LdN312 Wahlwiederholung und Volksentscheid über CO2 Neutralität in Berlin - gemeinsam oder getrennt?

Sie SPD geführte Innenverwaltung (Iris Spranger) will die Zusammenlegung des Volksentscheids mit der Berlinwahl (vom Bündnis ‘Berlin 2030 klimaneutral’ mit mehr als 260.000 Unterschriften erfolgreich initiiert) verhindern und zwei getrennte Wahlen durchführen.

Seht ihr irgendwelche Argumente für eine Trennung beider Wahlen?

Hintergrundinfos: Wahlwiederholung ohne Volksentscheid: Sabotage am Volksentscheid - taz.de

Zwei Beispiele: Der Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Berliner Stromnetze 2013 war mit 3,9 Millionen Euro das bisher teuerste Referendum. Er fand sechs Wochen nach der Bundestagswahl statt.

Der Volksentscheid zur Freihaltung des Tempelhofer Feldes 2014 kostete dagegen weniger als die Hälfte. Er wurde mit der Europawahl zusammengelegt.

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Aus neutraler Sicht? Nope.

Aus Sicht jener, die einen erfolgreichen Volksentscheid verhindern wollen? Natürlich.

Grundsätzlich sind Volksentscheide durch die Festlegung eines relativ niedrigen Mindestquorums (25% in Berlin, sonst oft 35%) darauf ausgelegt, unabhängig von anderen Wahlen abgehalten zu werden. Die Kombination mit einer Wahl (bei der die Wahlbeteiligung i.d.R. bei 55-75% liegt, in Berlin zuletzt 75%) ist das Quorum als Kriterium für ein Scheitern des Volksentscheides effektiv ausgehebelt, was den Erfolg des Volksentscheides wesentlich wahrscheinlicher macht.

Ich als jemand, der den Volksentscheid begrüßt, finde das natürlich gut. Aber ein Konservativer, der den Volksentscheid ablehnt, wird hier natürlich einen „ungerechten Vorteil“ gegenüber anderen Volksentscheiden, die nicht parallel mit einer Wahl ablaufen, monieren - und das ist, neutral betrachtet, durchaus nachvollziehbar, eben weil die Mobilisierung für einen Volksentscheid ungleich schwerer ist.

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Nein, denn neutral betrachtet können die Menschen auch bei einer Zusammenlegung noch mit nein stimmen oder am Volksentscheid einfach nicht teilnehmen.

Bei getrennten Terminen wird einfach versucht, die Trägheit der Menschen auszunutzen, weil eine Nicht-Teilnahme sich effektiv noch deutlicher gegen die Initiative auswirkt als eine Nein-Stimme: Letztere trägt immerhin noch dazu bei, der Abstimmung über die Schwelle des Quorums zu helfen.

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Meines Wissens gilt in Berlin ein Zustimmungsquorum von 25%. D.h. es müssen mindestens 25% der Wahlberechtigten zustimmen, und natürlich die Mehrheit der Abstimmenden. Daher wirkt eine Nichtteilnahme nicht stärker gegen die Initiative als eine Nein-Stimme.

Was aber natürlich stimmt, ist dass die Trägheit der Menschen ausgenutzt werden soll. Wer sowieso schon in der Wahlkabine steht, der denkt beim zusätzlichen Volksabstimmungszettel vielleicht eher auch mal „warum eigentlich nicht?“ und kreuzt „ja“ an, obwohl Interesse und Motivation für dieses Thema alleine nicht ausgereicht hätten, denjenigen vor die Tür zu bewegen. Da gehen dann wirklich nur diejenigen hin, die sich wirklich zumindest oberflächlich schon damit beschäftigt haben und fest dafür sind.

Letztendlich überzeugen die Argumente dafür, dass es überhaupt ein Quorum gibt, nicht. Bei Personenwahlen gibt es schließlich auch kein Quorum. Wenn bei einer Landtagswahl weniger als 60% überhaupt zur Wahl gehen, etliche davon noch „sonstige Parteien“ unter der 5%-Hürde wählen, und die kommende Regierung dann nur eine knappe Mehrheit im Parlament auf sich vereinen kann, dann liegt der Support der Regierung auch schnell mal bei 25%, ohne dass irgendjemand ernsthaft deren Leigitimität in Frage stellt. Und bei Kommunal- oder Bürgermeisterwahlen sieht es teilweise richtig finster aus. Da wird dann der OB einer Großstadt in einer Stichwahl bei 35% Wahlbeteiligung und einer knappen Mehrheit gegenüber seinen Konkurrenten gewählt, effektiv also von etwa 18% der Wahlberechtigten, ohne dass es der jeweiligen Partei etwas ausmachen würde.

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Du tätigst, wenn ich dich richtig verstehe, zwei Aussagen:

  1. Die Menschen können bei einer Zusammenlegung immer noch Nein stimmen oder nicht teilnehmen, deshalb sei aus „neutraler Sicht“ kein Grund zur Beschwerde auf Seiten der Volksentscheid-Gegner gegeben.
  2. Die getrennten Termine wollen die Trägheit der Menschen ausnutzen, um den positiven Ausgang des Volksentscheids unwahrscheinlicher zu machen

Ich sage: Choose one. Wenn die Zusammenlegung eine positive Wirkung für den Volksentscheid hat, muss man aus neutraler Sicht akzeptieren, dass sich die Volksentscheid-Gegner dadurch - nachvollziehbar - benachteiligt fühlen. Das kann man nicht durch einen Verweis auf die Möglichkeit, mit Nein zu stimmen oder nicht teilzunehmen, verwerfen.

Die Frage der Fairness von Volksentscheiden im Hinblick auf die Verbindung mit anderen Wahlen ist daher durchaus, unabhängig vom Anliegen des Volksentscheids, berechtigt. Die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Volksentscheides sollte nicht maßgeblich davon beeinflusst sein, ob zeitgleich eine Wahl stattfindet.

Um das ganze mal in Zahlen zu fassen, damit der Unterschied klarer wird:

Bei der letzten Berlin-Wahl lag die Wahlbeteiligung bei 75,4% (wegen Gleichzeitigkeit mit der Bundestagswahl), 2016 lag sie immer noch bei stolzen 66,9%. Selbst wenn wir jetzt nur von 66,9% Wahlbeteiligung ausgehen, reicht es schon, wenn 37,369% derjenigen, die an der Wahl teilnehmen, dem Volksentscheid zustimmen, um das Zustimmungsquorum von 25% zu erreichen. Bei 75,4% Wahlbeteiligung müsste sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Wähler am Wahltag gegen den Volksentscheid stimmen oder nicht daran teilnehmen, damit er abgelehnt wird (33,157% an Ja-Stimmen würden ausreichen, selbst wenn die anderen 66,843% mit Nein stimmen würden). Dass vor diesem Hintergrund ein Erfolg des Volksentscheides extrem wahrscheinlich ist, kann man denke ich kaum bezweifeln.

Ein Volksentscheid ohne begleitende Wahl hingegen würde verlangen, dass man 25% der Wahlberechtigten aktiv mobilisieren müsste, abzustimmen. Deshalb ist das Ganze auch so ein Politikum, eben weil die Entscheidung über die Trennung so eine große Auswirkung hat, weil das System der Volksentscheide mit einem Zustimmungsquorum dahingegen „balanced“ ist, dass die Volksentscheide außerhalb von Wahlen stattfinden (wäre es auf das gemeinsame Abhalten mit Wahlen ausbalanciert, würde man kein Zustimmungsquorum verlangen, sondern schlicht eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen). Anders gesagt: Das Wahlsystem „Volksentscheid“ mit Zustimmungsquorum ist nicht wirklich kompatibel mit dem normalen Wahlsystem.

Wie gesagt, ich bin für den Volksentscheid, aber ich muss auch akzeptieren und verstehen können, dass Gegner des Volksentscheides aus sehr nachvollziehbaren Gründen gegen die Zusammenlegung sind, auch wenn ich für die Zusammenlegung bin, weil sie meiner Position zum Erfolg verhelfen würde. Diese Empathie für den demokratischen Gegner sollte uns nicht abhanden kommen, weil wir sonst langfristig so enden wie die USA, was hoffentlich niemand will.

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Hä? Verstehe ich nicht. Wenn mehr Leute mit ‚nein‘ stimmen, ist der Volksentscheid in jedem Fall abgelehnt. Das 25%-Quorum ist nur eine Zusatzanforderung. Und selbstverständlich ist diese Zusatzbedingung einfacher zu schaffen, wenn gleichzeitig eine Wahl stattfindet. Aber die angebliche, demokratische Begründung für die Existenz des Quorums ist ja nicht „damit Volksentscheide schwieriger werden“, sondern „je niedriger die Beteiligung, umso weniger legitim ist das Ergebnis“, und irgendwo zieht man dann eine Grenze, wo man behauptet, da würden dann radikale Minderheiten über die Mehrheit herrschen. Aber mit genau dieser Begründung müsste man doch eigentlich nach Möglichkeit Wahltermine mitbenutzen, denn ein Volksentscheid mit 66% Beteiligung hat doch nach dieser Argumentation deutlich mehr Legitimation als einer mit 35%, von denen dann eine deutliche Mehrheit dafür gestimmt hat. Möchte man aber nicht, weil man die Gruppe derjenigen, denen das Thema einigermaßen egal ist, als technische ‚Nein‘-Stimmen vereinnahmen möchte.

Nach deiner Argumentation könnte man (als extremes Beispiel) den Volksentscheid auch auf eine Zeit dienstags von 0–3 Uhr nachts legen, und „aus neutraler Sicht“ müsste man dann akzeptieren, wenn die Gegner sich benachteiligt fühlen, wenn der Volksentscheid dann doch an einem regulären Sonntag stattfindet.

Aber ja, dass alleine die Möglichkeit für die Verwaltung besteht, durch diese Terminwahl den Ausgang zu beeinflussen, ist suboptimal. Deswegen ist in Hamburg bspw. festgelegt, dass Volksentscheide prinzipiell immer am nächsten Wahltag stattinden, außer die Initiatoren stellen den Antrag, den Termin vorzuziehen, bspw. weil die nächste Wahl noch ewig hin ist.

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Die Grünen regieren doch mit in Berlin. Gibt es da eine stillschweigende Zustimmung zu diesem Weg? Bin gespannt, wann das laute Schweigen der Berliner Grünen endet.

Mea Culpa, natürlich muss dennoch die Mehrheit für den Volksentscheid sein. Bei 75,4% Wahlbeteiligung müssten dennoch nur 33% der Wähler zustimmen, wenn die Gegner, wie bei Volksentscheiden ja oft empfohlen, sich enthalten, statt dagegen zu stimmen.

Darauf will ich letztlich hinaus:
Es sollte nicht in den Händen der Politik / Verwaltung liegen, einen so gewichtigen Einfluss, wie es die Entscheidung ob der Zusammenlegung mit der Wahl definitiv ist, ausüben zu können. Das führt dann eben im schlimmsten Fall genau dazu, dass der Politik genehme Volksabstimmungen auf Wahltage gelegt werden und der Politik unangenehme Volksabstimmungen - wie im vorliegenden Fall - trotz anstehender Wahl lieber extra abgehalten werden.

Naja, ich gehe schlicht von einem „Normalzustand“ und einer gezielten Abweichung davon aus. Das 25% Zustimmungsquorum macht aus o.g. Argumenten nur Sinn, wenn die Abstimmung nicht an einem Wahltag stattfindet, sodass dies der Normalfall sein dürfte. Ebenso wie der Normalfall in Deutschland die Abstimmung am Sonntag von 8 bis 18 Uhr ist. Jede Abweichung davon - in beide Richtungen - könnte natürlich mit Recht von der Seite, die dadurch benachteiligt wird, moniert werden (und das wäre aus neutraler Sicht dann auch nachvollziehbar). Daher: Wenn die Verwaltung sagt: „Also dieser Volksentscheid findet ausnahmsweise eine ganze Woche lang statt“ wäre etwas, worüber sich die Gegner des Volksentscheides mit Recht beschweren könnten, sagt die Verwaltung hingegen, wie von dir genannt, Dienstag von 0-3 Uhr, könnten sich selbstverständlich die Befürworter der Volksabstimmung mit Recht darüber beschweren, benachteiligt zu werden.

Natürlich kann man es auch aus der anderen Richtung aufziehen und sagen, dass Volksabstimmungen an Wahltagen der Normalfall seien - das macht denke ich auch Sinn (dank Europawahlen, Landtagswahlen, Kommunalwahlen und Bundestagswahlen steht eigentlich immer irgend eine Wahl an…), aber dann sollte man das Mindestquorum als Voraussetzung generell streichen.

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Ich arbeite für einen in Berlin zuständigen Versorger, der sich zwar voll dem Klimaschutz verschrieben hat, sich aber bei den Forderungen der Initiatoren des Klimaentscheids die Augen reibt.

Wenn wir als die Leute, die das umsetzen sollen, nicht ansatzweise verstehen wie das klappen soll (und ja ich kenne das Paper vom Fraunhofer Institut), vielleicht halten die Grünen mit Verantwortung ja gar nicht viel von den Forderungen und hoffen insgeheim auf einen Fehlschlag des Entscheids?

Es ist ja auch bezeichnend, dass die Initiatoren auf einen Konzeptentwurf gänzlich verzichten.

Die Frage ist, ob dieser Plan aufgeht. Die Befürworter klimaneutralen Berlins werden sehr motiviert sein wählen zu gehen. Bisher haben sich knapp 270.000 Berliner dazu bekannt, das sind etwas 10 Prozent der Wahlberechtigten. In den nächsten Monaten bis zur Abstimmung wird die Bekanntheit des Volksentscheides nochmal deutlich größer werden. Bislang ist die Initiative eher eine Randerscheinigung gewesen in Berlin.

Mal als Vergleich: Der Volksentscheid in Berlin, dass Stromnetz zurück zu kaufen ist mit 24 Prozent Ja Stimmen bei den Wahlberechtigten nur knapp gescheitert. Und da war die Fragestellung viel weniger spannend als die bei dem kommenden Volksentscheid.

Findet der Volksentscheid parallel zur Wahlwiederholung statt, dann besteht auch die Möglichkeit, dass der abgelehnt wird. Bei den CDU, AfD und FDP Wählern dürfte der nicht allzu beliebt sein. Es gibt durchaus einige Punkte mit denen Stimmung gegen den Volksentscheid gemacht werden kann.

Wo wird denn bitte empfohlen sich bei Volksentscheiden zu enthalten, wenn man eigentlich dagegen ist? Erscheint mir weird. Die Gegner von Volksentscheiden behaupten bloß, dass Gegner schwieriger zu mobilisieren sind als Befürworter, aber genau dann dürften die ja gegen eine Zusammenlegung mit einer Wahl eigentlich nichts einzuwenden haben.

Nein. Der „Normalfall“ sollte sein, dass möglichst viele sich beteiligen. Und falls das einmal nicht der Fall ist, meinen die Volksentscheidskeptiker, hätte der Entscheid keine Legitimation, deshalb das Quorum. Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, das Quorum würde belegen, dass eigentlich Wahltage nicht als Abstimmungstage eingeplant sind. Zumindest öffentlich behauptet niemand, dass das Quorum als Werkzeug gedacht ist, erfolgreiche Volksentscheide zu be-/verhindern. Und gerade wenn beides in nahem zeitlichen Zusammenhang stattfindet, ist es auch eine Verschwendung von Steuergeldern, beides zu entkoppeln. Man stelle sich mal vor, Berlin würde die Bezirkswahlen vier Wochen nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus stattfinden lassen, damit nur diejenigen sich beteiligen, die sich auch wirklich für Bezirkspolitik interessieren, das wäre doch absurd.

Ich wäre auch für eine Streichung, aber Wahltermine sind zeitlich nicht immer gleichmäßig verteilt, werden gelegentlich sogar auf denselben Termin gelegt, wenn’s gerade passt, und dann einen Volksentscheid für 2 oder 3 Jahre auf Eis zu legen, der vielleicht inhaltlich sogar zeitkritisch ist, wäre auch nicht fair.

CDU/AfD/DP-Wähler sind aber eine krasse Minderheit in Berlin.^^ Und man kann davon ausgehen, dass zumindest die SPD-Führung diesen Volksentscheid ebenfalls entschieden ablehnt, bei Grünen und Linken weiß ich’s nicht. Gleichzeitig müssen sie aber davon ausgehen, dass ein erheblicher Teil ihrer potentiellen Wählerschaft ihn befürwortet. Deswegen wollen sie vermutlich erstmal die Wahl hinter sich bringen, und dann „Stimmung gegen den Volksentscheid machen“.

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Gibt nur in Berliner Versorgungsunternehmen auch noch mehr als genug Menschen, die am Status Quo ganz gerne festhalten wollen. Bis vor einem Jahr war da auch Gas immer noch eine wundervolle Brückentechnologie, obwohl da recht klar war, dass das Augenwischerei war, wenn man das Klima wirklich schützen wollte. Wundert mich also nicht, dass man da kritisch eingestellt ist.

Klar ist das, was in dem Gesetzesvorschlag steht kein Zuckerschlecken. Aber das heißt nicht, dass man da kompletten Schwachsinn fordert. Vermutlich wird man sogar scheitern bis 2030 klimaneutral zu sein. Aber es mit der Aussage abzulehnen, dass sei nicht möglich ist, mit Verlaub, schlicht falsch. Technisch haben wir die Lösungen da, nicht erst seit gestern. Das größere Problem ist der Wille es überhaupt zu versuchen (da sollte man wenigstens so ehrlich sein und das auch sagen). Und da nur mal knapp: Wer im Sommer 2021 behauptet hätte wir haben eine Chance im Winter 2022 ohne russisches Gas durchzukommen und auch noch LNG-Terminals gebaut, der oder die wäre für verrückt erklärt worden.

Letztlich verpflichtet das Gesetz nur dazu auch wirklich ales dafür zu tun, damit das Ziel erreicht werden kann. Wenn das nicht klappt, dann muss effektiv kompensiert werden. Was daran nun ein Problem sein soll verstehe ich übrigens ohnehin nicht mehr.

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Das kann man so aber nicht argumentieren. Zwischen verschiedenen Volksentscheiden besteht im Normalfall keinerlei Verbindung, also konkurrieren sie auch nicht, also gibt es kein Kriterium „Gerechtigkeit“. Das wäre ja, als würde man einen Volksentscheid in Frage stellen, weil die Initiatoren besonders erfolgreich mobilisiert haben. Die Wähler können ja auch mit Nein stimmen. Da ist nichts festgelegt. Gegen günstige Bedingungen für einen VE kann man vernünftigerweise nicht sein. Aber vorschieben kann man das Argument und auf wenig Nachdenken bei den Adressaten hoffen.

Also wenn eine rechte Regierung, die gegen mehr verpflichtenden Umweltschutz aber für ein verschärftes Ausländerrecht wäre, für alle Volksentscheide, die pro-Umweltschutz sind, denkbar schlechte Bedingungen setzen würde (nie gleichzeitig mit Wahlen, dafür in den Ferien oder während der Fußball-WM), aber für alle Volksentscheide, die gegen Migranten sind, perfekte Bedingungen setzen würde (z.B. stets zusammen mit Wahlen), wäre das aus deiner Sicht gar kein Problem?!? Weil die einzelnen Volksentscheide nicht miteinander in Verbindung stehen? Sorry, aber dem kann ich nicht folgen.

Die Frage, die du dir stellen musst, ist:
Würdest du auch so argumentieren, wie du es hier tust, wenn es um einen Volksentscheid gehen würde, den du ablehnst? Wenn es z.B. einen Volksentscheid zum Minarettverbot gäbe, wie leider in der Schweiz geschehen, und die Landesregierung würde diesen gerne von einer ohnehin anstehenden Wahl trennen (weil jeder weiß, dass dies die Erfolgschancen reduziert), würdest du dich dann auch beschweren? Oder wäre das dann in Ordnung?

Das ist die neutrale Sichtweise, die ich immer einfordere und hier gerne vertrete. Der rechtliche Hintergrund darf nicht davon abhängen, ob es um ein mir sympathisches oder unliebsames Projekt geht. Die rechtliche Betrachtung, was im Hinblick auf die Durchführung eines Volksentscheids „gerecht“ ist, darf nicht vom Inhalt des Volksentscheids abhängen. Die Regeln, die wir hier aufstellen, müssen auch auf alle anderen Fälle anwendbar sein.

Wir reden hier über Grundsätze der rechtlichen Ausgestaltung von Volksentscheiden. Da darf es keine Willkür geben, das ganze muss rechtsdogmatisch sauber gelöst werden. Und genau deshalb gibt es sehr wohl einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Volksentscheiden.

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Doch, das wäre übel, aber absolut durchsichtig und das Land schon auf dem Weg zur Undemokratie. Ich muss dir aber insofern Recht geben, als zwar die VE thematisch nichts miteinander zu tun hätten, aber die jeweiligen Umstände natürlich schon vergleichbar sein müssten. Eine einheitliche Regelung (wie in Hamburg) wäre eine bessere Lösung, wenngleich auch da günstige und ungünstige Bedingungen herstellbar wären, wie @otzenpunk sagt, aber eben nicht so leicht. Und die Kostenersparnis ist auf jeden Fall ein wichtiges Kriterium.

Da bin ich absolut deiner Meinung. Es ist manchmal schwer im ersten Affekt, die neutrale Sichtweise einzunehmen oder zumindest zu bedenken.

Ich denke, wenn die Unterschriften geprüft sind:

Hallo Zusammen,

ich halte die These, dass die Wahltermine für den Volksentscheid zur Klimaneutralität und die zu wiederholenden Termine nur deshalb in dieser Weise gelegt wurden, weil man den Entscheid wahltaktisch torpedieren will, für zu weit hergeholt.

Viel wahrscheinlicher ist doch, dass man nach der Rechnung, die der Verfassungsgerichtshof vorgetragen hat, eine weitere Ballung unterschiedlicher Abstimmungen vermeiden will, denn die Minutenanzahl pro Wahlgang und die insgesamt zur Verfügung stehende Wahlzeit bleiben gleich. Herr Bröchler tut m.M.n. das Richtige.

Es mag sein, dass es sich nur um eine zusätzliche Ja/Nein Entscheidung handelt aber das ist m.W.n. bei Deutsche-Wohnen-Enteignen genau so.

Oder gibt es weitergehende Informationen, die Ihr dazu habt?

Viele Grüße und danke für Eure Arbeit!

Ich weiß nicht. Ich fand diese Minutenrechnung etwas arg weit hergeholt. Die wenigsten kommen doch völlig unvorbereitet zur Wahl, lesen sich erstmal gemütlich alle Stimmzettel durch und wählen dann den lustigsten Namen.

Ich hab in Hamburg Wahlhelfer gemacht. Da scheinen die Stimmbezirke etwas kleiner zu sein, nicht die vorgebrachten 1000–1400 Wahlberechtigten, sondern eher so maximal 1000, aber zumindest da haben dann zwei Wahlkabinen locker ausgereicht. Die meiste Zeit kamen die Leute praktisch sofort dran, zu Stoßzeiten musste man mal ein wenig warten.

Aber dass Leute durchschnittlich 3 Minuten in der Wahlkabine brauchen, halte ich für komplett übertrieben. Eher so 1 Minute, und da sind gelegentliche „Denker“, die den Schnitt hochziehen, schon mit einberechnet. Wohlgemerkt in Hamburg, wo wir zur Bürgerschaft ein Wahlverfahren mit Personenstimmen, Kumulieren und Panaschieren haben und es keine Wahlzettel, sondern dicke Wahlhefte gibt.

(Im Vorhinein mit der Wahlbenachrichtigung werden Musterversionen dieser Hefte an jeden Wähler mitgeschickt, so dass jeder sich zuhause bereits Gedanken machen kann.)

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Auf jeden Fall war es instinktlos.
BTW:

Edit: Typo

Der Berliner Senat hat die Ziele des Volksentscheids abgelehnt, selbst die grüne Spitzenkandidatin Jarasch hat sich gegen die Ziele des Volksentscheids ausgesprochen. Das Ziel des Volksentscheids ist sehr ambitioniert und dürfe nur zu erreichen sein, wenn die Bevölkerung sich selber stark einschränkt. Und deshalb bin ich mir nicht sicher, ob wirklich mehr als 50 Prozent dem Volksentscheid zustimmen würden, wenn der parallel zur Wahlwiederholung stattfindet.

Auf der anderen Seite, wer bereits über 10 Prozent der Wahlberechtigen motivieren konnte sich per Unterschrift für den Volksentscheid einzusetzen, der wird bei einer Wahl, egal zu welchen Zeitpunkt die stattfindet, auch sehr nahe an das 25 Prozent Quorum kommen. Das zeigt die Erfahrung.