Das Problem damit ist, dass sich in der Vergangenheit gezeigt hat, dass Sezessionsbestrebungen vor allem in den „Reichen“ Teilen eines Landes starken Zulauf erhalten, z.B. Katalonien in Spanien oder Kalifornien in den USA. Auch die Briten haben die EU ja vor allem verlassen, weil sie davon ausgingen, alleine stärker zu sein, während Ungarn von sich aus nie den Austritt erwägen würde, weil es wirtschaftlich extrem unklug wäre…
Es sind immer die reichen Landesteile, die überhaupt die wirtschaftliche Möglichkeit haben, sich unabhängig zu machen - arme, abhängige Landesteile können das offensichtlich nicht. Das Resultat ist: Lässt man Sezessionen zu, wird es zu extremen sozialen Verwerfungen führen, weil die zurückbleibenden ärmeren Landesteile dann den Nachteil haben.
Ein weiterer Punkt, der gegen Sezessionsbewegungen spricht, ist die Tatsache, dass Kriege seit der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts immer stärker über Propaganda getrieben werden. Wäre es salonfähig, dass ein Landesteil sich mit der Zwei-Drittel-Mehrheit der Einwohner unabhängig erklären könnte, würde das massive Anreize setzen, auf diese Weise indirekt zu expandieren. Daher: Über Propaganda wird - in Civilization-Terms - der „kulturelle Sieg“ mit dem Ziel einer Unabhängigkeit des an das eigene Staatsgebiet grenzenden Teiles des Nachbarlands forciert. Und ist dieser Landesteil erst unabhängig, folgt wenige Jahre später der Anschluss an das eigene Territorium.
Daher herrscht in der internationalen Gemeinschaft einhellig die Meinung, dass Sezessionsbewegungen nicht zulässig sein sollten, denn wenn man diese Büchse der Pandora erst mal öffnet, könnten die Konsequenzen ganz schnell ziemlich übel werden. Unabhängigkeiten werden daher nur bei zwingenden Gründen (vor allem genozidale Absichten, zumindest aber signifikanten strukturellen Benachteiligungen gegenüber einzelnen Landesteilen) als zulässig betrachtet.
Fälle, in denen ich Unabhängigkeitsbewegungen daher anerkennen würde, wären tatsächlich Dinge wie die Uiguren-Gebiete in China (scheitert natürlich an der tatsächlichen Machbarkeit), ein Grenzfall waren lange auch die kurdischen Gebiete in der Türkei (da z.B. die kurdische Sprache, kurdische Kleidung und kurdische Medien lange Zeit verboten waren, was schon eine ziemlich deutliche Unterdrückung war… siehe diesen Artikel der FAZ).
Bezogen auf Taiwan kann man klar argumentieren, dass eine Unabhängigkeit auch hier zulässig ist, da China sämtliche taiwanesische Kultur, die sich die letzten 70 Jahre gebildet hat, auslöschen wollen würde, vor allem alles, was westlich geprägt ist (was ziemlich viel ist…), es wäre auch mit massiver Unterdrückung all jener zu rechnen, die sich der chinesischen Doktrin widersetzen. Taiwan wäre daher ein Fall, in dem eine Unabhängigkeitsbewegung durchaus völkerrechtlich legitimierbar wäre, aber das scheitert ähnlich wie bei den Uiguren schlicht daran, dass weder Taiwan, noch der Rest der Welt, China derart in die Eier treten will, weil die Konsequenzen für alle Beteiligten bitter wären.