LDN324 Umgang mit der Wagenknecht-Petition und Einschätzung irrationaler Akteure

Verhandlungen machen nur Sinn, wenn beide Seiten darin einen Gewinn sehen. Um was soll die Ukraine denn verhandeln? Warum soll die Ukraine Territorien abgeben, die ihr völkerrechtlich zustehen?

Es kann nur zwei Lösungen geben: 1. Russland zieht sich hinter seine Grenzen von 2014 zurück. 2. Die Ukraine kapituliert.

Nur im letzteren Fall bräuchte man Verhandlungen, da über das weitere staatliche Bestehen der Ukraine verhandelt werden müsste. Im ersteren Fall wird einfach der völkerrechtlich einwandfreie Zustand wieder hergestellt.

Zum aktuellen Zeitpunkt Verhandlungen zu fordern heißt zwangsläufig die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und des Donbas dauerhaft zu akzeptieren.

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Mindestens liest Frau Wagenknecht ganz offenbar seit vielen Jahren russische Medien und verbreitet schon länger eine dementsprechend einseitige Weltsicht und unterstützt die politische Spaltung der Menschen in Deutschland (z.B. während der Coronakrise, vermutlich aber auch schon vorher). Möglicherweise ist ihr das nicht klar, weil sie durch diese Lektüre indoktriniert ist und sich nicht hinterfragt (obwohl sie mir dafür eigentlich zu intelligent erscheint). Mir ist nur die Allianz mit Frau Schwarzer nicht klar. Diese hatte ich nicht so eingeschätzt. Vielleicht hat sie nur generationsbedingt besondere Angst vor einem Krieg? Klar, wer hat die nicht? Aber sie scheint besonders Angst-getrieben und deshalb empfänglich für falsche Informationen zu sein.

„Verschachert“ finde ich ein hartes Wort. Ich denke, dass damit für ganz Europa (mit leider zugegeben enormen Verlusten für die Ukraine, wie wir heute wissen) durchaus 8 Jahre mehr Frieden erhalten wurde, was auch sehr viel wert ist und eine Chance verdient hatte. Aber natürlich wissen wir heute viel mehr, was man damals hätte besser machen sollen.

Ich kann zu diesem Thema folgendes (kurzes) Buch empfehlen, in dem auch viele kursierende Informationen z.B. zur Einstellung der ukrainischen Bevölkerung gegenüber einer Westannäherung oder zu Russland-Zugehörigkeit u.a. mit jahrelang (seit 1991) geführten Statistiken und Umfragen eingeordnet werden: Der Krieg gegen die Ukraine von Gwendolyn Sasse, Professorin an der HU Berlin für Demokratie und Autoritarismusforschung, Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien.
@Philip und Ulf: vielleicht wäre sie eine Interviewpartnerin für euch.

Da Putin bereits vorher deutlich gezeigt hat was er will, hätte man es wissen können. Merkel hat sich wie immer mit dem einfachsten Weg raus gewunden und die Kosten wieder mal in die Zukunft verlegt. Außerdem hat sie deutlich gezeigt wie egal ihr die Ukraine ist.

Schwarzer ist in meinen Augen einerseits angstgetrieben, aber gleichzeitig sieht sie hier eine Chance, wieder Relevanz für sich zu erzeugen. Ihre ursprüngliche öffentlichkeitswirksame Position als die „Ur-Feministin“ ist ja ein gutes Stück unter Druck geraten, nicht zuletzt schlicht aufgrund des eigenen Erfolges bzw. des Erfolges der Position, die sie ursprünglich mal vertreten hat. Ihr eigentlicher Kampf ist gekämpft, durchaus erfolgreich, und die heute verbliebenen Kämpfe um Gleichberechtigung haben sie gewissermaßen überholt, da ist sie bestenfalls noch geschichtlich relevant, wenn überhaupt.

Sie kommt nicht drauf klar, dass sie jetzt eigentlich in den Ruhestand gehen müsste. Also hängt sie sich an das nächste Thema, mit dem sie Aufmerksamkeit und Relevanz für sich generieren meint zu können. Erst war das halt Corona und die Maßnahmen, jetzt ist das diese Russland-Connection. Wobei ich persönlich bei ihr, anders als bei Wagenknecht, aktive Indoktrination oder gar Agententätigkeit für sehr unwahrscheinlich bis unmöglich halte. Sie wird so gesehen wirklich nur benutzt, weil sie sich mit aller Kraft aus Eigennutz dafür anbietet.

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Danke für die Analyse. Klingt schlüssig. Traurig für eine Person, die Zeitgeschichte geschrieben hat.

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Sie hat hier nicht nur Kosten, sondern in dem Fall Krieg in die Zukunft verlegt (in der Hoffnung, dass er sich gänzlich vermeiden lässt). Ich habe mich damals auch sehr über einiges gewundert (europäische, v.a. deutsche Energie- und Sanktionspolitik, Nordsteam-2-Bau) und verstehe, was du meinst. Aber ich erinnere mich auch gut daran, dass damals die Sorge vor einer Esklation, weil häufig die geschichtliche Parallele zum vor damals genau vor 100 Jahren begonnenen 1. Weltkrieg gezogen wurde, sehr verbreitet war. Und nach meiner Erinnerung war damals auch der politische und journalistische (und gesellschaftliche) Tenor noch sehr einheitlich anti-militärisch geprägt (Ukraine-Unterstützung stand in meiner Erinnerung überhaupt nicht zur Debatte, da wäre keiner drauf gekommen, das wurde auch in den Medien nicht sehr diskutiert, jedenfalls nach meiner Erinnerung). Das mag schon damals geschickte Angstpolitik gewesen sein, aber so war das nach meiner Wahrnehmung.

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Ich weiss nicht, ob das hier der richtige Ort für diese Frage/Kommentar ist…

Kann man nicht die Position „Wir müssen noch mehr Waffen liefern“ ohne selbst aktiv in den Konflikt einzugreifen als Stellvertreterkrieg bezeichnen? Wie ist das völkerrechtlich einzuordnen? Irgendwann muss ja mal eine rote Linie erreicht sein bei deren Überschreitung man von einem Stellvertreterkrieg sprechen sollte.

Zumindest kann ich die Ebenen nicht vollständig trennen. Natürlich ist Kommunikation und Rhetorik immens wichtig, aber wer Mist als Gold verkauft, macht nicht aus Mist Gold (und umgekehrt).

Ich erwarte diese Argumentation nicht von dir als Individuum, das war unscharf. Kannst du auf eine verweisen? Mir ist keine bekannt. Andersrum finde ich das z. B. dieser Block in der Lage eine sehr gute Basis oder Erklärung für die Notwendigkeit der Lieferungen darstellt.

Den Verrohungsvorwurf kann ich hier auch nicht nachvollziehen. Dieses sogenannte Manifest hat es verdient, dass man sich darüber lustig macht. Einigen Positionen kann und darf man nicht entgegenkommen, die „Mitte“ ist oft kein erstrebenswertes Ziel.

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Da hast du recht und ich erinnere mich noch. Und damals fand ich das Argument schon vorgeschoben, denn man hätte als Gegenargument jederzeit den 2. Weltkrieg ziehen können, wo man Deutschland hat machen lassen zunächst um des lieben Friedens Willen. Ich denke das Argument wurde nur benutzt um die Ukraine zu opfern. Merkel war leider ein einziges Desaster für uns und die Ukraine.

Das ist wohlgemerkt nur meine Privatmeinung, ich hab da auch keinen tieferen Einblick als alle anderen.

Es ist besonders traurig, da die Instrumentalisierung von Schwarzer so unglaublich offensichtlich zu sein scheint - für alle, außer für sie. Wagenknecht zieht offenbar im Ergebnis sehr viel mehr Publicity aus der ganzen Situation, Schwarzer wirkt indes auf mich eher wie das bemühte fünfte Rad am Wagen, das man halt mitzieht, so lange es wenigstens minimal nützlich ist und keine Widerworte gibt. Es wird ja auch seit längerem gemunkelt, Wagenknecht wolle eine neue Partei gründen - nach heute halte ich das für noch wahrscheinlicher als vorher eh schon. Stellt sich nur die Frage, wie sie die dann von der AfD abgrenzen will…

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Kurz zu dieser Formulierung, die einige scheinbar etwas angestoßen hat:

  1. Ich meine Ulf hat nur „Vladimir Vladimirowitsch“ gesagt, nicht „Lieber …“.
  2. Der vollständige Name von Vladimir Putin ist tatsächlich: Wladimir Wladimirowitsch Putin – Wikipedia
  3. Der zweite Namensteil, der sogenannte Vatersname, ist in Russland regulärer Teil des Namens, etwa so wie bei uns zweite Vornamen.
  4. Ganz wichtig: Im Gegensatz zu unserem Kulturkreis, ist es in Russland sogar so, dass die Kombination Vorname + Vatersname eine sehr förmliche und höfliche Anrede ist (Quelle).

Also falls das jemand als Verballhornung oder so gesehen hat, dem ist nicht so.

Da bin ich auch bei @Tris und sage, verschachert trifft es ziemlich gut. Wir hätten schon damals, als Russland die Situation im Donbass hat eskalieren lassen mit harten Öl- und Gassanktionen reagieren sollen.
Das wir es damals nicht getan haben, das rächt sich nun schon seit einem Jahr.

Und btw: Wo waren den in den letzten 8 Jahren all die vermeintlichen Pazifisten, die heute in Berlin auf die Straße gegangen sind? Die meisten werden wohl gemütlich und sicher in ihren Wohnungen gesessen haben.
Aber jetzt, wo die Freiheit der Ukraine plötzlich unser Geld kostet und Putin uns mit Atomwaffen droht, was sehr unwahrscheinlich ist, da kommen plötzlich etliche neue, vermeintliche Pazifisten raus.

Nichts gegen die Leute, die schon immer für Frieden waren oder die heute zumindest soviel Courage hatten, den Compact-Verlag, diesen publizistischen Arm der Neurechten aus der Demo zu drängen, aber viele die da mitlaufen, tun dies aus egoistischen Motiven und ich behaupte die Initiatorinnen auch.

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Der Umgang mit diesem Manifest ist zweischneidig.

Der Wunsch nach Frieden ist ja grundsätzlich nachvollziehbar, und reden (verhandeln) ist besser als Schiessen.

Nur: Niemand hinterfragt direkt, was die Vorschläge von Wagenknecht und Co. bedeuten. Selbst bei Lanz zuletzt durfte Frau Wagenknecht immer wortreich ums Thema herumreden, ohne wirklich auf den Punkt zu kommen.

Was bedeuten denn diese Friedensvorschläge, die der Westen einseitig erbringen soll?

  1. wir stellen die Waffenlieferungen komplett ein. Keine Panzer, keine Artillerie, keine Flugabwehr, keine Munition. Maximal humanitäre Dinge wie Medikamente, Stromerzeuger, Decken. Auch keinerlei geheimdienstliche Informationen.

  2. wir heben alle Sanktionen gegen Russland sofort auf. Verkaufen wieder alle Waren, auch militärisch relevante, an Russland, kaufen im Gegenzug wieder reichlich Energie aus Russland und stellen die Abhängigkeit wieder her.

Was erwartet Frau Wagenknecht nun von Seiten Russlands?

Oder was soll der Westen nun noch einseitig anbieten?

Auf diese Frage habe ich noch keinerlei Antwort gehört.

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Die Russische Botschaft sieht das Vorgehen Russlands im „Kampf gegen den Neonazismus“ und die „durch deutsche Waffenlieferungen“ „geschürte“ „Eskalation“ des „Kiewer Regimes“ durch die Demo bestätigt:

https://twitter.com/RusBotschaft/status/1629594120799895552

(Insgesamt drei Tweets in einem Thread, der Link geht zum ersten davon.)

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Ich finde interessant dass auch die letzte Petition von Wagenknecht zeitgleich mit einem Essay von Habermas online ging.
Mehr Aufmerksamkeit hatte schon damals die Petition bekommen, was vermutlich auch gewollt ist.
Es ist also legitim, sich nur mit dieser auseinander zusetzen ohne als Kritiker auf andere Bereiche verwiesen zu werden.
Denn die Unterzeichner haben ja auch (größtenteils) sich nicht mit weiteren Bereichen als mit der Petition auseinander gesetzt.

Ich finde es auch nicht legitim, zu fordern, eine Petition, die derart oft unterzeichnet wird, nicht im Podcast zu thematisieren, weil das Thema kontrovers oder einem Teil der Hörer unangenehm sein könnte.

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Das finde ich, ehrlich gesagt, anmaßend. Das ist wirklich in keiner Weise an Ihnen, das zu bewerten - und erst recht nicht auf Basis eines spekulativen Zukunftsszenarios.

Nur mal ein Alternativszenario zur Illustration: Russland kommt durch adäquate Unterstützung durch den Westen nicht weiter. Die russischen Eliten sind genervt von den Sanktionen, Putins Stuhl wackelt. Russland muss verhandeln und räumt die Krim.

Für einen Stellvertreterkrieg müsste mehr gegeben sein. Die Ukrainer kämpfen ja mit oder ohne unserer Hilfe - im schlimmsten Fall halt unkonventionell ala Afghanistan. Die Befragungen zu dem Thema sind da recht eindeutig.

As devastating as the use of a tactical nuclear weapon against a city or on the battlefield would be, an overwhelming majority of Ukrainians say they would still refuse to surrender if it occurred (Figure 1.17).

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Wenn - inschallah - tatsächlich einmal Frieden herrscht, müsste die Konjunktur des WK 1-Vergleichs eigentlich mal gesondert untersucht werden. Es scheint mir dabei auffällig, dass sich die Vergleiche auf eine spezifische Interpretation des Ersten Weltkriegs berufen, die um 2014, also zum Jubiläum, gerade massive Konjunktur bekommt.

Christopher Clark hat 2013 mit seinem Buch The Sleepwalkers eine Sicht auf die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs geworfen, die die in Deutschland vorherrschende These der deutschen Hauptschuld an Ausbruch und Verlauf des Krieges massiv in Frage gestellt hat. Ich will hier gar nicht für oder gegen diese These argumentieren, für die Clark auch nur pars pro toto steht, aber sie war geschichtswissenschaftlich zumindest umstritten. Von Seiten einiger Vertreter der ‚älteren‘ Interpretation wurde ihr der Vorwurf gemacht, eine Art deutsches Schuldabwendungsbedürfnis zu bedienen.

Wer sich also in Deutschland 2014 oder 2022 auf diese bestimmte Lesart des Ersten Weltkriegs beruft, mithin von Schlafwandlern und Kriegsbegeisterten ausgeht, die sich gegenseitig in einen Krieg manövrieren und reden, von denen keiner allein, aber alle so ein bisschen schuld sind, entlastet damit einereits Russland und Putin von der Alleinschuld am Krieg und andererseits - über Bande - auch das eigene nationale Gewissen. Und die eigene kollektive Wiedergutwerdung - das würde ich mal unterstellen - war in Deutschland immer ein mindestens genauso wichtiges Anliegen wie die Unterstützung von Unterdrückten.

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Ja, es kann noch sehr lange dauern bis es zu Verhandlungen kommt. Auf den Weg dahin werden noch sehr viele Menschen sterben und leiden. Was soll die Lösung sein, was ist, wenn der Ukraine nicht geholfen wird?

Eine Aufgabe der Ukraine würde erstmal weniger Tote bedeuten. Nur was kommt dann? Versucht Russland dann noch weitere Länder einzunehmen? Gerade wenn die russische Armee nicht so massiv geschwächt worden wäre in diesem Krieg, dann wäre sie für viele Nachbarn von Russland eine noch größere Gefahr als jetzt. Für Polen, die baltischen Staaten, Moldau etc. wäre eine aggressives und militärisch starkes Russland eine andauernde Gefahr. Momentan gibt es noch den Schutzschirm durch die Nato, aber bei den turbulenten Entwicklungen in den USA können wir uns in Europa auch nicht der Hilfe der USA sicher sein.