Ich möchte mich als klinischer Psychologe und Psychotherapeut kritisch zum aufgegriffenen Thema der Verschärfung des Waffenrechts und psychischen Störungen äußern. Es wurde ziemlich pauschal diskutiert, dass es doch gemeldet werden müsste/sollte wenn jemand psychisch erkrankt, da dieser Person evtl. damit die Eignung zum Besitz einer Schusswaffe fehle.
Hier sehe ich verschiedenste Probleme.
Zunächst einmal ist eine Pauschalisierung des weiten Feldes der psychische Erkrankungen erkennbar. Die allermeisten psychischen Erkrankungen sind nicht mit einer Erhöhung des Fremdgefährdungspotentials verbunden, sondern eher mit dem der Eigengefährdung im engeren (Suizid, selbstverletztendes Verhalten) oder weiteren (Sucht, ungesunde Lebensweise) Sinne. Ich habe mir die Zahlen nicht rausgesucht, jedoch werden insgesamt Straftaten eher von psychisch „Gesunden“ als „Gestörten“ begangen. Die Erzählung des „gefährlichen Irren“ ist medial zwar immer wieder präsent und verschreckt und verstört mit der Unfassbarkeit der Taten zurecht, in der nackten Statistik bildet sich das jedoch eher nicht ab.
Die meisten Menschen, die unter psychischen Störungen leiden sind „harmlos“. Das lässt sich ganz gut am dem Bereich, in dem die meisten psychischen Störungen liegen verdeutlichen, nämlich den depressiven- und Angsstörungen (hier werden zwei Felder zusammengefasst). Diese Menschen ziehen sich eher zurück, leiden unter massiver Anspannung, körperlichen Symptomen (Energieverlust, Schlafstörungen, Schmerzen etc.), einer Einengung der Lebenswirklichkeit auf das Leid und noch vielen Beschwerden mehr. Menschen in diesem Leid die Eigngung zum Besitz einer Waffe pauschal abzusprechen, weil man sie für gefährlich für andere hält ist nicht richtig. Vielmehr wäre das eine weitere Kränkung, Stigmatisierung und Ausgrenzung der Betroffenen. Im Gegenteil möchte ich therapeutisch den Depressiven oder Angstgestörten wieder zu seinem Hobby im Schützenverein oder auf die Jagd schicken können, wenn ich davon ausgehe, dass es dem Betroffenen hilft (und es gefahrlos geht).
Waffenbesitz ist mit viel Verantwortung verbunden und diese im Fall einer Störung zu tragen ist natürlich eine starke Abwägungssache. Aber auch hier wäre es falsch herum gedacht, die Menschen pauschal aus der Verantwortung zu nehmen. Im Gegenteil möchte ich den psychisch Erkrankten aktiv in die Verantwortung für sein Leben und den Kampf mit der Störung holen. Das heißt im Falle von Waffenbesitz über Lagerung und Zugang in akuten Krisen zu sprechen. Zumeist lässt sich gut im Vertrauensverhältnis einer Therapie erarbeiten, dass die Waffen außerhalb oder nur ohne Munition zu Hause verwahrt werden soll. Das geht mit einer Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartung und anderen positiven Effekten einher.
Wie an dem aktuellen Beispiel sich zeigen lässt, geht die Gleichung „Störung = Ungeeignet“ nicht auf. Wir reden vielmehr also von einer bestimmten Art von Mensch in Kombination mit einer schweren Störung, welche in akuten Phasen einer Störung gefährlich werden. Die angedeutete paranoide Schizophrenie (Stimmen hören, sich verfolgt fühlen) führt zu schrecklichen Leid für die Betroffenen, aber auch hier fliehen die meisten Menschen eher als dass sie angreifen. Die Reaktion auf die massive Beeinträchtigung und Störung durch die sog floride Psychose geht also meistens nicht mit Gewalt einher oder erst als letzte Mittel, wenn die Menschen sich massiv bedroht fühlen (der Einsatz von Krankenwagen und Polizei wird von den Betroffenen dann als Angriff und möglicherweise Tötungsversuch mißverstanden). Vielmehr reagiere Menschen die vorher schon gewaltätig waren, in den Störungsepisoden noch gewaltätiger. Natürlich rutschen immer wieder Menschen durchs Netz, aber meine Kernargument ist, dass nicht die psychische Störung an sich nicht den Kern des Problems darstellt.
Berufsrechtlich ist es zudem so, dass bei drohener Gefahr einer schweren Straftat, die Schweigepflicht gebrochen werden kann. Ich sehe also verantwortsbewußte ärztlich/therapeutisch Arbeit an dieser Stelle eher als hilfreich zur Verhinderung von Gewalt an. Die mögliche Einführung einer weiteren Schwelle für Hilfesuchende durch Verschärfung des Waffenrechts wurde schon richtig im Podcast angemerkt.