Dass es kein perfektes Wahlsystem gibt, ist mir bekannt. Zur „taktischen“ Wahl im engeren Sinne gehört aber, dass man Konstellationen u.U. voraussehen und sich deswegen taktisch darauf einstellen kann, und dann ist das auch nicht per sé verkehrt. Z.B. wenn die bevorzugte Partei mit hoher Wahrscheinlichkeit an der 5%-Hürde scheitert, man aber möchte, dass die eigene Stimme zählt, dann ist es in unserem derzeitigen Wahlsystem vollkommen rational stattdessen die nächstbessere von den großen Parteien zu wählen. Schwierig wird es, wenn man vorher praktisch nicht absehen kann, welche Taktik man anwenden soll, weil das Wahlsystem wie bei „Wahl durch Zustimmung“ effektiv wie Stein-Papier-Schere funktioniert.
Ja, solche konstruierten Beispiele gibt es für jedes Wahlverfahren. Oft sind die dann schon recht merkwürdig aufgesetzt, wenn bspw. die Anhänger dreier Parteien ihre Zweitpräferenzen im Kreis vergeben, statt dass diese wechselseitig ausfallen. Das Beispiel, was du angibst, ist zugegeben nicht ganz so obskur:
# of voters Their ranking
2 W > X > Y
3 X > Y
4 Y > Z
5 Z
Again, this is an IRV election. W is eliminated, transfering its two votes to X, and then Y’s votes are transferred to Z. The winner is Z, with a 9-to-5 victory against X.
But if the first two voters only rank W (or if they don’t even vote at all), then Y (their 3rd choice) has a 7-to-5 victory against Z (their last choice). That is, X’s votes would go to Y, so Y would not have gotten eliminated.
So those two voters get a better result by limiting the number of candidates they rank. That is, sincerely ranking candidates after W hurt them.
Aber nehmen wir doch mal dieselbe Konstellation – ich muss nicht einmal irgendeine andere konstruieren, sondern nehme diese vorgegebene – unter „Wahl durch Zustimmung“:
Z-Wähler hassen offensichtlich alle anderen Kandidaten und wählen nur Z. Die Y-Wähler finden komischerweise auch alle Z ganz gut und lehnen alle W und X komplett ab, und kreuzen deswegen Y und Z an, und schon hat Z wieder 9 Stimmen. Jetzt könnte Y schon maximal noch gleichziehen. Ob jetzt Y oder Z gewinnt, hängt davon ab, ob a) Y maximale Unterstützung von W/X-Wählern erhält und b) ob genug von Ys eigenen Wählern nicht Z mit ankreuzen.
Die offensichtliche Strategie für Y muss also anscheinend sein, nur Y anzukreuzen und nicht Z, um mit den Stimmen von W+X die Mehrheit zu bekommen. Das wissen aber natürlich auch die Wähler von W+X, und W+X haben zusammen 5 Stimmen, also mehr als Y alleine. Wenn diese also davon ausgehen, dass sie nicht alle Y wählen müssen um Z zu verhindern, dann wäre ihre beste Strategie, genau dies auch nicht zu tun. In diesem Fall wäre dann Y der Verlierer und X und Z gleich auf. Und wenn man etwas krummere Zahlen hat, z.B. statt 2/3/4/5 Wählern 22/30/40/50, könnten sie nicht nur gleichziehen, sondern sogar gewinnen. Das gilt es natürlich für Y-Wähler zu verhindern, denn die finden X ja viel schlimmer als Z, also müssen zumindest einige von ihnen doch Z wählen, auf die Gefahr hin, dass am Ende Z gewinnt und sie feststellen, dass sie einmal zuviel um die Ecke gedacht und den Sieg selber verschenkt haben.
Das ist eben keine Wahl, sondern Schnick-Schnack-Schnuck bzw. Stein-Schere-Papier.
Mit IRV sieht es dagegen so aus:
Dass bei IRV mögliche „moderate“ Konsenskandidaten wie in diesem Fall Y unter Umständen frühzeitig eliminiert werden können, ist bekannt und tatsächlich ein gewisser Nachteil des Systems. Dabei liegt es dann aber in der Natur der Sache, dass die Anhänger Ys dann zumindest das Zünglein an der Waage bilden zwischen X und Z.
Dass die Anhänger von Y deutlich stärker zu Z tendieren, ist aber etwas, was öffentlich bekannt sein dürfte bzw. könnte, denn Wahlen finden ja nicht im politisch luftleeren Raum statt. Wir haben hier ja ein Kandidatenspektrum, dass man evtl. von links nach rechts als W-X-Y-Z aufreihen könnte, Y ist der Mediankandidat, aber dessen Wähler tendieren halt deutlich eher nach rechts als links.
Es bedarf also eines einzigen Wählers von W/X, der das realisiert und tatsächlich taktisch wählt, und der deswegen Y vor X zieht, und schon gewinnt am Ende Y.
Es gibt also kein Schnick-Schnack-Schnuck, sondern
Z wählt Z, weil Z über alles.
Y wählt Y>Z, weil kann Y nicht schaden (later-no-harm).
(W+)X wählt entweder „real“ und verliert, oder eben taktisch das kleinere Übel. Exakt so wie bei unserem jetzigen Wahlsystem „relative Mehrheit“ übrigens.