LdN318: Wiegt Lindner Grußwort wirklich so viel?

Die BBBank ist eine Genossenschaftsbank, hat ein grundsolides Geschäftsmodell und ist, wie in der Lage erläutert, als Spießer in der Branche bekannt. So hat sie vielleicht ein paar Kunden dazu gewonnen, aber dass sie dafür ein hohes Risiko bei der Kreditvergabe und eine Strafe der BaFin in Kauf nehmen klingt irgendwie unrealistisch

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Hallo zusammen,

es geht bei dem Thema nicht um den Nutzen, den die BBBank hatte. Es geht einzig darum, ob der Bundesfinanzminister für ein Grußwort besondere Konditionen bei der Kreditvergabe bekommen hat. Das wäre dann nämlich Korruption und ein Minister hat (ebenso wie normale Beamte) bereits den Anschein dessen zu vermeiden (das nach dem vorausgesagten nicht viel öfter ermittelt wird überrascht mich genauso sehr wie euch).

Sofern sich herausstellen sollte, das es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem Kredit und dem Grußwort gegeben hat, muss Christian Lindner eigentlich sofort zurücktreten, allein um das Amt nicht zu beschädigen. Ich erinnere mal daran, das ein Bundespräsident wegen einem Bobby-Car zurücktreten musste.

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Solange nichts über den Wert der Immobilie und die Darlehenskonditionen bekannt ist, bewegt sich alles nur im Bereich der Spekulation. Die Daten zur Grundschuld sind insoweit nicht aussagekräftig. Es sind mehrere Szenarien denkbar, die eine Grundschuld in dieser Höhe plausibel erscheinen lassen können, wenn mehr über den Immobilienwert bekannt würde. Die bekannte Faktenlage rechtfertigt m.E. daher keine Information der Öffentlichkeit seitens der StA.

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Danke! Es ist mir ziemlich schleierhaft wie die Lage behaupten kann, die Veröffentlichung sei presserechtlich gerechtfertigt, wenn eine Reihe wahrscheinlicher Szenarien den Sachverhalt gut erklären können

Was für „wahrscheinliche Szenarien“ sollen das denn bitte ganz konkret sein?

Und jetzt nicht mit „die Bude ist halt für ne Million unter Wert verkauft worden“ daher kommen - auch wenn das die Bank sicher entlasten würde, stellte sich im nächsten Atemzug die Frage, wer Lindner ne Million schenkt und warum :wink: ich bitte um ökonomisch sinnvolle und legale Szenarien.

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Vielleicht sollte man hier mal die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung erläutern.

Die widerstreitenden Interessen sind hier das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und das berechtige Öffentliche Interesse der Allgemeinheit.

Relevante Faktoren sind hier u.a.:

  1. Die Schwere der Straftat, die verdächtigt wird
  2. Die Last der Beweise, dh. die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich eine Straftat vorliegt
  3. Der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person

Dazu gibt’s folgendes zu sagen:

  1. Die Schwere der verdächtigen Straftat (Bestechlichkeit im Amt) ist eher mittelschwer.
  2. Die Last der Beweise ist aktuell eher niedrig. Das Einleiten eines Ermittlungsverfahrens (welches nur einen „Anfangsverdacht“ erfordert) reicht i.d.R. nicht.
  3. Die betroffene Person ist jedoch der Wirtschaftsminister, also eine herausragende öffentliche Person.

Würden die gleichen Vorwürfe, die gegen Lindner momentan im Raum stehen, gegenüber einem kommunalen Beamten bestehen, würde wohl Einigkeit herrschen, dass keine Berichterstattung unter Nennung des Namens zulässig wäre, da das Persönlichkeitsrecht des Beamten höher zu bewerten wäre als das öffentliche Interesse. Da es sich aber um eine zentrale Figur der Bundesregierung handelt, kann man durchaus argumentieren, dass das öffentliche Interesse hier deutlich überwiegt.

In solchen Fällen, in denen das öffentliche Interesse überwiegt, haben die Medien nun diverse Pflichten, wenn sie darüber berichten wollen.

  1. Sie müssen dem Beschuldigten eine Gelegenheit zur Stellungnahme geben, bevor sie über den Fall berichten. Ich gehe stark davon aus, dass das geschehen ist.
  2. Sie müssen ausgewogen berichten und Vorverurteilungen vermeiden. Der Beitrag in der LdN erfüllt m.E. diese Voraussetzung, weil der Tenor relativ klar war: „Könnte sein, könnte aber auch nicht sein“, der Tenor war nicht „Lindner ist in jedem Fall Schuld“.

Als Fazit würde ich daher sagen, dass die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung hier eingehalten wurden und wir hier kein Problem haben. Gerade als Spitzenpolitiker muss man damit rechnen, dass auch nur der Anschein von fragwürdigem Verhalten von den Medien aufgegriffen wird, da eben ein massives öffentliches Interesse besteht (siehe z.B. die Berichterstattung über Trump oder Netanjahu…). Die Medien als „vierte Gewalt“ haben geradezu die Pflicht, über solche Dinge - möglichst neutral - zu informieren.

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Ganz konkret; ich denke mir was völlig Plausibles aus: Gründerzeitvilla, alte Substanz. Bisher als 2-Familienhaus genutzt, wird denkmalgerecht umgebaut und renoviert. Kosten dafür locker 1.5M.

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Ja, Kosten. Aber Kosten sind erst mal Kosten und nicht gleichzusetzen mit einer Wertsteigerung. Wenn ich nen Maler engagiere um meine Wände erst rot, dann orange, dann gelb und dann lilablassblau anzumalen, dann erzeugt diese Renovierung auch ganz enorme Kosten, erhöht aber den Wert der Immobilie nicht, sondern senkt ihn vermutlich eher.

Wie viel Wertsteigerung dabei rauskommt, hängt von den konkreten Vorhaben, der Ausführungsqualität und der Kompatibilität der Wünsche des Besitzers mit den Wünschen potenzieller späterer Käufer ab. Kein normaler Mensch bekommt mal eben von seiner Bank quasi „auf Verdacht“ 1,5 Millionen für ein Sanierungsvorhaben einer mit 1,65 Millionen bewerteten Immobilie in die Hand gedrückt. So lange das Sanierungsvorhaben nicht ausgeführt und tatsächlich den Wert des Objekts nachweislich verdoppelt hat, existiert für die Hälfte des Kredits ja keine Sicherheit. So lange ist die Bude faktisch zu 200% finanziert, und das ist völlig illusorisch für Normalmenschen.

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Wenn ich mich richtig erinner wurde in der Lage erörtert, dass es üblich ist beim Kauf die Grundschuld entsprechend der Bauvorhaben anzusetzen. Du bekommst ja auch einen Kredit bewillig für ein Haus, dass es noch gar nicht gibt. Über die Höhe des Darlehens wissen wir außerdem gar nichts.

Das meine ich mit Spekulation. Wir wissen es schlicht nicht, was Herr Lindner mit der Immobilie vorhat, was er überhaupt finanziert hat, in welcher Höhe er finanziert hat (eine Eintragung einer Grundschuld ist nicht automatisch gleichzusetzen mit einer Darlehensgewährung in dieser Höhe). Wir wissen überhaupt nichts über den Wert und den Zustand der Immobilie. Wir kennen nicht die Kreditwürdigkeit und das Vermögen von Herrn Lindner und ggfs. mithaftenden Personen. Wir wissen nicht, ob andere Sicherheiten bestellt wurden, die möglicherweise die Differenz im Hinblick auf eine zukünftige Wertsteigerung abdecken, falls z.B. Kosten für einen weiteren Ausbau finanziert wurden. Wir wissen nur, dass er eine Immobilie gekauft hat und eine Grundschuld hat eintragen lassen, die den damaligen Kaufpreis übersteigt. Ist vielleicht für einen kleinen Arbeitnehmer ungewöhnlich, ein solcher ist Herr Lindner aber im Hinblick auf die Kreditwürdigkeit wohl nicht.

Mal hin oder her wegen Spekulationen oder sonst was. Ich finde es schlicht absolut Unpassend wenn Mandatsträger, besonders Minister, sich von einzelnen Wirtschaftsorganisationen und Firmen anwerben lassen um für diese zu sprechen (besonders für Geld was Lindner getan hat als Abgeordneter). So etwas verletzt zu einem die Neutralität besonders des Ministers und zum anderen erweckt es für mich immer den Anschein, dass da Abgeordnete gekauft werden (von denen die es sich leisten können). So stelle ich mit aber nicht unsere Demokratie vor.

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Er ist es aber auch nicht im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit seiner Privatsphäre. Als amtierender Finanzminister der Bundesregierung steht er zu Recht unter kritischer Beobachtung durch die Öffentlichkeit, und ein Organ der Öffentlichkeit ist die Presse, die folglich unter Wahrung einiger Grundsätze, die von @Daniel_K hier schon hervorragend dargelegt und abgewägt worden sind, über beobachtete Merkwürdigkeiten berichten darf - und das inkludiert IMHO auch die Pressestelle der Staatsanwaltschaft. Lindner ist schon im Amt, er steht grad nicht zur Wiederwahl auf irgendeinem Wahlzettel, insofern gibt es keinen demokratietheoretisch legitimierbaren Grund, ihn mit Samthandschuhen anzufassen außer seinem persönlichen Recht auf Privatsphäre, das er aber mit der Bekleidung eines herausgehobenen öffentlichen Amtes zum guten Teil abgegeben hat.

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So einfach ist es hier eben nicht. Erstens sind die Anforderungen an den Mindestbestand an Beweistatsachen umso höher, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Damit dürfte man im vorliegenden Fall von erhöhten Anforderungen ausgehen. Zweitens wird von der Rechtsprechung - ohne diese erhöhten Anforderungen - bereits das Level eines Anfangsverdachts für nicht ausreichend gehalten. Hier befinden wir uns jedoch erst im Stadium einer Vorprüfung, was dann erst recht nicht reichen dürfte.
Drittens wird hier angenommen, es habe eine Anhörung vor der Veröffentlichung stattgefunden. Ich konnte dazu in der Berichterstattung nichts finden.

(…) In vorherigen Posts hast du noch suggeriert, dass es kein realistisches Szenario gäbe, in dem der Kredit legitim gewesen wäre.

@enfant_terrible hat deutlich gemacht (ebenso wie die Hosts im Podcast), dass das nicht so ist. Und plötzlich wechselst du die Argumentationsschiene hin zur Legitimation von Verdachtsberichterstattung, (…)

Das bezieht sich auf die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, diese ist bei einem amtierenden Minister grundsätzlich nicht so stark zu bewerten, da es sich wie gesagt um eine herausragende öffentliche Persönlichkeit handelt.

Auch das ging in meine Abwägung ein, es überwiegt aber mMn nicht die Tatsache, dass es sich eben um einen Bundesminister handelt, was naturgemäß ein massives öffentliches Interesse erzeugt.

Grundsätzlich kann man tatsächlich beide Meinungen vertreten, was ich ja auch nicht ausgeschlossen habe. Fakt ist übrigens, dass unter anderem der Tagesspiegel als anerkanntes öffentlich-rechtliches Medium sowie mit LTO die wohl bekannteste juristische Fachseite über das Thema berichtet haben, also scheinen auch viele sehr etablierte und sehr fachkundige Seiten die Berichterstattung für zulässig zu halten. Das kannst du wie gesagt anders sehen, aber die LdN steht hier definitiv nicht alleine dar…

Wenn wir schon Erbsen zählen, dann aber bitte korrekt. Ich habe nach „wahrscheinlichen Szenarien“ gefragt, weil @stiller_geniesser behauptet hat, es gäbe eine ganze Reihe davon. Ich habe nichts suggeriert, außer vielleicht, dass mir persönlich kein sinnvolles Szenario eingefallen ist, geschweige denn eine ganze Reihe davon.

Die vollmundig versprochene Reihe vermisse ich immer noch. Aber zugegeben, eine sehr, sehr umfangreiche Renovierung die zu einer Wertverdopplung führt könnte ein Szenario sein. In diesem Ausmaß wäre aber selbst das auch kein alltägliches Szenario, IMHO erklärungsbedürftig und ganz sicher nichts, bei dem von vorneherein ausgeschlossen wäre, dass Lindner aufgrund seines Amtes Konditionen erhalten haben kann, die einem normalen Menschen mit ähnlichen Einkommensverhältnissen so nicht angeboten werden würden.

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D.h. bei Bundesministern reichen substanzlose Spekulationen aus?

In dem Moment, in dem die Staatsanwaltschaft die Presse informiert, wie in diesem Fall geschehen, ist es keine völlig substanzlose Spekulation mehr. Ob das Verhalten der Staatsanwaltschaft okay war, darüber kann man diskutieren.

Aber dass die Medien über den Fall berichten, wenn die Generalstaatsanwaltschaft an die Öffentlichkeit tritt und sagt, dass sie im Rahmen einer Vorprüfung gegen einen Minister ermittelt, sollte doch klar sein. Das ist quasi ein Paradebeispiel für öffentliches Interesse.

Berechtigte Kritik sollte sich daher eher an die Generalstaatsanwaltschaft richten, wie es z.B. Justizminister Buschmann auch tut. Die Medien hingegen müssen fast schon darüber berichten, wenn die Generalstaatsanwaltschaft so etwas öffentlich verlautbart - durchaus auch, wie bei allen LTO-Beiträgen der Fall, sehr kritisch. Also die LTO-Beiträge sind durchweg eher auf der Seite Lindners, aber berichtet wird dennoch über die Sache.

D.h. das man als Bundesminister eben ein sehr wichtigen Posten hat und diesen auch nicht beschädigen sollte. So oder so ist Lindner hier sehr naiv vorgegangen und könnte, wenn es alles sauber wäre, das ganze sofort sehr einfach mit der Kreditsumme und den Umbaumaßnahmen entkräften. Da er das nicht tut und Kettenhund Kubicki schon wieder die Rechtsstaatlichkeit abschaffen will scheint nun mal doch mehr dran zu sein.

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Die Höhe der Eintragung der GS kann nur heißen, dass Lindner und das Kreditinstitut von einer zukünftigen erhöhten Werthaltigkeit ausgehen. Es gibt eine Reihe von Gründen, die das herbeiführen kann, umfangreiche Sanierungen, Abriss und Neubau etc. Das kann sich auch noch auf Überlegungen in der Zukunft beziehen, also erst in 4-5 Jahren. Wichtig ist dann, dass die Grundschulden, wie auch in der Lage erläutert, aktuell nicht valutieren.
Und entgegen der landläufigen Meinung, eine höhere Grundschuld werde nur bei Ministern oder sonstigen oberen 2% eingetragen: Nein. Das ist Standard: Sie kaufen ein Grundstück für 60TEur mit uralter Hütte drauf und sanieren für mehrere 100k, dann trägt man auch Grundschulden im Wert von mehreren 100k ein. Solange alles im Verhältnis steht.