LdN314 - Eckpunkte für Fachkräfte-Zuwanderung

Danke für den Beitrag zur Einwanderung von Fachkräften.

Wo ich nicht ganz mitkomme ist die Überlegung, dass Wirtschaft und Handwerk auf die Einwanderung von Fachkräften drängen, um die Löhne zu drücken. Ein Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit als Fachkraft setzt in der Regel die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, § 18 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Die Zustimmung der BA hängt u.a. daran, dass der ausländische Arbeitnehmer nicht zu ungünstigeren Bedingungen beschäftigt wird als vergleichbare inländische Arbeitnehmer, § 39 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG. Ausnahmen hierfür gibt es nur vereinzelt, etwa für die Blaue Karte, die ohnehin erst bei Gehältern ab 56k EUR erteilt wird. Habt ihr die BA-Prüfung bei eurer Recherche „übersehen“ oder übersehe ich hier etwas?

Außerdem steht bei nachgezogenen Familienangehörigen nicht in Frage, ob diese selbst arbeiten dürfen. Die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug (Ehegatten, Kinder) wird immer mit einer uneingeschränkten Arbeitserlaubnis erteilt, §§ 30, 4a Abs. 1 AufenthG. Also im Gegensatz zum Stammberechtigten nicht nur Beschäftigung, sondern auch selbständige Erwerbstätigkeit, und ohne Arbeitgeberbindung. Insoweit hat mich die Empörung an dieser Stelle etwas irritiert.

Ansonsten trifft der Beitrag die Probleme sehr gut, vor allem die geringe Personaldecke in den Auslandsvertretungen. In den Ausländerbehörden im Inland besteht dasselbe Problem, die waren schon vor der Ukraine-Situation an der Grenze ihrer Kapazität. Inzwischen warten Antragsteller*innen Monate lang auf eine Entscheidung, z.B. für die Arbeitsaufnahme nach dem Studium oder einen Arbeitgeberwechsel. Mit der häufigen Konsequenz, dass die Stelle in der Zwischenzeit anderweitig besetzt wurde, weil die Wirtschaft eben auf einem anderen Takt läuft als eine deutsche Gefahrenabwehrbehörde.

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Moin,
schön, dass Ihr Merz’ 300k „illegale“ easy auseinandergenommen habt.(…) Aber was hat denn Fachkräftegewinnung aus dem Ausland mit abgelehnten Asylbewerbern zu tun? Das sind doch Äpfel und Bananen! Genausogut hätte die Union argumentieren können, die Ampel hätte das Essen in der Bundestagskantine immer noch nicht wie versprochen angepasst, weshalb sie die neuen Einwanderungsregeln ablehne.
Schönen Gruß,
Matthias

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s. auch

Im Podcast wurde es so dargestellt, dass Ehegatten beim Familiennachzug (FNZ; Paragrafe 27-30 AufenthG) nicht arbeiten dürfen. Das ist falsch! Die Erwerbstätigkeit ist schon bei der Erteilung des Visums in der Botschaft für Familienangehörige erlaubt. Das regelt der Paragraf 4a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Gleiches gilt für die Kinder nach Paragraf 32 und 33 AufenthG.
(…)

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Grüße in die Runde.

(…)
Die Erwerbstätigkeit für Ehegatten …ist… bei Familienzusammenführung grundsätzlich erlaubt, §4a AufenthG.
Für reglementierte Berufe muss natürlich weiterhin eine zuständige Stelle die Ausübung des Berufes genehmigen, zum Beispiel Ärzte.

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Ich glaube Ulf hat Recht, wenn er sagt, dass hier verschiedene Gruppen vor die Linse gezerrt werden. Meiner Meinung nach benutzt Herr Merz sehr populistisch die Menschen, die wirklich als Asylsuchende aus Afrika, Syrien, Afghanistan o.ä. gekommen sind. Bei ihnen geht es aber nicht um die klassischen Zuwanderer, mit denen doch in der Regel Fachkräfte gemeint sind. Meiner Meinung nach müsste es den (ehem.) Asylsuchenden leichter gemacht werden zu arbeiten. Bei ihnen kommen zusätzlich zu den Hürden all derer, die Gelder nach SGB2 beziehen, Sprachbarrieren und Mobilitätsprobleme dazu, wodurch arbeiten sowohl im ländlichen Raum, als auch in gewissen Dienstleistungsbereichen enorm erschwert werden.
Ich denke, dass in dieser politischen Diskussion Bilder von Flüchtlingsströmen mit Inhalten von Zuwanderung verknüpft werden und das ist absolut nicht fair. Wenn wir uns als Gesellschaft (und bitte natürlich auch die Politiker*innen) mehr darauf einlassen würden, Menschen, die hier bei uns leben zu unterstützen und weg kämen von dieser Deutschland-Verteidigung, wäre allen viel schneller geholfen. Ich arbeite im sozialen Bereich und kenne nicht viele, die nicht arbeiten wollen. Wir müssen sozialer und „menschlicher“ werden.
An dieser Diskussion finde ich mies, dass schon jetzt scheinbar Politik für die nächste Wahl gemacht wird (schwarz/gelb lässt grüßen) und es nicht darum zu gehen scheint, Lösungen für Probleme zu finden. Mir fehlt, dass Fachleute aus der Basis gehört werden.
Eigentlich bin ich ein politisch interessierter Mensch, aber zunehmend fällt es mir schwer, dran zu bleiben.

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Vielen Dank für den tollen Beitrag.

Ich habe eine inhaltliche Ergänzung: Aus beruflichen Gründen weiß ich ziemlich gut, wie internationale Studierende von Behörden in Deutschland behandelt werden. Vielen Fachkräften der Zukunft werden Steine in den Weg gelegt. Und die meisten der so entstehenden Probleme sind strukturell bedingt.

Diese Studierenden sind junge Menschen, die bereits Deutsch sprechen, schon in Deutschland wohnen und gerade dabei sind, einen deutschen Hochschulabschluss zu erwerben. Und selbst dieser Zielgruppe wird ein erfolgreicher Studienabschluss oder der spätere Einstieg ins Arbeitsleben massiv erschwert. Dabei könnte man die Situation mit wenigen Maßnahmen schnell verbessern.

Bespiele:

  1. Internationale Studierende können in vielen Fällen keiner Nebenbeschäftigung nachgehen. Die Gründe sind vielfältig, weitere Erklärungen führen hier jetzt zu weit, können bei Interesse aber gerne nachgereicht werden. Das Ironische daran: Wer keine ausreichenden finanziellen Mittel regelmäßig nachweisen kann, erhält bei der Ausländerbehörde keine Verlängerung des Studierendenvisums.

  2. Die Behörden sind oft sehr langsam, weil viele massiv unterbesetzt sind und der Digitalisierungsgrad gering ist. So werden Studierendenvisa oft nicht nahtlos verlängert. Dabei entstehen Wartezeiten von mehreren Monaten. Studierende ohne gültiges Visum (inklusive Arbeitserlaubnis) verlieren dann ihren Nebenjob oder Praktikumsplatz, der ggf. sogar Teil der Studienleistung ist oder in dessen Rahmen eine Abschlussarbeit geschrieben werden soll. So verlängert sich die Studienzeit, ohne dass die Studierenden einen Einfluss darauf haben.

  3. Internationale Studierende müssen ihr gesamtes Studium in Deutschland unter den oben genannten Umständen innerhalb von 10 Jahren abschließen. Diese 10 Jahre dürfen unter keinen Umständen überschritten werden. Eventuelle Sprachkurse zu Beginn des Studiums werden miteingerechnet. Urlaubssemester aufgrund von Krankheit, Mutterschutz oder Elternzeit und unverschuldete Verzögerungen (siehe oben) ebenfalls. Wer im Deutschland also erst einen Sprachkurs, dann einen Bachelor- und anschließend einen Masterabschluss machen möchte, sprengt diesen zeitlichen Rahmen recht schnell. Selbst Studierenden, denen nur noch wenige Prüfungsleistungen fehlen, droht die Abschiebung, ohne dass sie ihr Studium erfolgreich beenden können.

Ich fänd es super, wenn ihr diesen Aspekt des Fachkräftemangels und dessen Bekämpfung einmal beleuchten könntet.

Viele Grüße

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Was mich wundert, warum können wir den Arbeitskräftebedarf nicht aus der EU erfüllen? Warum reichen 11 % Arbeitslosenquote 2022 in Spanien und Griechenland nicht aus (abgesehen von einer noch höheren Jugendarbeitslosenquote), dass wir hier Arbeitskräfte für die Industrie und Handwerk bekommen. Oder sind diese Arbeitskräfte für die Wirtschaft schon zu teuer und die Bundesregierung hilft nur beim Versuch „gehts nicht auch ein Stück billiger“? Und ganz nebenbei tut man ganz betroffen mit den Arbeitern in Qatar. In Deutschland starben 2020 ingesamt 97 Menschen auf Baustellen:

„Insgesamt 97 Bau-Beschäftigte kamen im letzten Jahr durch einen Arbeitsunfall ums Leben, rund ein Viertel mehr als 2019. Die meisten davon waren Abstürze und Maschinenunfälle. Zudem gibt es immer mehr Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften. Mit Überwachung und Prävention will die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft in Zukunft tödlichen Unfällen vorbeugen.“

Quelle:

Das kann ich nur unterstützen. Es betrifft übrigens nicht ausschließlich Student:innen, wie letzte Woche auch die NZZ berichtet:

Die Commerzbank […] hat Mitte November eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das gesamte Ausländeramt wegen Untätigkeit eingereicht. […] Der Grund dafür ist, dass das Institut einen wichtigen Mitarbeiter […] «mit Ablauf des Visums und damit der Arbeitserlaubnis» ohne Bezahlung freistellen musste.

[Der Mitarbeiter hat sich] seit mehr als acht Monaten um die Verlängerung seines zuvor vier Jahre geltenden Visums [bemüht].

Folgendes ist aus meiner Sicht bei den angesprochenen Punkten zur Fachkräfteeinwanderung etwas zu kurz gekommen:

Der Ehegattennachzug und der Nachzug minderjähriger Kinder sind bei Vorliegen von einigen grundlegenden Bedingungen Ansprüche der jeweiligen Antragsteller: „Ist----zu erteilen“. Es steht dann nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehöre, ob eine Erteilung erfolgen kann, sie muss erfolgen. Diese Voraussetzungen sind: Sicherung Wohnraum und Lebensunterhalt, Identitätsfeststellung, kein Ausweisungsinteresse (§ 5 AufenthG), Vollährigkeit und A1 Deutschkenntnisse des Ehegatten (§30 Abs.1 AufenthG) und Minderjährigkeit des Kindes (§ 32 AufenthG).

Selbst in streitigen Fällen (Scheinehe etc.) kommt es m.W. vor dem VG Berlin häufig zu einem Vergleich und einer Visumerteilung zum Schutz ger Familie. Dieser Grundsatz ist sogar explizit in § 27 AufenthG festgehalten.
Hier fehlt mir aber vielleicht der Vergleichsmaßstab zu den Immigrationsnormen anderer Länder um beurteilen zu können, wie liberal oder restriktiv wir im Vergleich sind.

Die Erwerbstätigkeit ist Ehegatten und Kindern beim „Nachzug“ in aller Regel unbeschränkt gestattet (§ 4a S. 1 AufenthG).
Dies gilt gerade bei dem angesprochenen Beispiel des hochqualifizierten Ausländers, der seine Familie mitnehmen möchte.

Die Bewertung der Gleichwertigkeit der Berufsausbildungen wird bereits jetzt schon unter Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit und der IHKen, Landesärztekammern etc. durch diese vorgenommen und nicht durch Botschaftsmitarbeiter.

Die Schwierigkeiten liegen daher wohl weniger in zu restriktiven Normen (gibt es auch, aber betrifft die meisten Fälle weniger) als vielmehr einer überkomplizierten Verfahrensform (was natürlich nicht weniger hinderlich ist): Die Dauer der Verfahren ist in der Tat häufig zu lang, teils durch unvollständige Anträge, bei denen Unterlagen fehlen, die dann erst nachgefordert werden müssen, teils durch die umfangreiche und langwierige Beteiligung der inländischen Behörden (Ausländerbehörde, Bundesagentur für Arbeit, IHK - bei denen sich neben den Botschaften/Konsulaten die knappe Perosnaldecke bemerkbar macht), teils wird der Nachzug von den Ausländerbehörden vom Vorliegen des elektronischen Aufenthaltstitels abhängig gemacht, was den Prozess ebenfalls verlängert.

Beste Grüße

Auch im aktuellen Magazin Royale:

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