LdN321 Ist Umsatzsteuer einkommensneutral?

(…) Konsumsteuern besteuern wie der Name schon sagt den Konsum. Bleiben wir beim Beispiel der Mehrwertsteuer. Wer mehr Waren und Dienstleistungen konsumiert, zahlt absolut mehr Mehrwertsteuer. Allerdings konsumieren Menschen mit verschieden hohem Einkommen verschieden hohe Anteile zur Verfügung stehenden Einkommens.

Während Haushalte mit niedrigem Einkommen in der Regel ihr gesamtes Einkommen verkonsumieren, können Haushalte mit hohem Einkommen einen Teil ihres Einkommens sparen. Sie verkonsumieren also nicht 100 Prozent ihres Einkommens, sondern je nach Höhe nur 80, 70, 60, etc. Prozent.

Während niedrige Einkommen praktisch gesehen zu 100 Prozent „mehrwertversteuert“ werden und damit je nach Konsumverhalten ein Steuersatz von sieben bis 19 Prozent anfällt, fällt dieser Steuersatz bei hohen Einkommen nur für 80, 70, 60, etc. Prozent des Einkommens an.

Damit sind Konsumsteuern richtigerweise nicht progressiv, aber auch nicht einkommensneutral. Sie sind regressiv. Wer weniger hat, wird mehr besteuert. Deswegen sind Vorschläge wie von Cem Özdemir, die Mehrwertsteuersätze auf Obst und Gemüse zu senken, eine super Idee, um Menschen mit niedrigen Einkommen das Leben leichter zu machen.

Liebe Grüße, Jasper

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Nein, wer weniger hat wird nicht mehr besteuert. Alle werden gleich besteuert. Wer weniger hat, der hat einfach weniger. Wenn man das falsch findet, ist das keine Frage der Umsatzsteuer.

Ob die Steuer einkommensneutral ist oder nicht, ist auch einfach keine sinnvolle Frage. Mit dem Einkommen hat sie ja, wie du selbst schreibst, gar nichts zu tun.

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Jein. Ja, die Umsatzsteuer ist selbst nicht progressiv, daher: Wer 1000 Euro für Artikel mit voller Umsatzsteuer ausgibt, wird 190 Euro an Umsatzsteuer zahlen.

Das Argument von jalue ist dennoch zulässig, wenngleich ich mir nicht sicher bin, ob es richtig ist (dazu weiter unten). Das Argument von jalue ist, dass jemand, der 1000 Euro Netto im Monat hat, diese i.d.R. voll verkonsumiert und deshalb bei einem durchschnittlichen Steuersatz von z.B. 12% (irgendwo zwischen 7 und 19%) 120 Euro seines Monatsnetto (also 12%) an Umsatzsteuer zahlt, während jemand, der 3000 Euro Netto hat und 1000 Euro davon sparen kann, nur 240 Euro seines Monatsgehalts (also 8%) an Umsatzsteuer zahlt.

Gegen die Ansicht von jalue kann man nun zwei Argumente anbringen:

  1. Egal wie viel jemand spart, irgend wann wird er (oder seine Erben…) das gesparte einsetzen und darauf Umsatzsteuer zahlen. Es ist daher eher ein Effekt der Verschiebung der Belastung (und nicht der Minderbelastung) - und dieser Effekt ist bei Konsumsteuern eigentlich selbstverständlich.

  2. Jemand mit einem niedrigeren Einkommen wird i.d.R. einen höheren Anteil seines Einkommens auf Lebensmittel (und damit i.d.R. Güter mit reduziertem Umsatzsteuersatz) ausgeben, wer viel verdient, wird oft mehr Geld für Luxusgüter (teure Autos, teure Unterhaltungselektronik) ausgeben und dafür den vollen Umsatzsteuersatz zahlen. Ich wäre nicht überrascht, wenn dieser Effekt die tatsächliche Umsatzsteuerbelastung nahezu ausgleichen würden.

Beide Effekte zusammen sollten dazu führen, dass der Vielverdiener auf lange Sicht tatsächlich etwas mehr Umsatzsteuer zahlt als der Geringverdiener. Die Diskussion an sich ist jedenfalls durchaus sinnvoll, solche Fragen muss man im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit schon stellen.

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Ich denke, dass man die Bewertung solcher Vorschläge in Bezug setzen sollte, was stattdessen mit den höheren Einnahmen gemacht werden würde.

Wenn man beispielsweise nicht die Mehrwertsteuer reduziert, sondern die Mehreinnahmen gegenüber einer Reduktion als Absolutbetrag an jeden auszahlt, wird Menschen mit niedrigen Einkommen das Leben noch leichter gemacht. Den Absolutbetrag kann man sogar noch versteuern.

Über diesen Vergleich und diese Möglichkeit sind Steuereinnahmen möglicherweise auch auf absoluter Basis zu vergleichen. Wenn man Menschen mit niedrigen Einkommen das Leben leichter machen möchte, sind solche Maßnahmen denke ich wesentlich zielgerichteter.

Danke. Klasse Zusammenfassung.

Das ganze Thema finde ich ziemlich spannend. Wenn insbesondere Menschen mit höherem Einkommen mehr Luxusprodukte kaufen, warum wird nicht über eine Luxussteuer diskutiert?

Das erste Gegenargument ignoriert jedoch alles, was das Sparen bedingt und ermöglicht:

Sparen bedingt, dass das Geld für alles lebenswichtige reicht und häufig noch mehr, sodass gesunde Ernährung und mehr Bewegung, Urlaube(e) und andere Vorteile Einzug erhalten.

Sparen ermöglicht die Schaffung (insbesondere im Hinblick auf den Vergleich mit allen, die nicht sparen können - erheblicher) finanzieller Polster, die Reduzierung von Stress bedingt durch Geldknappheit, früherer Renteneintritt, mehr Gesundheit während des gesamten Lebens.

Diese Aufzählungen sind nicht vollständig.

Zu Argument 1:
Theoretisch könnte jeder Euro irgendwann ausgegeben werden. Wenn wir über Menschen mit sehr viel Vermögen sprechen, stimmt das jedoch nicht. Werden siebenstellige Vermögensbeträge vererbt, ist die Wahrscheinlichkeit der Verkonsumierung gering.

Zu Argument 2:
Man könnte die Besteuerung jedoch noch nach Art des Konsums differenzieren. Während Ausgaben für Lebensmittel und Energie Voraussetzung für die Existenz sind, also ein „natürlicher“ Zwang zur Ausgabe führt, sind Ausgaben für Luxusprodukte wie teure Autos oder teure Unterhaltungselektronik auf Basis von Bedürfnissen gemacht worden, deren Nichterfüllung das Überleben des Menschen nicht gefährdet. Somit kann rein quantitativ eine ähnliche Belastung entstehen. Auf qualitativer Ebene ist die Belastung jedoch beim Niedriglöhner erzwungen, während der Reichtum des Vielverdieners nicht zum Luxuskonsum verpflichtet.

Fast alles ist in Deutschland doch regressiv? Man arbeitet in Deutschland, damit die reiche Leute gut leben können.

Ich habe öfter gehört, dass eine Luxussteuer sehr gut greift. Reiche Menschen kaufen immer teurere Sachen, weil die anderen auch sowas haben („Keeping up“-Effekt). Die nächste Super-Yacht wird vielleicht weniger attraktiv, wenn darauf eine Zusatzsteuer von 20-50% erhoben wird. Und wenn nicht, dann gibt es die Steuereinnahmen.

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Meiner Meinung nach sollte auf alles was Nahrung ist nur der verminderte Satz gezahlt werden. Gleiches gilt für Drogerie-Artikel.
Bei dem jetzigen Chaos blickt doch keiner mehr durch.

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Auf den Erwerb von Assets wie Immobilien oder Aktien fällt keine Umsatzsteuer an. Damit ist das Thema für vermögende Menschen durch. Kaum jemand erbt Millionen und gibt das Geld dann für Schnitzel, Fernseher und Reisen aus.

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Sehe ich genauso… Wenn man einmal Geld hat, hat man ganz andere Möglichkeiten Steuern zu sparen.

Ich kenne ein paar Leute die gut Kohle haben, die zahlen weniger Steuern als ich (und ich zahle auch schon den maximalen Steuersatz), zum Teil sogar absolut gesehen. Wenn Du Dein Geld in Immobilien und in Unternehmen liegen hast, bschränkst Du die Privatenahme im Prinzip nur auf Deine Alltagsausgaben und zahlst auch nur darauf Einkommensteuer.

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Dazu:

https://twitter.com/lukas_scholle/status/1626918199915847680

Ah da ist wieder die FDP als altbekannte Umverteilungspartei (Umverteilung von arm nach reich).

Dafür fallen dann Grunderwerbsteuer und co. an. Ob diese höher sein sollten, darüber lässt sich vortrefflich streiten. Wie bei fast allen Steuerthemen wären auch hier progressive Steuern wünschenswert, daher die Abgaben für Grunderwerb sollten steigen, desto mehr Grund jemand besitzt. Das erste Grundstück ist damit gering besteuert (ungefähr so wie alle Grunderwerbe aktuell), aber wer massig Grundstücke akkumulieren will, sollte durch eine progressiv steigende Steuer dafür ordentlich zur Kasse gebeten werden.

Das sind dann doch die Probleme, die wir angehen sollten?
Da ich längere Zeit als Bilanzbuchhalter in der Steuerberatung gearbeitet habe, kenne ich natürlich diese ganzen Tricks. Es ist einfach zum Kotzen, dass durch bestimmte gesellschaftsrechtliche Konstruktionen (vor allem GmbHs unter dem Dach einer Holding) die Steuern bis zum Sankt Nimmerleinstag hinausgeschoben werden können.

Ich denke wir sind uns einig, dass die Anhebung der Umsatzsteuer bei gleichzeitiger Senkung von Unternehmens- (oder auch Einkommens-)Steuer eine ganz, ganz schlechte Idee ist, die nur auf dem gelben Misthaufen der FDP wachsen kann…

Also ich habe sicherlich nicht für eine Erhöhung der Umsatzsteuer plädiert, noch weniger würde ich für eine Senkung von Unternehmenssteuern, Einkommenssteuern bei Vielverdienern oder gar Kapitalertragssteuern plädieren…

Das war ja der eigentliche Gedanke des reduzierten Umsatzsteuersatzes. Er soll die elementar nötigen Produkte und Dienstleistungen erschwinglicher machen.

Leider sind diese Regelungen durch verschiedene Interessengruppen immer wieder verwässert worden, das letzte Beispiel war die reduzierte Umsatzsteuer für Hotelaufenthalte, die eindeutig keine elementar notwendige Dienstleistung sind, aber eben von der FDP massiv lobbyiert wurden. Andere Beispiele wie Mineralwasser hingegen werden dann sinnloserweise mit 19% belastet.

Dass man bei den Umsatzsteuersätzen einfach mal ganz radikal aufräumen und neu strukturieren sollte, daher sowohl den § 12 UStG als auch die Anhänge dazu ausmisten müsste, ist denke ich nahezu unbestritten. Aber die Politik fürchtet sich vor den massiven Verteilungskämpfen, die in diesem Rahmen stattfinden würden, da natürlich alle möglichen Interessengruppen gegen einen Verlust der Ermäßigung bis zum bitteren Ende kämpfen würden und alle anderen natürlich versuchen würden, ihre Produkte und Dienstleistungen reduziert zu bekommen…

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Die Reichen zahlen weniger Steuern als die Armen?

JA! DAS sollten wir angehen! Dringendst!

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An sich interesant, aber wie kommt es, dass die Ärmsten (ganz linker Rand) 19 % ihres Einkommens für Umsatzsteuer aufwenden? Leben die nur von Schnaps, Pizza und dicken Autos? Das scheint mir nicht ganz schlüssig.

Abseits davon finde ich es übrigens schon fragwürdig, dass ich beim Medianeinkommen (44.074 € in 2022) 36 % Grenzsteuersatz zahle (bspw. wenn ich noch ne Überstunde mache und mir auszahlen lasse). Gleichzeitig wird Konsum nur mit 19 % (oder 7 %) besteuert.

Meine Schlussfolgerung:
Konsum ist staatlich gewünschter als Arbeit. Schließlich wird bekannterweise mit Steuern das Verhalten der Menschen gesteuert. Insofern hat die FDP hier einen Punkt. Allerdings will die ja lieber Unternehmensteuern senken :man_facepalming:

An dem Zaunpfahl hängt aber der ganze Zaun inkl. Garten noch mit dran! :smiley:

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