LdN318: Lützerath und der Preis von Kohlestrom

Stimmt, aber die werden alle darauf achten, dass sie teuren Gas- oder (zur Not) Kohle-Strom nie komplett verdrängen, das wäre nämlich marktwirtschaftlich unklug. Da bin ich voll bei @rakoenig .

Macht nichts, die lässt man im Zweiffel einfach durchlaufen. Die Pflicht zum Abschalten bei Überkapazitäten liegt nämlich bei den Erneuerbaren Energien. Und es gibt bei den EE auch keine Pflicht, sie anzubieten. Die Kraftwerksbetreiber haben sich durch ihre „Kumpel“ in der Politik schon vor langer Zeit absichern lassen, dass ihr teurer fossiler Strom immer schön Vorrang hat.

Und da Deutschland bei richtig großen Speichern nicht aus dem Quark kommt, werden wir den Stromkonzernen auch noch lange die Vorhaltung ihrer Kraftwerke für solche Fälle bezahlen müssen.

Aber die Vorhaltung des Kraftwerkes lässt sich der Betreiber trotzdem gut bezahlen, ohne das seine Anlagen nutzungsbedingt verschleißen. Win-Win.

Danke für den Hinweis. Aber Lüzerath wird das wohl trotzdem nicht retten und ich denke mal RWE wollte unbedingt diesen Weiler loswerden, weil er sich eben gut zur Trutzburg ausbauen lässt.

Aber generell gibt es ja schon lange die Aussage von Claudia Kemfert u.Ä., dass die Kohle die da noch liegt bei einem Kohleausstieg bis 2030 eh nicht notwendig wäre.

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Die Stromerzeuger sind frei in dem Festsetzen des Preises, mit dem sie in das Merit-Order-Verfahren gehen. Ein Monopol/Oligopol könnte auch für die letzten paar MWh EE-Strom fünfzig Fastilliarden aufrufen. Und wenn der Strom tatsächlich zu diesem Preis nachgefragt wird, dann ist dies eben der Marktpreis. Es gibt auf der Käuferseite ja niemanden, der sagen kann „Ok, für Kohlestrom zahle ich 200 Euro pro MWh - aber für Windstrom nur 50 Euro pro MWh“.

Sprich: Sobald wir es mit einem Monopol/Oligopol zu tun haben, gilt unabhängig von der Struktur der Stromerzeuger, dass die sich diese Preise aussuchen können.

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Weil hier im Forum inzwischen oft genug über die Preisbildung am Day-Ahead-Markt diskutiert wurde möchte ich gar nicht auf die schon mehrfach genannten Dinge eingehen. Weil es aber hier wieder im Zusammenhang mit RWE und dem fehlenden Interesse in erneuerbare Energien zu investieren genannt wird einen kurzen Punkt dazu:

Auch RWE (oder andere fossile EVUs) kann kein Interesse daran haben dauerhaft mit Kohle zu arbeiten. Das liegt schlicht am CO2-Handel und der inzwischen absehbar nicht mehr gegebenen Möglichkeit den CO2-Ausstoß der Kraftwerke zu decken. Nicht mal nur, weil es teurer wird, sondern auch weil es schlicht keine Zertifikate mehr gibt. Wenn RWE also nicht massiv in erneuerbare Energien investiert, dann ist das Unternehmen kein großer Player mehr auf dem Markt (wovon auszugehen ist, dass sie das weiter sein wollen). An sich ist die Preisbildung am Day-Ahead-Markt sogar gewissermaßen förderlich, weil der Profit umso größer ausfällt, je mehr Leistung über erneuerbare Energien bereitgestellt wird. Selbst wenn RWE nun die Marktmacht besitzen würde, das Marktergebnis so zu beeinflussen, dass ein fossiles Kraftwerk hohe Preise bewirkt, muss für das langfristige Bestehen des Unternehmens in EE investiert werden, weil sonst in Zukunft der Stück vom Kuchen signifikant kleiner ausfallen wird.

Um noch auf die eingangs gestellte frage zu antworten:

Nein, wie schießen uns mit dem aktuellen Marktdesign an dieser Stelle nicht in den Fuß, da komplementäre Maßnahmen das Problem (unabhängig von der Frage der notwendigen Marktmacht) verhindern.

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Definiere „dauerhaft“ !?

RWE hat sich bereits vor längerer Zeit mit reichlich CO2-Zertifikaten eingedeckt, da man diese auf Vorrat kaufen kann und laut Handelsblatt soll RWE damit bis 2030 gut an der Kohle verdienen können:

Hast du da einen Beleg für?

Ich habe auf die schnelle folgende Grafik über die verfügbaren CO2-Zertifikate (EUA = EU-Allowance = Erlaubnis zum Austoß 1 Tonne CO2) für die komplette EU gefunden (Quelle: Rosa Luxemburg Stiftung):

Warum sollte es also keine mehr geben?

Aber nur, solange noch irgendwo 1 teures Kohle- oder Gas-Kraftwerk läuft, das dann für die ganzen Atom- und EE-Betreiber die Preise hoch zieht.

Welche denn?

In gewisser Weise was dran, bedingt aber, dass die alle darauf achten, das keine neuen Betreiber einen Stück vom EE Kuchen abhaben wollen.

Irgendwann wenn sich genügend gefunden haben die da Gewinne generieren wollen übersteigt die Angebotskapazität die magische Grenze und verdrängt alle fossilen Kraftwerke, was die langsamen wie Kohle aus dem Markt wirft.

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Aus ETS Sicht wird die Menge an Zertifikaten immer weiter reduziert. Ergo gibt es da einfach irgendwann und inzwischen absehbar keine mehr. Perfekt lässt sich das nicht bestimmen (dafür ist das System mit Marktstabilitätsreserve und den verschiedenen Handelsphasen zu komplex). Im Podcast wurde Felix Matthes zitiert, der die letzte Ausgabe auf Ende der 2030er Jahre schätzt. Damit ist das EU ETS an sich eine der komplementäre Maßnahmen. Für RWE relevanter ist die Grenze 2030. Da ist eben Schluss mit der Braunkohle und auch deren Steinkohlekapazitäten sind auch deutlich geringer als heute. Das sind noch acht Jahre, in denen der Konzern massiv seine EE ausbauen muss, um weiterhin einen großen Marktanteil zu haben.

Dazu folgender Tagesschau-Artikel:
Lützerath-Räumung
Warum RWE die Kohle lieber los wäre

Daraus:

Ich denke auch, die Argumente sind relativ überzeugend. Es ist nicht RWE, das die Förderung der Kohle wirklich vorantreibt, sondern die Politik, die diese Förderung für die Versorgungssicherheit forciert (und natürlich hier auch Arbeitsplätze erhalten will).

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Stand heute würde ich eher auf verlängerte „Restlaufzeiten“ für die Kohle setzen. Weder sehen wir den notwendigen EE-Ausbau noch den Bau von Gaskraftwerken als Backup. Wenn das beides ausbleibt, dann können die Kohlekraftwerke nicht stillgelegt werden. ETS hin, Klimaziele her.

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Dazu leider passend:

Bulgarien verschiebt Kohleausstieg auf 2038 (Zeit.de)

Das Aufschieben des Kohleausstiegs ist daher leider nicht ausgeschlossen, wenn die Bundesregierung nicht langsam wirklich alle Hebel in Bewegung setzt, den Ausbau der Erneuerbaren Energien auch gegen Widerstände endlich mit Vollkraft durchzusetzen.

Die 16 verlorenen Jahre unter Merkel führen jetzt leider dazu, dass wir jetzt Tempo machen müssen… wenn das nicht gelingt, müsste entweder Atom- oder Kohlekraft verlängert werden, was beides auf seine eigene Art eine echte Katastrophe wäre…

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Ließt man die verlinkten Quellen, dann erfährt man, dass es sich nicht um „nen Windpark“, sondern um Grundstücke (Felder?) in der Umgebung des Windparks.

Ich wage zu bezweifeln, dass das alleine eine ähnliche Wirkung entfalten wird, wie die Fledermäuse im Hambi.

Geht es in diesem tagesschau Artikel um die gleichen Grundstücke?

Besitzer wollen (verständlicherweise) anonym bleiben, von Windkraftanlagen steht da aber nichts.

Ein Feedback zur LdN318: Gerade habe ich eure Einschätzungen zu Lützerath gehört und mich richtig geärgert. Euer journalistisches Ziel ist eine differenzierte Einschätzung der Lage (die aber ja niemals objektiv ist); herausgekommen ist ein Aufruf gegen den aktuellen Klimaprotest in Lützerath. Ihr selbst hebt das Thema Klimawandel sonst als wichtig und drängend hervor und erkennt in einem Nebensatz diesmal die Symbolkraft von großen Klimaprotesten an. Entweder ist diese Aussage nur so dahin gesagt oder ihr habt die Reichweite eurer Äußerungen völlig außer Betracht gelassen. Durch das Timing eures Beitrags zu Lützerath, in dem ihr den Protest von vielen unterschiedlichen Akteur*innen der Klimabewegung als „verannt“ degradiert, haltet ihr nun Menschen davon ab, sich durch diesen (wenn auch nach eurer Auffassung nur symbolträchtigen) Widerstand in Richtung Klimaschutz zu politisieren und die Kämpfe vor Ort evtl. noch zu unterstützen. Das ist richtig schade.

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Das sehe ich anders. Allein die dreistelligen Millionen-Gewinne, die RWE da mit Kohlestrom einfährt, sind Grund genug, das Geschäft weiter zu machen.

Auch das Investoren-Argument halte ich für schwach:
Die RWE Aktie hat in den letzten Jahren kontinuirlich zugelegt. 2021 gab es bei RWE 0,9 € pro Aktie Dividende bei einem Preis von etwa 33 €, also fast drei Prozent Rendite und trotzdem Wertsteigerung. Für mich klingt das also nicht so, als würde RWE keine Investoren finden.

Hinzu kommt, dass RWE durch seine Kohlekraftwerke und deren Bedeutung für die Versorgungssicherheit in der jetzigen Situation eine gewisse gesellschaftliche Relevanz hat und diese bei Verhandlungen mit der Politik sicher zu nutzen wüsste.

Da bin ich bei dir, aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass die Regierungen von Merkel die Energiewende und den Emissionshandel auch auf Druck aus der Energiewirtschaft so derart verschleppt haben.

Ja geht es. Windpark oder nicht ist ja aber auch nicht entscheident, sondern mMn ob die Bundesgrünen ihr Wahlversprechen, dass es keine Enteignungen mehr für Tagebau geben soll, beibehalten.

Warum ist eigentlich klar, dass die heute in Lützerath geförderte Kohle nicht in 10 Jahren in einem außereuropäischen Land verbrannt wird?

Wenn in 10-15 Jahren die laufenden Kosten zur Energiegewinnung aus Kohle in der EU steigt, wird Kohle ja kontinuierlich billiger, da weniger nachgefragt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Kohleförderbetriebe der EU sich so absprechen, sodass auch in einem entsprechenden Maße weniger gefördert wird. Es wird also vermutlich Kohle „übrig bleiben“, sodass der Preis sinkt. Diese Kohle kann doch frei exportiert werden, oder? Kohle selbst ist ja per se nicht klimaschädlich, solange sie nicht verbrannt wird. Daher würde ich annehmen, dass der Export erstmal keinen Auflagen unterliegt, oder irre ich mich da?

Ein europäischer Deckel auf die CO2-Emissionen hätte dann möglicherweise gar keinen Effekt auf das Abbauvolumen?

Dennoch kann sich kein Konzern erlauben auf den Ausbau von EE Kapazitäten zu verzichten. Alles andere wäre wirtschaftlich grob fahrlässig. Die unzureichenden Rahmenbedingungen sind in der Tat ein Problem aber vor allem Aufgabe der Politik. Der EE Ausbau scheitert ja nicht am fehlenden Willen der Marktteilnehmenden.

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Ich verstehe die Frage so, dass es um den theoretischen Export der Kohle geht. Da es sich um Braunkohle handelt ist das wirtschaftlich quasi ausgeschlossen. Aufgrund des vergleichsweise geringen Energiegehalts und des hohen Transportgewichts sind die Transportkosten so hoch, dass es sich schlicht nicht lohnt Braunkohle über längere Strecken zu transportieren. Es gibt also einen Grund, wieso die Braunkohle direkt vor Ort verfeuert wird.

Das wäre prinzipiell denkbar. Nur, wird in Europa entweder Braunkohle verfeuert. Da ist es oben genannten Gründen nicht wirtschaftlich sie zu exportieren. Bei Steinkohle sind wiederum die Kosten der Förderung vergleichsweise hoch. Hier wird oft Untertage abgebaut während es international kostengünstigere Tagebaue gibt. Zudem wird bei den richtigen Rahmenbedingungen auch die Genehmigung des Abbaus in Europa beendet und dann kann nicht weiter exportiert werden.

Zudem ist dieses Argument oft auch ein Punkt der Gegner vom Ausstieg aus fossilen Energien. In kurz: Es würde ja nichts bringen, weil die sinkenden Preise dann ja einfach woanders für höhere Nachfrage sorgen. Und der Punkt geht on die ähnliche Richtung:

Das unterschlägt vollkommen die Bedeutung der EU und den möglichen Einfluss. Wenn die EU als Nachfrageregion wegfällt, dann ist der Einfluss aufgrund der wegfallenden Emissionen signifikant. Das bedeutet aber auch, dass die EU dabei eben zusätzliche Mechanismen wie den Carbon Border Adjustment Mechanism implementiert. Mit der vorhandenen Marktmacht in der EU lassen sich die negativen Folgen eindämmen. Außerdem, wenn der Weg in der EU konsequent hin zu EE geht, dann wird das auch die Kosten für die EE weiter deutlich nach unten bewegen und sie gegenüber fossilen Optionen bevorteilen.

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Ja, Kohlestrom wird vermutlich noch länger notwendig werden.
Nehmen wir mal an, dass aktuell noch 50% des Strom mit Kohle erzeugt wird (weil nicht genug Wind und Solar installiert sind), dann wäre es doch ein Riesen-Fortschritt, wenn demnächst nur noch 20% des Stroms mit Kohle erzeugt wird (weil viel mehr mit Wind und Solar erzeugt wird).

Ob RWE jetzt mehr oder weniger verdient ist mir doch egal. Es geht doch darum CO2-Emissionen zu vermeiden.

Yep, so feste Restlaufzeiten hat so etwas wie „festgelegter Brotpreis“ im Sozialismus.
Wenn die EE (erneuerbaren Energieen) wirklich billiger sind, dann wird sich dieses „durch die unsichtbare Hand des Marktes“ von selbst durchsetzen.
Voraussetzung ist natürlich ein wirklich freier Markt. Markteintritts-Hindernisse (10h-Regeln) darf es natürlich nicht geben. Genauso wie Kohlesubventionen.

Die Praktikabilität von Windkraft und PV hängt von Bedingungen ab, die sie nicht selbst schaffen können. Damit das System funktioniert, braucht es Leitungen, Speicher, etc. Das kann nur der Staat leisten und koordinieren.

Siemens als Bahnhersteller ist aber auch nicht für den Bau von Bahnstrecken und Bahnhöfen verantwortlich, sondern ist komplett davon abhängig, dass der Staat sich darum kümmert. In Ländern, wo dies nicht der Fall ist (z. B. USA) kann die Bahn hypothetisch wettbewerbsfähig sein, wie sie will, mangels Randbedingungen gibt es dennoch kaum Bahnverkehr.

Ich glaube nicht dass ein rein über CO2 Zertifikatspreis getriebener Kohleaustieg kommt, entscheidend wird sein, ob der Ausbau Wind und PV schnell genug klappt oder nicht.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man Versorgungssicherheit hinter Preis stellen wird. Der Ausbau von Wind und PV ist ja nicht gemäß des Bedarfes am Markt, sondern gebremst von der Politik, insbesondere der CDU geführten Bundes/Landesregierungen.
Wir sind nicht auf auf dem Weg dahin auf, das sieht man im Vergleich Status (Energy-Charts)

zu wo wir hinmüssen (https://static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2021/2021_11_DE_KNStrom2035/A-EW_264_KNStrom2035_WEB.pdf Abbildung 1 )

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