LdN316 Entfernung von mutmaßlichen Reichsbürgern aus dem Staatsdienst

Der Unterschied zwischen Beamten und Arbeitnehmern ist das Lebzeitprinzip, welches in unserem Grundgesetz (Art. 33 V, hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums) verankert ist. Hintergrund ist zum einen, Beamte weniger anfällig für Korruption zu machen (weil zu viel auf dem Spiel steht, was man verlieren könnte), zum anderen aber auch eine gewisse Stabilität und Kontinuität als Gegengewicht zu den kurzen Wahlperioden der politischen Spitze. Die Entfernung aus dem Dienst bei schwersten Dienstvergehen durchbricht das Lebzeitprinzip, ist jedoch an hohe Hürden geknüpft, zB dass eine Disziplinarkammer am Verwaltungsgericht darüber entscheiden muss. Der Beamte kann ab Verdacht des Dienstvergehens suspendiert werden und über die vorläufige Dienstenthebung können auch schon Bezüge gekürzt werden. Wird ein Beamter zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr verurteilt, endet das Beamtenverhältnis mit Rechtskraft des Urteils. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind so schlecht nicht. In der Praxis ist die Länge eines Disziplinarverfahrens ein Problem und die vorläufige Dienstenthebung wird vermutlich zu selten beantragt. Dieses Instrumentarium könnte man häufiger einsetzen. Ich verstehe aber auch die Wichtigkeit eines politischen Signals einer Gesetzesänderung. Da auch bei einer Entfernung durch VA mit sofortiger Wirkung Rechtsschutz möglich ist, kann man mit der Gesetzesänderung natürlich an sich gut leben. Dennoch sehe ich die Gefahr, dass Disziplinarvorgesetzte schneller mal einen VA erlassen (und gerade bei jüngeren Beamten die Hoffnung besteht, dass sie eine Klage scheuen) als Disziplinarklage zu erheben. Probezeitbeamte werden auch heute schon per VA mit Sofortvollzug entlassen und bei weitem
nicht jeder klagt dagegen. Allein weil ein Lebzeitbeamter einen anderen Status hat, finde ich es stimmig, dass auch der Weg der Trennung ein anderer ist.

Anfechtungsklage und Widerspruch haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung- aber bei weitem nicht immer. Entweder im Gesetz wird eine Ausnahme gemacht (Sofortmaßnahmen der Polizei) oder der Sofortvollzug kann von der Behörde angeordnet werden (Suspendierung). Bei beiden Varianten kann man bei Gericht beantragen, dass die aufschiebende Wirkung hergestellt wird. Das mit dem Sofortvollzug wäre also nichts Neues, sondern was normales. Wenn Probezeitbeamte entlassen werden (niedrigere Hürde als Entfernung eines Lebzeitbeamten) wird der Sofortvollzug regelmässig von der Behörde angeordnet werden. Man kann das aber auch gesetzlich schon regeln. Macht im Ergebnis kaum einen Unterschied.

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Wir sollten immer im Blick behalten, wer denn alles „so jemand“ sein kann.

Bei den Reichsbürgern sind wir uns da sicher einig, aber so spezifisch können Gesetze ja aus gutem Grund nicht sein. Stellen wir uns einfach mal vor, jemand mit (verkappter) rechter Gesinnung hat es an die Behördenspitze geschafft, zum Beispiel beim Verfassungsschutz, einem hohen Gericht oder der Finanzmarktaufsicht, und setzt dieses Instrument nun gezielt gegen politisch oder wirtschaftlich mißliebige Untergebene ein.

Alleine das Drohungspotential dürfte erheblich sein! Damit könnte man durchaus Untergebene „auf Linie“ bekommen.

Ja, bei den „eindeutigen Fällen“ tun wir uns da immer leicht. Aber wo genau fängt „eindeutig“ an und wer legt das fest?

Jedes neue Recht und jede neue moralische Norm der schnellen Vorverurteilung (Entlassung nach Shitstorm wegen unkorrekter Äußerungen) ebnet letztlich auch immer den Weg für die andere Seite!

Ich habe da einfach Bauchschmerzen.

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Genau dafür gibt es dann ja immer noch die Möglichkeit, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung beim Verwaltungsgericht dagegen vorzugehen. Wie gesagt, es geht nicht darum, den Rechtsschutz auszuhebeln, sondern es geht nur darum, dass der Staat schneller handlungsfähig ist.

Gerade im Hinblick auf den Radikalenerlass, der so vielen linken Menschen die Karriere verbaut hat, kann ich die Bedenken durchaus nachvollziehen. Aber wie gesagt, es geht nur um die Frage, welchen Status ein Betroffener bis zu einer gerichtlichen Klärung hat. In diesem Sinne sehe ich hier keine Gefährdung.

Vorverurteilung ist immer ein Problem, aber das ist letztlich unabhängig davon, ob der Betroffene jetzt nur wie aktuell „beurlaubt“ oder direkt „aus dem Beamtenverhältnis entfernt“ wird. Beides wird für den Bürger einen ähnlichen Vorverurteilungseffekt haben.

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Ich hätte gedacht das wäre die Unschuldsvermutung.

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Damit macht man es sich zu einfach.
Die Unschuldsvermutung ist nicht absolut in dem Sinne, dass sie stets dazu führen müsste, Maßnahmen erst dann ergreifen zu dürfen, wenn die Schuld gerichtlich geklärt ist.

Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist die Untersuchungshaft. Auch hier gilt noch die Unschuldsvermutung - aber es ist eben offensichtlich, dass man z.B. einen dringend tatverdächtigen Mörder nicht bis er offiziell verurteilt wurde auf freiem Fuß lassen kann. Daher können hier bei dringendem Tatverdacht und Vorliegen von Haftgründen trotz weiterhin bestehender Unschuldsvermutung massiv in die Rechte des Täters eingreifende Maßnahmen wie die Untersuchungshaft angeordnet werden.

Kurzum: Die Unschuldsvermutung konstituiert kein zwingendes Recht, nachteilige Maßnahmen erst nach erwiesener Schuld zu verhängen. Auch hier müssen andere gesellschaftliche Interessen abgewogen werden. Die Unschuldsvermutung ist daher durchaus etwas, dass man bei der Bewertung berücksichtigen muss, aber sie wiegt nicht so stark, dass sie jede Abwägung automatisch gewinnt.

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Das Beispiel verfängt meiner Meinung nicht automatisch. Ich komme nicht aus der Strafverfolgung, aber die U-Haft hat doch auch etwas mit Flucht- und Verdunkelungsgefahr zu tun. Und wenn diese Gefahren bestehen, dann ist auch eine Untersuchungshaft angezeigt. Aber zwischen der Entfernung aus dem Dienst durch Suspendierung oder der Entlassung aus dem Dienstverhältnis liegen nun mal Welten. Und ich finde es nur richtig, dass in einem Rechtsstaat das Recht auch nur durch ein Gericht gesprochen werden darf. Gerade wenn es um einen so starken Eingriff geht.
Hier wurde mehrfach über die Bezüge gesprochen. Das sollte der letzte Grund sein, warum das Beamtenverhältnis aufgelöst wird. Beamte müssen gemäß Eid ihren Dienst gemäß GG, Landesverfassung und allen anderen Vorschriften verrichten. Und wer den freiheitlich demokratischen Staat nicht akzeptiert gehört entfernt, da eben eine Gefährdung eben dieses Staates bestehen könnte. Der Bezug der Besoldung ist erst einmal keine Gefährdung.

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