Das alleine ist massiv kritikwürdig.

Abgesehen davon, dass der Atomwaffensperrvertrag ohnehin permanent unterlaufen wird (die Verpflichtung der Atommächte, Atomwaffenvorräte abzubauen, wird grundsätzlich ignoriert) und jede Vertragspartei mit einer Frist von 3 Monaten austreten darf, ist der Vertrag ohnehin nicht das Papier wert, auf dem er steht. Der Iran kann - ebenso, wie Nordkorea es getan hat - jederzeit aus dem Vertrag aussteigen, der einzige Grund, warum er es nicht tut, ist, weil er befürchten muss, dass er sonst Ziel eines Angriffskrieges wird (Israel pocht schon länger darauf, die offizielle Erklärung des Iran, Atommacht werden zu wollen, kann ganz schnell zu einer israelisch-amerikanischen Invasion führen). Es ist daher selbstverständlich, dass der Iran es wie Nordkorea machen wird: Erst werden die Atomwaffen gebaut und damit sichergestellt, dass man nicht angegriffen werden kann - dann wir der Vertrag gekündigt. Und so sehr ich den Iran und alles, wofür er steht, ablehne, so sehr muss ich anerkennen, dass das der einzig sinnvolle Weg ist. Wenn man wegen einer Kriegsdrohung zur Nicht-Kündigung eines Vertrages gezwungen ist, kann das nicht die Grundlage für Vorwürfe sein.

Auch ich glaube, dass es nicht klug war, dass Trump den Vertrag faktisch aufgekündigt hat.

Aber bei all dem darf man nicht vergessen: Der Iran hat sich auch schon jahrelang nicht mehr so richtig an den Vertrag gehalten und immer wieder provokativ dagegen verstoßen.

Leider werden wir niemals wissen, ob der Iran nicht auch ohne Aufkündigung durch die USA heute ebenso „nah an der Bombe“ wäre ….