LdN312 Wahlwiederholung und Volksentscheid über CO2 Neutralität in Berlin - gemeinsam oder getrennt?

Der Senat scheint das ja zu befürchten. Ansonsten gäbe es ja eine einfache Art das zu überprüfen.

Wie auch immer das Ergebnis ist, die Legitimität wird von den Verlierern angezweifelt werden. Durch die vorsätzliche Demobilisierung seitens des Senats wird das Ergebnis von den Mehrheitsverhältnissen her klar pro Volksentscheid ausgehen, aber bei sehr niedriger Beteiligung. Und unabhängig davon ob die 25% geschafft werden oder nicht, wird die eine Seite das eindeutige %-Ergebnis hervorheben und die andere Seite wird darauf zeigen, dass die Mehrheit ja gar nicht ab-/zugestimmt habe, und das Ergebnis deswegen nichts zu sagen hat. Und beide werden auf ihre Art Recht haben, was man nur vermeiden könnte, wenn man die Abstimmung doch noch auf den Wahltag legt.

Naja, angenommen, es findet am gleichen Tag statt und die Mehrheit ist - wie zu erwarten ist - hier klar pro Volksentscheid. Glaubst du, dass die Konservativen (und sonstige Gegner des Volksentscheids) dann nicht auch darauf zeigen, dass bei nicht gleichzeitiger Abstimmung der Volksentscheid gaaaanz bestimmt am Mindestquorum gescheitert wäre? (was vermutlich nicht der Wahrheit entspricht, aber behaupten kann man es erstmal…)

Ich denke daher, egal, wie es läuft, wenn der Volksentscheid durch kommt, werden sich die Konservativen im Nachhinein darüber beklagen, dass das Verfahren unfair gewesen sei. Das ist leider die politische Kultur der Post-Trump-Ära, eine Niederlage einzugestehen, wenn es auch nur den geringsten Aufhänger dafür gibt, sich zu beklagen, ist einfach leider nicht mehr die Normalität.

Der Worst Case hingegen ist, dass die Berliner Verwaltung bei gleichzeitiger Abstimmung wieder versagt. Zugegeben, ich stelle mir das auch nicht so schwer vor, das gewuppt zu bekommen, aber das historische Versagen bei der BTW lässt halt Schlimmstes befürchten (und die Organisation solcher Wahlen könnte wirklich schwieriger sein als man so denken mag). Wenn es bei der Wahlwiederholung bei gleichzeitigem Volksentscheid wieder Ungereimtheiten gäbe (z.B. ewige Schlangen, zu lange geöffnete Wahllokale, fehlende Stimmzettel) wäre das natürlich die stärkste Basis für konservative Kritik am wohl erfolgreichen Volksentscheid.

Die Abwägung ist daher aus Sicht der Verwaltung möglicherweise tatsächlich eher „Höhere Sicherheit für das gute und stressfreie Gelingen beider Abstimmungen“ versus „Zusätzliche Kosten bei getrennten Abstimmungen“. Der Vorwurf, dass die Stadtverwaltung hier politische Ziele verfolgen würde, ist vielleicht auch einfach etwas übereilt, zumindest habe ich dafür bisher keine Beweise und eigentlich auch keine klaren Indizien gefunden. Warum wird eigentlich gerade der Rot-Rot-Grünen Berliner Verwaltung zugetraut, einen klassischen grünen Volksentscheid blockieren zu wollen?

Es gab während der nun zu wiederholenden Wahl bereits einen Bürgerentscheid über die Verstaatlichung von deutsche Wohnen und Co.
Warum muss dieser nicht wiederholt werden?

Weil niemand dagegen geklagt hat.

Wer weiß, was die alles an Blödsinn erzählen wenn’s ihnen in den Sinn kommt, aber „das war undemokratisch, weil viel zu viele Leute an der Abstimmung teilgenommen haben“ ist jetzt imho ein Take, den nur hardcore Trumpisten abkaufen würden. Würde eher denjenigen entlarven, der ernsthaft dieses Argument bringt.

Weil es eine Ja/Nein-Frage war und berlinweit ein und derselbe Zettel verwendet wurde, und das hat nichtmal die Berliner Wahlorganisation geschafft zu vermasseln.

Natürlich könnte man auch hier kritisieren, dass es lange Schlangen gab, die manche Wähler vom Wählen abgehalten haben könnten und dass die Wahllokale länger als zulässig geöffnet waren. Also es hätte schon Raum für eine Klage gegeben.

Aber das Ergebnis war mit 57,6% für Ja und 39,8% für Nein so deutlich, dass selbst den Hardcore-Gegnern des Volksentscheids klar war, dass eine Wiederholung der Wahl nichts bringen würde außer zusätzlichen Kosten. Es war fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit und das Quorum wurde mit 73,5% fast zu 300% erreicht… Kurzum: Ja, man hätte dagegen klagen können, aber es hätte so offensichtlich nichts am Ergebnis geändert, dass das, was sonst als „Mandatsrelevanz“ bezeichnet wird - daher die Frage, ob die Probleme bei der Wahl das Ergebnis relevant geändert hätten - klar verneint werden kann. Daher hätte wohl auch kein Gericht hier eine Wiederholung angeordnet, selbst wenn jemand geklagt hätte.

Man könnte schon folgende Argumente bringen:
Mehrere Stunden vor dem teilweise geschlossenen Wahlbüro anstehen hat mich vom Wählen abgeschreckt.
Nach 18:00 war mir das Ergebnis schon bekannt, deshalb habe ich frustriert gegen meinen Wahlwillen gestimmt.

Schade eigentlich, dass niemand das Volksabstimmungsergebnis angefochten hat. Mit einer vermutlich deutlich stärkeren Mehrheit Pro Enteignung wie sie (These!) bei der Wiederwahl entstanden wäre, hätte der:die Nachfolger:in Giffeys es schwerer gehabt, den Wähler:innenwillen nicht umzusetzen.

Bei einer Klage zur Wahlwiederholung darf es gerade nicht darum gehen, ein anderes (oder auch besseres) Ergebnis zu erzielen, weil sich die Zustände in der Zwischenzeit verändert haben. Die Frage muss sein: Haben die Wahlfehler realistischerweise dazu geführt, dass das Ergebnis relevant verfälscht wurde (dh. war es „Mandatsrelevant“ oder „Ergebnisrelevant“), daher: Wurde der Wählerwillen wegen der Wahlfehler im Ergebnis nicht hinreichend korrekt abgebildet. Und das liegt hier nicht vor - ohne Wahlfehler wäre das Ergebnis vielleicht nicht 58 zu 40, sondern 55 zu 43 oder 61 zu 37 ausgegangen. Das sind aber keine relevanten Größen. Daher würde kein Gericht hier eine Wiederholung anordnen, dafür war das Ergebnis einfach zu deutlich, so deutlich eben, dass selbst wesentlich massivere Wahlfehler nicht zu einer relevanten Änderung geführt hätten.

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