LDN324 Umgang mit der Wagenknecht-Petition und Einschätzung irrationaler Akteure

Das finde ich, ehrlich gesagt, anmaßend. Das ist wirklich in keiner Weise an Ihnen, das zu bewerten - und erst recht nicht auf Basis eines spekulativen Zukunftsszenarios.

Nur mal ein Alternativszenario zur Illustration: Russland kommt durch adäquate Unterstützung durch den Westen nicht weiter. Die russischen Eliten sind genervt von den Sanktionen, Putins Stuhl wackelt. Russland muss verhandeln und räumt die Krim.

Für einen Stellvertreterkrieg müsste mehr gegeben sein. Die Ukrainer kämpfen ja mit oder ohne unserer Hilfe - im schlimmsten Fall halt unkonventionell ala Afghanistan. Die Befragungen zu dem Thema sind da recht eindeutig.

As devastating as the use of a tactical nuclear weapon against a city or on the battlefield would be, an overwhelming majority of Ukrainians say they would still refuse to surrender if it occurred (Figure 1.17).

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Wenn - inschallah - tatsächlich einmal Frieden herrscht, müsste die Konjunktur des WK 1-Vergleichs eigentlich mal gesondert untersucht werden. Es scheint mir dabei auffällig, dass sich die Vergleiche auf eine spezifische Interpretation des Ersten Weltkriegs berufen, die um 2014, also zum Jubiläum, gerade massive Konjunktur bekommt.

Christopher Clark hat 2013 mit seinem Buch The Sleepwalkers eine Sicht auf die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs geworfen, die die in Deutschland vorherrschende These der deutschen Hauptschuld an Ausbruch und Verlauf des Krieges massiv in Frage gestellt hat. Ich will hier gar nicht für oder gegen diese These argumentieren, für die Clark auch nur pars pro toto steht, aber sie war geschichtswissenschaftlich zumindest umstritten. Von Seiten einiger Vertreter der ‚älteren‘ Interpretation wurde ihr der Vorwurf gemacht, eine Art deutsches Schuldabwendungsbedürfnis zu bedienen.

Wer sich also in Deutschland 2014 oder 2022 auf diese bestimmte Lesart des Ersten Weltkriegs beruft, mithin von Schlafwandlern und Kriegsbegeisterten ausgeht, die sich gegenseitig in einen Krieg manövrieren und reden, von denen keiner allein, aber alle so ein bisschen schuld sind, entlastet damit einereits Russland und Putin von der Alleinschuld am Krieg und andererseits - über Bande - auch das eigene nationale Gewissen. Und die eigene kollektive Wiedergutwerdung - das würde ich mal unterstellen - war in Deutschland immer ein mindestens genauso wichtiges Anliegen wie die Unterstützung von Unterdrückten.

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Ja, es kann noch sehr lange dauern bis es zu Verhandlungen kommt. Auf den Weg dahin werden noch sehr viele Menschen sterben und leiden. Was soll die Lösung sein, was ist, wenn der Ukraine nicht geholfen wird?

Eine Aufgabe der Ukraine würde erstmal weniger Tote bedeuten. Nur was kommt dann? Versucht Russland dann noch weitere Länder einzunehmen? Gerade wenn die russische Armee nicht so massiv geschwächt worden wäre in diesem Krieg, dann wäre sie für viele Nachbarn von Russland eine noch größere Gefahr als jetzt. Für Polen, die baltischen Staaten, Moldau etc. wäre eine aggressives und militärisch starkes Russland eine andauernde Gefahr. Momentan gibt es noch den Schutzschirm durch die Nato, aber bei den turbulenten Entwicklungen in den USA können wir uns in Europa auch nicht der Hilfe der USA sicher sein.

Ich habe Ulfs und Philips Gespräch nicht so empfunden, als ob sie sich lustig machen oder die Situation/die Gegenmeinung nicht ernst nehmen. Es handelt sich eher um die für sie typische Art der „Demaskierung“ schwieriger Positionen, in diesem Fall Wagenknecht/Schwarzers. Alle Argumente sind bereits genannt. Hinzuzufügen wäre noch, dass auf der Demonstration keine ukrainischen Flaggen gezeigt wurden, wenn ich die Berichterstattung richtig verstanden habe.
Außerdem fand ich es zutiefst verstörend, dass Wagenknecht und Schwarzer bei der Präsentation ihres offenen Briefes lachten…
Ich kann die o.gen. Lanz-Sendung vom 21.2. mit Frau Wagenknecht empfehlen wegen der dort auch anwesenden Ljudmyla Melnyk. Ihre Erwiderungen auf Frau Wagenknecht waren sehr klug, berührend und entlarvend. Ich hätte mir gewünscht, dass man sie mehr zu Wort kommen gelassen hätte.

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Na an die Weltkriegsparallelen kann ich mich 2014 nicht erinnern. Für mich ist der Unterschied zu heute, dass 2014 die Lage unübersichtlicher war. Das berichteten mir damals auch ukrainische Freunde (Studenten in Deutschland aus der Region Donezk). Es war sogar so kompliziert, dass diese über massive Risse in ihren Familien im Laufe des Konflikts klagten, da der eine Teil eher dem Westen nah stand, der andere aber eher eine enge Anbindung zu Russland befürwortete.

TLDR: Die Situation 2014 war unübersichtlich. Viele Ukrainer fühlten sich Russland verbundener als der EU. Daher fühlten sie sich von der Euro-Maidan Bewegung und der daraus hervorgegangenen, neuen, weitgehend antirussischen Regierung nicht repräsentiert. Nicht einfacher dürfte es für die EU gewesen sein, dass diese Regierung maßgeblich durch rechtsextreme (Rechte Sektor) an die Macht kam.

Erinnern wir uns an die Zeit des Konflikts. 2013 war Wiktor Janukowitsch in der Ukraine an der Macht, der aufgrund zahlreicher Skandale in seiner Regierung unbeliebt ist. Zu diesem Zeitpunkt war die Ukraine auf dem Weg zu einem, in der Ukraine umstrittenen, EU-Assoziierungsabkommen. Eine Hälfte der Ukrainer wollte eine Annäherung an den Westen, die andere Hälfte an Russland.

Plötzlich und unerwartet kippt Janukowitsch das Assoziierungsabkommen und verkündet, in Erwartung günstiger Energie-Verträge, die Ukraine wieder stärker in Richtung Russland auszurichten. Das war der Tropfen, der das Fass der EU-freundlichen Ukrainer zum Überlaufen bringt. Der Euro-Maidan beginnt. Dabei ist zu bemerken, dass EU-Befürworter (vor allem die Menschen im Westen des Landes) und Russland-Freunde (vor allem Menschen im Osten) sich die Waage halten, am Ende aber die westliche Bewegung, unterstützt durch rechts-nationalistische Gruppen (bspw. der Rechte Sektor) sich durchsetzt.

Janukowitsch flieht nach Russland, bevor ihm ein Schauprozess gemacht wird, ein erklärter antirussischen Politiker (Jazenjuk) wird neuer Präsident und missachtet die von der EU vermittelte Einigung der Schaffung einer Regierung der nationalen Einheit, indem er russlandfreundliche Parteien nicht ins Kabinett aufnimmt. Kurze Zeit später putschen grüne Männchen der russischen Schwarzmeerflotte auf Landurlaub sich auf der Krim an der Macht (wer’s glaubt) und russlandfreundliche Separatisten (nicht russische Panzer) spalten die Regionen Donezk und Luhansk ab.

Ohne Frage ist die Annexion der Krim völkerrechtswidrig. Bei der Abspaltung der Oblaste Donezk und Luhansk ist es aber schwierig, da Russland dort „nur“ Separatisten unterstützt und nicht selbst mit schwerem Gerät kämpft (ebenso wie an anderer Stelle kurz zuvor die Nato-Staaten in bspw. Syrien).

Auf der anderen Seite steht die Regierung eines Landes, mit riesigem Korruptionsproblem, die von den Menschen in der Ostukraine nicht unterstützt, dafür aber von Neonazis unterstützt wird. Nachvollziehbar, dass die nicht everybodies Darling ist.

In Anbetracht dieser unübersichtlichen Situation kann ich Frau Merkel sehr gut verstehen, dass sie das Minsker Abkommen mitverhandelt hat.

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Ich verstehe die Überlegungen, auch in dem größeren Kontext.
Ich denke, dass man eine gute dauerhafte Lösung nicht so schnell finden wird. Und möglicherweise nur in einer gemeinsamen Anstrengung der Weltgemeinschaft (UN Blauhelm Mission?).
Die Frage, die sich hier stellt ist doch, wie man den betroffenen Menschen schnell helfen kann. Ich meine, dass dies nur über einen Waffenstillstand und Verhandlungen über Frieden möglich sein dürfte. Deshalb kann ich persönlich nichts falsch daran finden, solche Verhandlungen zu fordern und das so schnell wie möglich.

Meiner Meinung nach, sorgen Waffen nicht für Frieden, sondernsie sorgen dafür das die Ukraine noch existiert wenn Russland endlich bereit ist diesen Krieg zu beenden.

Was ist daran diffamierend? Die Naivität in Bezug auf Frau Wagenknecht ist echt erschreckend.

Wir lebten in einer „orwell’schen Welt“, meinte sie heute bei ihrer Rede. Ja meine Güte, warum liest eigentlich niemand Orwell? Die Orwell’schen Protagonisten leben ja sämtlich in dystopischen Welten, aus denen sie keine Verhandlung je befreien könnte. Man kann 1984 ja kaum lesen, ohne sich zu wünschen, Winston Smith würde jetzt endlich mal ein anständiges Maschinengewehr in die Hand gedrückt bekommen. Und Orwell selbst, naja, ich bringe jetzt gerne ein Zitat, dem ich selbst nicht ohne Einschränkungen zustimmen würde:

„Pacifism is objectively pro-Fascist. This is elementary common sense. If you hamper the war effort of one side you automatically help that of the other. Nor is there any real way of remaining outside such a war as the present one. [WW II]“ (George Orwell, 1942)

Das ist der Grund, warum Menschen vor der „neuen Friedensbewegung“ Angst haben. Sie hilft den Faschisten .

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Ich wundere mich darüber, dass hier offenbar nicht für alle selbstverständlich ist, die politische Gegnerin nicht mit den gleichen Stilmitteln zu diffamieren, die auch Putin gebraucht. Er stigmatisiert über seine gleichgeschalteten Medien seit Jahren politisch Andersdenkende zuerst, indem sie zu Agenten ausländischer Mächte gestempelt werden. Dem folgt dann das Verbot unabhängiger Nichtregierungsorganisationen (NGOs), weil Putin die Macht dazu hat.

Deine Behauptung, dass Sarah Wagenknecht eine russische Einflussagentin sei, die im Auftrag Putins bzw. russischer Geheimdienste Desinformationskriegeinsätze betreibe, stellt eine Diffamierung dar, die ich als Moderatorin hier nicht akzeptiere. Respektiert das bitte.

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Hier schreibst du jeden Preis, meinst du jeden Preis ?
Beispiele:

  • Vollständige kapitualtion der Ukraine, eingliederung in Russland
  • Hinrichtung der, von Russland titulierten, „Nazi-Regierung“ in Kiev
  • etc.etc.

Der Preis für einen Waffenstillstand, ist doch die schwierige Frage. So ziemlich jeder will einen Waffenstillstand und danach, einen im utopischsten Fall ewigen, Frieden. Aber der Preis ist das Problem, Russland und die Ukraine können sich nicht auf einen Preis einigen und selbst wenn man sich auf einen Preis einigen würde, wirkt auf mich realitätsfern das sich Russland langfristig an Friedensverträge halten würde.

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Naja, man könnte auch sagen Merkel hat der Ukraine 8 Zeit gegeben sich auf den Russischen Angriff vorzubereiten. Hätten Russland 2015/16 in einem ähnliche Maßstab die Unkraine angegriffe gäbe es sie heute nicht mehr.

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Ich würde dagegen halten: Merkel hat der Ukraine 8 Zeit gegeben sich auf den Russischen Angriff vorzubereiten. Hätten Russland 2015/16 in einem ähnliche Maßstab die Unkraine angegriffe gäbe es sie heute nicht mehr.

Lest das oben von mir empfohlene Buch. Darin sind ziemlich viele Zahlen aus Umfragen etc. direkt aus der Ukraine und mit der Entwicklung über Jahre dazu, z.B. wieviele Rechtsextreme wirklich beim Euromaidan beteiligt waren (und wie viele es jetzt noch sind; der Krieg hat die Nationalisten nämlich z.B. anders als in anderen Regionen der Welt keineswegs gestärkt), wie die anteilsmäßige Haltung der Menschen in der Ostukraine zu einer Angliederung an Russland war (mehr als in der Westukraine, aber keine Überzahl) oder ob es schon Separationsbewegungen auf der Krim oder den östlichen Regionen, bevor 2014 die Soldaten ohne Abzeichen die Annexion begannen, gab (nämlich keine).

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Und Putin 8 Jahre viel deutsches Geld besorgt besonders für sein schmutziges Gas und so den heutigen Krieg geholfen zu finanzieren. Hätte sie damals parallel Deutschland komplett von Russland entkoppelt und die Ukraine unterstützt würde ich zustimmen. So hat sie uns noch abhängiger von Russland gemacht und Russland genügend finanzielle Mittel gegeben. Von daher kann ich deine Aussage leider nur ablehnen.

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Verstörend fand ich das nicht, ich habe nichts anderes erwartet. Wie zu erwarten entlarvt sich diese ganze Aktion für jeden, der bereit ist, hinzusehen, als das, was sie ist: ein (durchaus erfolgreicher, daher gibt’s Grund zum Lachen) Publicity-Stunt für zwei Ego-Darstellerinnen, denen es in allererster Linie um ihre eigene Agenda geht.

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Mir fehlt schlicht die mediale Distanz. Wieso beispielsweise darf Precht seine Ergüsse weiterhin in einem ZDF Podcast verteilen? Und was sagt es über Lanz ( den ich ehrlich gesagt für völlig überbewertet halte) aus , dass er da weiterhin mitmacht. Die Medien haben sich während Corona aus falschem Antrieb als Unterstützer der Schwurbler erwiesen( Stichwort False Balance). Das darf diesmal nicht wieder passieren.

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Die Hypothese zu Merkels gunsten wäre: „Hätte Merkel Deutschland und Russland durch Gas nicht wirtschafltich von einander abhänging gemacht, hätte Putin früher angegriffen“
Aber das ist natürlich alles sehr Hypotetisch und ich weiß natürlich nicht was Putin dazu gebracht hat 8 Jahre zu warten.
Der Teil bei dem ich mir aber sicher bin, die Ukraine brauchte jeden Monate mehr nach 2014 den sie bekommen konnte, um sich vorzubereiten. Die Ammis haben die Zeit genutzt um bei der Ausbildung Ukraiinischer Soldaten zu helfen.
Während die Russische Armee durch Korruption und den Verfall sowetischer Waffensystem jeden Monat schwächer wurde. Daran hat auch Deutsches Geld nichts geändert.

:wink:

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Ich möchte deiner Buchempfehlung ihren Wert nicht absprechen. Aber es gibt eben auch noch weitere Ebenen als die von dir beschriebenen. Ich vertraue da durchaus auch den wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung oder der Stiftung Politik und Wissenschaft.

Hier habe ich mal drei Publikationen (okay, eine ist lediglich die Wiedergabe von Umfragen in Bildern) aus dem Keller gekramt. Beim Lesen erscheint mir schon, dass der Weg des Konflikts seit 2013 sehr vielschichtig ist und du ihn etwas unterkomplex betrachtest.

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